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Editorial | Sport und Politik | bpb.de

Sport und Politik Editorial Ist Sport politisch? Welche Entwicklungen prägten das Zusammenwirken von Sport und Politik? Wer entscheidet in der Sportpolitik? Bühne für die Politik? Protest statt Party? Integrität und Good Governance im Sport? Beruf oder Berufung? Europäische Identität durch Sport? Sozialer Zusammenhalt durch Sport? Glossar Literatur- und Onlineverzeichnis Impressum
Informationen zur politischen Bildung Nr. 357/2023

Editorial

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Am 14. Juni 2024 startet die Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland. Einen Monat lang wird die EURO 2024 im Alltag vieler europäischer Bürgerinnen und Bürger präsent sein. Ziemlich sicher wird das Event auch wieder von politischen Diskussionen begleitet werden.

Die Instrumentalisierung des medial in alle Winkel des Planeten verbreiteten Spitzensportes für politische Zwecke ist inzwischen an der Tagesordnung. Besonders deutlich wird dies durch die virulente Systemkonkurrenz zwischen liberalen Demokratien und autokratischen Regimen. Während Demokratien in den vergangenen Jahren versuchten, eigene Werte bei großen Sportevents etwa in Form der Regenbogenflagge zu positionieren, wollen autokratische Regime durch die Ausrichtung von Olympia oder Fußball-Weltmeisterschaften ihr internationales Ansehen steigern und agieren dabei stets betont „unpolitisch“.

Letzteres ist keine neue Strategie. 1936 versuchten die Nationalsozialisten während der Ausrichtung der Olympischen Spiele in Berlin das eigene Image aufzupolieren und der Welt die neue Stärke vorzuführen. Doch kein Regime kann Sportgroßereignisse komplett kontrollieren: 1936 gewann der Schwarze US-amerikanische Athlet Jesse Owens vier Goldmedaillen, sehr zum Missfallen der Nationalsozialisten. 2022 war die Fußball-WM der Männer in Katar geprägt von der Debatte um die beschränkten demokratischen Rechte im Emirat. Viele Menschen hatten daher schon im Vorfeld bekundet, die WM boykottieren zu wollen.

Sport und Sportereignisse besitzen große Symbolkraft und die Fähigkeit, zu mobilisieren sowohl für als auch gegen sportpolitische Themen, aber auch für und gegen gesellschaftliche Problemfelder, die auf den ersten Blick kaum in unmittelbarer Verbindung zum Sport stehen. In den vergangenen Jahren nutzten beispielsweise immer wieder Profifußballer und -footballer den demonstrativen Kniefall vor dem Anpfiff als Geste, um gegen strukturellen Rassismus zu demonstrieren.

Auch in anderer Hinsicht hat Sport eine politische Dimension. So besitzt der organisierte Sport in Deutschland eine große Autonomie. Das schafft Freiheiten, bedeutet aber auch, dass der Breitensport in den Vereinen ohne ehrenamtliche Arbeit nicht möglich wäre. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer trainieren nach Feierabend Jugendmannschaften, pfeifen Spiele am Wochenende oder veranstalten in den Sommerferien Mottowochen in ihren Sportvereinen. Im Breitensport steckt zudem großes Potenzial für die Vermittlung von demokratischen Werten wie Fairness, Integration oder Gleichberechtigung.

Viele Spitzensportlerinnen und -sportler können indes – anders als etwa die Spieler der Fußball-Bundesliga – nicht von ihrer sportlichen Tätigkeit leben, und Frauen verdienen aufgrund des Gender-Pay-Gaps noch immer weniger als Männer. Neu entstehende, unabhängige Interessenvertretungen für Athletinnen und Athleten versuchen, dies zu ändern. Welches der hier angerissenen (sport-)politischen Themen während der EURO 2024 in den Fokus medialer Debatten geraten wird, zeigen die kommenden Monate.

Laura Gerken