Bereits 1898 stellte ein Wissenschaftler fest, dass Radrennfahrer schneller fahren, wenn sie in einer Gruppe gegen andere und nicht allein "gegen die Uhr" fahren. Psychologen haben daraufhin verschiedene Untersuchungen und Studien gemacht, um das Arbeiten und Lernen in Gruppen zu untersuchen.
Wenn man an einem Tau ziehen, viele Briefe in Briefumschläge stecken oder einen Berg Schnee wegschaufeln soll, ist in der Regel die Gruppe erfolgreicher als die Einzelperson. Bei solchen additiven Aufgaben werden die körperlichen Kräfte und Geschwindigkeiten addiert. Auch bei einem Experiment, bei dem einmal eine Gruppe und einmal Einzelpersonen zwei fehlende Verse eines Gedichts nur mit Hilfe von durcheinander gewürfelten Wortkarten schreiben sollten, gab es in den Gruppen mehr richtige Lösungen als bei den Einzelpersonen. Manchmal reicht sogar schon die Anwesenheit anderer Gruppenmitglieder aus, dass Einzelne bei Aufgaben verbesserte Leistungen erbringen.
Wann und warum sind Gruppen oft erfolgreicher als Einzelpersonen?
Ob eine Gruppe bei der Bewältigung einer Aufgabe erfolgreicher ist als eine Einzelperson, hängt meist von der Art der Aufgabe, der Motivation und dem Engagement der Lernenden, der Verteilung der Aufgaben und dem kommunikativen Umgang in der Gruppe ab. Muss ein Einzelner eine Aufgaben oder ein Rätsel lösen, kann es schnell geschehen, dass er bei der Erschließung des Lösungswegs in eine Sackgasse gerät und so die für des Rätsels Lösung notwendige gedankliche Flexibilität fehlt ("Um die Ecke denken").
Mehrere Gehirne – mehrere Ideen
In einer Gruppe treffen sich hingegen verschiedene Personen mit unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen, Vorkenntnissen und Fähigkeiten. Somit kann die Aufgabe oder das Rätsel von verschiedenen Perspektiven aus angegangen werden und es können alle vom Wissen anderer profitieren und etwas Neues dazu lernen. In einer Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit zudem höher, dass eines oder mehrere der Mitglieder die richtige Lösung erschließen und anschließend den anderen Mitgliedern die Lösung erklären können. Wenn sich diese von der richtigen Lösung überzeugen lassen, eröffnen Gruppen die Möglichkeit der Fehlerkontrolle und des Fehlerausgleichs.
Eine Gruppe kann zudem natürlich viel mehr Vorschläge und Ideen zur Lösung einer Aufgabe produzieren. Aufgrund der so entstandenen Ideenhäufung und Perspektivenvielfalt sind Gruppen oft kreativer und erfolgreicher bei Lösung und Erledigung von bestimmten Aufgaben.
Die Gruppe – ein Motivationskeks?
Das Lernen in einer Gruppe ist meist anregender und motivierender, als das Lernen alleine. Im Idealfall existiert ein Gruppenvorteil hinsichtlich der Qualität und Kreativität von Problemlösungen. Die Erwartung schneller Arbeitsergebnisse ist motivierend. Oft ist es auch so, dass jedes Mitglied "gut dastehen will" und sich Anerkennung von den Gruppenmitgliedern wünscht. Es ist daher meist stärker motiviert, engagiert und bringt sich aktiv ein. Es zeigt sich eine höhere Lern- und Durchhaltemotivation. Des Weiteren trägt die von einer guten Lerngruppe ausgehende soziale Unterstützung dazu bei, dass man "bei der Stange bleibt". Idealerweise ermöglicht die Gruppe zudem allen Mitgliedern, ihre Meinung und Ansichten zu äußern.
Die Gruppe als Mutmacher
Die Gruppe kann helfen, wenn man etwas nicht versteht. Sie tröstet bei Misserfolg und lobt bei guten Ergebnissen. Oft macht das Lernen in der Gruppe auch mehr Spaß. Das Lösen von schweren Aufgaben kann für einen einzelnen Lerner sehr frustrierend und entmutigend sein. In der Gruppe hingegen kann jeder seine Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen und je nach Aufgabe kann der Einzelne von den anderen profitieren und Unterstützung bekommen. In Schulklassen hat man beobachtet, dass das Lernen in Gruppen vor allem bei schwierigen Sachverhalten sinnvoll sein kann. Jugendliche können sich gegenseitig oft besser etwas erklären, weil sie sich leichter in den anderen hineinversetzen können und zudem eine Beschreibungssprache finden, die oft besser verständlich ist, als die des Lehrers.
Gruppenarbeit – nicht immer der goldene Weg
Doch die Gruppe ist nicht immer erfolgreicher als der einzelne Lerner. Studien haben herausgefunden, dass es meist von der Art der Aufgabe, aber auch den Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder untereinander abhängt, ob eine Gruppe gute Ergebnisse erzielen kann. Der Psychologe Thorndike machte hierzu folgenden Versuch: Er stellte Gruppen und Einzelpersonen zwei Aufgaben: Zum einen sollten sie ein kniffliges Kreuzworträtsel lösen und zum anderen ein neues komplexes Kreuzworträtsel entwickeln.
Bei der Fertigstellung des vorgegebenen Rätsels waren die Gruppen erfolgreicher und schneller als die Einzelpersonen. Zum Lösen des Rätsels ist eine Anhäufung von verschiedenen Ideen und Vorschlägen notwendig. Es gibt jeweils immer nur eine richtige Lösung. Die Anzahl der Ideen ist in der Gruppe nicht nur höher, sondern fußt auch auf unterschiedlichen Vorerfahrungen und Wissen der Gruppenmitglieder. So werden nicht nur viele Vorschläge in die Runde geworfen. Die Gruppe profitiert auch vom Spezialwissen (z.B. Sport, Geographie) der Einzelmitglieder.
Anders sahen die Ergebnisse bei der Neuentwicklung eines Kreuzworträtsels aus. Hier erstellten die Einzelpersonen komplexere und anspruchsvollere Rätsel als die Gruppen. Der Unterschied zum reinen Lösen eines Rätsels liegt darin, dass es bei der Erstellung keine richtigen oder falschen Lösungen gibt, also verschiedene Strategien möglich sind. Außerdem muss hier konzentriert und fokussiert gearbeitet werden. Eine Diskussion von verschiedenen Ansätzen, wie in der Gruppe üblich, ist hier nicht notwendig, sondern wirkt eher störend und das zügige Fortkommen blockierend.
Wann sollte man in der Gruppe arbeiten und wann besser allein?
Hier einige Hinweise, die euch helfen selbst herauszufinden, was gut für eure Arbeit ist:
Wenn es nur eine Lösung für eine Aufgabe gibt und zum Erschließen der Lösung verschiedene Denkansätze und Vorkenntnisse nötig sind, ist die Gruppe gut geeignet. Das gilt z.B. für die Lösung von technischen Problemen. Gruppen eignen sich auch dann, wenn Probleme diskutiert oder zunächst erstmal Ideen und Vorerfahrungen zu einer spezifischen Frage gesammelt werden sollen (Brainstorming).
Erfolgreiche Gruppenarbeit steht und fällt allerdings mit der Aktivität und Motivation der Einzelmitglieder. So können Trittbrettfahrerverhalten, Intoleranz und das Nicht-Einhalten von Gesprächsregeln dazu führen, dass keine zufrieden stellenden Ergebnisse produziert werden. Dabei ist die Fähigkeit in Gruppen arbeiten zu können, eine wichtige Basiskompetenz, die gerade auch im Berufsleben erwartet und verlangt wird.
Wenn jedoch konzentriertes, logisches Denken notwendig ist, wie z.B. beim Lesen und Verstehen eines Textes, sollte dies in der Regel besser in Einzelarbeit getan werden.
Literatur:
Floren, Franz-Josef: Wirtschaft, Gesellschaft, Politik. Sozialwissenschaften in der Jahrgangsstufe 11, Paderborn: Schöningh 2007, S.282-283.
Stroebe, Wolfgang et al.: Sozialpsychologie. Eine Einführung, Heidelberg: Springer 2003, S. 497ff.
Arbeitsaufträge:
Stelle dar, welche Aufgaben besser durch eine Gruppe bewältigt werden können und welche eine Einzelpersonen effektiver lösen können.
Welche Vorteile hat das Arbeiten in Gruppen? Was gefährdet die Gruppenarbeit?
Wann eignet sich Einzelarbeit, wann Gruppenarbeit zur Lösung einer Aufgabe?
Nenne Beispiele aus deinem Schulalltag oder aus dem Arbeitsleben.