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Wer entscheidet in der Sportpolitik? | Sport und Politik | bpb.de

Sport und Politik Editorial Ist Sport politisch? Welche Entwicklungen prägten das Zusammenwirken von Sport und Politik? Wer entscheidet in der Sportpolitik? Bühne für die Politik? Protest statt Party? Integrität und Good Governance im Sport? Beruf oder Berufung? Europäische Identität durch Sport? Sozialer Zusammenhalt durch Sport? Glossar Literatur- und Onlineverzeichnis Impressum
Informationen zur politischen Bildung Nr. 357/2023

Wer entscheidet in der Sportpolitik? Strukturen und Akteure

Jürgen Mittag

/ 25 Minuten zu lesen

Verglichen mit anderen Politikfeldern ist die Sportpolitik durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Der größte Unterschied ist das hohe Maß an Autonomie des organisierten Sports in Deutschland.

Kernprinzipien des deutschen Sportsystems

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer leisten einen essenziellen Beitrag in den deutschen Sport- und Turnvereinen. Anzeige des Hamburger Fußballclubs St. Pauli im Dezember 2018. (© picture-alliance, nordphoto | nordphoto/Witke)

Bei einer Betrachtung verschiedener Sportsysteme auf globaler Ebene zeigen sich erhebliche Unterschiede. Das US-amerikanische System mit seiner Ausrichtung auf den Schul- und College-Sport sowie die stark kommerzialisierten Profi-Ligen unterscheidet sich fundamental von den europäischen Sportsystemen, in denen vor allem die Vereine als Keimzelle des Breitensports und die nationalen Ligen eine zentrale Stellung innehaben. Aber auch innerhalb Europas zeigen sich deutliche Unterschiede, so etwa, wenn es um das Verhältnis von verbandlicher und staatlicher Sportpolitik geht.

Die Strukturen des deutschen Sportsystems basieren auf fünf Kernprinzipien: Autonomie, Subsidiarität, Föderalismus, Kooperation und Koexistenz. Diese sind nur begrenzt formal verfassungsrechtlich verankert, sondern vielmehr Folge historischer Entwicklungslinien und Ausdruck eines hohen Maßes an Konsens in der gelebten sportpolitischen Praxis Deutschlands. Als eigenes Politikfeld oder Staatsziel findet der Sport im Grundgesetz der Bundesrepublik keine ausdrückliche Erwähnung.

Autonomieprinzip

Die Autonomie des Sports grenzt als Leitprinzip dessen Selbstorganisation durch Verbände und Vereine von der Einflussnahme staatlicher oder kommerzieller Akteure ab. Zurückzuführen ist die Autonomie des organisierten Sports nicht zuletzt auf die negativen Erfahrungen staatlicher Instrumentalisierung des Sports durch das NS-Regime. Im Zuge der alliierten Neuorganisation Westdeutschlands wurde nach dem Zweiten Weltkrieg das Konzept eines unabhängig von staatlicher Einflussnahme agierenden Sports etabliert, der von unten, von der Basis aus, organisiert ist.

Die Sport- und Turnvereine bilden als freiwillige Vereinigungen dabei das Fundament des organisierten Sports; sie sind der Ort der aktiven Sportpraxis. Die auf freiwilliger Mitgliedschaft basierenden Vereine handeln selbstständig, sind unabhängig gegenüber Dritten und frei in ihren Entscheidungen. Die hier zum Tragen kommende Selbstverwaltung des Sports stützt sich auf die Artikel 8 und 9 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, in denen die Versammlungs- und die Vereinigungsfreiheit als Grundrechte allgemein garantiert werden.

Das Pendant zu den Vereinen sind im organisierten Sport die Verbände. Vereine sind als mitgliederbasierte Organisationen primär auf lokaler Ebene tätig und auf die bedürfnisorientierten Interessen ihrer einzelnen Mitglieder ausgerichtet. Demgegenüber stellen Verbände übergeordnete Zusammenschlüsse dar, die Interessen nach innen bündeln und nach außen kollektiv vertreten. Den Verbänden kommt damit die zentrale Aufgabe zu, an der Willensbildung und Entscheidungsfindung im Sport mitzuwirken sowie für die Umsetzung von wettbewerbsbezogenen und sportpolitischen Regelungen zu sorgen.

Im deutschen Sportsystem sind die Sportverbände entweder fachbezogen auf eine bestimmte Sportart (Sportfachverband) oder territorial auf einen bestimmten Raum (z.B. Stadt- oder Landessportbund) ausgerichtet. An der Spitze des organisierten Sports steht der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der das Dach für 99 Mitgliedsorganisationen bildet (Stand 6/2023). Diese setzen sich aus 16 regionalen Landessportbünden (Territorialprinzip) sowie aus 66 Spitzensportverbänden (Fachprinzip) zusammen. Hinzu kommen 17 Verbände mit besonderen Aufgaben, wie etwa der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband. Insgesamt umfassen diese Sportverbandsstrukturen mehr als 27 Millionen in Vereinen weitgehend selbstorganisierte Mitgliedschaften.

Subsidiaritätsprinzip

Subsidiarität bildet das zweite Prinzip des deutschen Sportsystems. Das Subsidiaritätsprinzip besagt allgemein, dass Aktivitäten möglichst von der unmittelbar betroffenen, untersten zuständigen Einheit verantwortet werden sollen. Mit Blick auf den Sport bedeutet dies, dass Unterstützungsleistungen von staatlicher Seite nur in den Fällen in Anspruch genommen werden sollten, in denen die Selbstverwaltung des organisierten Sports ein Problem nicht selbst zu lösen vermag. Zentral für die Selbstorganisation sind die 87.000 Sport- und Turnvereine.

Für eine Eintragung in das Vereinsregister als eingetragener rechtsfähiger Verein (e.V.) sind zumindest sieben Mitglieder und eine Satzung notwendig. Einen wesentlichen Beitrag bei der Durchführung der Vereinsaktivitäten leisten im deutschen Sport ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Ohne sie wäre der organisierte Breitensport nicht denkbar. Sie leiten unbezahlt und freiwillig den Verein, sorgen für die Durchführung des Sportangebots, fördern Gemeinschaft, vermitteln Werte und ermöglichen Menschen dadurch, gemeinsam Sport zu treiben.

Nach den Ergebnissen der jüngsten Umfrage zur Freiwilligenarbeit in Deutschland, dem „Fünften Deutschen Freiwilligensurvey“ aus dem Jahre 2019, engagieren sich insgesamt 28,8 Millionen Menschen unbezahlt in ihrer Freizeit. Dies entspricht einem Anteil von 39,7 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland. Mit 13,5 Prozent ist der höchste Anteil an Freiwilligen im Bereich des Sports angesiedelt.

QuellentextDas Ehrenamt im Sport

[…] Acht Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland in rund 90.000 Sportvereinen. Das ist doch eine überzeugende Zahl für das Ehrenamt im Sport, oder?

Das ist zweifellos so und die Sportvereine leben von diesem Engagement. Ohne die Ehrenamtlichen wäre der Sport in Deutschland so nicht denkbar. Das ist ein System, um das wir auch weltweit beneidet werden.

Gibt es eine Krise der Sportvereine, weil sich die Lebensentwürfe von Menschen in einer globalisierten und digitalisierten Welt verändern?

Von einer Krise der Sportvereine würde ich nicht sprechen. […] Aber es gibt unterschiedliche Entwicklungen, wenn man betrachtet, welche Form von Ehrenamt erforderlich ist. Jeder Verein braucht einen demokratisch legitimierten Vorstand. Mit der Wahl in den Vorstand bindet man sich eine gewisse Zeit an diesen Verein. Wir stellen fest, dass diese Form von Engagement immer schwieriger wird. Vereine klagen darüber, dass sie Vorstandspositionen nicht mehr besetzen können.

Liegt das daran, dass sich Menschen anders engagieren als früher? Also nicht mehr so langfristig binden wie es in der Vergangenheit auch bei Sportvereinen üblich war?

Genau, das Engagement wird kurzfristiger, zielgerichteter und projektbezogener. Das sind alles Engagementsformen, wofür sich in Vereinen viele Menschen finden – ein Weihnachtsfest organisieren oder sich mal für eine Sportveranstaltung einbringen. Aber zu einem dauerhaften Engagement, mit dem ich mich auch binde und auch Verantwortung übernehme – ein Vorstand hat ja nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch auch Aufgaben, Funktionen und finanzielle Verantwortung, sowie Verantwortung für die Vereinsentwicklung – dazu sind in der Tat immer weniger Menschen bereit.

Das heißt, dass es etwa bei Marathon-Events genügend Volunteers gibt, die bei der Organisation mitmachen, aber die Menschen sind weniger bereit, ein Vorstandsamt zu übernehmen.

Genau. Bei diesen großen Sport-Veranstaltungen finden sich viele, die spontan und schnell einsteigen und mitmachen. Es ist übertrieben zu sagen, es finden sich keine Menschen mehr für das klassische Ehrenamt, für die demokratisch legitimierten Vorstände. Aber tatsächlich ist das schwieriger geworden. Zum einen liegt das daran, dass sich die Lebenssituationen verändert haben. Junge Menschen sind flexibler und mobiler, man wird heute nicht mehr in einem Dorf geboren und geht dort zur Schule, macht dort die Ausbildung und arbeitet dort. Lebenswege und Berufskarrieren sind heute häufig mit Ortswechseln verbunden.

[…] Das sind die äußeren Umstände der Veränderung. Es gibt aber auch Vereinsvorstände, die über Jahre hinweg sehr intensiv und eng zusammengearbeitet haben, und die sich mit einer Kultur des Wechsels schwertun. Wo es lange keine Veränderung an der Vereinsspitze gab, mangelt es an der Erfahrung, was es bedeutet, wenn ein neuer Vorstand oder Vereinsvorsitzender kommt und wie man einen solchen Wechsel begleiten und gestalten muss und worauf zu achten ist, damit das erfolgreich funktioniert. Oft wissen junge Leute auch nicht, wie es beruflich mit ihnen weiter geht. Habe ich noch keinen festen Job, dann kann ich weniger gut so eine Aufgabe übernehmen.

Unter den Mitgliedern gibt es nahezu so viele Frauen wie Männer, aber die Vereinsspitze ist immer noch eine Männer-Welt.

Jein. Der Anteil der Frauen in der Mitgliedschaft liegt bei 46 Prozent; den Anteil der Frauen in den Vorständen von Vereinen erheben wir nicht. Aber die meisten Vorstände sind in der Tat überwiegend männlich und vor allem die Vereinsvorsitzenden sind in der Regel Männer. Frauen sind meistens in Positionen wie Schriftführerin oder Jugendwartin, aber nicht im Vorsitz. Vor einigen Jahren haben wir die Vereine befragt und die Frage nach dem Geschlecht des Vereinsvorsitzenden mit der Frage, welche existentiellen Probleme sie haben, verbunden. Überraschenderweise war das Ergebnis, dass die Vereine mit Frauen als Vorsitzende seltener über existentielle Probleme berichteten als Vereine mit männlichen Vorsitzenden.

Ein Programm anzubieten, um Frauen zu ermutigen und auch zu qualifizieren, stärker die Vereinsführung zu übernehmen, wäre da naheliegend.

Ja. Wir haben viele Programme, auch Mentoring-Programme, mit denen wir junge Frauen auf ihrem Weg begleiten und sie zu Vorstandsämtern und anderen ehrenamtlichen oder auch hauptamtlichen Positionen im Sport hinführen. […] Aber es muss noch viel mehr passieren, um wirklich zu einer Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Sport zu kommen – wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen.

Was braucht es, um ehrenamtlichen Einsatz in Vereinen attraktiver zu machen?

Das wichtigste ist Anerkennung – […] faktische Anerkennung durch Unterstützung und Förderung. Das heißt im wesentlichen Abbau von bürokratischen Hindernissen. Vor Ort fängt das bei der Frage an, wie ein Verein Trainingszeiten in einer Halle bekommt, was er machen muss, wenn er eine neue Gruppe aufbaut oder eine neue Sportart anbieten will, um die entsprechenden Sportstättenzeiten zu erhalten, ob in der Halle oder im Freien.

Interview mit Dr. Karin Fehres, von 2006 bis 2020 im Vorstand für Sportentwicklung im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Das Interview führte Gerd Nowakowski.

„Nachwuchsarbeit, Integration und Leistungssport: ‚Sport in Deutschland wäre ohne Ehrenamt nicht denkbar‘“, in: Tagesspiegel vom 16. Oktober 2019

Föderalismusprinzip

Mit dem Konzept des Föderalismus ist ein drittes Strukturprinzip des Sports in Deutschland angesprochen, das in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen ist, in vielen Selbstdarstellungen des organisierten Sports aber als Teil des Subsidiaritätsprinzips nicht eigens ausgewiesen wird. Im Rahmen der föderalen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland ist auch die Sportpolitik zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Den Gemeinden und Landkreisen, die staatsrechtlich Teil der Länder sind, kommt ebenfalls eine zentrale Funktion zu, da ihre Aktivitäten auf dem Prinzip der Selbstverwaltung basieren. Sowohl auf staatlicher Seite als auch in der Sportselbstverwaltung existieren auf allen Ebenen sportpolitische Strukturen und Akteure.

Im organisierten Sport sind die Hauptakteure auf lokaler Ebene die einzelnen Vereine. Sie sind ihrerseits Mitglieder der entsprechenden lokalen Fachverbände und Sportbünde. Die Hauptaufgabe der Landessportbünde und regionalen Fachverbände besteht darin, die Aktivitäten im Freizeit-, Gesundheits- oder Nachwuchsleistungssport in ihrer gesamten Bandbreite zu fördern und umzusetzen. Die Verbände auf nationaler Ebene konzentrieren sich hingegen in erster Linie auf die Spitzensportförderung sowie die Bundesleistungszentren. Zugleich koordinieren sie aber auch die Ausrichtung nationaler Meisterschaften und bewerben sich um die Ausrichtung von internationalen Sportgroßereignissen.

Auf staatlicher Seite bildet die ideelle und finanzielle Förderung des Sports auf den unterschiedlichen Ebenen das wichtigste Merkmal des deutschen Föderalismus. Der Löwenanteil der finanziellen Förderung durch die öffentliche Hand fließt mit einem Anteil von etwa 79 Prozent auf lokaler Ebene. Dies ist vor allem auf die erheblichen Ausgaben für die Sportinfrastruktur zurückzuführen. Rund zwei Drittel aller Sportstätten in Deutschland befinden sich in der Trägerschaft von Kommunen oder Kreisen.

Die Bundesländer, die mit Ausnahme des Stadtstaates Hamburg durchweg Sportfördergesetze in den Landesverfassungen verankert haben, tragen mit einem Anteil von rund 16 Prozent zu den Mitteln für den Sport bei. Die vor allem auf die Förderung des Spitzen- und Hochleistungssports ausgerichtete nationalstaatliche Ebene macht einen Anteil von etwa 5 Prozent aus. Insgesamt handelt es sich bei diesen Prozentwerten um Näherungswerte, die sowohl direkte als auch indirekte Mittel wie beispielsweise Steuervergünstigungen umfassen und dementsprechend schwer exakt zu beziffern sind.

Kooperationsprinzip

Das vierte prägende Prinzip des Sports in Deutschland ist die Kooperation, das heißt die Partnerschaft von Sportselbstverwaltung und staatlichen Akteuren, vor allem in der Exekutive. Auf nationalstaatlicher Ebene ist in der Exekutive primär das Bundesinnenministerium mit Sport befasst, auf regionaler Ebene ist der Sport unterschiedlichen ministeriellen Ressorts der einzelnen Bundesländer zugeordnet. Hinzu kommen die kommunalen Exekutiven mit Dezernenten und Amtsleiterinnen an der Spitze der Verwaltungen auf lokaler Ebene. Ihnen stehen die Sportfachverbände und Sportbünde als Repräsentanten des organisierten Sports gegenüber.

Nach Auflösung der 1970 gegründeten Deutschen Sportkonferenz (DSK) existiert in der deutschen Sportpolitik keine Institution, in der Vertretungen des organisierten Sports und der öffentlichen Hand formal zusammengeschlossen sind. Die DSK sollte unter Einbindung der maßgeblichen staatlichen und verbandlichen Akteure im Sport eigentlich eine zentrale Koordinationsfunktion übernehmen, entwickelte aber nie tragfähige Arbeitsstrukturen. Stattdessen gibt es heute zahlreiche informelle Formen der Zusammenarbeit. Zu den wichtigsten zählt die finanzielle Förderung des Sports durch die Bereitstellung indirekter und direkter öffentlicher Mittel. Diese Zusammenarbeit erfolgt in Abhängigkeit von Ort, Politikfeld und Sport höchst unterschiedlich, sie basiert aber zunehmend auf Regelungen, zu denen unter anderem Förder- oder Zielvereinbarungen zählen.

Koexistenzprinzip von Breiten- und Leistungssport

Ein fünfter Grundsatz des Sports in Deutschland ist die Koexistenz von Breiten- und Leistungssport. In vielen Darstellungen wird der Zusammenhang beider Dimensionen in Form einer Pyramide veranschaulicht: Die Basis der Pyramide bildet der Breitensport, an der Spitze steht der Leistungs- sowie der professionelle Spitzensport. Ungeachtet der zahlreichen Diskussionen über die Tragfähigkeit des Modells (etwa im Hinblick auf den Wettbewerbscharakter des Breitensports) oder eine Ausweitung dieses Modells (etwa im Hinblick auf die Rolle von Ökonomie und Medien) werden im Rahmen sportpolitischer Betrachtungen beide Dimensionen weiterhin als gesamtstaatliche Aufgaben betrachtet.

Deutschland zeichnet sich zum einen durch anhaltende Erfolge im Leistungs- und Spitzensport aus. Im „Ewigen Medaillenspiegel“ der Olympischen Sommerspiele steht Deutschland (einschließlich DDR und Vorgängerstaaten) auf Platz zwei, in der Liste der Olympischen Winterspiele sogar an der Spitze.

Neben der Unterstützung des Leistungssports markiert auch diejenige des Breiten- und Freizeitsports im Sinne der Gesundheitsförderung ein wichtiges sportpolitisches Ziel Deutschlands. Die Bevölkerung des Landes ist durch eine vergleichsweise hohe Sportbeteiligung gekennzeichnet. Laut der auf Umfragen basierenden jüngsten Eurobarometer-Umfrage Sport (2022) treiben 68 Prozent aller Deutschen zumindest „selten“, „mit einer gewissen Regelmäßigkeit“ oder „regelmäßig“ Sport, während nur 32 Prozent der Bevölkerung auf jedwede Art von körperlicher Aktivität verzichtet.

Quelle: Special Eurobarometer 525, September 2022, S. 8–14.

Diese Zahlen liegen deutlich über dem Durchschnitt aller 27 untersuchten Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Die beliebtesten Sportarten in Deutschland sind laut Umfragen Radfahren, Wandern, Schwimmen und Fußball. Auch wenn sich Deutschland durch eine vergleichsweise hohe Anzahl von Vereinen auszeichnet und dem organisierten Sport laut Umfragen große Bedeutung beigemessen wird, gaben in der Eurobarometer-Erhebung lediglich 15 Prozent der Menschen über 15 Jahre aus Deutschland an, in einem Verein Sport zu treiben. Im Gegensatz dazu sind 39 Prozent der Deutschen informell in Parks oder im Freien sportlich aktiv und sogar 41 Prozent aller Befragten bekunden, zu Hause Sport auszuüben. Weitere 29 Prozent der Deutschen betätigen sich auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit sportlich. Bis zum Ausbruch der Coronavirus-Pandemie sind in Deutschland auch die Zahlen der Mitglieder von Fitnessstudios Jahr für Jahr gestiegen: von 4,38 Millionen Mitgliedern im Jahr 2003 auf 11,66 Millionen 2019.

– = nicht erfragt; bei den Erhebungen ab 2009 sind Mehrfachantworten möglich; die Befragten waren 15 Jahre und älter.
Quelle: Special Eurobarometer 58,2 (2002); 62,0 (2003); 72,3 (2009); 80,2 (2013); 472 (2018); 525 (2022).

Handlungsebenen und Akteure der Sportpolitik

Bereits diese Kernprinzipien des deutschen Sportsystems zeigen, dass der Sport nicht einer einzelnen Handlungsmaxime folgt, sondern dass ihm vielmehr unterschiedliche, teilweise sich überlappende Leitbilder und Strukturen zugrunde liegen.

SMK = Sportministerkonferenz; MINEPS = International Conference of Ministers and Senior Officials Responsible for Physical Education and Sport; GAISF = Global Association of International Sports Federation; ANOC = Association of National Olympic Committees; NGOs = Non-Governmental Organisations/Nichtregierungsorganisationen; INGOs = Internationale Nichtregierungsorganisationen; CAS = Court of Arbitration for Sport/Internationaler Sportgerichthof; WADA = Welt-Anti-Doping-Agentur; spezifische Organisationen des Sports für Menschen mit Behinderung sind in diesem Schaubild nicht aufgeführt. Quelle: Eigene Darstellung.

Beim Betrachten des Zusammenwirkens sowie der sich bisweilen widerstreitenden Interessen der sportpolitischen Akteure in horizontaler Dimension (Sportselbstverwaltung und Staat) sowie vertikaler Dimension (Mehrebenensystem) wird noch deutlicher, welchen hohen Grad an Komplexität das deutsche Sportsystem mittlerweile charakterisiert.

Bei Hinzunahme weiterer Bereiche der Sportpolitik wie etwa den Schulsport, den Betriebssport oder den Behindertensport wird die Vielfalt fast unübersichtlich. So entfaltet etwa der Behindertensport seine Aktivitäten zu einem erheblichen Teil durch eigene, spezifisch auf den Behindertensport ausgerichtete Organisationen auf Seiten der sportlichen Selbstverwaltung. Ausdruck dieser Komplexität des deutschen Sportsystems ist der 15. Sportbericht der Bundesregierung, der in seiner Fassung von 2023 insgesamt 225 eng bedruckte Seiten benötigt, um die Bandbreite von Strukturen, Akteuren und Aktivitäten abzudecken. Nur am Rande berücksichtigt wird hier der nicht vom organisierten Sport erfasste informelle Sport, der ausweislich der angeführten Eurobarometer-Umfrage aber einen erheblichen Teil der sportlichen Praxis ausmacht.

Kommunale Ebene

Auf kommunaler Ebene existieren in deutschen Gemeinden und Kreisen weder einheitliche sportpolitische Organisationsstrukturen noch besteht eine unmittelbare verfassungsrechtliche Pflicht zur Förderung des Sports. Die einzige Form von Sportförderung, die für die Kommunen eine Pflichtaufgabe darstellt, ist die Sicherstellung des Schulsports. Gestützt auf Art. 28 des Grundgesetzes erfolgt die Regelung der örtlichen Angelegenheiten der kommunalen Gebietskörperschaften in eigener Verantwortung.

Zu den wichtigsten Akteuren kommunaler Sportpolitik gehören die – von Kommune zu Kommune unterschiedlich bezeichneten – Sportdezernentinnen, Beigeordneten oder Bürgermeister, die an der politischen Spitze der kommunalen Sportverwaltung stehen. Vielfach sind es Sport- und Bäderämter, die sowohl für die Unterhaltung der Sportstätten als auch für die weiteren Sport- und Bewegungsaktivitäten zuständig sind. In den vergangenen Jahren wurden manche Sport- und Bäderämter aber auch als kommunale Zweckgesellschaft zu Teilen oder zur Gänze ausgegliedert, um angesichts gestiegener Kosten flexibler agieren und betriebswirtschaftlichen Aspekten stärker Rechnung tragen zu können. Vor allem Schwimmbäder sind hier betroffen; sie stellen einerseits einen zentralen Eckpfeiler kommunaler Daseinsvorsorge dar, sind andererseits aber auch besonders kostenintensiv.

Die kommunalen Finanzen sind ein wesentlicher Grund dafür, dass der Umfang freiwilliger Leistungen im Bereich der Sportförderung begrenzt ist. Neben den Zuweisungen von Bund und Ländern (ca. 39,3%) bilden die Steuereinnahmen (39,9%) die zweite zentrale Säule der Einnahmen von Gemeinden in Flächenländern. Da die Steuereinnahmen aber beim größten Posten, der Gewerbesteuer, oftmals konjunkturellen Schwankungen unterliegen, leiden zahlreiche Kommunen unter einer schwierigen Haushaltslage oder sogar größeren Schuldenbergen. Zwar bezeichnen und vermarkten sich zahlreiche Kommunen als „Sportstadt“, am Ende ist es aber das Resultat lokaler sportpolitischer Interessen und Debatten, ob die Kommune stärker in die Sportinfrastruktur, in Sportevents, in die Sportvereine, in die Förderung des Nachwuchses, in die Übungsleitung oder in die Gesundheitsressourcen investiert.

Die sportpolitischen Diskussionen in den lokalen Sportausschüssen und Stadträten als Teil der Legislative werden rege geführt. Die Ergebnisse sind aber nicht immer Ausdruck langfristiger strategischer Planung des Wünschenswerten, sondern oftmals ein notwendiger Kompromiss des Machbaren, um der Lebensqualität möglichst zahlreicher Bürgerinnen und Bürger im Sportbereich Rechnung zu tragen.

Zugleich gilt es, eine Balance gegenüber anderen Politikfeldern wie etwa der Kultur zu wahren.

Die zunehmende Beachtung, die der lokalen Sportpolitik gewidmet wird, spiegelt sich auch in den jährlichen Treffen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sportämter (ADS) sowie in der Befassung von kommunalen Spitzenorganisationen wie dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund mit sportpolitischen Themen wider. Letztere plädieren vor allem für eine Beseitigung des Investitionsstaus bei der Sanierung von Sportstätten, der mit einem zweistelligen Milliardenbetrag beziffert wird.

Quelle: Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB), Bestandserhebung 2022.

Zur Sportselbstverwaltung auf lokaler Ebene: Einer Bestandserhebung des DOSB zufolge gab es im Jahre 2022 in Deutschland 86 895 Turn- und Sportvereine mit 27 059 091 Mitgliedschaften. Dies entspricht einem Organisationsgrad von 32,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung; aufgrund von Mehrfachmitgliedschaften einzelner Mitglieder in unterschiedlichen Vereinen liegt er real aber etwas niedriger.

Strukturell werden Sportvereine unter anderem hinsichtlich ihrer Größe, des Angebots an Sportarten und ihrer Mitgliedsstruktur unterschieden. Was die Mitgliedsstrukturen betrifft, zeigen sich vor allem generationell große Unterschiede, die den Zahlen der Mitgliedschaften der Landessportbünde (die einige Verbände aus der DOSB-Struktur nicht einbeziehen) entnommen werden können: Während die deutschen Sportvereine gerade in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen, vor allem bei Jungen zwischen 7 und 15 Jahren, mit 75,4 Prozent einen sehr hohen Organisationsgrad aufweisen (Mädchen = 56,5 Prozent), gehen sie in den nachfolgenden Alterskohorten – unter anderem aufgrund von Interessenverlagerung, Ausbildung oder Studium, Ortswechseln, Berufseinstieg und Familiengründung – deutlich zurück. Bei Männern zwischen 27 und 40 Jahren sind nur noch 31 Prozent, bei Frauen dieser Alterskohorte sogar nur noch 17,5 Prozent Mitglied in einem Sportverein. Erst mit der familiären und beruflichen Etablierung zur Lebensmitte stabilisieren sich die Zahlen.

Sportvereine sind ein Ort organisierter Geselligkeit; ihnen werden neben der sportpraktischen Bedürfnisbefriedigung ihrer Mitglieder und der Durchführung des traditionellen Wettkampfsports aber noch eine Fülle weiterer Funktionen zugeschrieben: So können Sportvereine unter anderem die körperliche Gesundheit fördern; sie können sozial-integrative Aufgaben ausüben, indem sie Menschen aus unterschiedlichen soziokulturellen Schichten zusammenführen und sie haben aggressions- und gewaltregulierendes Potenzial durch die Vermittlung von Werten wie der Einhaltung von Regeln, dem fairen Umgang miteinander und der Akzeptanz von Vielfalt.

Für die Sportwissenschaft stellt die Untersuchung der Strukturen und Funktionen von Sportvereinen ein Kernthema dar.

Sportpolitisch ist dabei vor allem relevant, dass Sportvereine demokratisch organisiert sind und zum Gemeinwohl beitragen, weswegen sie in der Regel auch Steuerbegünstigungen sowie Steuerbefreiungen (Gemeinnützigkeit) erhalten.

Die Aufrechterhaltung des Sportvereinswesens als Eckpfeiler der Zivilgesellschaft markiert infolgedessen eine zentrale sportpolitische Aufgabe, die indes vor erheblichen Herausforderungen steht: Während die Mitgliedschaften seit der Jahrhundertwende weitgehend stabil geblieben sind, ist die Anzahl der Vereine in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Eine Ursache hierfür stellt die Coronavirus-Pandemie dar, die zu einem deutlichen Rückgang sowohl der sportlichen Aktivitäten in Vereinen als auch des ehrenamtlichen Engagements geführt hat. Darüber hinaus machen sich verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie Individualisierung und Flexibilisierung auch im organisierten Sport bemerkbar. Sportliche Betätigung im 21. Jahrhundert bedeutet angesichts sich rasch verändernder individueller Präferenzen oftmals keine dauerhafte Festlegung auf eine Sportart oder Bewegungsform mehr.

Weitaus stärker als noch im 20. Jahrhundert ist Sport Ausdruck von höchst individuellen Lebensstilen. Da zudem die Ansprüche der Sporttreibenden an Service und professionelle Organisation deutlich gewachsen sind, sehen sich zahlreiche Sportvereine – darunter insbesondere die mittelgroßen und bislang weitestgehend auf Ehrenamtlichkeit basierenden Vereine – zu Reformen herausgefordert.

Zu diesen Reformen zählen unter anderem:

  • Ausbau des Dienstleistungsangebots und Verstärkung des Hauptamts (oder Teilzeitmodelle) durch angestellte Geschäftsführerinnen und Übungsleiter;

  • Übernahme von Sportstätten in Eigenregie;

  • Ausweitung von Fitness-, Wellness-, Spaß- und Spielangeboten;

  • Aufgreifen und Einbeziehung von Trendsportarten;

  • Ausbau von Kooperationen und Vernetzung unter anderem mit Schulen (Ganztag), itnessstudios und Krankenkassen;

  • neue Formen von Marketing und Mitgliedschaft wie Schnuppermitgliedschaften und Mitgliedschaften auf Zeit;

  • Ausbau digitaler Angebote;

  • Mobilisierung bislang weniger stark berücksichtigter Gruppen (beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund).

Viele dieser Entwicklungen sind von den Vereinen bereits eingeleitet worden. Unterstützt werden sie dabei von den – je nach Bundesland unterschiedlich strukturierten – Stadt- und Kreissportbünden sowie Sportkreisen, Sportregionen und regionalen Sportbünden. Diese beraten als überfachliche Dienstleister die Sportvereine, bieten aber auch Qualifizierungs- und Vernetzungsmöglichkeiten. Zugleich bündeln sie die Interessen der einzelnen Vereine auf lokaler Ebene und vertreten diese kollektiv gegenüber den staatlichen Akteuren auf kommunaler und regionaler Ebene. Das Pendant der Stadt- und Kreissportbünde sowie der Sportkreise sind die Bezirks- und Kreisfachverbände, die vor allem den Wettkampfbetrieb in den einzelnen Sportarten auf lokaler Ebene koordinieren, darüber hinaus aber auch bei der Qualifizierung von Übungsleiterinnen und -leitern mitwirken.

Wie stark sich die Ausrichtung der Sportvereine auf lokaler Ebene verändert hat, dokumentiert der Freiburger Kreis. Diese 1974 in Freiburg gegründete Arbeitsgemeinschaft von 23 größeren Sportvereinen bot ihren Mitgliedsvereinen, die heute jeweils zumindest 2500 Mitglieder zählen müssen, viele Jahre vor allem Service- und Seminarangebote für spezifische Arbeitsbereiche an. In den vergangenen Jahren hat sich der Freiburger Kreis mit seinen mittlerweile 180 Mitgliedervereinen aber auch zu einer sportpolitischen Interessenorganisation entwickelt, die verstärkt die Interessen ihrer Vereine nach außen vertritt. Gerade während der Coronavirus-Pandemie war der Freiburger Kreis, dessen Mitglieder fast durchweg eigene Sportstätten bewirtschaften, eine wichtige sportpolitische Stimme, wenn es um die spezifischen Nöte der Vereine ging.

Landesebene

Ebenso wie im kommunalen Rahmen kommt auch auf der Ebene der Bundesländer dem Zusammenspiel von Sportselbstverwaltung und staatlicher Sportpolitik eine zentrale Bedeutung zu. Angesichts des föderalistischen Prinzips der Bundesrepublik obliegt es jedem Bundesland selbst festzulegen, welches Ministerium innerhalb der Landesregierung für den Sport zuständig ist. Die häufigste Ressortzugehörigkeit stellt das Innenministerium dar, aber auch Bildungs- oder Kultusministerien, bisweilen in Kombination mit den Bereichen Jugend oder Familie, sind verbreitete Organisationsformen. Seltener ist der Sport bislang mit den Ressorts Gesundheit und Soziales zusammengebunden worden.

Eine Besonderheit ist der Schulsport, für den die Länder zwar zuständig sind, der aber von den Kultusministerien und nicht den Sportabteilungen verwaltet wird. Die Bandbreite der Zuordnung des Sports zu einzelnen Landesministerien lässt sich sowohl mit den Traditionen und Eigenheiten des jeweiligen Bundeslandes erklären als auch mit Koalitionsverhandlungen und Personalentscheidungen. In allen Ländern bilden eigenständige Sportausschüsse oder mit anderen Politikfeldern verbundene Parlamentsausschüsse den institutionellen Rahmen für die parlamentarische Unterstützung und Kontrolle der Sportpolitik in der Legislative.

In 15 der 16 Länder ist der Sport als Staatsziel in der jeweiligen Landesverfassung verankert. Nordrhein-Westfalen war 1992 das erste Bundesland, das die Pflege und Förderung des Sports durch Land und Gemeinden in seine Verfassung aufnahm. Bis auf den Stadtstaat Hamburg haben seither alle Länder ähnliche Staatszielbestimmungen in ihrer Verfassung verankert, zum Teil aber auch noch eigene Sportförderungsgesetze verabschiedet.

Das Aufgabenspektrum staatlicher Sportpolitik auf Länderebene deckt neben der Sportförderung auch die Bereiche Sportstätten und Umwelt ab. Besonders bedeutsam ist bei der Sportförderung der Glücksspielbereich, der in Deutschland föderal geregelt wird und an dem der Sport finanziell partizipiert. Zusätzlich zu zweckgebundenen Mitteln für den organisierten Sport aus Lotterie-Einnahmen profitiert dieser auch von Steuereinnahmen auf Sportwetten.

Die Bereiche Breitensport – mit besonderem Augenmerk auf Kinder-, Jugend- und Seniorensport – sowie der Integrationssektor stellen weitere Schwerpunkte der sportpolitischen Aktivitäten der Bundesländer dar. Hinsichtlich des Leistungssports und Wettkampfwesens ist die Landespolitik vor allem mit dem Nachwuchsleistungssport und den Landesleistungszentren befasst. In den beiden letzten Dekaden ist zudem der Bereich der Sportgroßveranstaltungen hinzugekommen.

Mit der Ausweitung der Anforderungen und zunehmend ausdifferenzierten sportpolitischen Aktivitäten wuchs bereits in den 1970er-Jahren in den Ländern der Bedarf, länderübergreifende Herausforderungen des Sports gemeinsam zu behandeln und den Informations-, Meinungs- und Interessenaustausch stärker zu koordinieren. Zu diesem Zweck wurde im Juni 1977 auf einer Sitzung der für den Sport zuständigen Landesministerien in Bonn die Sportministerkonferenz (SMK) gegründet.

Die seinerzeit etablierten Grundlagen der Zusammenarbeit in der Sportministerkonferenz (rotierender Vorsitz, Vorbereitung durch die Sportreferentenkonferenz, einstimmige Beschlüsse, keine Stimmengewichtung nach Größe der Länder) sind bis heute gültig. Das federführend für Sport zuständige Bundesministerium nimmt als ständiger Gast an der SMK ebenso teil wie die Vertretung der kommunalen Spitzenverbände, verfügt aber über kein Antrags- oder Stimmrecht.

Sportpolitisch ist die Sportministerkonferenz ein wichtiger Akteur, jedoch eher als Forum und Koordinationsgremium denn als Entscheidungsorgan. Angesichts der Heterogenität der Interessen der Bundesländer wird in der SMK oftmals lange um Kompromisse gerungen, die für alle Seiten akzeptabel sind. Um dies zu erreichen, müssen länderspezifische Besonderheiten und Vorbehalte berücksichtigt werden.

Jenseits aller föderalen Unterschiede in der Ausgestaltung und Höhe der Sportförderung setzen die Bundesländer durchweg auf die Praxis, das Gros ihrer finanziellen Zuwendungen an die Landessportbünde weiterzuleiten. Diese verwalten die Mittel dann wiederum auf der Grundlage von mit der Landespolitik vereinbarten Rahmenbedingungen. Demzufolge sind die Sportabteilungen in den Landesministerien personell auch eher schlank, während die Landessportbünde stärker ausdifferenzierte Organisationen sind.

QuellentextDas Ende der Bundesjugendspiele

[…] FAZ: Stimmt der verbreitete Eindruck, dass der Wettkampf aufgegeben wird, um einer Generation von Weicheiern und Luschen entgegenzukommen?

Carolina Krafzik: Ganz und gar nicht. Das Interessante ist, dass die Bundesjugendspiele jetzt diskutiert werden, die Vorlage für die Veränderungen aber von 2016 stammt. […] Die Kinder-Leichtathletik hat der Verband 2013 entwickelt, um Vielfalt zu schaffen und koordinative Fähigkeiten zu fördern. Der Plan war, die Bundesjugendspiele von 2020 bis 2024 umzustellen. Wir an unserer Schule sind schon vor zwei Jahren vom Wettkampf abgekommen und zum Wettbewerb gekommen.

FAZ: Was ist der Unterschied?

Krafzik: Wettkampf bedeutet, wie bei uns im Spitzensport, dreißig oder fünfzig Meter auf der Tartanbahn zu rennen, in die Weitsprunggrube zu springen, Wettkampf ist 800-Meter-Lauf und Schlagballweitwurf. Der Wettbewerb löst sich von dem leistungsorientierten Gedanken und eröffnet Möglichkeiten; nicht jede Schule hat eine Tartanbahn, auch unsere nicht. Nicht jede Schule hat eine Weitsprunggrube. An vielen Schulen war dieser Wettkampf deshalb nicht möglich.

FAZ: Wie sieht die Lösung aus?

Krafzik: Die Wettbewerbe der Kinder-Leichtathletik finden weiterhin in Sprint, Sprung, Wurf und Ausdauerlauf statt. Für jede Disziplin stehen drei Übungen zur Auswahl. Die Lehrer finden sie im Internet. Wir haben im Sprint einen Hindernislauf gemacht; die Kleinen über Blocks, die Großen über Bananenkisten und im Slalom zurück. Dabei wird die Zeit gemessen. Die Kinder rennen halt nicht auf einer Tartanbahn geradeaus, was sie, wenn sie Leichtathletik lieben, ohnehin ihr ganzes Leben machen werden. Wir hätten auch einen Dreieck-Sprint machen können mit Hütchen auf dem Rasen. Die Kinder-Leichtathletik entwickelt die koordinativen Fähigkeiten der Kinder, und sie erleichtert uns als Schule die Arbeit.

FAZ: Wird der Wettbewerb verwässert?

Krafzik: Es gibt leistungsstarke Schüler und leistungsschwache. Das ist im Sport genauso wie in jedem anderen Fach. Als wir nach der Corona-Pandemie auf diese Wettbewerbe umgestellt haben und Eltern als Helfer brauchten, waren sie alle begeistert. Viele erzählten, dass die Bundesjugendspiele das Schlimmste gewesen seien in der gesamten Schulzeit, wenn man als nicht begabtes Kind nichts erreichte und ganz offensichtlich war, wer schnell rennen konnte und wer nicht, wer zwei Meter gesprungen ist und wer dreißig Zentimeter. Die Eltern fanden die neuen Bundesjugendspiele so klasse, dass wir in diesem Jahr viel zu viele Anmeldungen von Helfern hatten. Alle wollten dabei sein. Das war sehr schön, auch für die Kinder, die nicht so sportlich sind. Sie machen gern mit, denn man springt in eine Zone, es wird nicht gemessen.

FAZ: Warum wird nicht gemessen?

Krafzik: Die Orientierung an der Leistung kommt noch; in der Grundschule muss sie nicht sein. Die Kinder sollen Freude an der Bewegung bekommen. Sie lernen, wenn sie es noch nicht können, mit einem Bein abzuspringen und mit beiden zu landen. Daran hat sich nichts geändert. Die Kinder springen, so weit sie können, in eine Zone hinein. Für Zone eins gibt es einen Punkt, für Zone vier entsprechend vier. Die Punkte aus jeder Disziplin werden addiert. Je mehr, desto besser. […]

FAZ: Haben Sie den Leistungsgedanken abgeschafft?

Krafzik: Nein. Es gibt immer noch die bekannten Urkunden. Wir haben uns im Kollegium entschieden, das auf Klassen-Basis auszuwerten: Von 28 Kindern in der Klasse kriegen zwanzig Prozent, also sechs Kinder, die Ehrenurkunde. Der mittlere Teil bekommt Siegerurkunden und alle anderen eine Teilnehmerurkunde. Die Besten kriegen kein Abzeichen mehr, und sie können nicht sagen: Wir sind die Besten der ganzen Schule. Aber das muss auch nicht sein. Sie gehen, bei uns jedenfalls, sowieso zur Leichtathletik und auf Wettkämpfe. Wir sind Schule, wir fördern erst mal die Basis. Ich finde es total wichtig, Freude an der Bewegung zu schaffen. […]

FAZ: Ist es auch wichtig, einem Kind in der ersten und zweiten Klasse Niederlagen beizubringen?

Krafzik: Verlieren gehört dazu. Das ist Sport. Es ist schade, dass dies isoliert betrachtet wird, allein auf die Bundesjugendspiele bezogen. Auch in einem ganz normalen Spiel gibt es Verlierer und Gewinner. Dies zu erleben, müssen die Kinder aushalten können, sie müssen eine Frustrationstoleranz entwickeln. […]

Michael Reinsch im Gespräch mit der Sprinterin und Grundschullehrerin Carolina Krafzik

„Von wegen Luschen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. August 2023. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

Die 16 Landessportbünde – bzw. in einigen Fällen Landessportverbände – sind die zentralen Akteure der Sportselbstverwaltung auf Landesebene. Sie kooperieren vielfach eng mit den sportartbezogenen Landesfachverbänden, die sich vor allem der Schulung von Übungsleitenden, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern sowie der Organisation von Wettkampfangeboten, aber auch der Nachwuchsrekrutierung widmen. In ihrem eigenen Selbstverständnis sind Bünde und Fachverbände sowohl Dienstleister für ihre Mitgliedsorganisationen und Förderorganisation für den Breiten- und Spitzensport als auch Anwältin und Lobbyist in sportpolitischen Angelegenheiten. Bei politischen Verhandlungen mit staatlichen Akteuren scheint das territoriale Prinzip der Landessportbünde bisweilen eine bessere „Passung“ zu besitzen als das Sportartenprinzip der Fachverbände. Aber auch den einflussreichen großen Fachverbänden gelingt es immer wieder, sich Gehör zu verschaffen.

Wie auf staatlicher Seite variieren im deutschen Föderalsystem auch die Strukturen der Sportselbstverwaltung auf Landesebene erheblich. Mitglieder der Landessportbünde sind in der Regel neben den Fachverbänden und den Mitgliedsorganisationen mit besonderer Aufgabenstellung auch die Stadt- und Kreissportbünde sowie in einigen Fällen regionale Sportbünde. An der Spitze der Landessportbünde steht das Präsidium sowie in einigen Fällen auch ein hauptamtlicher Vorstand.

Gemeinsames Kennzeichen aller Landessportbünde ist die zunehmende Professionalisierung, die sich auch in einem Zuwachs an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern widerspiegelt. So waren beim größten Landessportbund Deutschlands, in Nordrhein-Westfalen, im Jahre 2022 rund 310 Mitarbeitende beschäftigt. Rund 80 Prozent seines Haushaltsansatzes für das Jahr 2022 von rund 96 Millionen Euro erhält der Landessportbund NRW aus Mitteln des Landes und des Bundes. Diese speisen sich vor allem aus Einnahmen aus einem „Wettpool“ mit Glücksspielerlösen (35%), Projektförderungen des Landes (35%) sowie Projektmitteln des Bundes (11%).

Zu den Kernaufgaben der Landessportbünde gehören Qualifizierungsmaßnahmen in den Bereichen Information, Beratung und Schulung sowie die Durchführung von Programmen. In diesen Programmen spiegeln sich gesellschaftliche Schwerpunkte wie der Zusammenhang von Sport und Ganztagsangeboten, die zunehmende Bedeutung des Themas Gesundheit in Prävention und Rehabilitation oder die Herausforderungen einer immer älter werdenden Gesellschaft wider. Ergänzt werden die Programme um Querschnittsthemen wie Gleichstellung und Integration/Inklusion.

Wie ausdifferenziert die selbstorganisierte Sportlandschaft auf Länderebene ist, dokumentieren die von den Landessportbünden unterhaltenen Sport- und Bildungseinrichtungen für den Breitensport sowie die Landesleistungsstützpunkte und regionalen Bundes- sowie Olympiastützpunkte. Darüber hinaus gibt es eigene Sportjugendorganisationen auf Länderebene und regionale Sportstiftungen zur Förderung des Leistungssports.

Die zunehmende politische Rolle der Landessportbünde spiegelt sich in ihrer verstärkten Vernetzung wider. So bildet die Konferenz der Landessportbünde einen Ort des regelmäßigen Austauschs. Dass im Jahre 2021 – mitten in der Pandemie – entschieden wurde, eine gemeinsame Berliner Geschäftsstelle einzurichten, zeigt, dass die Landessportbünde nicht nur über die Bundesebene und den DOSB Interessen vermitteln, sondern auch selbst vor Ort Einfluss auf die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Sport nehmen wollen. Eine vergleichbare Vernetzung der Fachverbände auf Länderebene ist bislang allerdings nicht erfolgt.

Bundesebene

Auf der Bundesebene zeigt sich sowohl die Zusammenarbeit zwischen staatlicher und verbandlicher Ebene als auch die Komplexität des deutschen Sportsystems in besonderem Maße. Anders als in zahlreichen europäischen Ländern gibt es in Deutschland kein eigenständiges Sportministerium. Das Ressort, das für die Sportpolitik in Deutschland die größte Bedeutung hat, ist das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI).

Hier laufen die Fäden zusammen für die Außenvertretung des Sports in internationalen und EU-Sportangelegenheiten, für die Förderung des Leistungssports (darunter auch Baumaßnahmen für den Spitzensport und Leistungssport für Menschen mit Behinderung) und die Dopingbekämpfung. Die eigentliche Umsetzung der Dopingbekämpfung erfolgt aber durch die Nationale Anti-Doping-Agentur Deutschland (NADA) in Bonn, die als selbstständige Stiftung bürgerlichen Rechts am 1. Januar 2003 ihre Arbeit aufgenommen hat. Die wissenschaftliche Begleitung des Spitzensports wird ebenfalls vom BMI koordiniert, dem das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) in Bonn zugeordnet ist. Das zentrale sportpolitische Gestaltungsmittel des BMI ist die staatliche Sportförderung durch „goldene Zügel“: Der Staat setzt Finanzmittel ein, um Sportorganisationen zu fördern, gelegentlich in ihrem Verhalten zu konditionieren und bisweilen zu regulieren und zu kontrollieren.

Neben dem BMI sind noch rund zehn weitere Ministerien mit sportpolitischen Angelegenheiten befasst: Darunter unter anderem das Verteidigungsministerium, das im Rahmen der Spitzensportförderung der Bundeswehr zahlreiche Soldatinnen und Soldaten beschäftigt, die sich weitgehend frei von anderen Verpflichtungen ihrem Training und Wettkämpfen widmen können, während das Bundesfinanzministerium die Spitzensportförderung der Zollverwaltung koordiniert. Demgegenüber verantwortet das Bundesministerium für Gesundheit vor allem Kampagnen zur Förderung von Gesundheit durch Bewegung.

Die sportbezogenen Kompetenzen auf Bundesebene wurden vor allem im Zuge der Olympischen Sommerspiele 1972 in München ausgebaut. Auf diese geht auch die Einrichtung des Sportausschusses des Bundestags (1969) zurück. Dessen Mitglieder bekleiden seither oftmals auch Funktionen im organisierten Sport. Die Abgeordneten behandeln eine breitgefächerte Palette von sportpolitischen Themen in zumeist öffentlichen Sitzungen. Die Spitzensportförderung stellt dabei einen Schwerpunktbereich dar.

Quelle: Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB), Bestandserhebung 2022.

Auf Seiten der Selbstorganisation des Sports stehen den staatlichen Akteuren auf der einen Seite die nationalen Fachverbände wie etwa der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der Deutsche Turner-Bund (DTB) oder der Deutsche Tennis Bund (DTB) gegenüber. Die fachübergreifende Dachorganisation des organisierten Sports bildet in Deutschland der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Der DOSB entstand am 20. Mai 2006 aus der Fusion von zwei zuvor unabhängigen Dachverbänden: Der Deutsche Sportbund (DSB) stand an der Spitze der Landessportbünde und Sportfachverbände, während das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) die Dachorganisation für die olympischen Sportarten gebildet hat. Verbunden war die Fusion mit dem Ziel einer stärkeren Verzahnung von Breiten- und Spitzensport sowie dem Abbau von Parallelstrukturen. Vor allem wird seitens des Sports künftig beabsichtig mit einer Stimme zu sprechen und Interessen wirksamer zu vertreten.

Als Dachverband, der zugleich auch die Funktion eines Nationalen Olympischen Komitees hat, bündelt und koordiniert der DOSB die Interessen des organisierten Sports in seiner gesamten Bandbreite. Er vertritt diese gegenüber den staatlichen Akteuren auf allen Ebenen, ist aber auch Anwalt und Sprachrohr des organisierten Sports im Dialog mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft. Die Vertretung des organisierten Sports auf europäischer und internationaler Ebene stellt auch jenseits der Sportwettbewerbe eine herausgehobene Aufgabe des DOSB dar.

Ausdruck der beträchtlichen Autonomie der Sportverbände ist die Möglichkeit, verbandsinterne Streitigkeiten durch eigene Verbandsgerichte, wie beispielsweise das DFB-Sportgericht, rechtlich zu klären. Sportschiedsgerichte stehen in einem ergänzenden Verhältnis zu staatlichen Gerichten, hier getroffene Urteile bewegen sich jedoch nicht außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit.

Es gehört zu den Eigenarten des Politikfeldes Sport, dass mit dem DOSB im Wesentlichen eine Dachorganisation die Sprecherrolle innehat. Zugleich zeichnet sich als Tendenz aktueller Sportpolitik eine immer stärkere Herausforderung dieser Sprecherrolle ab. Durch die zunehmend größere Anzahl von Mitspielenden läuft der DOSB Gefahr, sein historisch gewachsenes Vertretungsmonopol als Sprachrohr des deutschen Sports zu verlieren.

QuellentextSport für Menschen mit Behinderung

Sportpolitisch stellt der Sport für Menschen mit Behinderung in Deutschland ein eigenständiges System mit einer beträchtlichen institutionellen Vielfalt auf verbandlicher Seite dar: Der größte spezialisierte Verband ist der Deutsche Behindertensportverband (DBS), der als Dachverband für Sport von Menschen mit Behinderung und zugleich auch als das Nationale Paralympische Komitee für Deutschland fungiert. Weitere (Dach-)Verbände im Behindertensport sind – wie etwa der Deutsche Rollstuhl-Sportverband – von den unterschiedlichen Formen von Behinderung geprägt. Im Jahr 1991 wurde Special Olympics Deutschland (SOD) für Menschen mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderung gegründet. Darüber hinaus sind in Deutschland auch Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Kranken- und Versicherungskassen und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) im Behindertensport aktiv: Bei der Entwicklung von Schnittmengen mit anderen Sportbereichen und dem DOSB kommt nicht nur dem Rehabilitations- und Seniorensport eine besondere Rolle zu, sondern auch der Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention. Diese hat eine umfassende Orientierung am Inklusionsgedanken und stärkere Vernetzungen im organisierten Behindertensport befördert.

Europäische Ebene

Die sportpolitischen Aktivitäten Deutschlands sind nicht allein auf den nationalen Rahmen begrenzt, sondern erstrecken sich längst über nationale Grenzen hinweg. Jenseits von internationalen Wettbewerben wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen erfolgt die sportpolitische Willensbildung und Entscheidungsfindung zunehmend im transnationalen Raum. Dabei kommt der europäischen Ebene auch für das deutsche Sportsystem eine grundlegende Bedeutung zu.

Eine Pionierfunktion übte der Europarat aus, der als eine auf Gesamteuropa bezogene internationale Organisation vor allem ein Forum für Debatten über Völkerverständigung, Kultur und Grund- sowie Menschenrechte darstellt. Nach mehrjähriger Vorarbeit verabschiedeten die für den Sport zuständigen nationalen Minister des Europarats 1976 die „Europäische Charta des Sports für Alle“, die für eine aktive und umfassende Sportentwicklung von politischer Seite mit stark breitensportlicher Ausrichtung eintrat. In der Folge setzte sich der Europarat für die Wahrung der Integrität des Spitzensports durch eine verstärkte Anti-Doping-Bekämpfung ein und verabschiedete hierzu 1989 eine Anti-Doping-Konvention.

Seit den 1980er-Jahren führten die sich zunehmend stärker abzeichnenden Schnittmengen zwischen Sport und Binnenmarkt im Rahmen der Europäischen Union dazu, dass eine originäre EU-Sportpolitik zum Tragen kam. Der organisierte Sport musste im Zuge des – nach einem belgischen Fußballspieler benannten – Bosman-Urteils (siehe Interner Link: Glossar) des Europäischen Gerichtshofs anerkennen, dass wirtschaftliche Aktivitäten im Sport den Bestimmungen des EU-Binnenmarktes unterliegen. In der Folge setzte eine deutliche Verlagerung sportpolitischer Aufmerksamkeit nach Brüssel ein.

Bereits 1993 war als Initiative der damals noch eigenständigen Organisationen Deutscher Sportbund und NOK sowie der Landessportbünde das EU-Büro des deutschen Sports in Brüssel eingerichtet worden. Trotz reger Interessenvertretung des organisierten Sports zeigte sich, dass vor allem der professionelle Sport im EU-Kontext keine grundsätzliche Sonderrolle beanspruchen konnte. Dies änderte sich auch nicht grundlegend, als im Jahr 2009 der Sport im Vertragswerk von Lissabon mit unterstützenden Zuständigkeiten primärrechtlich verankert wurde.

Obwohl die Europäische Union rechtlich kein Staat ist, hat sie als politisches System mit ihren supranationalen Strukturen staatsähnlichen Charakter. In diesem Kontext hat sich in der Sportpolitik ein ähnliches Zusammenspiel von staatlichen und verbandlichen Akteuren entwickelt wie auf nationaler Ebene. Bereits Anfang 1997 etablierte die Europäische Kommission im Rahmen der Generaldirektion Bildung und Kultur die Sports Unit, die vor allem für die Koordination des Sports auf europäischer Ebene in Verbindung mit aktuellen Projekten und Programmen wie ERASMUS+ zuständig ist (siehe Beitrag "Interner Link: Europäische Identität durch Sport?").

Im Europäischen Parlament werden in unterschiedlichen Ausschüssen Sportfragen behandelt. Die wichtigste Rolle spielt dabei der „Ausschuss für Kultur und Bildung“ (CULT), zu dessen Kompetenzbereich auch der Sport zählt. Seit der Verankerung des Sports in den EU-Verträgen im Jahr 2009 ist auch der Ministerrat der Europäischen Union formal mit sportpolitischen Themen befasst und prägt mit seinen auf drei Jahren ausgerichteten Arbeitsplänen und den rotierenden Ratspräsidentschaften wesentlich die Agenda.

Parallel zu den sportpolitischen Institutionalisierungsprozessen der EU-Organe richteten in den 1990er-Jahren auch die Sportverbände ihr Augenmerk verstärkt auf die europäische Ebene. So wurden von den bereits bestehenden Sportorganisationen neue europäische Dachverbände gegründet oder neue europäische Wettbewerbe entwickelt wie die European Games. Hinzu kam die Gründung von zahlreichen neuen sportbezogenen Interessenorganisationen. Deren Zahl, Aktivitätsspektrum und Ausrichtung hat sich seitdem so dynamisch entwickelt, dass die Landschaft zwischen der European Association of Sport Employers und der European Gay & Lesbian Sport Federation kaum mehr zu überblicken ist.

Gemeinsam haben die neu gegründeten Interessenorganisationen, dass sie nicht primär – bisweilen auch überhaupt nicht – die Ausrichtung europäischer Sportwettbewerbe verfolgen. Vielmehr werden sie in erster Linie als sportpolitische Lobbyisten tätig und profitieren von EU-Fördermitteln. Vor diesem Hintergrund wird die europäische Sportpolitik immer pluraler, die Koordination aber zugleich auch zunehmend schwieriger. Eines der wenigen übergreifenden Koordinationsformate stellt gegenwärtig das von der Europäischen Kommission im Rahmen der aktuellen Ratspräsidentschaft ausgerichtete jährliche EU-Sportforum dar, bei dem europäische und nationalstaatliche Repräsentantinnen mit sportverbandlichen und weiteren Interessengruppenvertretern des Sports zusammentreffen.

Internationale Ebene

Von zentraler Bedeutung für das Verständnis von Sportpolitik sind die Besonderheiten der internationalen Ebene. Anders als in den bisher behandelten Bereichen – von der kommunalen bis zur europäischen Ebene – existiert auf internationaler Ebene nicht dasselbe strukturbildende Zusammenspiel von staatlichen Akteuren und der Selbstverwaltung des Sports. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es jenseits des kontinentalen Rahmens und der Europäischen Union de facto keine überstaatlichen Organisationen im internationalen Sport gibt. Auf staatlicher Seite existieren zwar einige wenige internationale Organisationen, die – wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) – Empfehlungen zur körperlichen Aktivität für einzelne Bevölkerungsgruppen herausgeben; unmittelbare Auswirkungen haben diese Empfehlungen aber nicht, zudem werden Akteure aus dem Sport in diese Aktivitäten kaum einbezogen.

Eine Ausnahme auf internationaler Ebene, in der zumindest punktuell eine Mitwirkung staatlicher Akteure erfolgt, ist das VN-System. Im Rahmen der Vereinten Nationen hat es für eineinhalb Jahrzehnte, bis 2016, das Amt eines Sonderberaters des VN-Generalsekretärs für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung gegeben, das mit einem Büro in Genf verbunden war (United Nations Office on Sport for Development and Peace, UNOSDP) und einige Impulse in der Entwicklungsarbeit setzen konnte.

Als selbstständige Sonderorganisation der Vereinten Nationen für die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Kultur ist zudem die UNESCO im Rahmen ihres „Zwischenstaatlichen Ausschusses für Körpererziehung und Sport“ (CIGEPS) seit 1978 mit sportpolitischen Fragen befasst. Das sichtbarste Format dieser Aktivität sind die Weltsportministerkonferenzen (MINEPS), die 2013 in Berlin, 2017 im russischen Kasan und 2023 im aserbaidschanischen Baku stattgefunden haben. Die dort verabschiedeten Dokumente, die „Berliner Erklärung“, der „Kazan Action Plan“ und die „Fit for Life Alliance“ aus Baku, haben aber ebenfalls vorwiegend auffordernden Charakter; eine Herstellung international verbindlicher Regelungen kann daraus nicht abgeleitet werden.

Das Fehlen überstaatlicher Aktivitäten und Regulierungen auf internationaler Ebene hat zur Folge, dass die internationalen Sportverbände weitgehend ungehindert agieren können. Nur wenige internationale Nichtregierungsorganisationen wie die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) üben in eng abgesteckten Sektoren Kontrolle aus. Mit der paritätischen Besetzung der Gremien der WADA durch Regierungen und Sportverbände bietet die WADA eine besondere Plattform des direkten Dialogs zwischen Staat und organisiertem Sport.

Das System von horizontalen checks and balances, von Kontrollen und Gegengewichten, das die Sportpolitik auf den anderen Ebenen kennzeichnet, existiert im internationalen Kontext nicht. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die internationalen Sportfachverbände sind angesichts des „Ein-Verband-Prinzips“ (jede Sportart wird nur durch einen Fachverband repräsentiert) nicht nur wirtschaftliche Monopolisten, sondern mangels Kontrollen auch vielfach Oligarchien. Infolgedessen kann in den jeweiligen Sportarten und Zuständigkeiten eine kleine Gruppe von Verantwortlichen weitgehend unkontrolliert politische Herrschaft ausüben. Über weitere Dachverbände wie die Global Association of International Sports Federations (GAISF), die zeitweilig auch als SportAccord firmierte, sind die Sportverbände weltweit eng vernetzt. Dies umso mehr, da ein Großteil von ihnen ihren Sitz in Lausanne in der Schweiz hat. Die starke Stellung des organisierten Sports auf internationaler Ebene hat gerade in den populären und infolgedessen wirtschaftlich prosperierenden Sportarten – wie noch zu zeigen sein wird – zu zahlreichen Problemen für die Integrität des Sports geführt.

Entwicklungstendenzen

Für die Zukunft steht zu erwarten, dass sich die Strukturen im Sport grundsätzlich, aber auch mit Blick auf die spezifischen Ausprägungen in Deutschland, weiter verändern werden. Hielt sich der Staat als sportpolitischer Akteur lange Zeit zurück und beschränkte sich auf die Festlegung allgemeiner Rahmenbedingungen, so scheint er sich nun zu einem aktiveren Mitspieler zu entwickeln, eingehender Kontrolle auszuüben und bisweilen sogar stärker zu intervenieren. Dies liegt auch daran, dass der organisierte Verbandssport in den Jahren der Coronavirus-Pandemie eher mit sich selbst befasst war und nicht unbedingt die stärkste Interessenvertretung des Sports ausübte.

Zugleich scheint es aber auch zu Veränderungen zwischen den Ebenen zu kommen. Im Zuge der Zielsetzung, „den Breitensport in Deutschland mit gezielten Hilfen bei einem kraftvollen Neustart zu unterstützen“, konzentriert sich die Bundesebene unter Federführung des BMI nicht mehr nur auf den Spitzensport, sondern engagiert sich auch verstärkt im Freizeit- und Breitensportbereich.

Mit dem Programm „Restart Germany – Sport bewegt Deutschland“, einem Bewegungsgipfel im Dezember 2022 und der Ausarbeitung eines „Entwicklungsplans Sport“ verfolgt der Bund das Ziel, die sportlichen Aktivitäten der Bevölkerung und auch das vereinsbezogene Engagement zu stärken. Dabei nehmen staatliche Akteure auf Bundesebene eine weitaus aktivere Rolle als in der Vergangenheit ein, um im Zuge einer Vernetzung der Zusammenarbeit einen Mehrwert an der Basis zu erzeugen.

Prof. Dr. Jürgen Mittag (geb. 1970); Universitätsprofessor für Politik und Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln; Jean Monnet-Professor und Leiter des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung. Forschungsthemen: Sportpolitik und -geschichte; Sportentwicklung zwischen kommunaler und internationaler Ebene; europäische Integration und politische Systeme in vergleichender Perspektive; Politische Parteien, Gewerkschaften, Verbände, Vereine und soziale Bewegungen; Tourismus- und Freizeitforschung, Sozial- und Wohlfahrtspolitik.