Die Hoheit über unsere Daten obliegt Unternehmen
Zwar werden unsere personenbezogenen Daten unter anderem durch die europäische Datenschutzgrundverordnung DSGVO rechtlich geschützt – dennoch lässt sich kaum bestreiten, dass die faktische Hoheit über unsere Daten, die sich in Zugriffsrechten und -möglichkeiten ausdrückt, im Großen und Ganzen nicht bei uns Nutzenden liegt, sondern bei einigen wenigen Großunternehmen, die den digitalen Markt dominieren. Um diese Machtstrukturen aufzubrechen, schlägt der Publizist Evgeny Morozov vor, Daten künftig als öffentliches Gut zu verwalten. Auf diese Weise könnte das Verfügungsrecht von den Unternehmen auf die Allgemeinheit übergehen.
Die Datenökonomie von unten aufrollen
Morozovs Vision einer gemeinnützigen Datenökonomie sieht vor, dass die Sammlung und Speicherung anonymisierter Nutzerdaten zunächst Städten und Kommunen zufällt. Eine solche dezentrale Organisation hat gegenüber der zentralen einen großen Vorteil, denn auf kommunaler Ebene könnten mithilfe der Daten rascher neue und kreative Formen der Verwaltung realisiert werden als auf gesamtstaatlicher Ebene. Bewährte sich diese Methode, so könnte die Zuständigkeit auch an den Staat oder gar an überstaatliche Institutionen wie die Europäische Union abgegeben werden. Denn die zentrale Verwaltung der Daten hätte wiederum den Vorteil, dass sich die Verhandlungsposition der Allgemeinheit gegenüber großen Unternehmen aufgrund der schieren Datenmasse deutlich verbessern würde.
Monopole abbauen
Zwar wäre es auch hier denkbar, dass die Verschiebung der Verfügungsgewalt über Daten zu einer Hemmung der digital-wirtschaftlichen Innovationskraft führe, weil diese vor allem durch das bedeutende Risikokapital sowohl der großen als auch kleinerer Digital-Unternehmen aufrecht erhalten wird. Andererseits kann auch die
Das Modell in der Praxis
Ginge die Verfügungsgewalt über Daten auf die Allgemeinheit über, könnte deren Wert künftig allen zugute kommen, da die Datennutzung nun von dem Zwang befreit wäre, stets einen finanziellen Mehrwert zu erwirtschaften. Stattdessen könnten die Daten für diverse öffentliche Sektoren der allgemeinen Daseinsfürsorge nutzbar gemacht werden, beispielsweise für Bildung, Verkehr, Energieversorgung und Gesundheit. Städte könnten etwa ihre Verkehrsbetriebe so viel besser und effizienter an die Bedürfnisse ihrer Anwohnerinnen und Anwohner anpassen. Als Beispiel für eine kreative und gemeinwohlorientierte Nutzung führt Morozov die niederländische Hauptstadt Amsterdam an, die von Bürgerinnen und Bürgern gespendete Daten verwende, um gegen die Verdrängung angestammter Bewohnerinnen und Bewohnern durch die Buchungsplattform Airbnb vorzugehen. Da Daten nicht länger im Austausch gegen Dienste und die Schaltung von personalisierter Werbung gewonnen werden könnten, müsste für die Finanzierung der notwendigen staatlichen Infrastruktur zur Sammlung und Speicherung der Daten eine Steuer erhoben werden; die Einführung eines Daten-Eigentumsrechts wäre hingegen nicht erforderlich.
Wo liegen die Schwächen des Modells?
Unabhängig davon, ob die Nutzerdaten kommunal, national oder gar übernational verwaltet werden, muss es in diesem Modell eine staatliche Institution geben, welche die Speicherung und Verwaltung organisiert und beaufsichtigt. Staatliche Überwachung und Diskriminierung könnten auf diese Weise erleichtert werden – nicht zuletzt, da eine Re-Identifizierung der Nutzenden aus den zusammengefassten Daten nicht auszuschließen ist. Gerade bei sensiblen Gesundheitsdaten ist diese Möglichkeit jedoch hoch problematisch. Zudem erklärt Morozov nicht, was mit den privatwirtschaftlich erworbenen und dann veredelten Daten geschehen soll: Müssen diese neuen Datenverkettungen ebenfalls an die Allgemeinheit zurückgegeben werden oder dürfen sie von den Unternehmen weiter genutzt werden?
Durch die
Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Tatsache, dass zahlreiche Digitalunternehmen international agieren; wem käme das Verfügungsrecht über jene Daten zu, die durch sie erhoben werden?
Arbeitsaufträge
Einzelarbeit
Lies den Text aufmerksam durch und trage die Antworten zu folgenden Fragen in deine Auswertungsmatrix ein:
Was ist die Grundidee des vorgestellten Modells?
Wer soll laut Modell künftig über die Daten verfügen?
Wer soll die Daten und den Datenhandel laut Modell künftig regulieren?
Wo zeigen sich Schwierigkeiten und welche Kritik wird am Modell geäußert?
Gruppenarbeit
Vergleicht eure Ergebnisse innerhalb der Gruppe und ergänzt diese.
Expertengruppen
Bildet für das Gruppenpuzzle jeweils neue Gruppen mit je einem Mitglied aus jeder Arbeitsgruppe und stellt euch gegenseitig jeweils das Modell eurer ursprünglichen Gruppe vor. Ergänzt die Ergebnisse zu den anderen Modellen in eurer Auswertungsmatrix.
Quellen
Mühlhäuser, Max (2019): Open Metadata: Nutzerzentrierte wettbewerbliche Datenverwertung mit offenen Rahmendaten. In: Ochs, Carsten (u.a.) (Hrsg.): Die Zukunft der Datenökonomie. Zwischen Geschäftsmodell, Kollektivgut und Verbraucherschutz. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Morozov, Evgeny (04.01.2020): «Der Umgang mit Big Tech ist entscheidend für eine progressive Politik». Im Interview mit Daniel Binswanger. Externer Link: Quelle: Die Republik, digitales Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Schweiz.
Morozov, Evgeny (unbekannt): "Warum sollten Firmen unsere Daten überhaupt besitzen?". Im Interview mit Tom Schaffer. Externer Link: Quelle: Momentum Insitut, Österreich.
Schneider, Ingrid (07.06.2019): Regulierungsansätze in der Datenökonomie.
Interner Link: APUZ 24-26/2019 .
Das Material steht als formatiertes Arbeitsblatt im Interner Link: PDF-Format zur Verfügung.