Einführung
Wie schon zu den vorangegangenen Fußballländerspielen bietet auch das WM-Jahr 2014 einen geeigneten Rahmen dafür, dass Jugendliche Befragungsprojekte in Schule und Jugendbildung durchführen. Dabei wird das Nationalbewusstsein in der Zielgruppe junger Menschen thematisiert, selbst erforscht sowie kritisch bewertet und analysiert, wie Identifikation mit der eigenen Herkunft und Interesse an anderen "zusammenpassen". Dazu werden neben dem Meinungsbild der jugendlichen Bevölkerung deutscher und ausländischer Herkunft auch die Berichterstattung nationaler und internationaler Medien zur Weltmeisterschaft untersucht.
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Auch wenn sich nach der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land einiges geändert hat, so ist das Nationalbewusstsein der Deutschen nach wie vor ein schwieriges Thema in der Gesellschaft und im Politikunterricht. Wer sich dazu bekennt, "stolz auf Deutschland" zu sein, gerät schnell in den Verdacht, Nationalist zu sein – mehr, als dies bei anderen Nationen der Fall ist. Aber Identifikation mit einer Nationalmannschaft und Interesse an anderen Nationen schließen sich angesichts eines medial vermittelten "Spiels der Nationen" nicht aus.
Selbst- und Fremdwahrnehmung werden durch internationale Wettkämpfe zum Thema der öffentlichen Diskussion. Gerade der Sport und insbesondere der Fußball hat es – vor allem während der großen internationalen Turniere – immer wieder geschafft, ein Nationalgefühl bei Fans und Zuschauern zu wecken bzw. zu stärken. Überdeutlich wurde dies bei der Begeisterung, die die deutsche Nationalmannschaft 2006 bei der WM im eigenen Land ausgelöst hat - obwohl es "nur" zum dritten Platz gereicht hat. In der neueren Geschichte Deutschlands können das "Wunder von Bern" 1954, der Sieg bei der WM im eigenen Land 1974 oder der Gewinn der Weltmeisterschaft in Rom 1990 nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten, aber auch die Vize-Weltmeisterschaft 2002 in Japan als Beispiele nationaler Euphorie genannt werden. Doch es gibt auch die negativen Seiten eines übersteigerten Nationalstolzes: Ausschreitungen von Hooligans sowie ausländerfeindliche bzw. rassistische Übergriffe und Äußerungen unter den Fans.
Jugendliche, besonders diejenigen, die sich auch jenseits internationaler Turniere für Fußball interessieren, werden interessiert die Möglichkeit nutzen, hinter die Kulissen der Fußball-WM zu schauen.
Ziel des Unterrichts-Projektes
Die Jugendlichen werden durch die Beschäftigung mit den Themen der Unterrichtsreihe in die Lage versetzt, die tagesaktuellen Ereignisse rund um die Fußball-WM bewusster wahrzunehmen und aufgrund ihrer Hintergrundinformationen reflektierter zu beobachten. Die nationale Begeisterung der Fans, die mediale Berichterstattung, die Werbung mit Fußball-Motiven, die Begegnung von Menschen aus aller Welt u.a. kann in Bezug zu den Unterrichtsinhalten gebracht werden. Durch die gezielte Auswahl der Materialien ergeben sich darüberhinaus immer wieder Möglichkeiten, die verschiedenen Nationalitäten bzw. unterschiedliche Herkunftsländer der Schülerinnen und Schüler in der Klasse in das Unterrichtsgeschehen mit einzubeziehen.
Die Unterrichtskonzeption unterstützt in hohem Maße die Eigenständigkeit und Eigentätigkeit der Schülerinnen und Schüler. Mit der Durchführung einer Jugendbefragung an der eigenen Schule wird das Thema "vor Ort" forschend erkundet und die Anbindung an die unmittelbare Lebens- und Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler gewährleistet. Gleichzeitig wird der Computer als ein wichtiges Werkzeug in den Politikunterricht eingebunden. Technik-distanzierte Jugendliche können so wichtige Erfahrungen sammeln, indem sie die Bestätigung finden, dass sie in kurzer Zeit in der Lage sind, einen Computer als nützliches Werkzeug zu benutzen, um beispielsweise Daten einzugeben und diese kompetent auszuwerten.
Ferner orientiert sich die Unterrichtsreihe am Konzept der "Öffnung von Schule" und bemüht sich um eine verstärkte Integration handlungs- und produktorientierter Elemente in den gewohnten Schulalltag. Dabei kommt es wesentlich darauf an, die Schülerinnen und Schüler an der Planung und der prozesshaften Gestaltung des Unterrichts zu beteiligen sowie ihnen die konkrete Erfahrung zu vermitteln, dass ihre Vorstellungen und Erwartungen ernst genommen und im Unterricht berücksichtigt werden.
Diese Wirkung wird dadurch verstärkt, dass die im Unterricht oder in der außerschulischen Bildungsarbeit erstellten Produkte (z.B. die Ergebnisse der Jugendbefragung zum Thema "Nationalbewusstsein und Fußball") einer interessierten Öffentlichkeit präsentiert werden. Die dadurch ausgelöste positive Resonanz dürfte erfahrungsgemäß das Interesse der Jugendlichen an politischen Sach- und Streitfragen nachhaltig stärken.
Baustein-Übersicht
Es handelt sich hier nicht um eine abgeschlossene Unterrichtsreihe, die von der ersten bis zur letzten Einheit durchgeführt werden muss, sondern um ein Angebot, das nach dem Bausteinprinzip aufgebaut ist und entsprechend variabel eingesetzt werden kann. Auch wenn aus zeitlichen oder organisatorischen Gründen keine eigene Befragung durch die Schülerinnen und Schüler durchgeführt werden kann, stehen genügend Materialien für die inhaltliche Auseinandersetzung zur Verfügung.
Baustein 1: Einstieg und Leitfragen – "Alle im gleichen Rhythmus"!?
(Verbindung der Begriffe Fußball, nationale Identität, Selbst- und Fremdbilder und Entwicklung der Ausgangsfragen für die Jugendbefragung)
Baustein 2: "Die Hymne gehört dazu!" – Nationale Symbole beim Fußball
(Staatliche Symbole, Begriffsdefinitionen von Nation, Nationalismus und Patriotismus, Gefahren von Patriotismus sowie die Problematik hinter der Verpflichtung der Spieler, die Hymne zu singen)
Baustein 3: "Wir" bei der WM in Brasilien! – Identifikation mit der Nationalmannschaft
(Wer gehört alles zur Nationalelf? Worin besteht die Faszination der Fußball-WM? Fußball schafft (nationales) "Wir"-Gefühl)
Baustein 4: Nur Gewinner? Medien, Kommerz und die Fußball-Turniere
(Wie machen die Medien Stimmung? Wer profitiert von internationalen Fußball-Turnieren? Wer verliert? - Fifa, Gastgeberland Brasilien, Sponsoren)
Baustein 5: Die Meinung der Jugend – Durchführung und Auswertung der Befragung
(Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zu Nation und Fußball; Klassen-, Jahrgangsstufen- oder Schulberfragung; hypothesenorientierte Daten-Auswertung der Befragung; Nutzung eines Musterfragebogens in GrafStat möglich)
Baustein 6: Präsentation der Projekt-Ergebnisse
Sicherung/Veröffentlichung der Ergebnisse in einer Ausstellung, Internet-Dokumentation, in einem Artikel für die Lokal- oder Schülerzeitung o.ä.)
Baustein 7: Abschluss und Bewertung des Projektes
(Abschließende Evaluation des Projektes aus Sicht der Schülerinnen und Schüler und aus Sicht der Lehrpersonen)
Bei den hier vorgestellten didaktischen Bausteinen handelt es sich nicht um einzelne Unterrichtsstunden, sondern um Themenbereiche, deren Bearbeitung in der Regel mehrere Unterrichtsstunden in Anspruch nimmt. Die/der Lehrende kann die Schwerpunkte ganz nach seinen Bedürfnissen und denen der Jugendlichen setzen, indem er einige Sequenzen auswählt und intensiver behandelt, andere hingegen kürzt, variiert oder zuweilen ganz auf ihre Bearbeitung verzichtet. Es besteht nicht die Notwendigkeit, die Bausteine der Reihe nach zu behandeln. So kann beispielsweise die Befragung durchgeführt werden, ohne zuvor auf die Bausteine 2-4 einzugehen.
Die einzelnen Bausteine enthalten ein in Phasen gegliedertes Artikulationsschema des Unterrichtsverlaufs (tabellarischer Verlauf) sowie einen didaktische Planungshinweise (zu Inhalt, möglichen Intentionen, Methoden und Medien). Um dem Projektcharakter Rechnung zu tragen, wurde bei den Bausteinen 5 und 6 (Durchführung der Umfrage; Präsentation der Ergebnisse) auf eine in Phasen gegliederte Verlaufsplanung verzichtet. Vielmehr wurden die notwendigen Arbeitsschritte in Form einer "Checkliste" angelegt, die wiederum um eine Fülle hilfreicher Hinweise und praktischer Tipps für die Lehrperson ergänzt wurde.
Hilfestellung
Die hier vorliegenden umfangreichen Arbeitshilfen richten sich zunächst und vorrangig an Lehrerinnen und Lehrer sowie an Jugendgruppenleiter und -leiterinnen, die bereit und in der Lage sind, solche Projekte mit und für Jugendliche im lokalen Raum durchzuführen. Der GrafStat Redaktion ist durchaus bewusst, dass viele Lehrpersonen mit diesem Projekt Neuland betreten. Durch die Bereitstellung der gut miteinander verzahnten Arbeitsmittel wie Sachanalyse, didaktischer Planungsvorschläge, gezielt ausgesuchter Unterrichtsmaterialien und des benutzerfreundlichen Computerprogramms GrafStat, das über mehrere Jahre entwickelt sowie in der Praxis erprobt wurde, stellen wir eine sehr leistungsfähige und benutzerfreundliche Infrastruktur für die Lehrpersonen bereit.
Informationen zur Durchführung einer eigenen Befragung finden Sie in Baustein 5. Bei Problemen oder Fragen während der Durchfühurung Ihrer eigenen Befragung können Sie zudem über eine Hotline (per eMail an E-Mail Link: info@forschenmitgrafstat.de) beim Team Forschen mit GrafStat am Fachbereich Erziehungs- und Sozialwissenschaften der Universität Münster unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Sander Hilfe und Unterstützung bekommen.