Infotext B: Theorien zur Parteipräferenz (Wahlentscheidung)
Bandwagon-Hypothese
Steht eine Partei erfolgreich in den Umfragen dar, nimmt die Zahl ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer noch weiter zu, denn Erfolg und die Aussicht auf Sieg wirken anziehend. Wahlentscheidungen werden hier also emotional begründet.
Underdog-Hypothese oder auch Außenseitereffekt:
Auch diese Hypothese bezieht sich auf emotionale Effekte, beschreibt jedoch genau das Gegenteil der Bandwagon-Hypothese: Hierbei wenden sich Wählerinnen und Wähler vom erwartbaren Gewinner ab, um die scheinbar verlierende Partei zu unterstützen. Motiv für diesen Stimmungswechsel kann Mitleid oder Trotz sein.
Fallbeil-Hypothese:
Diese Hypothese hat mit dem deutschen Wahlsystem zu tun, indem Parteien erst ab einem Stimmenanteil von 5% der Gesamtstimmen, die sogenannte Sperrklausel, in ein Parlament einziehen können. Parteien, die vermutlich an der Sperrklausel scheitern würden, werden erst gar nicht gewählt, da ihre potenziellen Wählerinnen und Wähler ihre Stimme nicht vergeuden wollen. Die Wahl einer anderen statt ihrer vermeidlich inhaltlich bevorzugten Partei, ist also eine rational-taktische Entscheidung.
Coalition insurance (zu deutsch: Koalitions-Sicherung) oder auch Leihstimmen-Hypothese:
Ein Gegenentwurf zur Fallbeil-Hypothese ist die coalition insurance. Auch hier wird die Sperrklausel taktisch mitbedacht, jedoch insofern, als das Unterstützerinnen und Unterstützer einer erfolgreichen Partei mit ihrer Stimme eine kleinere Partei beim Überschreiten der 5%-Hürde unterstützen, damit diese als Koalitionspartner für sie in Frage kommen kann.
Quellen:
Faas, Thorsten (2014): Zur Wahrnehmung und Wirkung von Meinungsumfragen. In: APuZ 64, H. 43-45, S. 3-10.
Interner Link: Online verfügbar , (Abfrage: 05.08.2021).Hemmer, Richard/ Meßner, Daniel (2017): GAG103: Demoskopie – eine kurze Geschichte der (politischen) Meinungsforschung. Podcast Geschichten aus der Geschichte, Folge 103. Externer Link: Online verfügbar, (Abfrage: 05.08.2021).
Wind, Thomas (2018): Demoskopie, Medien und Politik. Ein Schulterschluss mit Risiken und Nebenwirkungen. Otto Brenner Stiftung: Frankfurt am Main. Externer Link: Online verfügbar, (Abfrage: 05.08.2021).
Aufgaben:
Lies den vorangestellten Infotext B „Theorien zur Parteipräferenz (Wahlentscheidung)“.
Findet euch in Kleingruppen zusammen. Die Hälfte der Gruppen bearbeitet jeweils das Fallbeispiel A, die andere das Fallbeispiel B (siehe unten).
Aufgabe: Lest euch euer Fallbeispiel genau durch und überlegt gemeinsam: Was ist hier passiert? Warum könnten sich die Wählerinnen und Wähler am Ende so entschieden haben? Wie lässt sich das Ergebnis in eurem Beispiel mithilfe der Hypothesen erklären? Das Beispiel und die Ergebnisse werden anschließend präsentiert.Recherche-Aufgabe: Sucht zu zweit im Internet nach den Ergebnissen vergangener Wahlen (z.B. der letzten Bundestagswahl), die als Beispiele für eine Hypothese dienen können. Versucht für jede Hypothese ein Beispiel zu finden (bzw. die Klasse teilt sich in Kleingruppen auf, die jeweils ein/zwei Beispiele übernehmen).
Zwei Fallbeispiele
Beispiel A:
Die große Partei A koalierte in der Vergangenheit gerne mit der etwas kleineren Partei B. Bei einer vergangenen Bundestagswahl sah es eng aus für die Partei B. In Umfragen schwankte sie immer um die 5%-Hürde. Noch sehr spät vor dem Wahltag wurden Umfragen erstellt, publiziert und mit vorherigen Ergebnissen verglichen. Am Mittwoch prognostizierte das eine Umfrageinstitut der Partei B ein Ergebnis von 5,5 % und ein anderes Umfrageinstitut vom Wahlsonntag selbst sogar 6%.
Das tatsächliche Ergebnis der Partei B am Wahlabend lag dann jedoch bei 4,8 Prozent, sie konnte nicht mehr in den Bundestag einziehen.
Beispiel B:
Die große Partei A koalierte in der Vergangenheit gerne mit der etwas kleineren Partei B. Bei einer vergangenen Landtagswahl in Niedersachsen sah es eng aus für die Partei B. In den Umfragen kurz vor der Wahl schwankte sie zwischen 4 und 5 Prozent.
Das tatsächliche Ergebnis der Partei B am Wahlabend lag dann jedoch bei 9,9 Prozent, der Einzug in den Landtag war kein Problem.
Dieses Material steht auch als formatierte Interner Link: Druckvorlage zur Verfügung.