Solche Aussagen hast du sicher schon häufiger von anderen Jugendlichen gehört oder eventuell auch selbst geäußert. Sie legen nahe, dass Jugendliche sich nicht für politische Themen interessieren oder es ihnen sinnlos erscheint, sich politisch zu engagieren und für die eigenen Belange einzusetzen. Studien belegen jedoch, dass Jugendliche gar nicht so unpolitisch sind, wie es häufig dargestellt wird. Sie interessieren sich sehr wohl für Politik, (gesellschafts-)politische Themen oder ihre Belange (z. B. für eine sinnvolle Freizeitgestaltung, hilfsbedürftige Menschen oder den Umwelt- und Tierschutz). Beliebte Formen der politischen Partizipation sind weniger die Mitgliedschaft in einer Partei oder anderen politischen Organisationen. Jugendliche bevorzugen eher kurzfristige unverbindliche Formen (z. B. Unterschriftenaktion, Protestversammlungen oder Bürgerinitiativen). Dies liegt u.a. daran, dass unmittelbar Erfolgserlebnisse, die für die Motivation wichtig sind, geschaffen werden. Abgesehen von offeneren und flexibleren Formen der Partizipation gibt es eine Reihe anderer Anreize für Jugendliche sich zu engagieren. Mehrere Gründe können Kinder und Jugendliche davon überzeugen, sich stärker an der Gestaltung ihrer Umwelt zu beteiligen:
Ihr seid die Experten!
Wenn es um die Belange von Kindern und Jugendlichen geht, können diese am besten Auskunft darüber geben und entscheiden, was wirklich wichtig ist. Durch Gespräche, Ortsbegehungen und Befragungen erhalten Fachplaner beispielsweises wichtige Hinweise für die Bestandsanalyse und die Bewertung dessen, was für die Betroffenen wirklich wichtig ist, z. B. wenn es um die Neugestaltung ihres Wohnumfelds, ihres Spielraums oder ihres Parks geht. Auch bei bildungspolitischen Entscheidungen (z. B. Gestaltung von Schule, Ausbildung und Studium) ist es wichtig, die Perspektive von Jugendlichen zu berücksichtigen, schließlich geht es hierbei um deren Zukunft.
Nur wer aktiv wird, kann auch was verändern! Wenn man möchte, dass sich etwas ändert, dass sich die eigene Situation bessert oder man mitbestimmen darf, dann muss man selbst aktiv werden und die Rechte auf Mitbestimmung wahrnehmen bzw. einfordern. Kinder und Jugendliche, die erleben, dass sie mitbestimmen und mitgestalten können, erfahren und erleben dabei demokratische Strukturen. Mitbestimmung ist gelebte Demokratie. Partizipationsprojekte zeigen, dass es auch in kleinem Rahmen und ohne Wahlrecht möglich ist, etwas zu verändern, Prozesse anzustoßen oder Entwicklungen, die man nicht befürwortet, zu verhindern.
Partizipation tut gut!
Die Erfahrung, dass das eigene Handeln die gewünschten Effekte erzielt, wirkt sich sehr positiv auf die Beteiligten aus. Zum einen wirkt sie der zunehmenden Resignation und Unzufriedenheit entgegen, welche sich vielerorts in Wahlmüdigkeit, Frustration und auch in Zerstörungsdrang äußert und motiviert zudem, sich weiter aktiv zu beteiligen, Dinge zu verändern und sich für die eigenen Interessen und Belange einzusetzen. Zum anderen stärken die Erfahrungen, die man bei Beteiligungsprozessen machen kann auch den sich engagierenden Menschen selbst. Man lernt, Dinge zu organisieren, sich durchzusetzen, mit Spannungen umzugehen, Verantwortung zu übernehmen, im Team zu arbeiten und selbstständiger zu werden. Darüber hinaus lernt man in Beteiligungsprojekten häufig nette Menschen kennen.
Doch auch auf die Gesundheit kann sich Partizipation positiv auswirken. Die Wichtigkeit von Partizipationsmöglichkeiten für die eigene Gesundheit wird in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung deutlich gemacht:
"Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die allen ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen." (Weltgesundheitsorganisation (WHO), Ottawa-Charta, Ottawa 1986, S. 5)
Stichwort "Salutogenese"
Auch nach dem salutogenetischen (= Gesundheit schaffenden) Gesundheitsmodell von Aaron Antonovsky spielt das sog. "Kohärenzgefühl" eine wichtige Rolle für die Gesundheit. Der Mensch wird in diesem Modell als aktiver Gestalter seines Lebens gesehen. Je größer seine Möglichkeiten sind, die Welt zu begreifen und das eigene Leben zu verstehen sowie zu beeinflussen, umso ausgeprägter sind seine Gesundheit und sein Wohlbefinden. Das heißt also, dass Teilhabe und Mitwirkung im eigenen Umfeld eure Gesundheit insgesamt verbessern kann. Daher sind altersgemäße Partizipationsmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendliche eine unverzichtbare Voraussetzung für die Entstehung des Kohärenzgefühls als Lebensorientierung und als Elemente der Gesundheitsförderung. (Vgl. BMFSFJ: 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, 2009).
Weiterführende Literatur:
Shell Deutschland Holding (Hrsg.): 16. Shell Jugendstudie. Jugend 2010. Eine pragmatische Generation. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 2011.
Bundesregierung (BMFSJ): 13. Kinder und Jugendbericht, 16. Legislaturperiode, 2009, Externer Link: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/13-kinder-jugendbericht,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
Weltgesundheitsorganisation (WHO): Ottawa-Charta, verabschiedet auf der ersten Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung am 21. November 1986 in Ottawa, Externer Link: http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/129534/Ottawa_Charter_G.pdf, S. 5
Aufgaben
Lies dir den Text durch und markiere Stichworte, die Gründe für Beteiligung und Partizipation benennen.
Verfasse unter Berücksichtigung dieser Gründe (und ggf. neu recherchierter Aspekte) ein Plädoyer bzw. eine kurze Rede, die andere Jugendliche zu Mitwirkung und Engagement motiviert.
Eine Druckversion des Arbeitsblatts in Interner Link: PDF-Format finden Sie hier.