Etappen internationaler sportbezogener Entwicklungszusammenarbeit
Im Zuge humanitärer Hilfsaktionen nach Naturkatastrophen und in Geflüchtetenunterkünften wurde Sport zunächst punktuell genutzt, um benachteiligten Menschen oder Bevölkerungsgruppen durch Sport und Spiele Ablenkung und Zuversicht zu vermitteln. Zentrale Akteure waren hierbei die Regierungen der Nationalstaaten, die – vielfach in Kooperation mit den Sportverbänden – vor allem finanzielle und personelle Unterstützung leisteten.
In den 1980er- und 1990er-Jahren begannen internationale Entwicklungshilfsorganisationen und NGOs dann verstärkt auf Sport und Bewegung als Instrumente für Bildung und Gesundheitsförderung zu setzen. Die Programme und Aktivitäten sind vor allem auf Schulen und lokale Gemeinschaften ausgerichtet, um Bildungschancen und die Gesundheitsförderung zu verbessern.
Im Zusammenhang mit den Millenniums-Entwicklungszielen (MDGs), die insbesondere auf Länder des globalen Südens ausgerichtet waren, lenkten auch die Vereinten Nationen (VN) den Blick explizit auf den „Sport als Mittel zur Förderung von Bildung, Gesundheit, Entwicklung und Frieden“. Die Generalversammlung verabschiedete 2003 eine entsprechende Resolution und proklamierte 2005 als das International Year for Sport and Physical Education.
QuellentextFriedensförderung der VN
Beispielhaft für das Engagement der VN steht das Friedensspiel der brasilianischen Fußballnationalmannschaft in Haiti im Jahre 2004. Als Brasilien die Leitung der VN-Mission zur Stabilisierung des Inselstaates übernahm, setzte man gezielt auf den Fußball. Die Mannschaft des Weltmeisters von 2002 wurde mit all ihren Stars um Ronaldo und Ronaldinho zu einem Freundschaftsspiel nach Haiti eingeflogen, um zur Pazifizierung des vom Bürgerkrieg aufgeriebenen Landes beizutragen. Nachdem die brasilianische Mannschaft unter dem Jubel der Haitianerinnen und Haitianer in gepanzerten Personentransportern der VN mit geöffneten Luken nach Port-au-Prince gebracht worden war, appellierte Mannschaftskapitän Ronaldo im Stadion in einer Ansprache an Frieden und Gesundheit.
Zuvor war bereits durch den damaligen VN-Generalsekretär Kofi Annan im Jahr 2001 das United Nations Office on Sport for Development and Peace in Genf eingerichtet und die Position eines Sonderberaters des VN-Generalsekretärs für Sport mit den Schwerpunkten Frieden und Entwicklung etabliert worden. Nach dem ersten Sonderberater, dem ehemaligen Schweizer Bundesrat Adolph Ogi, übernahm 2007 der frühere Bremer Senator und Fußballmanager Willi Lemke diese Position. Sportpolitisch kontrovers diskutiert wurde, dass das Büro 2017 aufgelöst und auf Betreiben des Internationalen Olympischen Komitees eine direkte Partnerschaft zwischen den Vereinten Nationen und dem IOC verkündet wurde.
Zur Vernetzung der Aktivitäten der zahlreichen Akteure war 2002 eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zum Thema Sport für Entwicklung und Frieden durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen eingerichtet worden. Aus dieser ging im Kontext der Olympischen Spiele 2004 in Athen ein Forum von Politikern und Entwicklungsexpertinnen unter Federführung der NGO Right to play hervor, das 2008 grundlegende Empfehlungen für Regierungen vorlegte, wie die Macht des Sports für Entwicklung und Frieden nutzbar zu machen sei.
Die erhebliche Dynamik dieser Phase ist vor allem auf die Vereinten Nationen zurückzuführen. Durch deren Impulse wurde die Rolle des Sports in der Entwicklungszusammenarbeit aufgewertet und zum legitimen Instrumentarium erhoben. Die hohe symbolische Bedeutung der VN-Aktivitäten dokumentiert auch der seit 2014 auf Beschluss der VN-Generalversammlung jeweils am 6. April gefeierte „Internationale Tag des Sports für Entwicklung und Frieden“.
Ein wichtiger Parallelstrang stellte in der Zeitphase um die Jahrtausendwende die verstärkte Nutzung des Sports als Instrument für Friedensförderung und Versöhnung in Konfliktgebieten dar. Sport wurde hierbei insbesondere als Plattform für Dialog und Zusammenarbeit zwischen Konfliktparteien genutzt, um Brücken des Verständnisses zu bauen und den Friedensprozess zu unterstützen.
Die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen in Länder des globalen Südens hat in den 2010er-Jahren dazu geführt, dass vor allem Förderprogramme in den jeweiligen Ausrichterstaaten aufgelegt wurden. Im Gefolge der Verabschiedung der Sustainable Development Goals (SDGs) und der Agenda 2030 der Vereinten Nationen wird in den 2020er-Jahren der Fokus verstärkt auf den Sport als Instrument für soziale Inklusion und Empowerment von marginalisierten Bevölkerungsgruppen wie Frauen, Menschen mit Behinderungen und vor allem Kinder und Jugendliche gelegt. Zugleich rückten neue Handlungsfelder wie Gesundheitserziehung und -prävention sowie Konfliktnachsorge und Traumabewältigung im Fluchtkontext ins Blickfeld. Seitens der Vereinten Nationen wurde im Dezember 2018 in einer von der Generalversammlung angenommen Resolution die Rolle des „Sport als Wegbereiter von nachhaltiger Entwicklung“ hervorgehoben.
Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechtspolitik
Mittlerweile werden Sport und Entwicklungszusammenarbeit unter der Bezeichnung „Sport für Entwicklung“ (SfE) in zahlreichen Kontexten aufeinander bezogen. Grundlegend wird dabei zwischen der Förderung von Kompetenzen auf der Persönlichkeitsebene und der Unterstützung struktureller Prozesse in den Zielländern unterschieden. Zentrale Bedeutung auf der Persönlichkeitsebene wird dabei den Multiplikatoren beigemessen, die als Trainer oder Sozialarbeiterinnen die SfE-Aktivitäten vor Ort umsetzen. Auf der strukturellen Ebene kommt hingegen Staaten eine herausgehobene Bedeutung zu. Trotz anhaltender Kritik an fehlender systematischer Evaluierung und an den Top-Down-Strukturen der sportbezogenen Entwicklungszusammenarbeit wird Sport mittlerweile von zahlreichen Staaten, darunter auch zunehmend Schwellenländer, sowie einer kaum überschaubaren Anzahl von NGOs systematisch als Instrument eingesetzt.
Die sportbezogene Entwicklungszusammenarbeit unterscheidet sich dabei nicht grundsätzlich von anderen Bereichen, wenn auf Ziele wie Geschlechtergleichstellung, Stärkung von Selbstvertrauen und Förderung sozialer Integration gesetzt wird. Angesichts der vergleichsweise niedrigschwelligen Zugangsmöglichkeiten wird dem Sport jedoch besonders großes Mobilisierungspotenzial für soziale Interaktion und Integration zugesprochen, da er Menschen leichter als in anderen Bereichen zusammenbringen kann und ihnen die Möglichkeit eröffnet, gemeinsame Interessen zu teilen. Sportliche Aktivitäten in Gruppen oder Teams können den Zusammenhalt stärken, Teamwork fördern und helfen, soziale Bindungen zu knüpfen und Freundschaften zu schließen.
Die Entwicklungszusammenarbeit spiegelt dabei stets auch die Interessen und Werte der Geberländer wider. Während in vielen OECD-Staaten Menschenrechte und Demokratie zentrale Eckpfeiler der sportbezogenen Entwicklungszusammenarbeit bilden, setzen andere Staaten stärker auf das Zusammenwirken mit geostrategischen nationalen Zielen.
Wie vielschichtig die Interessen und Zugänge im Zusammenspiel von Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechtspolitik sind, zeigt auch das Beispiel der Schweiz. Die stark auf Neutralität ausgerichtete Schweiz hat im Zuge ihrer außenpolitischen Strategie sowie ihrer Menschenrechtsleitlinien 2021–2024 die Einhaltung von Menschenrechten im Sport zur Priorität erklärt. Vor diesem Hintergrund fördert das Auswärtige Amt der Schweiz das 2018 gegründete „Zentrum für Sport und Menschenrechte“, das 2021 in einen unabhängigen Verein nach Schweizer Recht mit Sitz in Genf überführt wurde. Die auch 2018 gegründete und in der Schweiz ansässige Sport & Rights Alliance setzt sich als Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften ebenfalls für die Förderung und den Schutz von Menschenrechten im Sport ein.
In die Verantwortung genommen werden damit auch verstärkt Sportorganisationen mit Sitz in der Schweiz. Mit der im Jahre 2017 veröffentlichten FIFA-Menschenrechtsstrategie wurde dann ein umfassendes strukturorientiertes Gesamtkonzept vorgelegt, das sowohl für Sportgroßereignisse als auch für die weiteren FIFA-Aktivitäten die Richtschnur bilden soll. Das Internationale Olympische Komitee folgte im Juni 2020 mit der Verabschiedung einer eigenen Menschenrechtsstrategie. Welche Bedeutung diese Strategien entfalten, wird vor allem im Zuge der nächsten Vergabeprozesse deutlich werden, wenn sich die Gastgeberstädte schon in den Ausrichterverträgen zur Einhaltung von Menschenrechten verpflichten müssen und entsprechende Verstöße dann auch sanktioniert werden können.
Zwischen Trainerausbildung und Sektorvorhaben „Sport für Entwicklung“
In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Sport in den 1960er-Jahren zunächst im Sinne des Sportdiplomatie-Konzepts für den Ausbau politischer Beziehungen genutzt. Anlass waren Anfragen von Sportorganisationen aus Ländern des globalen Südens an das Auswärtige Amt (AA) und an deutsche Sportverbände, in denen um die Entsendung von Trainern und Expertinnen in einzelnen Wettkampfsportarten ersucht wurde. Einen hohen Prominenzgrad erreichte in diesem Zusammenhang der Trainer Rudi Gutendorf, der im Auftrag des Auswärtigen Amts Fußballvereine, Nationalmannschaften und Personal in rund 50 unterschiedlichen Ländern trainierte und ausbildete.
Ab den 1970er-Jahren wurden auch seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Sportfördermaßnahmen eingeleitet, die vor allem auf den Schulsport ausgerichtet waren. Mit dem AA und dem BMZ sind die beiden Ministerien genannt, die als staatliche Hauptakteure bis heute in einem gewissen institutionellen Spannungsverhältnis sportbezogene Entwicklungspolitik betreiben. Sie rekurrierten dabei im Sinne der partnerschaftlichen Beziehungen zum Sport immer wieder auf die Zusammenarbeit mit einzelnen Sportfach- und Sportdachverbänden.
Zu Koordinationszwecken wurde in der 1975 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) der Fachbereich Sport etabliert. Bis Anfang der 1990er sind die Mittel für internationale Sportförderung vom Auswärtigen Amt und dem BMZ fortlaufend erhöht worden. Der Anteil des Auswärtigen Amts lag dabei beständig oberhalb der Mittel des BMZ.
Als Konsequenz zunehmender Kritik an der etablierten Entwicklungspolitik und mit Blick auf Innovationen aus Norwegen und den Niederlanden setzte die deutsche sportbezogene Entwicklungspolitik in den 1990er-Jahren verstärkt auf den Breitensport, reduzierte jedoch die aufgewendeten Mittel. In Deutschland wurden in dieser Phase vor allem die Friedenserziehung und die Konfliktprävention gefördert.
Erst im Nachgang zur WM 2006 wurden mit dem spezifisch auf Afrika ausgerichteten sportbezogene Entwicklungsprojekt Youth Development through Football 2007 wieder höhere Mittel für Programme bereitgestellt, die sich nun vor allem an benachteiligte junge Menschen aus urbanen und ländlichen Armutsgebieten richteten. Einer Stellungnahme der Bundesregierung zufolge wurden bis zum Jahre 2010 allein über das Auswärtige Amt insgesamt mehr als 1300 Langzeit- und Kurzzeitprojekte in rund 100 Ländern gefördert.
Nach einer längeren Durststrecke wurden ab 2012 auch die Fördermittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wieder erhöht, dabei aber auch neue Konzepte verfolgt: Das BMZ beauftragte die neu formierte Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit der Umsetzung des langfristigen Sektorvorhabens „Sport für Entwicklung“ (2013–2022).
QuellentextSport und die Ziele für Nachhaltige Entwicklung
In der Erkenntnis, dass Sport und Bewegung vielfältige individuelle und gesellschaftliche Vorteile mit sich bringen, legte die UNESCO bereits 1978 Sport und Bewegung als grundlegendes Recht für alle Menschen fest. Durch einen im Jahr 2001 ernannten Sonderberater „Sport für Entwicklung und Frieden“ der Vereinten Nationen (UN) wurde der organisierte Sport in Fragen der Friedenskonsolidierung und Entwicklungszusammenarbeit einbezogen. Dies unterstrich die wachsende Anerkennung seitens der UN gegenüber dem Sport, welche 2017 zum Abschluss einer direkten Partnerschaft zwischen der Staatengemeinschaft und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) führte. Ein besonderer Schwerpunkt dieser partnerschaftlichen Zusammenarbeit […] ist der Einsatz von „Sport als Mittel der Förderung von Bildung, Gesundheit, Entwicklung und Frieden“ zur Erreichung der 17 UN Nachhaltigkeitsziele (engl. Sustainable Development Goals / SDGs). […]
Hier eine Auswahl: […]
SDG 4: Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern
Sportplätze sind Erlebnis- und Erfahrungsräume, in denen sich Kinder und Jugendliche treffen, austauschen, erproben und entwickeln können. […] Sport schafft Freiräume zur Entfaltung und bietet eine Plattform, sich für sich selbst und andere einzusetzen. Wer sich im Sport als Spieler, Trainer, Schiedsrichter oder Jugendvertreter engagiert, stärkt seine Entscheidungs- und Handlungskompetenz, sein Verantwortungsgefühl und fördert seine Identitätsbildung. Zudem können im gegenseitigen Kontakt Gruppenerfahrungen gesammelt und soziale Kompetenzen wie Kooperation, Empathie und Teamfähigkeit eingeübt werden. [...] Darüber hinaus können Sport und Bewegungseinheiten gezielt mit Angeboten zu schulischer oder beruflicher Bildung kombiniert werden. Dadurch kann Sport sowohl die formelle als auch informelle Bildung fördern.
SDG 5: Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen
Überall auf der Welt sind Frauen und Mädchen mit kulturellen und strukturellen Hindernissen konfrontiert, die ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren. Mit verschiedenen gleichstellungspolitischen Aktivitäten stellt sich der Sport dieser Ungleichbehandlung entgegen und prägt auf unterschiedlichen Ebenen positive Rollenbilder für Mädchen und Frauen. Sportbasierte Entwicklungsprojekte bieten ihnen die Möglichkeit, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, Verantwortung zu übernehmen und sich selbstbestimmt in die Gesellschaft einzubringen.[…]
SDG 11: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten
In Städten und Siedlungen schaffen sowohl ausgewiesene Sportstätten als auch Grünanlagen und Parks attraktive Möglichkeiten zum Sporttreiben. Dabei eröffnen gerade Sportangebote auf öffentlichen Plätzen wie etwa in Parks einfache und sichtbare Zugänge für Sportinteressierte. Dies bereichert die lokale Angebotskultur und steigert die Lebensqualität. Die Möglichkeit, sich draußen in der Gemeinschaft mit anderen bewegen zu können, bringt Menschen einander näher, festigt soziale Kontakte und fördert den Zusammenhalt der Einwohner. Darüber hinaus können insbesondere Sportgroßereignisse Katalysatoren von infrastrukturellen Weiterentwicklungen sein und die lokale Mobilität nachhaltig zugunsten der Bevölkerung verbessern.
SDG 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen
Durch das gemeinsame Herstellen der eigenen Sportmaterialien kann Sport ein Bewusstsein für nachhaltig produzierte Güter schaffen. Viele Sportmaterialien wie beispielsweise Hindernisse oder Tore können entweder aus einfachen Materialien wie Holz, oder aus Abfallgütern wie Plastikmüll hergestellt werden. Selbst Bälle oder Frisbees lassen sich durch kreative Verwertung vorhandener Materialen selbst produzieren. Durch die selbständige und ressourcenschonende Herstellung jener Materialien, die sofort in den Sporteinheiten genutzt werden können, erwerben Kinder und Jugendliche spielerisch ein Verständnis für nachhaltige Produktion und Konsum.
SDG 13: Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen
Konkrete Naturerfahrungen fördern die Sensibilität der Menschen für Belange des Umwelt- und Naturschutzes. Damit diese Themen anschlussfähig an gesellschaftliche Trends bleiben und ihre politische Durchsetzungsfähigkeit wahren können, werden neue thematische Zugänge benötigt, die insbesondere direkt mit der Lebenswelt junger Menschen verknüpft sind. Der Sport verkörpert in diesem Sinne Zugänge zu unmittelbaren Naturerfahrungen und kann über Modernisierungs- und Fördermaßnahmen dazu beitragen, Themen wie Klimawandel und Umweltschutz in der Öffentlichkeit zu verankern.
SDG 16: Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern
Der Sport erleichtert durch seine universellen Regeln die Begegnung und das gegenseitige Kennenlernen. Er fördert Toleranz und Respekt und ermöglicht Freundschaften über gesellschaftliche Grenzen hinweg. Durch das gemeinsame Sporttreiben können Vorurteile und Ängste abgebaut werden. Durch seine niederschwelligen Partizipationsmöglichkeiten können durch den Sport marginalisierte soziale Gruppen wieder in das gesellschaftliche Leben einbezogen, Räume für Annäherung geschaffen und das Zusammengehörigkeitsgefühl gefördert werden. Im Sport lernen Menschen Herausforderungen kooperativ zu lösen und Konflikte gewaltfrei zu regeln. So tragen sportpädagogisch angeleitete Bewegungsangebote zur Entstehung pluralistischer und friedfertiger Gesellschaften bei.
„Sport und die Ziele für Nachhaltige Entwicklung“, in: Onlinepräsenz Deutscher Olympischer Sportbund: Externer Link: https://www.dosb.de/sportentwicklung/internationales/entwicklungszusammenarbeit
Verbunden mit diesem neuen Ansatz der sportbezogenen Entwicklungszusammenarbeit war die übergeordnete Zielsetzung, nachhaltige Strukturen vor Ort aufzubauen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vor Ort zu qualifizieren. Entsprechende Ziele wurden neben dem Sektorvorhaben auch bei anderen Projekten verfolgt, so etwa bei der Initiative „Mehr Platz für Sport – 1000 Chancen für Afrika“, die 2015 in 13 afrikanischen Ländern begonnen wurde. Dies geschah vor allem mit Blick auf die der Entwicklungspolitik immer wieder vorgehaltene Kritik, dass Projekte eher am Reißbrett des globalen Nordens verankert sind, als den konkreten Zuständen im globalen Süden vor Ort Rechnung zu tragen.
Vor allem in den Ausprägungen der jüngsten Phase sportbezogener Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland spiegelt sich die komplexe Struktur des deutschen Sportsystems wider. Obgleich die regionalen und kommunalen Ebenen nur begrenzt eingebunden sind, ist dennoch auch hier eine Vielzahl von Akteuren beteiligt. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen staatlichen und sportverbandlichen Akteuren trägt unter Einbeziehung der zahlreichen NGOs dazu bei, dass sich auch in der Entwicklungszusammenarbeit ein dichtes Netzwerk und letztendlich eine komplexe Governance-Struktur herausgebildet hat, die zwar nur begrenzt transparent ist, aber durch hohe Beteiligungsformate ein beträchtliches Maß an Qualität, Ressourcen und Implementierungspotenzialen bereitstellt.
Wie sieht die sportpolitische Zukunft aus? Ein Ausblick
Die jüngsten Entwicklungen im internationalen Sport und bei Sportgroßveranstaltungen zeigen, welche große symbolische Kraft der Sport besitzt. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird vor allem der professionelle Sport immer stärker für politische Interessen in Anspruch genommen, zugleich avanciert er aber auch immer häufiger zum Konfliktfeld. Der Breiten- und Freizeitsport unterliegt ebenfalls einem anhaltenden Wandel. Die Gründe für aktive sportliche Betätigung – ob Spaß, Gemeinschaft, Fitness oder Wettkampf – werden ebenso wie unsere Gesellschaft immer vielfältiger.
Mit veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ändern sich aber auch die Orte und Formen sportlicher Aktivität. Nicht nur soziale Medien, Digitalisierung und E-Sport, also der Wettkampf im Computer- und Videospiel, gewinnen zunehmend an Popularität. Im Sport ändert sich auch das Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit. Diese Ausdifferenzierungsprozesse schlagen sich in einer zunehmend komplexeren Sportwelt nieder.
In der Zukunft wird der Sport wohl weiter an Bedeutung gewinnen, er wird aber auch verstärkt mit Herausforderungen konfrontiert. Der Sport wird viele, bei weitem aber nicht alle gesellschaftlichen Aufgaben, die ihm zugewiesen werden, lösen können. Verhandlungen über die gesellschaftliche Verantwortung des Sports und über die Integrität des Leistungssports werden infolgedessen zunehmen, selbst wenn es gegenwärtig noch an übergreifenden Kommunikationsforen für sportpolitische Debatten mangelt.
Das hohe Maß an Autonomie des organisierten Sports wird sich im Hinblick auf die immer vielschichtigeren Interessen und die finanziellen Verteilungskämpfe verändern. Die Fragen, inwieweit staatliche Akteure verstärkt im Sport intervenieren, Verbände ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung Rechnung tragen und die Bevölkerung diese Entwicklungen akzeptiert und legitimiert, sind Kernelemente eines längerfristigen sportpolitischen Reform- und Diskussionsprozesses, der uns – mit offenem Ausgang – über die nächsten Jahre begleiten wird.