Einleitung
Das gegenwärtige geopolitische Interesse an der Arktis hat verschiedene Gründe. Infolge des Klimawandels wird angenommen, dass die Region innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre im Sommer eisfrei sein wird. Dies eröffnet neue wirtschaftliche Perspektiven, denn zum einen öffnen sich neue Seewege, die Atlantik, Arktis und Pazifik verbinden, zum anderen verknüpft sich damit die Hoffnung, dass große Vorkommen an Bodenschätzen erreichbar werden. In Bezug auf die Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen sowie die Aufteilung des arktischen Festlandsockels gibt es jedoch zahlreiche offene Fragen. Politische Rhetorik und Propagandaaktionen (wie beispielsweise das Befestigen der russischen Flagge auf dem Meeresgrund des Nordpols 2007) haben zusätzlich dafür gesorgt, dass die Region konstant im Fokus geblieben ist. Dieser Artikel befasst sich mit der geopolitischen Bedeutung der arktischen Bodenschätze sowie den sich daraus ableitenden rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Drei Thesen stehen dabei im Mittelpunkt:
Erstens: Dem Abbau von arktischem Öl und Gas stehen ernstzunehmende Schwierigkeiten entgegen - das unwirtliche Klima, die große Entfernung von den Absatzmärkten, die Existenz von Ölvorkommen in anderen Regionen sowie der schwierige Abbau von Schiefergas. Zweitens: Es herrscht beträchtliche Unsicherheit bezüglich der governance der Arktis, da es Körperschaften wie der Festlandsockelkommission (Commission on the Limits of the Continental Shelf) der Vereinten Nationen (UN) und dem Arktischen Rat an multilateraler Autorität mangelt. So ergibt sich die Frage, ob die Treffen der Arctic Five, der fünf Arktis-Anrainerstaaten Kanada, Russland, USA, Norwegen und Dänemark (Grönland), zur Einrichtung eines beschlussfassenden Organs führen werden. Drittens: Momentan halten sich die Staaten, die Gebietsansprüche anmelden, zwar an internationale Normen und kooperieren miteinander, aber längerfristig wird sich das Risiko eines geopolitischen Konflikts verstärken. Und das nicht nur, weil sich der Druck von externen Akteuren in Richtung Internationalisierung der Arktis erhöhen wird, sondern auch wegen möglicher Auseinandersetzungen der Arktis-Staaten über Gebietsrechte und Bodenschätze.
Schätzungen über die Rohstoffvorkommen
Laut US Geological Survey birgt die Arktis 30 Prozent der unerschlossenen Gas- und 13 Prozent der unerschlossenen Ölvorkommen. Etwa 85 Prozent der Gas- und Ölressourcen befinden sich in Offshore-Gebieten, also außerhalb der Küstengewässer,
Der Optimismus, mit dem man noch vor ein paar Jahren dem kurzfristigen Abbau der arktischen Bodenschätze entgegensah, ist heute deutlich gedämpfter. Obwohl sich der Ölpreis seit Beginn der globalen Wirtschaftskrise 2008 wieder erholt hat, ist das Potenzial der Ölförderung gegenüber dem der Gasförderung wegen der begrenzteren Vorkommen deutlich geringer. Die Arktis ist sehr reich an Gas und Flüssiggas, ihre Gewinnung wirft jedoch viele Probleme auf. Der Absatzmarkt für Gas ist weit entfernt, und der Transport von Gas ist über längere Distanzen wesentlich teurer als der von Öl.
Diese Entwicklung hat die Preise von Flüssiggas relativ niedrig gehalten, und es stellt sich die Frage, ob der Abbau gewaltiger arktischer Gasvorkommen wie etwa im Shtokman-Feld in der Barentssee profitabel ist - hier handelt es sich um ein Projekt des russischen Energieunternehmens Gazprom mit seinen französischen und norwegischen Partnern Total und Statoil, das 2010 aber um mindestens drei Jahre aufgeschoben wurde. Bei den gegenwärtigen Gaspreisen rentiert es sich nicht,
Die wachsende europäische Nachfrage nach Erdgas, die schrumpfenden Gasvorkommen in der Nordsee und in Russland sowie die enttäuschenden Resultate bei der Erkundung und Erschließung von Schiefergas in Europa sind zwar durchaus Anreize, die russischen Gasressourcen in der Arktis zu erschließen, aber nichtsdestotrotz wären damit erhebliche Kosten und Risiken sowie lange Vorlaufzeiten verbunden. Auch vor dem Hintergrund des Potenzials der Schiefergasvorkommen könnte es also sein, dass eher die leichter zugänglichen Öl- und Gasvorkommen außerhalb der Arktis erschlossen werden.
Auseinandersetzungen über Recht und Grenzen
Alle acht Arktis-Staaten - also die Arctic Five plus Finnland, Schweden und Island - stimmen darin überein, dass das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) ein angemessenes Instrument ist, um Gebietsansprüche in der Arktis und ihre Beschränkungen zu regeln.
Das SRÜ erlaubt Staaten, zusätzliche Gebietsansprüche geltend zu machen, sofern nachgewiesen und durch die UN-Festlandsockelkommission bestätigt worden ist, dass der Festlandsockel des jeweiligen Landes unter Wasser über ein bestimmtes Gebiet hinausreicht (über 200 und bis zu 350 Seemeilen gemessen von der küstennahen "Basislinie"). Innerhalb dieser Grenzen kann der betreffende Staat dann souverän über Förderlizenzen und Bodenschätze verfügen. Mit Russland, Kanada und Dänemark (im Namen Grönlands) planen drei Arktis-Staaten, in den kommenden Jahren derartige Ansprüche geltend zu machen. Als erstem Land gelang dies bereits Norwegen, dessen Antrag von der Festlandsockelkommission 2009 gebilligt wurde.
Zudem haben Russland und Norwegen im Frühjahr 2010 eine Vereinbarung zur Festlegung der Seegrenze in der Barentssee getroffen und damit einen 40-jährigen Streit beigelegt, was die Erschließung beträchtlicher Öl- und Gaslagerstätten im norwegischen Gebiet ermöglicht.
Russland machte erstmals 2001 Gebietsansprüche bei der UN-Kommission mit der Begründung geltend, dass die Gewässer, die sich vor seiner nördlichen Küste bis zum Nordpol erstrecken, zu seinem Seehoheitsgebiet gehörten, da der Lomonossow-Rücken eine Fortsetzung des russischen Festlandes sei. Die Kommission akzeptierte dieses Argument jedoch nicht und forderte weitere Belege. Spätestens 2013, möglicherweise aber auch schon 2011 soll ein überarbeiteter Antrag zur Festlegung der Grenzen des russischen Festlandsockels eingereicht werden.
Überlappende Gebietsansprüche
Alle Arktis-Staaten wiederholen beständig ihr Bekenntnis zum internationalen Recht im Zusammenhang mit der Beilegung von Gebietsstreitigkeiten. Dennoch gibt es verschiedene miteinander konkurrierende Gebietsansprüche bzw. Rechtsauslegungen:
Erstens beanspruchen sowohl Kanada als auch Dänemark die winzige, unbewohnte Hans-Insel (im Kennedy-Kanal zwischen der kanadischen Ellesmere-Insel und Nordgrönland), obwohl der Streit nichts mit dem Gewässer, dem Meeresboden oder der Kontrolle über Seewege zu tun hat.
Zweitens fechten sowohl Dänemark als auch Kanada Russlands Anspruch auf den Lomonossow-Rücken an.
Drittens sind die Norweger um internationale Akzeptanz ihrer Position zu Spitzbergen bemüht, speziell in Bezug auf die von ihnen ausgerufene Fischereischutzzone im Umkreis von 200 Seemeilen um den Archipel. Russland und andere Staaten lehnen diese ab, und auch befreundete Staaten erkennen sie nicht an.
Viertens gibt es Differenzen zwischen den USA und Kanada bezüglich der Seegrenze in der Beaufortsee. In Übereinstimmung mit ihrer traditionellen Unterstützung der "Freiheit der Meere" (freedom of the seas) lehnen die USA auch den Anspruch ihres nördlichen Nachbarn auf die Nordwestpassage ab. Während Kanada die Fahrrinnen der Passage als eigenes Binnengewässer interpretiert, sehen die USA in ihr eine Straße der internationalen Schifffahrt.
Fünftens schließlich zählt die russische Regierung die Nordostpassage, den Seeweg vom Atlantik zum Pazifik entlang der russischen Küste, zu ihrem Zuständigkeitsbereich. Andere Staaten, vor allem die USA, betonen dagegen, dass es sich um internationales Gewässer handele, was das Recht der freien Durchfahrt einschließe.
Arctic Governance
Der neuerliche Fokus auf die Arktis hat Fragen zum "Management" der Region aufgeworfen. Für die acht Staaten, die dem Arktischen Rat permanent angehören, ist das SRÜ das einzige multilaterale Verwaltungssystem, das in der Region Geltung hat, und sie widersetzen sich der Idee, einen internationalen Staatsvertrag aufzusetzen, der sich etwa am Antarktisvertrag von 1959 orientiert. Wenn es darum geht, die Arktis zu verwalten und zu bewirtschaften, wollen die Arctic Eight weiterhin eine bevorzugte Rolle spielen, die ihrer Meinung nach im Einklang mit dem SRÜ steht und sich aus ihrer geografischen Lage, ihren Hoheitsrechten sowie politischen und wirtschaftlichen Interessen ableitet.
Was die governance der Arktis betrifft, herrscht erhebliche Unsicherheit. So kann die UN-Kommission zwar die Größe des Festlandsockels feststellen, aber sie hat nicht die Befugnis, zwischenstaatliche Streitfälle zu schlichten. Nachdem sie Empfehlungen erlassen hat, obliegt es den Staaten selbst, miteinander über Seegrenzen und Ansprüche zu verhandeln. Die Funktion des Arktischen Rates ist insofern eingeschränkt, als er zur Entscheidungsfindung zwar beiträgt, aber kein beschlussfassendes Gremium ist. Er wird vor allem für sein wissenschaftlich fundiertes Umweltengagement und die strukturellen Vorarbeiten für die multilaterale Zusammenarbeit geschätzt.
Der umstrittenste Versuch, den politischen Rahmen der Arktis zu beeinflussen, war ein Treffen der USA, Kanadas, Russlands, Norwegens und Dänemarks im grönländischen Ilulissat im Jahr 2008, auf dem die Arctic Five ihre privilegierte Rolle in der Region hervorhoben. Dabei verschrieben sie sich der "ordnungsgemäßen Beilegung aller möglichen sich überschneidenden Ansprüche" auf Grundlage des vorhandenen internationalen Rechtsrahmens.
Der Hauptvorwurf lautete, dass die Ilulissat-Initiative die Legitimität des Arktischen Rates als wichtigstes Arktis-Gremium untergrabe. Die Arctic Five hätten mit der Formulierung ihres hegemonialen Anspruchs eine Rückkehr zur Großmachtpolitik des 19. Jahrhunderts eingeläutet. Das Treffen wurde mithin als erster Schritt in Richtung der Institutionalisierung eines neuen beschlussfassenden Gremiums gedeutet. Die fünf beteiligten Staaten wiesen diese Interpretation zwar zurück und betonten die Verbindlichkeit des internationalen Rechts. Aber Ziel des Treffens war es offenbar auch, das Verständnis der eigenen Hoheitsrechte zu unterstreichen und sich jeglichen Versuchen entgegenzustellen, die Region zu internationalisieren - sei es durch einen Arktis-Staatsvertrag ähnlich dem Antarktisvertrag oder durch ein Moratorium zum Abbau arktischer Bodenschätze.
Obwohl die Zusammenkunft von Ilulissat als einmaliges Ereignis gedacht war, ließ die kanadische Regierung ein weiteres Treffen der Arctic Five im März 2010 im kanadischen Chelsea folgen, das jedoch als Misserfolg bezeichnet werden kann. Neben einigen Beschlüssen führte es zu erneuten Protesten seitens der drei übrigen Arktis-Staaten und der Vertreter der indigenen Völker. Bemerkenswert ist aber vor allem, dass die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton die kanadische Regierung öffentlich dafür rügte, die anderen arktischen Staaten nicht eingeladen zu haben.
Derzeit ist noch nicht absehbar, ob die Arctic Five ihre exklusiven Beratungen über die governance der Region fortführen werden. Aber Island, Finnland und Schweden, die keinerlei Ansprüche in Bezug auf Gebiete oder Rohstoffe im Nordpolarmeer stellen, sind entschlossen, sich eventuellen Entwicklungen hegemonialer Verhältnisse entschlossen entgegenzustellen. Natürlich gibt es auch Anzeichen, die dafür sprechen, dass alle Arktis-Staaten im Rahmen der Bemühungen, territoriale Auseinandersetzungen in friedlichen Grenzen zu halten, verstärkt kooperieren werden. Es lässt sich auch auf Initiativen verweisen, die in Bezug auf Katastrophen- und Umweltschutz internationale Lösungen anstreben.
Rolle von EU und NATO
Während sich alle Arktis-Staaten darüber einig sind, dass eine Öffnung der Region für umfassende Regelungen von außen (abgesehen vom SRÜ) nicht in ihrem Interesse liegt, sind sie geteilter Meinung darüber, in welchem Rahmen nicht-arktische Staaten und Organisationen einbezogen werden sollen. Die russische Politik verfährt dabei nach dem Motto "Je weniger externe Einmischung in arktische Angelegenheiten, desto besser". So setzte sich Russland dafür ein, dass in der Ilulissat-Erklärung betont wird, dass die politische Steuerung der arktischen Gebiete der Verantwortung und Rechtszuständigkeit der arktischen Anrainerstaaten obliegt und bei anderen Staaten oder Organisationen keine entsprechende Rechtsgrundlage gegeben ist. Ferner ist Russland gegen eine Einbeziehung der EU und der NATO. Auch Kanada betont die Ansprüche der Nordpolarstaaten und hat verhindert, dass der Europäischen Kommission im Arktischen Rat Beobachterstatus zugestanden wird, nicht zuletzt wegen des in der EU geltenden Verbots für Seehunderzeugnisse. Obwohl vier der fünf Arktis-Staaten NATO-Mitglieder sind, ist Kanada auch nicht dazu bereit, dem Bündnis eine Rolle in der Arktis zuzuschreiben oder, im Unterschied zu den USA, den NATO-Russland-Rat als Forum gelten zu lassen, um Fragen der Arktis zu diskutieren.
Die nordeuropäischen Länder sind einem Mitspracherecht der EU in der Arktis gegenüber wesentlich aufgeschlossener, was angesichts der EU-Mitgliedschaft Dänemarks, Finnlands und Schwedens nicht überraschend ist. Natürlich gibt es einschränkende Faktoren: Finnland und Schweden grenzen nicht an das Nordpolarmeer und sind die einzigen Arktis-Staaten ohne Rechtsansprüche im Nordpolarmeer oder in angrenzenden Meeren; Dänemark ist der einzige Arktis-Anrainer, der EU-Mitglied ist, aber im Namen von Grönland auftritt, das 1985 aus der Europäischen Gemeinschaft ausgetreten ist. Ob sich Grönland, wenn seine reichen natürlichen Ressourcen in den nächsten Jahrzehnten erschlossen werden sollten, politisch gänzlich von Dänemark lösen wird, ist derzeit noch offen. Die Insel hat das Potenzial zur Eigenständigkeit, hat aber nur 57000 Einwohnerinnen und Einwohner und verfügt kaum über die verwaltungstechnische Infrastruktur, die für einen Arktis-Anrainerstaat notwendig wäre.
Wie die nordischen EU-Mitgliedstaaten unterstützen auch Norwegen und Island die Bewerbung der EU um den Beobachterstatus im Arktischen Rat. Falls die isländischen EU-Beitrittsverhandlungen erfolgreich verlaufen, könnte die Mitgliedschaft Islands die Präsenz der EU in der Region stärken. Doch während die nordischen Arktis-Staaten das Bekenntnis der EU zum SRÜ als großen Vorteil ansehen, sind sie gegen die vom Europäischen Parlament verabschiedete Resolution über einen Arktisvertrag und gegen ein vorgeschlagenes Memorandum über die wirtschaftliche Ausbeutung der arktischen Bodenschätze. Mit Unterstützung Islands drängt Norwegen auf eine eingeschränkte Meeresüberwachung in der Arktis durch die NATO, die dort "Flagge zeigen" und militärische Übungen abhalten soll. Einer "Versicherheitlichung" (securitisation) der Arktis durch übermäßige militärische Präsenz der NATO lehnt Norwegen jedoch ab.
Das Engagement internationaler Organisationen wie von der EU und der NATO ist unter den Arktis-Staaten also umstritten. Das lässt sich auch in Bezug auf China sagen, das bereits großes Interesse an der Arktis bekundet und sich - wie parallel Japan und Südkorea - um den Beobachterstatus im Arktischen Rat beworben hat. Das Interesse Chinas erklärt sich aus der möglichen Öffnung neuer Schifffahrts- und Transportwege, die den Pazifik und den Nordatlantik verbinden. Als Großmacht ist China, wie auch der EU, daran gelegen, Einfluss auf die künftigen Entwicklungen in der Arktis nehmen zu können. Sollten diese mächtigen Akteure aber längerfristig von den Arktis-Staaten außen vor gelassen werden, könnte es sein, dass sie sich über ihre politische und wirtschaftliche Macht den Platz am Verhandlungstisch schließlich erzwingen.
Gefahr eines geopolitischen Konfliktes?
In dem überstrapazierten Slogan "Wettlauf um die Arktis" versinnbildlicht sich ein Medienrummel, der ein unrealistisches Bild von den Rohstoffvorräten der Region und von den Konfliktszenarien vermittelt. Auf lange Sicht sollte die Gefahr eines geopolitischen Konfliktes zwar tatsächlich nicht abgetan werden: Die USA, Kanada und Russland schließen Alleingänge zum Schutz ihrer Interessen nicht aus;
Nichtsdestotrotz hinterließ die Flaggenepisode tiefen Eindruck bei den anderen arktischen stakeholdern. In Kanada provozierte sie heftige nationalistische Reaktionen, und in den USA forcierte sie die Ausarbeitung einer Präsidentendirektive zur Arktis, die unter anderem zum Treffen in Ilulissat führte. Die russische Regierung hat inzwischen angekündigt, sie wolle eine arktische Streitmacht zur Verteidigung des russischen Festlandsockels aufbauen.
Die kanadische Regierung hat ihrerseits Pläne geäußert, Patrouillenschiffe, die für die Fahrt in kalten Gewässern geeignet sind, und eine militärische Einheit mit einer Truppenstärke von 500 Mann einzusetzen, um ihre Interessen in der Arktis zu verteidigen. Auch die Präsenz der Canadian Rangers, denen die Kontrolle der arktischen Grenzen Kanadas obliegt, wird verstärkt.
Die US-Regierung dagegen zeigt bislang kaum militärisches Interesse an der Region.
Dänemark hat bislang auf Aktivitäten verzichtet, die als "harter" sicherheitspolitischer Ansatz in der Region hätten interpretiert werden können. Allerdings hat es in einem jüngeren Strategiepapier eine Verlagerung des Akzentes von der nachhaltigen Nutzung und dem Schutz der gefährdeten arktischen Umwelt hin zu einer offensiveren Ausbeutung der Region erkennen lassen.
Auch wenn es seitens der Arktis-Staaten viele sich überlappende Gebietsansprüche gibt, die hoch riskante Zerwürfnisse auslösen könnten, so haftet ihnen keine unmittelbare Dringlichkeit an. Territoriale Streitigkeiten verzögern in der Regel den Abbau von Bodenschätzen und führen nicht zwangsläufig zu einer "Versicherheitlichung" oder gar einer militärischen Konfrontation. In etlichen der arktischen Gebiete wird es noch Jahrzehnte dauern, ehe die Förderung von Gas und Öl tatsächlich möglich sein wird.
Schlussfolgerung
Meine Ausführungen haben gezeigt, dass es aufgrund des unwegsamen Geländes, der komplizierten Förderung von Schiefergas und der hohen Erschließungs- und Produktionskosten höchst unsicher ist, ob das enorme Potenzial der arktischen Gasvorkommen in absehbarer Zukunft rentabel ausgeschöpft werden kann. Nichts weist darauf hin, dass die arktischen Ressourcen die überragende Bedeutung der Ölvorkommen in den Golfstaaten schmälern könnten.
Die Auseinandersetzungen über die Arktis sind derzeit noch handhabbar. Mit Blick auf die potenziell zu gewinnenden Rohstoffe ist der Medien-Hype über den Lomonossow-Rücken ungerechtfertigt. Laut US Geological Survey birgt er keine wertvollen Bodenschätze,
Eine Ausnahme ist die Auseinandersetzung zwischen den USA und Kanada über die Seegrenze in der Beaufortsee. Aber angesichts der bestehenden amerikanisch-kanadischen Sicherheitsgemeinschaft gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der Streit eskalieren wird. Das Gleiche lässt sich über die Auseinandersetzungen um die Nordwestpassage sagen. Während Russland am meisten in der Arktis zu gewinnen hätte und zuweilen kämpferische Rhetorik bemüht,
Ein worst case scenario für die Arktis setzt eine drastische Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und der NATO einerseits sowie Russland andererseits voraus, was aber unwahrscheinlich ist, da beide Seiten grundsätzlich um deren Verbesserung bemüht sind. Auch eine denkbare Verquickung der Arktis-Angelegenheiten mit anderen internationalen Auseinandersetzungen ist bislang ausgeblieben. (Eine Möglichkeit dazu hätte etwa der Georgienkrieg 2008 geboten, der jedoch keine längerfristigen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen hatte.)
Was sich derzeit in der Arktis abspielt, ist kein militärischer Aufmarsch und keine militärische Kraftprobe; vielmehr bereiten sich alle Seiten darauf vor, im Vielklang der Stimmen festzulegen, wie die im Wandel befindliche Region in Zukunft politisch und rechtlich gestaltet werden soll. Momentan gibt es in der Arktis wenige Spannungen, da die Hauptakteure sich an die geltenden internationalen Regeln halten. Aber das beharrliche Argument der "Identität", das unterschwellig im Diskurs über sich überschneidende Hoheitsansprüche und in nationalistischen Phrasen mitschwingt, wirkt nicht gerade begünstigend auf die zwischenstaatliche Zusammenarbeit, so dass das langfristige Risiko eines geopolitischen Konflikts sehr viel größer ist.
Dieser Artikel basiert auf einem Bericht des Autorsfür das Europäische Parlament: The Geopolitics of the Arctic, Brüssel 2010 (online: Externer Link: ). Dank für Unterstützung gilt dem EDDA-Center of Excellence und dem University of Iceland Research Fund. Übersetzung aus dem Englischen für APuZ: Dr. Juliane Lochner, Leipzig.