Sammeln und verkaufen!
In letzter Zeit hört und liest man immer häufiger den Begriff der Datenökonomie, wenn von Wirtschaft die Rede ist. Doch was heißt das eigentlich genau? Zunächst einmal zeigt der Begriff an, dass Daten zweifelsohne ein wichtiges Handelsgut unserer Wirtschaft darstellen. Sie sind so wertvoll für die Wirtschaft, dass Unternehmen ihre Dienste sogar „kostenlos“ anbieten können. „Kostenlos“ steht hier in Anführungszeichen, da die Nutzenden dieser Dienste gewissermaßen mit den Datenspuren bezahlen, die sie bei der Nutzung hinterlassen und die sich praktisch zu einer digitalen Währung entwickelt haben. Denn Unternehmen nutzen die wertvollen Daten nicht nur für sich selbst - etwa um festzustellen, wie die eigenen Dienstleistungen verbessert werden könnten -, sondern können sie zugleich auch an andere Unternehmen weiterverkaufen. Der Handel mit Nutzerdaten ist auch deshalb so profitabel, da diese sich als rein digitale Güter beliebig oft vervielfältigen und verkaufen lassen, ohne dass sie sich dabei abnutzten oder zur Neige gingen.
Der Begriff der Datenökonomie zielt auch auf den Umstand ab, dass digitale Daten, deren Auswertung sowie deren Handel einen tiefgreifenden Wandlungsprozess der Wirtschaft ausgelöst haben. Was am Ende dabei herauskommt, ist unter anderem auch davon abhängig, inwieweit wir in diesen Prozess eingreifen werden, um ihn zu regulieren – etwa zugunsten des Datenschutzes. Momentan fehlt es noch an einem einheitlichen Konzept, das vorschreibt, wie die Regulierung des Datenmarktes künftig gehandhabt werden soll.
Kein Eigentum – (k)ein Problem?
Gerade weil sie sich nicht abnutzen und auch nicht ausgehen können, sind Daten in Deutschland juristisch gesehen nicht eigentumsfähig. Denn als Eigentum gelten materielle Güter, auf welche für gewöhnlich zumindest eine dieser beiden Charaktereigenschaften zutreffen; so kann man zwar Eigentümerin oder Eigentümer einer Festplatte sein, nicht aber der auf ihr gespeicherten Daten, deren Eigentum rechtlich ungeklärt bleibt. Dies ist zum einen der Fall, da das Bürgerliche Gesetzbuch, welches Besitz und Eigentum regelt, noch aus einer „analogen“ Zeit stammt und deshalb nicht auf digitale Güter ausgelegt ist. Zum anderen ist längst noch nicht geklärt, wie ein entsprechender Eintrag zu ebendiesen Gütern beschaffen sein könnte.
Zwar wäre es denkbar, Daten den Sachen rechtlich gleichzustellen – doch tatsächlich ist dieser mögliche Schritt durchaus umstritten. Beispielsweise befürchten Datenschützerinnen und Datenschützer, dass grundrechtssensible Bereiche, wie beispielsweise die Privatsphäre, wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden könnten, wenn Nutzende rechtlich dazu in der Lage wären, ihr Daten-Eigentum dauerhaft und endgültig an Unternehmen abzutreten. Die Sammelleidenschaft der Digital-Unternehmen zeigt aber auch unabhängig von einem möglichen Eigentumsrecht, dass die faktische Verfügungsgewalt über Daten nicht bei den Nutzenden liegt. Sofern die Unternehmen nicht gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen (in diesem Fall müsste der Staat Sanktionen verhängen), muss jede Nutzerin und jeder Nutzer selbst entscheiden, inwieweit sie oder er die eigenen Daten vor dem Zugriff der Unternehmen zu schützen bereit ist. Um solche Entscheidungen sinnvoll treffen zu können, müssen die Nutzenden sich zuvor gut über Datenschutz und Datenhandel informieren.
Kann Datenschutz der Wirtschaft schaden?
Keine Frage, Datenschutz ist wichtig, um bestehende Macht-Ungleichverteilungen zwischen einzelnen Personen und wirtschaftlichen sowie staatlichen Organisationen rechtlichen Bedingungen zu unterwerfen. Jedoch wurden vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (
Andererseits könnte die Umverteilung der faktischen Datenhoheit auch dazu führen, dass neue Unternehmen den
Brauchen wir eine gesetzlich verankerte Datenethik?
Die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff kritisiert an der vorherrschenden Datenökonomie insbesondere, dass die wirtschaftliche Verwertung unserer Daten unser Recht auf Privatsphäre beschneide. Zudem sei es durch die über uns verfügbaren Informationen möglich geworden, unser Verhalten zu steuern, ohne dass wir etwas davon mitbekämen, wodurch auch unser Recht auf Selbstbestimmung in Mitleidenschaft gezogen würde. Auf diese Weise entstünde eine Asymmetrie der Information, da die treibenden wirtschaftlichen Kräfte der Datenökonomie alles über uns wüssten, wir hingegen nichts über sie.
Auch eine von der Bundesregierung berufene Daten-
Wie regulieren?
Folglich muss jede Regulierung der Datenökonomie einen schwierigen Spagat zwischen Ethik und Wirtschaft bewältigen, damit einerseits die Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht beschnitten, andererseits aber Innovationen nicht durch zu strenge Verbote unterbunden werden. Zudem muss berücksichtigt werden, dass Daten nicht nur für wirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden können, sondern auch für die Steigerung des Gemeinwohls (etwa durch Datenspenden für die medizinische Forschung).
Entschieden werden muss nicht nur über die künftigen Hauptakteure der Datenökonomie (Unternehmen, Staaten, Öffentlichkeit, Gemeinschaften, Einzelne), sondern auch darüber, wem die Kontrolle über die Daten einerseits und die Überwachung der Nutzungsregeln andererseits zukommen könnte. Darin liegt eine große Verantwortung unserer Zeit – denn die zu treffenden Entscheidungen werden zweifellos einen bedeutenden Einfluss auf unsere Gesellschaft nehmen.
Arbeitsaufträge:
Lies dir den Text genau durch und benenne die wesentlichen Merkmale der Datenökonomie in ihrem derzeitigen Zustand. Beantworte dazu folgende Fragen:
Was bedeutet der Begriff Datenökonomie?
Welche Interessengruppen werden im Text genannt und in welchem Verhältnis stehen diese zueinander?
Beschreibe in eigenen Worten stichwortartig, welche rechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz im Text dargestellt werden. Berücksichtige dabei insbesondere die Frage, wem die Daten gehören.
Erörtere die Probleme des gegenwärtigen Ist-Zustandes der Datenökonomie.
Welche Möglichkeiten fallen dir ein, um diese zu lösen?
Quellen
Gesetze:
- Externer Link: Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB) § 1 ff; § 854 ff; § 903 ff.
- Externer Link: Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO)
Artikel:
Dachwitz, Ingo (10.12.2018): Verbraucherschützer warnen vor Einführung eines Dateneigentums. Externer Link: Netzpolitik.org.
Ermert, Monika (30.01.2019): EU-Datenschutzkonferenz: "Datenschutz allein reicht nicht zur KI-Regulierung“. Externer Link: Heise online.
Heckmann, Dirk (07.06.2019): Datenverwertung und Datenethik.
Interner Link: APUZ 24-26/2019 .Jaeger, Lars (27.11.18): Mit Künstlicher Intelligenz an die Weltspitze. Externer Link: Heise online.
Köver, Chris; Dachwitz, Ingo (23.10.2019): Regierungsberater*innen fordern strengere Regeln für Daten und Algorithmen. Externer Link: Netzpolitik.org.
Mühlhäuser, Max (2019): Open Metadata: Nutzerzentrierte wettbewerbliche Datenverwertung mit offenen Rahmendaten. In: Ochs, Carsten (u.a.) (Hrsg.): Die Zukunft der Datenökonomie. Zwischen Geschäftsmodell, Kollektivgut und Verbraucherschutz. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Spiekermann, Markus (07.06.2019): Chancen und Herausforderungen in der Datenökonomie.
Interner Link: APUZ 24-26/2019 .Zuboff, Shoshana (07.06.2019): Surveillance Capitalism – Überwachungskapitalismus – Essay.
Interner Link: APUZ 24-26/2019 .
Das Material steht als formatiertes Arbeitsblatt im Interner Link: PDF-Format zur Verfügung.