Die Einflüsse der politischen Kultur werden in den Erklärungsansätzen häufig unterschätzt. Politische Kultur bezeichnet die Werthaltungen, subjektiven Einstellungen und Meinungen ebenso wie das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf die Welt des Politischen. Die politische Kultur einer jeweiligen Gesellschaft beeinflusst im Sozialisationsprozess das »Erlernen« politischer Einstellungen und begünstigt, wenn Ideologiefragmente des Rechtsextremismus in Teilen der Bevölkerung als »legitim« erachtet werden, die Herausbildung rechtsextremer Einstellungen. Schenkt man lerntheoretischen Ansätzen Glauben, greifen Kinder und Jugendliche auf Sinnangebote, auf Werte, Normen und Einstellungen zurück, die von ihrem sozialen Umfeld bereitgestellt werden. So ist die Übernahme und Akzeptanz rechtsextremer Denkhaltungen umso wahrscheinlicher, wenn Kinder und Jugendliche Bezugsgruppen angehören, in denen solche Einstellungsmuster ausgeprägt sind und toleriert werden. So haben die Gewaltexzesse in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992 gezeigt, dass die jugendlichen Gewalttäter von der Annahme ausgingen, im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung zu handeln, die ausgeprägte Vorurteile gegen die in Lichtenhagen untergebrachten Asylbewerber hegte und dies im Umfeld der Krawalle auch lautstark äußerte. Eine aktuelle Untersuchung über den Landkreis Rems-Murr in Baden-Württemberg, die sich mit dem Einfluss der politischen Kultur auf die Entstehung rechtsextremer Einstellungen beschäftigt, kommt zu dem Ergebnis, dass nicht die Existenz rechtsextremer Gruppen das eigentliche Problem darstelle, sondern eine politische Kultur, die eine Akzeptanz gegenüber dem Rechtsextremismus entwickelt habe (vgl. Josef Held u. a., 2008).
Aus: Siegfried Frech (Hrsg. lpb BW ): Politik & Unterricht 2-2008. S.10, Externer Link: http://www.politikundunterricht.de/2_08/rechtsextremismus.pdf
Um eine Ausbreitung rechtsextremer Gedanken zu verhindern, sind die öffentlichen Aussagen von Meinungsführer/innen- insbesondere Politiker/innen- von entscheidender Bedeutung. Daher wäre es wünschenswert, wenn in der öffentlichen Auseinandersetzung mit sozialen Missständen, gesellschaftlichen Integrationsdefiziten oder Reformen des Sozialstaats eine Ethnisierung der Konflikte ebenso strikt vermieden wird, wie jeglicher Ungleichwertigkeitsdiskurs. Gedanken der Ungleichwertigkeit von Menschen, etwas die Höherwertigkeit von Erwerbstätigen gegenüber Hartz- IV-Empfängern/innen bedeuten letztlich eine Legitimierung des rechtsextremen Grundparadigmas, Menschen seien unterschiedlich wertvoll. Dem steht die bedingungslose Menschenwürde in Artikel 1 des Grundgesetzes klar entgegen. Die soziale Ächtung von Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und anderen rechtsextremen Ungleichwertigkeitsvorstellungen hat sich insgesamt als erfolgreich zur Bekämpfung des Rechtsextremismus erwiesen und sollte daher beibehalten werden. Um ein schleichendes Vordringen rechtsextremer Einstellungen in politische Diskurse zu verhindern, ist auch eine Erklärung und Legitimierung demokratischer Positionen nötig, damit die Bürger/innen die Unterschiede zwischen rechtsextremem und demokratischem Denken erkennen können. Dies bedeutet gerade auf kommunalpolitischer Ebene eine möglicherweise neue- Notwendigkeit, Vorgänge und Entscheidungen zu begründen. Die Position, „das haben wir immer schon so gemacht“, ist eben keine demokratische Legitimation und reicht in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus nicht aus. Zur langfristigen Veränderung von politischen Einstellungen ist Bildung nach wie vor das wirksamste Mittel. Wie viele andere Studien auch ergab die Studie „vom Rand zur Mitte“ signifikant niedrigere rechtsextreme Einstellungen bei Menschen mit höherer Bildung (Decker, Brähler 2006; S. 47). Allerdings ist Bildung allein kein Allheilmittel, da sich eben auch unter höher gebildete Menschen rechtsextreme Einstellungen finden. Um Einstellungen zu verändern ist zudem Erfahrungswissen nötig, ein rein rationales Wissen reicht dazu nicht aus. Das bedeutet, dass Menschen positive Erfahrungen mit der Demokratie machen müssen, um auch demokratische Einstellungen (wieder) zu erlangen. Ein Schlüssel dazu können Partizipationsverfahren sein, wie beispielsweise die Planungszelle, Bürger- und Zukunftskonferenzen (Dienel 2002, Molthagen 2006). WO Bürger/innen an der politischen Willens- und Entscheidungsfindung beteiligt werden, machen sie die Erfahrung, gefragt und gebraucht zu werden, was sich positiv auf ihre Motivation zur Unterstützung der Mitwirkung garantierenden Demokratie auswirkt.
Aus: Dietmar Molthagen: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland, in: Dietmar Molthagen, Andreas Klärner u.a.: Lern- und Arbeitsbuch „Gegen Rechtsextremismus“. Handeln für Demokratie. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz 2008. S. 30/31
Arbeitsaufträge
Einzelarbeit
Lies dir den Erklärungsansatz sorgfältig durch.
Markiere zentrale Begriffe in dem Text und kläre die Begriffe, die du nicht verstehst. Fertige einen Spickzettel an, der die wichtigsten Informationen des Textes enthält.
Gruppenarbeit
Stellt euch nun gegenseitig (mithilfe eures Spickzettels) die drei verschiedenen Erklärungsansätze vor.
Bearbeitet danach gemeinsam das Arbeitsblatt M 03.09 und versucht mithilfe eurer Arbeitsergebnisse „Wenn…dann-Sätze“, wie im Beispiel aus M 03.05 zu formulieren.
Schneidet eure „Wenn…dann-Sätze“ aus und versucht sie nach den Themen „Familie und Individualebene“, Jugendkultur und Umgebung“ und „Gesellschaft“ zu sortieren. .
Das Arbeitsmaterial ist Interner Link: hier als PDF-Dokument abrufbar.