Die nachfolgenden Differenzierungen beruhen zunächst auf relativ alten Daten der EVS 2013. Die Daten der EVS 2018 werden erst ca. Dezember 2020 vollständig als Einzeldaten auswertbar sein.
Bezogen auf die Vermögen hat sich das Konzept einer relativen Messung von Armut noch nicht so weit etabliert wie im Bereich der Einkommensverteilung. Dabei ist es durchaus sinnvoll, solche einfachen Kennziffern zu verwenden und dabei die ermittelten Zustände auch mit plastischen Begriffen zu benennen: Wer kann mit der Aussage, dass der Gini-Koeffizient oder die 90:10-Relation so und so hoch wäre, wirklich etwas anfangen. Allerdings muss bei Verwendung von Kennziffern wie der Vermögensreichtumsquote immer auch mit gesagt werden, wo die Aussagegrenzen solcher Indikatoren bzw. der dahinter stehenden Daten liegen.
In diesem Abschnitt werden kurz das Messkonzept von "relativer Vermögensarmut" erläutert und diskutiert sowie einige Ergebnisse in der Differenzierung nach Regionen, Geschlecht und Alter präsentiert. Verwendet wird folgende Definition:
Definition
Als vermögensarm gilt, wessen Vermögen nach Abzug der Schulden im Haushaltskontext geringer ist als 60 Prozent des mittleren (Median) Nettovermögens in der Bevölkerung.
Diese Definition folgt exakt dem Vorgehen bei der Messung von relativer Einkommensarmut (vgl. "Verteilung der Haushaltsnettoeinkommen" und "Begriffe und zentrale Indikatoren der Vermögensverteilung"). Die Vorteile, Probleme und oft auch völlig überzogenen, ablehnenden Fehlinterpretationen sind genau die gleichen wie bei der relativen Einkommensarmut (Hier nur ein Beispiel: Natürlich sind die meisten vermögensarmen Menschen in Deutschland besser situiert als Vermögensarme in Entwicklungsländern (vgl. auch "Interner Link: Internationaler Vergleich"). Die relative Armut bezieht sich aber sinnvollerweise auf das vergleichbare Umfeld einer armen Person in ihrem Stadtteil, ihrer Stadt oder dem Land in dem sie leben!) Der einzige Unterschied ist, dass beim Vermögen keine Bedarfsgewichtung erfolgt, die da ja auch keinen Sinn machen würde. Es werden also die Nettovermögen der Personen, der Haushalte oder der Haushalte pro Kopf verwendet.
In diesem Sinne enthält die Tabelle "Vermögensarmutsschwellen und -quoten 2013 netto pro Kopf" die auf Basis der EVS 2013 berechneten Vermögensarmutsschwellen und die Vermögensarmutsquoten für Gesamtdeutschland sowie für West- und Ostdeutschland. Die Vermögensarmutsquote, netto pro Kopf, liegt in Ost und West recht eng beieinander und beträgt laut dieser Datenquelle für Deutschland insgesamt 40,5 Prozent.
Hinter diesen ähnlich hohen Vermögensarmutsquoten in Ost und West stehen aber zwei sehr unterschiedliche Armutsschwellen. Die Vermögensarmutsschwelle in Westdeutschland liegt mit 27.463 Euro beinahe zweieinhalbmal so hoch wie in den neuen Bundesländern (inklusive ganz Berlin). Vereinfacht formuliert: Die Ungleichheit der Vermögensverteilung ist − soweit mit der EVS überhaupt messbar, also ohne die sehr Reichen − in Ostdeutschland nur unwesentlich größer als im Westen; die Höhe der Nettovermögen ist dabei im Osten aber deutlich geringer.
Eine andere grundlegende Differenzierung in der Sozial- und Armutsberichterstattung betrifft das Geschlecht. Es gilt, dass die Vermögensarmutsquote von Männern bei der Pro-Kopf-Aufteilung der Haushaltsnettovermögen nicht viel geringer ist als diejenige von Frauen. Ganz anders stellt sich dies jedoch dar, wenn man in der Auswertung nicht nach dem Geschlecht der einzelnen Personen differenziert, sondern nach dem Geschlecht der Person im Haushalt, die das hauptsächliche (größte) Einkommen erzielt. Wenn die haupteinkommensbeziehende Person im Haushalt weiblich ist, dann fällt die Vermögensarmutsquote sehr viel höher aus als wenn es ein Mann ist. In diesem Fall schlägt im Schnitt wohl die Benachteiligung von Frauen bei den Einkommen auf die Möglichkeiten der Bildung selbst eines bescheidenen Vermögens durch.
Nach Altersgruppen betrachtet steigt die Vermögensarmutsquote zunächst bei den jungen Erwachsenen (18 bis 24 Jahre) gegenüber den unter 18-Jährigen an (viele dieser jungen Erwachsenen leben nicht mehr im Eltern-Haushalt). Danach geht die Vermögensarmutsquote zurück. Sie ist bei den 50- bis 79-Jährigen am geringsten und nimmt dann bei den über 80-Jährigen wieder zu.
Die Vermögensarmutsquote ist bei Einpersonenhaushalten (häufig Frauen im höheren Alter nach Tod des Partners) besonders hoch. Bei Alleinerziehenden sind es herausragende Anteile. Am besten stellen sich erwartungsgemäß bezüglich dieses Indikators Paarhaushalte ohne Kinder und "Sonstige Haushalte". Eher überraschend ist es, dass die Vermögensarmut von Paarhaushalten mit einem Kind recht hoch ist, höher als bei Paarhaushalten mit 2 bzw. 3 oder mehr Kindern. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass Paarhaushalte mit einem Kind relativ häufig noch jünger sind und weniger Gelegenheit hatten Vermögen zu akkumulieren (bzw. Hypotheken abzuzahlen).
Zumindest korrespondiert dieser Erklärungsansatz mit einer Betrachtung der Vermögensarmutsquoten nach dem Alter von Kindern bzw. Jugendlichen. Die höchsten Vermögensarmutsquoten weisen die Haushalte mit dem jüngsten Kind bis 2 bzw. 3 bis 5 Jahren auf. Mit steigendem Alter der Kinder bzw. Jugendlichen nimmt die Vermögensarmutsquote der Haushalte mit Kindern dann ab.
Der Abbildung "Relative 60-Prozent-Vermögensarmutsquoten nach dem Wohneigentümerstatus 2013" ist zu entnehmen, dass Wohneigentümer mit 12,8 Prozent eine besonders geringe Vermögensarmutsquote haben, während bei Nichtwohneigentümern mit 78,1 Prozent eine besonders hohe Quote aufscheint (Auch bei Vorhandensein von sonstigem Grundbesitz ergibt sich eine besonders geringe Vermögensarmutsquote). Eine eigene Immobilie setzt selbst bei einer deutlichen Fremdfinanzierung zumindest einiges an Eigenkapital voraus.
Dabei ist generell zu beachten, dass die Wohneigentumsquote in Deutschland im internationalen Vergleich sehr niedrig ist. Sie liegt bei unter 50 Prozent (vgl. " Interner Link: Internationaler Vergleich") und dass sie sehr stark vom Einkommen der Haushalte abhängt.
Obwohl der Anteil der Haushalte, die in ihrer eigenen Immobilie leben, von Datenquelle zu Datenquelle leicht unterschiedlich ausgewiesen wird, besteht doch Einigkeit darüber, dass diese Wohneigentumsquote in Deutschland sehr niedrig ist. Das wird zumindest teilweise auch auf historische Ursachen zurück geführt (Wohnungsnot nach dem II. Weltkrieg und entsprechend auf schnelle Wohnraumschaffung abzielende Wohnungsbaupolitik – d. h. Sozialer Wohnungsbau).
Die niedrige Wohneigentumsquote hängt aber offensichtlich auch mit den hohen finanziellen Zutrittsbarrieren − nötiges Eigenkapital − zu diesem Vermögensbereich zusammen.
Deutschland hatte und hat eine sehr niedrige Wohneigentumsquote, die aber sehr stark von der relativen Position bei den Haushaltsnettoeinkommenspositionen abhängt. Die Werte schwanken – abhängig von den Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur – sehr stark.
Warum das genau so stattgefunden hat, kann hier nicht beantwortet werden. Das Ergebnis in der Tabelle "Wohneigentumsquote nach Höhe der Äquivalenzeinkommen in Deutschland" ist jedenfalls ein Beispiel dafür, dass Verteilungsanalysen einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung von Praxisfragen − wie hier für die Wohnungspolitik − leisten können und sollten.