Der Lehrperson obliegt es, eingangs durch einen geschickten Impuls die Vorfreude auf die WM 2014, insbesondere im eigenen Land nach der Vergabe an Brasilien (2007), aufzugreifen und mithilfe des Protestsongs "Desculpe, Neymar" (
Gemäß der Theorie der „kognitiven Dissonanzen“ (L. Festinger) werden wir im Alltag mit Informationen, die nicht ins Bild passen und die uns evtl. die (Party-)Laune verderben, häufig in der Weise fertig, dass wir sie gar nicht wahrnehmen (wollen) oder einfach verdrängen. Auch die Medien antizipieren diese Erwartungen ihrer Leser/-innen bzw. Zuschauer/-innen und glätten bisweilen im Sinne ihrer Kundschaft die Berichterstattung, da unangenehme (dissonante) Botschaften die Einschaltquoten nicht erhöhen.
Daher soll in diesem Baustein den Dissonanzen bewusst ein Platz eingeräumt werden.
Nachdem über den Einstieg die Problemstellung aufgeworfen wurde, beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler intensiver mit der Problemfrage „Wer sind die Gewinner und Verlierer der WM in Brasilien?“, indem sie eine Talkshow zu diesem Thema vorbereiten. Die sportliche Metapher wird bewusst gewählt, sie wird aber nicht im Sinne einer Prognose über die Gewinnaussichten der nationalen Mannschaften verstanden, sondern lenkt die Fragen auf die sozialen, ökonomischen und organisatorischen Rahmenbedingungen, die mit einer solchen Großveranstaltung verbunden sind.
Jeweils eine Gruppe bearbeitet eines der ausgewählten Themen wie z.B.: Konsequenzen für Brasilien als Austragungsland; die Rolle der FIFA sowie die Rolle der Sponsoren. Zur Aufgabe der Gruppe gehört es, neben den positiven Erfolgsmeldungen, schönen Landschaftsaufnahmen („Brasilien das letzte Paradies“) und folkloristischen Berichten auch die kritischen Informationen festzuhalten und in Form von Spickzetteln vorzubereiten, welche als Basis für die Vorbereitung des späteren Rollenspiels dienen. Die kognitiven Dissonanzen, die in den Berichten über die WM in Brasilien zweifelsohne existieren, werden so sicherlich nicht vollständig, aber doch hinreichend deutlich und exemplarisch über die Rollen der Teilnehmer/-innen in der Talkshow präsentiert. Im Planungsgespräch sollte die Lehrperson den Sinn dieser didaktischen Inszenierung vermitteln, insbesondere darauf eingehen, dass es sinnvoll ist, sich auf eine geringe Anzahl an Themenbereichen zu beschränken und beispielsweise nur drei Themenaspekte vorzubereiten (u.a. wegen der Zeitknappheit und wegen der benötigten und dazu vorbereiteten Materialien). Zu jedem Thema sollten positive wie kritische Aspekte aufgearbeitet und jeweils in einer Rolle komprimiert verarbeitet und präsentiert werden. Die Moderation der Talkshow kann die Lehrperson übernehmen; schülergemäßer wäre es sicher, wenn auch diese Rolle von ein bzw. zwei Schülerinnen oder Schülern vorbereitet und umgesetzt würde. Sieben Rollen (Moderator/-in sowie pro AG eine Pro- und eine Contra-Stimme, ggf. auch zwei Moderator/-innen) sind somit von den Schülerinnen und Schülern in der Talkshow zu besetzen. Um die Arbeit zwischen den Gruppen und dem Moderator(-enteam) abzustimmen, wird vorab als Vorschlag und zur ersten Orientierung eine Liste der möglichen Themen und Leitfragen für die Moderation (
Es ist sicher für die Sachhaltigkeit und die Lebendigkeit der Diskussion sehr förderlich, wenn die „Kontrahent/-innen“ der Talkshow vorher in der thematischen Gruppe ihre jeweilige Sichtweise schon austauschen. So lernen sie die Argumente des Gegners zu antizipieren und den Kern der eigenen Aussage auch sprachlich in prägnanten Formulierungen zuzuspitzen. Denn in dieser Art der Talkshow geht es nicht darum, durch rhetorische Kniffe die eigene Position aufzubauschen oder gar rechthaben zu wollen, sondern darum, den sachlichen Kern der Kontroversen um die WM in Brasilien herauszuarbeiten und sprachlich darzustellen, soweit Jugendliche dies auf der Basis der ausgesuchten Materialien und in der vorhandenen Zeit schaffen können.
Zur Vorbereitung der Rollen liegen folgende Materialien vor:
Befriedete Favela in Rio de Janeiro (© Sabine Kühmichel)
Befriedete Favela in Rio de Janeiro (© Sabine Kühmichel)
Wie das in TV-Talkshows häufig üblich ist, kann die Inszenierung auch in der Schule durch „geladene Gäste“ oder durch fiktive Interviews noch erweitert werden, die dann entsprechend in Zusatzgruppen vorbereitet werden. Als Vorschläge sind hier drei „Einspielungen“ bzw. Gäste vorgesehen und durch Materialien entsprechend unterstützt:
ein Interview mit dem ehem. brasilianischen Fußballstar und jetzigen Politiker Romário (
Interner Link: M 04.4.01 undInterner Link: Info 04.4.01 ),ein Interview mit dem Brasilienexperten Dr. D. Pfeiffer (
Interner Link: M 04.4.02 )und ein Bericht über das Kinder- und Jugendprojekt „Durch Fußball aus der Armut“ des Ex-Profifußballers Jorginho (
Interner Link: M 04.4.03 )
Wichtig ist, dass die Moderation den Zeitpunkt und die Stellen, an denen die „Einspielungen“ eingebaut werden, mit den Zusatzgruppen gut abstimmt. Insgesamt ist darauf zu achten, dass der zeitliche Rahmen von ca. einer Doppelstunde eingehalten wird. Die Moderation kann anhand der abgestimmten und verfeinerten Leitfragen einen Ablaufplan erstellen, in dem auch die Zeitkontingente für die jeweiligen Themen und Beiträge vorgesehen sind. So ist gewährleistet, dass keine Gruppe sich mit ihrem Thema „zu breit macht“ und andere dann zu kurz kommen. Falls die Schülerinnen und Schüler es wünschen, können auch andere Jugendliche der Schule zu dieser Talkshow eingeladen werden, was angesichts der allgemeinen Fußballeuphorie sicher auf gute Resonanz stoßen dürfte.
Den Schülerinnen und Schülern sollte im Planungsgespräch und während der Umsetzung durchaus deutlich werden, dass mit dieser anspruchsvollen didaktischen Konzeption der von ihnen vorbereiteten und durchgeführten Talkshow eine gewisse Herausforderung (Anstrengung) verbunden ist, die nicht alltäglich ist, dass aber die Leistung und der Ertrag für alle Beteiligten lohnend sein und in guter Erinnerung bleiben werden. Mit dieser Inszenierung gelingt es, das große Interesse der Jugendlichen für die WM 2014 und die im Laufe des Turniers sicher zunehmende brasilianische Fußballeuphorie aufzugreifen und zu nutzen, um einen fruchtbaren Boden zu schaffen und viele Anknüpfungspunkte zu bieten für die Aufnahme und Verarbeitung wichtiger auch kritischer (dissonanter) Informationen über die Einstellungen im eigenen Land, über das Land Brasilien (voller Widersprüche) und die Fußball-WM 2014 (mit ihren vielen Überraschungen) insgesamt.
Ein tabellarischer Verlaufsplan zu Baustein 4 liegt als Interner Link: PDF-Datei zum Ausdrucken vor.