Mobbing und Gewalt an Schulen – Relevante Befunde
Zwei Jahre lang war Johnny, ein stiller 13-Jähriger, für einige seiner Klassenkameraden ein menschliches Spielzeug. Die Teenager setzten Johnny zu, um an sein Geld zu kommen, sie zwangen ihn, Unkraut zu schlucken und Milch, die mit Waschmittel vermengt war, zu trinken. Sie verprügelten ihn in den Toiletten und legten ihm einen Strick um den Hals, mit dem sie ihn wie ein "Tier an der Leine" herumführten.
(Aus: Olweus, D.: Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können. Bern: Huber, 4. Auflage 2006).
Jeder kann in einer Gemeinschaft Opfer von Mobbingattacken werden. Daher sollte jede Gemeinschaft dafür sorgen, dass Ansätze von Mobbing frühzeitig entdeckt und verhindert werden.
Ein Schüler, der in der Schule gemobbt wird, sollte frühzeitig persönliche Unterstützung erfahren, denn Mobbing schädigt die Psyche des einzelnen, zerstört soziale Beziehungen in der Klasse und schadet dem Ruf der Schule, wenn Mobbingereignisse publik werden. Leider ist die Wahrscheinlichkeit der frühen Hilfe durch professionelle Lehrkräfte jedoch gering, weil die Mobber ihr "Spiel" im Verborgenen treiben, die Gemobbten selbst selten die Kraft zur Gegenwehr besitzen und Lehrpersonen nicht immer über die wünschenswerte Sensibilität für Mobbingvorgänge verfügen, um dann frühzeitig eingreifen zu können.
Wenn es daher gelänge, in der Schule ein Frühwarnsystem aufzubauen und auf diese Weise schon im Ansatz erste Mobbingversuche zu erkennen und zu verhindern, könnte diesem schleichenden Gift frühzeitig und wirksam begegnet werden. Die Schule sollte daher nicht erst warten, bis ein "Anfangsverdacht" entsteht, sondern unabhängig vom Einzelfall zu bestimmten Zeitpunkten in ausgesuchten Jahrgangsstufen eine Befragung zu diesem Thema durchführen. So wird das Thema aufgegriffen, jeder Schüler hat die Chance, seine Wahrnehmung und Betroffenheit anonym zu artikulieren, (potentiellen) Mobbern wird klar gemacht, dass ihre Aktivitäten nicht weiterhin verborgen bleiben und die Mehrheit der "Zuschauer" sieht wie wichtig es ist, die passive Haltung zu überwinden und Solidarität mit den Unterdrückten zu zeigen. Mobbingversuchen sollte in der Schule der Nährboden entzogen werden.
Relevante Befunde
Innerhalb der Schule nehmen in den letzten Jahren schwere physische Gewaltanwendungen (wie Übergriffe gegen Personen mit Verletzungsfolgen und Sachbeschädigung) zwar ab (vgl. Raufunfallstatistik des Bundesverbandes der Unfallkassen und polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes – PKS), aber psychische Gewalt verbaler wie nonverbaler Art - zu der auch das Mobbing gehört - nimmt zu. Physische Gewalt ist zudem in hohem Maße schulformabhängig. An Hauptschulen kommen aggressionsbedingte Unfälle mit 32,8 pro 1000 Schüler fast dreimal so häufig vor wie im Schnitt an anderen Schule (vgl. Jannan 2008, S. 17).
Die Häufigkeit einer Gewaltform nimmt mit der Schwere ab. Das heißt: Schubsereien auf dem Schulhof kommen häufiger vor, selten dagegen schwere Prügeleien. Dabei gibt es keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Schulformen. Beachten sollte man ferner: Jungen sind mit durchschnittlich 15,3 raufbedingten Unfällen pro 1000 Schüler mehr als doppelt so stark beteiligt wie die Mädchen mit 7,1 Unfällen pro 1000 Schülerinnen (vgl. Seyboth-Tesmer 2006). Sicherlich spielt auch der Standort eine wichtige Rolle bei der Identifikation von Gewaltpotential. Schulen in sozialen Brennpunkten haben im Vergleich zu Schulen mit Kindern aus gutbürgerlichen Verhältnissen ein erhöhtes Gewaltpotential zu managen. Gewaltanwendungen können auch Ursache für mangelnde soziale Integration sein. Von daher gilt auch umgekehrt: gewaltpräventive Maßnahmen können auch dazu dienen, soziale Integration zu unterstützen.
Rolle von Schule und Medien beim Mobbing
Wenn die Schule es nicht versteht, in ihren Räumen Mobbing zu verhindern, besteht die Gefahr, dass diese schulischen Opfer auch im weiteren Berufsleben Opfer von Mobbingattacken werden können, da sie nicht gelernt haben, sich frühzeitig und angemessen zur Wehr zu setzen und/oder Verbündete zu suchen. Außerdem wäre es fatal, wenn die Schule den Tätern ein breites Übungsfeld zur Verfügung stellte, auf dem sie ihre Mobbingattacken erproben und erfolgreich durchsetzen können. Von daher muss Schule darauf achten, dass die Opfer gestärkt und die Täter frühzeitig erkannt werden sowie ihren Aktivitäten der Boden entzogen wird. Die Förderung des sozialen Klimas in der Schule ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass soziale Entwicklung und Integration der Kinder und Jugendlichen möglich werden. Die Ursachen von Konflikten in der Gesellschaft können dadurch sicherlich nicht behoben werden (z.B. Arbeitslosigkeit, familiäre Konflikte, soziale Benachteiligung etc.). Es können aber Formen des sozialverträglichen Umgangs miteinander entwickelt und gefestigt werden.
Verbaler Gewalt, insbesondere Mobbing, in der Schule besondere Aufmerksamkeit zu widmen, ist somit aus drei Gründen sinnvoll:
Infolge verbaler Gewalt kommen mehr Schüler zu Schaden als durch physische Gewalt.
Die psychischen Schäden bei den Opfern können zahlreich und sehr erheblich sein, zumal die Entdeckungs- und Aufdeckungsrate häufig sehr gering ist.
Das Konflikt- und Gewaltklima an der Schule kann und sollte an der Stelle bearbeitet werden, wo es am häufigsten stattfindet, auch wenn es schwer zu beobachten und daher nur mit besonderem Aufwand zu bekämpfen ist.
Wenn in der Schule frühzeitig interveniert wird, weil alle Akteure eine hohe Sensibilität für Gewaltanwendung jeglicher Art entwickelt haben, kann auch schwerwiegenden Gewaltanwendungen frühzeitig vorgebeugt werden. Bei häufigeren Gewaltformen zu intervenieren, lohnt sich, weil hier der falsche Lerneffekt frühzeitig unterbunden werden kann. Je früher Gewaltanwendungen identifiziert und Akteure in Grenzen gewiesen werden, desto eher gelingt es, Täter in Grenzen zu weisen und Opfer vor fatalen Folgen zu bewahren.
Woran lässt sich erkennen, dass z.B. Herumschubsen in den Pausen und verbale Auseinandersetzungen die Grenzen von alltäglichen Konflikten zwischen Gleichaltrigen überschritten haben? Sicher dann, wenn der "Spaß" für einen der Beteiligten erkennbar aufhört. Der Erzieher oder der der Lehrer müsste am Ort des Geschehens in die Gesichter der Beteiligten schauen oder die Beteiligten danach fragen können, wie ernst diese Rauferei für den einzelnen ist. Aber die Größe des Schulsystems, die Aufsplitterung des Unterrichtsstoffes in einzelne Fächer mit 45-Minuten-Takt und der Leistungs- und Konkurrenzdruck führen häufig zu einer Entpersönlichung des Unterrichtsklimas sowie Störung der sozialen Beziehungen. Mancher Lehrer ist froh, wenn er genügend Zeit für seinen Unterichtsstoff findet, in der Hektik des Schulalltags einen Teil der Schüler namentlich ansprechen kann und den Alltagsstress gut bewältigt. Diese Anonymisierung des Schulbetriebes ist ein günstiges Klima dafür, dass Mobbing entsteht und unentdeckt bleibt. Die Schule sollte daher gegenüber Mobbingphänomenen besondere Aufmerksamkeit walten lassen, Problembewusstsein entwickeln und das Aufdecken von Mobbing nicht dem Zufall überlässt, sondern gezielt darauf achtet.
Zur Rolle der Medien
Die Berichterstattung in den Medien über Gewalt an Schulen führt häufig dazu, dass überwiegend physische Gewaltanwendungen im Mittelpunkt der Wahrnehmungen stehen. Subtilere Formen der alltäglichen gewaltsamen Auseinandersetzung werden folglich vernachlässigt. Hinzu kommt, dass bestimmte Medien den Akteuren selber eine Plattform bieten, um sich dort zu präsentieren frei nach dem Motto. "Ist es nicht einfach toll, via Livekamera im Internet zu erscheinen oder auf Youtube seinen Film einzustellen?" Wenn in der Castinggesellschaft die Selbstdarstellung auf Kosten anderer geht, dann wird Diskriminierung billigend in Kauf genommen. Der Drang, sich in den Medien selbst zu verwirklichen führt bisweilen dazu, dass die Grenzen des Anstandes und des sozialverträglichen Miteinanderumgehens - zunächst nur spielerisch, später dann auch leichtsinnig und unerträglich - überschritten werden. Menschenverachtende Darstellungen und Gewalt verherrlichende Bilder werden so leider schnell "veralltäglicht" und unter Jugendlichen akzeptabel gemacht. "Inwieweit Filme mit gewalttätigem Inhalt tatsächlich zu Gewalt führen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt, die Ergebnisse sind teilweise widersprüchlich. Eindeutig ist jedoch ihr Einfluss auf die Wahrnehmung potentieller Opfer: das Mitgefühl mit ihnen nimmt ab" (Jannan 2008, S. 20).
Ähnliches lässt sich auch zu Gewalt verherrlichenden Computerspielen sagen: Das benutzen dieser Ballerspiele führt zu einem Abtrainieren von Hemmungen und zu einer "Konditionierung der Empathielosigkeit" (Wildt/Emrich 2007, S. 534). Die Frage ist also, wie in der Schule zu einem verantwortlichen Umgang mit den Neuen Medien erzogen werden kann. Beispielsweise wäre ein Handyverbot in der Schule eine Möglichkeit, Mobbingformen wie "Happy Slapping" wenn nicht zu unterbinden, so doch zu tabuisieren. Es gilt Signale zu setzen und Grenzen zu ziehen. Ergänzend und ebenso wichtig ist es jedoch, den Schülern anhand anschaulicher Beispiele ein Gefühl dafür zu vermitteln, welche fatalen Folgen diskriminierende Darstellung von anderen Personen in den Medien haben. Hier für Empathiefähigkeit zu sorgen und sich frühzeitig in die Rolle des Opfers und des Betroffenen zu versetzen, ist eine wichtige Aufgabe eines gelungenen medienpädagogischen Unterrichts.
Mobbing – begriffliche Differenzierungen
Der Begriff "Mobbing" hat sich im deutschen Sprachraum weitgehend durchgesetzt, um damit alle unfeinen Formen des Fertigmachens und Anpöbelns bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu bezeichnen - entsprechend dem englischen Wort "to mob" = fertigmachen, anpöbeln. (In der Wissenschaft wird auch der englische Begriff "Bullying" gebraucht.) Dan Olweus, schwedischer Psychologe und Professor für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Bergen war einer der ersten, der sich seit Beginn der achtziger Jahren wissenschaftlich mit Mobbing und der Gewaltproblematik an Schulen beschäftigt hat. Er definiert Gewalttätigkeit und Mobben wie folgt:
"Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer Schüler oder Schülerinnen ausgesetzt ist." (Olweus, 1986, 1991)
Dabei spezifiziert Olweus "negative Handlungen" als Handlungen bei denen einem anderen Verletzungen oder Unannehmlichkeiten zugefügt werden, was sowohl verbal (Drohen, Spotten, Hänseln, Beschimpfen) als auch körperlich (Treten, Stoßen, Festhalten, Kneifen etc.) oder gar ohne Worte und ohne jeglichen Körperkontakt (Fratzenschneiden, schmutzige Gesten zeigen, jemanden ausschließen etc.) der Fall sein kann.
Olweus hat in seinen frühen Untersuchungen zu Beginn der 80er Jahre die begrifflichen Grenzen bewusst weit gezogen und schon kleine Gewaltanwendungen wie z.B. das Auslachen von Mitschülern, das Beleidigen oder Beschimpfen, das Verbreiten von Unwahrheiten, das Verstecken von Sachen, die Zerstörung von persönlichem Eigentum, das Anrempeln, Herumstoßen, Erniedrigen, Ausschließen etc. hinzugezählt. Erst am Ende dieser Tathergänge könnte dann schwere körperliche Gewalt stehen. Zu Recht heißt es daher bei Jannan (2008, S. 22): "Nicht jede Gewalt ist Mobbing, aber Mobbing ist immer Gewalt," denn Mobbing zielt systematisch darauf ab, das Opfer zu demütigen, sein Selbstwertgefühl zu beeinträchtigen und es sozial zu isolieren.
Was sind die typischen Kennzeichen von Mobbing?
Für eine genaue Identifikation von Mobbing sind diese vier Merkmale (nach Jannan 2008, S. 26) recht brauchbar:
"Kräfteungleichgewicht: Das Opfer steht einem bis mehreren Tätern und deren Mitläufern alleine gegenüber. Damit unterscheidet sich Mobbing klar von dem "rough and tumble play". Hanewinkel und Knaack verdeutlichen dies in ihrer Definition: "Der Begriff des Mobbens wird nicht gebraucht, wenn zwei Schüler bzw. Schülerinnen, die körperlich bzw. seelisch etwa gleich stark sind, miteinander kämpfen oder streiten" (Hanewinkel/Knaack 2004, S. 300).
Häufigkeit: Die oben beschriebenen Übergriffe kommen mindestens einmal pro Woche oder häufiger vor. Diese zahlenmäßige Einordnung beruht auf Analysen von Olweus, der viele tausend Mobbing-Fälle ausgewertet und nach Gemeinsamkeiten untersucht hat.
Dauer: Die Übergriffe erfolgen über einen längeren Zeitraum (Wochen oder Monate). Ein Konflikt, der erst seit einer Woche besteht, ist also kein Mobbing. Diese Unterscheidung spielt für die Einschätzung durch die Lehrkraft eine große Rolle.
Konfliktlösung: Das Opfer ist aus eigener Kraft nicht in der Lage, das Mobbing zu beenden.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass in den letzten Jahren möglicherweise eine fünfte Qualität hinzugekommen ist: Das Ziel, das Opfer um jeden Preis aus der Lerngruppe zu vertreiben" (Jannan 2008, S. 26).
Mögliche Folgen von Mobbingattacken bei Schülern
Da die für das Mobben typischen Aktivitäten häufig verdeckt und nicht direkt beobachtbar geschehen (z.B. in Pausen, auf dem Schulweg, in den Klassen, wenn der Lehrer gerade wegschaut) ist es daher wichtig, die Reaktionen und Veränderungen im Verhalten einzelner Schüler genau zu beobachten. Denn diese veränderte Verhaltensweise könnte auf Mobbing zurückzuführen sein. Auf folgende Verhaltensweisen sollten Eltern und Lehrer daher nach Jannan besonders achten (s. a.
Auffällige Verhaltensweisen von Jugendlichen als Folgen von Mobbing (aus: Jannan 2008, S. 27):
"Das Kind kommt bedrückt nachhause.
Es spricht leise, schweigt häufig, kann andererseits aber unerwartet aggressiv oder übellaunig reagieren.
Es ist nervös und angespannt.
Es erfindet Ausreden, z.B. für zerstörte oder verloren gegangene Gegenstände.
Das Kind wirkt unsicher, sein Selbstwertgefühl nimmt immer mehr ab (erkennbar z.B. bei der Erledigung von Hausaufgaben, die plötzlich "unlösbar" sind).
Das Kind zieht sich immer mehr in sich zurück, sowohl in der Schule als auch zuhause.
Es kommt zu einem starken Abfall in den schulischen Leistungen.
Die Konzentration im Unterricht lässt nach.
Vor allem zuhause, vor dem Weg zur Schule zeigt das Kind immer häufiger unspezifische körperliche Beschwerden wie z.B. Bauchweh, Kopfschmerz oder Appetitlosigkeit.
Das Kind will nicht mehr in die Schule gehen, kommt auffällig oft zu spät, geht Aktivitäten mit Mitschülern aus dem Weg.
Das Kind erhält keine Einladungen zu Kindergeburtstagen.
Schüler bleiben nach Unterrichtsende oder in der Pause länger im Klassenzimmer.
Das Kind will nicht mehr mit dem Bus zur Schule fahren, es möchte von den Eltern gefahren werden.
Albträume treten immer häufiger auf. Das Kind ist müde und schläft schlecht.
Das Kind beginnt zu stottern. Das Kind verliert angeblich immer wieder Geld. (Das Geld wird verwendet, um den Täter zu bezahlen)."
Wenn solche auffällige Befunde auftreten, ist es geraten, mit dem Schüler und den Eltern ein Erstgespräch zu führen, um allgemein zu eruieren, worauf diese Symptome des Unwohlseins zurückzuführen sein könnten. Nicht immer liegt Mobbing vor, aber Mobbing könnte eine Ursache für diese auffälligen Verhaltensweisen sein.
Faktoren, die die Entstehung von Mobbing in der Schule begünstigen
Nach Jannan (Jannan 2008, S. 28) begünstigen folgende acht Faktoren aus dem Bereich des Schulklimas die Entstehung von Mobbing:
"Das Lehrerengagement ist zu wenig fördernd und unterstützend. Hierzu zählt auch eine resignative Grundhaltung der Lehrkraft ("Macht doch, was ihr wollt! oder "Ihr begreift es nie!").
Unter den Schülern herrschen schlechte soziale Beziehungen. Das betrifft z.B. die Umgangsformen, den Mangel an kommunikativen Fähigkeiten oder die Art und Weise, wie Konflikte gelöst werden.
Die Lehrer-Schüler-Beziehung ist gestört. Dazu gehören beispielsweise gegenseitige Abwertung, offensichtliche Ablehnung und fehlende oder unzureichende Kommunikation zwischen den beiden Parteien.
Auffällige Jugendliche werden durch Lehrer sozial etikettiert ("So wie du aussiehst, landest du sowieso in der Gosse.").
Das Erziehungsverhalten seitens der Schule ist einseitig restriktiv. Wenn Strafen als überwiegendes oder gar willkürliches Instrument eingesetzt werden, lernen Schüler, dass die Ausübung von Macht ein geeignetes Mittel zum Erreichen von Zielen ist. Zudem können Strafen auch zu verstärkter Auflehnung führen.
Schul- und Klassenregeln sind zu wenig verbindlich oder sogar beliebig. Eine Schulordnung beispielsweise, die von den Schülern unterschrieben wird, deren Einhaltung aber kein Lehrer kontrolliert, ist wirkungslos. Ähnliche Folgen hat es, wenn das Verhalten der Kollegen inkonsistent ist, der eine also Verstöße bestraft, der andere wegschaut. Schule wird dann als quasi rechtsfreier Raum erlebt, in dem sich jeder seine Regeln selber machen kann. [...]
Das Schulgebäude und die Außenanlagen sind reizlos und eintönig, die Klassenräume sind unpersönlich gestaltet und/oder zu eng.
Es herrscht eine geringe Verbundenheit mit der Schule (fehlendes "Wir-Gefühl"). Mangelnde Identifikation mit der Schule steigert z.B. auch den Grad der Sachbeschädigung im Gebäude."
Typische Mobbingstrukturen in der Lerngruppe
Mobbing in der Klasse kann nur verdeckt funktionieren, würde es offensichtlich, würden Lehrer und andere Schüler intervenieren. Mobbing kann zwar nur im Halbdunkel sozialer Beziehungen entstehen, aber Strukturen sind erkennbar. Wiederholtes Thematisieren und offenes Reden über mögliche Befunde in der Klasse sind geeignete Maßnahmen, das Entstehen typischer Mobbingstrukuren in der Lerngruppe zu verhindern.
"Grundsätzlich kann Mobbing in Lerngruppen ungestraft nur funktionieren, wenn die Situation und damit die Täter anonym bleiben. Dies ist schon dadurch gewährleistet, dass das Opfer von sich aus meist keine Hilfe sucht. Auf der anderen Seite achten die Täter natürlich darauf, ihre Übergriffe in vom Lehrer unbeobachteten Momenten zu starten." (Jannan 2008, S. 29)
Vier Arten von Akteuren lassen sich bei den Schülern unterscheiden
(s.a. Schaubild unten):
Das Opfer (meistens eine Einzelperson),
die Mobber (ca. 3 Personen), die die Mobbingattacken durchführen oder initiieren,
die Mitläufer, das sind in der Regel relativ wenige Personen, die sich hin und wieder an den Mobbingattacken beteiligen und die Mobber unterstützen,
die Zuschauer: Der Großteil einer Lerngruppe ist an den Mobbingattacken direkt häufig nicht beteiligt, jedoch ist die Reaktion dieser Restgruppe nicht unerheblich, denn sie kann zur Verstärkung und zur sozialen Absicherung der Mobbingattacken in folgender Weise beitragen:
Die Schüler schauen fasziniert den Mobbingattacken zu, die sich ihnen täglich bieten.
Die Schüler nehmen die Mobbingsituation falsch wahr, meinen, es sei alles nur Spaß.
Sie haben selbst Angst gemobbt zu werden, verhalten sich also zurückhaltend und ängstlich.
In manchen Fällen lehnen sie Mobbingattacken ab, suchen nach Verbündeten und versuchen, die Situation aufzulösen.