Vor allem Krisen wie die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 oder die Corona-Pandemie führten zu einer Erhöhung der öffentlichen Schulden der Mitgliedstaaten der EU. Allerdings gingen die Schulden bezogen auf das BIP zwischen 2014 und 2019 fünf Mal in Folge zurück – insgesamt in 23 von 27 EU-Staaten. Und auch nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie sank der relative Schuldenstand der EU-27.
Fakten
In Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist festgelegt, dass die Mitgliedstaaten der EU übermäßige öffentliche Defizite vermeiden sollen. Dabei überprüft die Europäische Kommission die Entwicklung der Haushaltslage und die Höhe des öffentlichen Schuldenstands. Insbesondere zwei Kriterien stehen im Mittelpunkt der Überprüfung. Erstens darf das jährliche öffentliche Defizit nicht mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprechen. Zweitens darf der gesamte öffentliche Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen. Allerdings bestehen für beide Kriterien Ausnahmen. So darf der öffentliche Schuldenstand mehr als 60 Prozent des BIP entsprechen, wenn er hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.
Bezogen auf das BIP sanken die öffentlichen Schulden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union von Mitte der 1990er- bis Anfang der 2000er-Jahre. Im Euroraum reduzierten sich die Schulden zwischen 1997 und 2002 stetig von 72,8 auf 68,0 Prozent. In der EU-27 lag der Schuldenstand im Jahr 2002 bei 65,4 Prozent. Nachdem sich der Schuldenstand der EU-27 von 2007 auf 2008 moderat von 62,3 auf 65,0 Prozent des BIP erhöhte, stieg der entsprechende Wert – vor allem bedingt durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise – auf 75,7 Prozent im Jahr 2009 bzw. auf 80,4 Prozent im Jahr 2010.
Auch wenn die Entwicklungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich waren, hat sich der Schuldenstand in den Jahren 2008 bis 2010 in allen EU-Staaten erhöht. Am stärksten in Irland (+43,7 %-Punkte), Griechenland (+38,1 %-Punkte), Lettland (+29,1 %-Punkte) und Portugal (+24,6 %-Punkte). In den Folgejahren weitete sich die Schuldenkrise Europas weiter aus: Zwischen 2010 und 2014 erhöhte sich der Schuldenstand der EU-27 von 80,4 auf 86,9 Prozent des BIP – ein Plus von 6,5 Prozentpunkten. In diesem Zeitraum stiegen die öffentlichen Schulden im Verhältnis zum BIP in 22 der heutigen 27 EU-Staaten.
Zwischen 2014 und 2019 ist der relative Schuldenstand der EU-27 fünf Mal in Folge gesunken. 2019 lag er bei 77,7 Prozent des BIP. In diesem Zeitraum war der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP in 23 EU-Mitgliedstaaten rückläufig – lediglich in Frankreich nahm er nennenswert zu (+2,5 %-Punkte). Bezogen auf das BIP verringerten sich die Schuldenstände zwischen 2014 und 2019 am stärksten in Irland (-47,3 %-Punkte), Malta (-21,8 %-Punkte), den Niederlanden (-19,4 %-Punkte), Zypern (-18,0 %-Punkte), Portugal (-16,3 %-Punkte) und Deutschland (-15,7 %-Punkte).
Trotz der positiven Entwicklung in den Jahren 2014 bis 2019 war die Schuldenkrise in Europa auch vor der Corona-Pandemie nicht vollständig überstanden: Im Jahr 2019 verfehlten immer noch zwölf Staaten die 60-Prozent-Marke. Und um die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie im Jahr 2020 zu mildern, wurden zahlreiche Investitionen getätigt bzw. Hilfsprogramme finanziert. Der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP stieg von 2019 auf 2020 in allen 27 Staaten der EU – entsprechend erhöhte sich EU-weit der Schuldenstand sprunghaft von 77,7 auf 90,0 Prozent des BIP. Allerdings reduzierte sich der relative Schuldenstand von 2021 und 2022 in 23 von 27 EU-Staaten – EU-weit ging der Schuldenstand von 88,0 auf 84,0 Prozent des BIP zurück. In absoluten Zahlen nahm der Schuldenstand der EU-27 von 2019 auf 2020 von 10.895 auf 12.119 Milliarden Euro zu und stieg dann bis zum Jahr 2022 weiter auf 13.273 Milliarden Euro.
In Griechenland lag der öffentliche Schuldenstand im Jahr 2022 bei 171,3 Prozent des BIP. Darauf folgten Italien (144,4 Prozent des BIP), Portugal (113,9 Prozent), Spanien (113,2 Prozent), Frankreich (111,6 Prozent) und Belgien (105,1 Prozent). Weitere sieben Staaten verfehlten die 60-Prozent-Marke ebenfalls: Zypern, Österreich, Ungarn, Finnland, Slowenien, Kroatien und Deutschland. Im Jahr 2022 lag der Schuldenstand in Deutschland bei 2.563 Milliarden Euro – 66,3 Prozent des BIP. 2019 entsprach der Schuldenstand in Höhe von 2.069 Milliarden Euro noch 59,6 Prozent des BIP und lag damit das erste Mal seit 2002 unterhalb der 60-Prozent-Marke. In Estland lag der Schuldenstand im Jahr 2022 bei lediglich 18,4 Prozent des BIP. Darauf folgten Bulgarien (22,9 Prozent), Luxemburg (24,6 Prozent), Dänemark (30,1 Prozent), Schweden (33,0 Prozent) sowie Litauen und Lettland (38,4 bzw. 40,8 Prozent).
Durch die Schuldenstände entstehen vor allem dann Probleme, wenn Staaten trotz hoher Schuldenquote zusätzliche Kredite aufnehmen. Laut der Deutschen Bundesbank gehören dazu "die potenzielle Verdrängung privater Investitionen, Unsicherheiten und Verzerrungen durch erwartete oder tatsächliche künftige Erhöhungen der Abgabenlast oder merkliche Risikoprämien auf den Kapitalmärkten infolge verstärkter Sorgen um die Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Darüber hinaus dürfte bei hohen Schuldenquoten die Wirksamkeit gezielter kreditfinanzierter Maßnahmen zur Abwehr von besonders schweren Krisen zunehmend begrenzt sein. Zudem erhöht sich die Gefahr von Konflikten zwischen Finanz- und Geldpolitik, die gravierende gesamtwirtschaftliche Kosten zur Folge haben, während umgekehrt solide Staatsfinanzen eine stabilitätsorientierte Geldpolitik erleichtern" (Deutsche Bundesbank: Monatsbericht April 2010). Weiter führt die Staatsverschuldung zu Zinsausgaben und damit zu einer Verengung des staatlichen Handlungsspielraums.
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Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Das BIP ist gegenwärtig das wichtigste gesamtwirtschaftliche Produktionsmaß.
EU-27 (ab 2020) bezieht sich auf die Zeit nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäische Union ("Brexit"). Zur EU-27 (ab 2020) gehören: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Soweit nicht anders erwähnt, ist im Text und bei der Grafik mit EU-27 die EU-27 (ab 2020) gemeint.
Euroraum (20 Länder): Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern.
Weitere Informationen zur Entwicklung des Euroraums erhalten Sie Externer Link: hier…