Wirkung der FIFA- WM 2010 in Südafrika: Das Wichtigste im Überblick
Übersicht zu den wichtigsten Erkenntnissen der SAH-Studie: (SAH: Schweizerisches Arbeiterhilfswerk)
Die Weltmeisterschaft brachte viele Hoffnungen nach Südafrika. 55 Tage nach dem Endspiel zeigt sich ein ernüchterndes Bild: Falsche Prognosen, überrissene Erwartungen. Während die WM für die FIFA und ihre Partner ein kommerzieller Erfolg war, bleibt für die Bevölkerung in Südafrika nicht viel übrig.
Die Kosten für die südafrikanische Regierung sind um 1709% höher als erwartet - nämlich 39.2 Milliarden Rand (4,161 Milliarden Euro
) statt 2.3 Milliarden (244 Millionen Euro). Statt des prognostizierten Gewinns von 4,9 Milliarden Rand (520 Millionen Euro) resultierte für Südafrika aus der WM ein Netto-Verlust von mindestens 20 Milliarden Rand (2.1 Milliarden Euro) – bei optimistischen Schätzungen. Die FIFA hat gleichzeitig ihre Einnahmen gegenüber der WM 2006 in Deutschland 2006 um 50 gesteigert. Auf ihren Druck hin hat die südafrikanische Regierung die Gewinne der FIFA und ihrer Partner steuerbefreit. Adrian Lackay, Sprecher der Südafrikanischen Steuerbehörde (South African Revenue Service) meint sogar: "Die Privilegien und Konzessionen, welche wir der FIFA zugestehen mussten, waren schlicht zu hoch und zu erdrückend, als dass für uns monetärer Nutzen hätte entstehen können."
Entgegen den Prognosen führte die WM nicht zu neuen, dauerhaften Jobs. Bereits auf Ende Juli 2010 nahm die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr wieder um 4.7% ab. Auf dem Bau gingen zwischen Juni 2009 und Juni 2010 111.000 Jobs verloren
Die Bevölkerung Afrikas hatte nur wenig von den Fussballspielen während der WM. Entgegen den erwarteten 50.000 afrikanischen StadionbesucherInnen von ausserhalb Südafrikas wurden nur 11.300 Tickets von Menschen aus dem Kontinent gekauft. Ein Minus von 77%.
Die fünf größten Bauunternehmen in Südafrika haben dank der WM ihren Gewinn vom 790 Millionen Rand (2004, 83 Mio. Euro) auf 10.2 Milliarden Rand (2009, 1.08 Milliarden Euro) vergrößert. Das entspricht einem Gewinnwachstum von 1.300%. Die BauarbeiterInnen mussten mit 26 lokalen und einem nationalen Streik mit 70.000 Beteiligten dafür kämpfen, dass ihre Löhne wenigstens der Teuerung angeglichen wurden.
Von den zehn für die WM gebauten oder erweiterten Stadien sind mindestens drei so genannte „White elephants“, d.h. diese Stadien sind viel zu groß und viel zu teuer, als dass sie nach der WM je kostendeckend weiter betrieben werden könnten. Entgegen den Einwänden des südafrikanischen Fussballverbandes und der Vertreter der Fussball- und Cricket-Ligen wurden die Stadien auf Druck der FIFA trotzdem gebaut.
Die Löhne der CEO’s dieser fünf Unternehmen haben sich zwischen 2004 und 2009 um durchschnittlich 200% gesteigert - von 2.9 Mio. Rand (307.000 Euro) auf 8.9 Mio. Rand (945.000 Euro). Dies bedeutet, dass die Lohnschere zwischen einem normalen Bauarbeiter und den CEOs sich von 1:166 auf 1:285 vergrössert hat.
Anstatt wie 2007 vorausgesagt kamen nicht 483.000 Touristen nach Südafrika, sondern 373.000. Das ist ein Minus von 23%!
In verschiedenen Städten wurden ganze Viertel für die neuen Bauten plattgewalzt. So versuchte beispielsweise die Stadtregierung von Durban auf Druck der Fifa einen 100 Jahre alten Markt abzureissen. Dieser Markt bildet die Haupteinkommensquelle für 10.000 StrassenverkäuferInnen. Gemäss UNO wurden ausserdem mindestens 20.000 Menschen aus ihren Unterkünften in Slumvierteln vertrieben.
Die FIFA kann auch anders
Alle diese negativen Folgen der WM sind nicht unvermeidbar – im Gegenteil. Die FIFA hat die südafrikanische Zentralregierungen, die lokalen Verwaltungen und Städte mehrmals massiv unter Druck gesetzt, wenn es beispielsweise um die Steuerbefreiung aller ihrer Gewinne und derer ihrer Partner ging. Sie hätte sich auch dafür einsetzen können, dass mehr von der WM der Bevölkerung zu gute kommt. Schlussendlich setzt die FIFA die Kriterien für die Infrastrukturbauten und die Sponsoring-Partner fest.
Das Geld hätte Südafrika dringend für die Probleme seiner Bevölkerung gebraucht:
20 Millionen Menschen leben in Armut (weniger als 2 USD pro Tag)
40% der 7.5 Millionen Menschen sind arbeitslos
Noch immer fehlen gemäss Angaben der Regierung Unterkünfte für 12 Millionen Menschen. Mit den Ausgaben für die WM hätten Häuser für 2.4 Millionen Menschen finanziert werden können.
Die Kindersterblichkeit bis fünf Jahre ist von 60 Todesfällen pro 100 Geburten auf 69 gestiegen (1990 bis 2006).
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist von 62 auf 50.5 Jahre gesunken (1990 bis 2006).
Die Anzahl der Menschen, die in Slums leben hat sich von 8.2 auf 8.4 Millionen erhöht (1990 bis 2001).
Die Zahl der AIDS Waisen hat sich innert fünf Jahren verdoppelt: Von 660.000 auf über 1.2 Millionen (2001 bis 2005). Offiziell leben 5.7 Millionen Menschen mit AIDS, 18.1% der Bevölkerung sind mit dem HI-Virus angesteckt.
Während die reichsten 20% der Haushalte konstant ca. 62% des Einkommens verdienen, kommen die ärmsten 40% nur auf knapp 10% (1994 bis 2007).
Südafrika liegt auf Platz 116 der Länder mit den grössten Einkommensunterschieden (Gini‐Index von 57.8).
Aus: Eddie Cottle,in: Schweizerisches Arbeiterhilfswerk, Externer Link: http://www.solidar.ch/data/D23807E0/BilanzWM2010-Das%20wichtigste%20im%20Ueberblick.pdf (04.06.2014).
Arbeitsaufträge:
Fasst die wichtigsten Ergebnisse des SAH über die WM 2010 in Südafrika stichpunktartig zusammen.
Notiert mithilfe von M 04.02.01 die Punkte, an denen die Erwartungen an die WM in Brasilien nicht erfüllt werden könnten. Versucht anhand eines Vergleiches von M 04.02.01 und M 04.02.02 zu antizipieren, an welchen Stellen die WM in Brasilien aus dem Ruder laufen könnte. (z.B. Finanzierung, Planung/Organisation, Verbesserung der Infrastruktur, Zustimmung der Bevölkerung)
Bereitet euch für die Talkshow vor, indem ihr euch mit den Argumenten für die Pro-Seite als auch für die Contra-Seite kritisch auseinandersetzt.
Eine Druckversion des Arbeitsblatts steht als Interner Link: PDF-Datei zur Verfügung.