Altersgrenzen bestimmen darüber, ob Versicherte Anspruch auf die Zahlung einer Altersrente haben. Dies bedeutet aber nicht, mit dem Erreichen der Altersgrenzen die Arbeit aufgeben zu müssen oder keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben zu dürfen. Im Arbeits- und Sozialrecht gibt es keine Regelungen, die eine (Weiter)Arbeit bis ins hohe Alter hinein untersagen würden. Vielmehr ist dies, unabhängig vom Bezug einer Rente und der Höhe des erzielten Einkommens, durchaus möglich. Einschränkungen in Form von Hinzuverdienstgrenzen gibt es lediglich bei Erwerbsminderungsrenten. Allerdings wird in Arbeits- und Tarifverträgen in aller Regel festgelegt, dass mit Erreichen der Regelaltersgrenze das Arbeitsverhältnis automatisch endet – ohne Kündigung.
Schaut man sich die Empirie an, so hat die Erwerbstätigkeit nach dem 65. Lebensjahr stark an Bedeutung gewonnen. Von 2000 (371.000) bis 2022 (1.488.000) hat sich die Zahl derer, die mit 65 Jahren und älter noch erwerbstätig sind, mehr als verdreifacht. Die Erwerbstätigenquote für diese Altersgruppe ist mit 8,4 Prozent zwar noch recht niedrig, liegt aber dennoch merklich höher als im Jahr 2000 (2,6 Prozent).
Der Personenkreis weist eine heterogene Struktur auf. Zu unterscheiden ist zwischen
abhängig Beschäftigten (66 Prozent) und
Selbstständigen (34 Prozent).
Selbstständige
Zu den Selbstständigen, die auch über das 65. Lebensjahr hinaus erwerbstätig sind, zählen u.a. Handwerker, Freiberufler, Solo-Selbstständige und Unternehmensinhaber, die allesamt ihren Beruf weiter ausführen. Da es hier im Unterschied zu einer abhängigen Beschäftigung keine individual- oder kollektivvertraglichen Regelungen hinsichtlich der Beschäftigungsdauer gibt, hängen die Art, Dauer und Umfang der Erwerbstätigkeit allein von den Entscheidungen der Betroffenen ab, beeinflusst durch den Gesundheitszustand, von Nachfolgeregelungen und nicht zuletzt von der Höhe der Altersabsicherung. Ansprüche auf eine gesetzliche Rente haben in erster Linie Handwerker und jene Selbstständigen, die am Beginn ihrer Erwerbsbiografie abhängig beschäftigt waren und dadurch über Rentenanwartschaften verfügen. Darüber hinaus zu nennen sind Ansprüche aus den Versorgungswerken für freie Berufe, der Alterssicherung für Landwirte, einer privaten Vorsorge. Nicht zuletzt spielt die Verfügbarkeit über Vermögen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über die Fortführung der Tätigkeit.
Als selbstständig Tätige gelten darüber hinaus aber auch jene Personen, die mit Erreichen der Regelaltersgrenze ihre abhängige Beschäftigung beenden und dann auf selbstständiger Basis eine neue Arbeit aufnehmen, so z.B. im Rahmen von Werk- oder Honorarverträgen.
Abhängig Beschäftigte
Wenn abhängig Beschäftigte weiterarbeiten, so kann es sich auch hier um unterschiedliche Gruppen und Konstellationen handeln. Es kann sein, dass
der Bezug einer Altersrente hinausgeschoben oder
zusätzlich zum Bezug einer Regelaltersrente noch eine Nebentätigkeit ausgeübt wird.
Kommt es zu einem Aufschub bei der Rentenbeantragung, so wird dies im Rentenrecht besonders gefördert: Für jeden Monat werden Rentenzuschläge in Höhe von 0,5 Prozent gezahlt. Wer den Rentenantrag erst zwölf Monate nach Erreichen der jeweiligen Regelaltersgrenze stellt, erhält also eine um 6 Prozent höhere Rente. Außerdem wirkt das zusätzliche Beitragsjahr rentensteigernd. Gleichwohl wird diese Möglichkeit nur selten in Anspruch genommen; weder die Beschäftigten noch ihre Arbeitgeber scheinen daran ein Interesse zu haben: im Rentenzugang 2021 waren dies rund 26.000 Rentner:innen bei Rentenzugängen von rund 855.000 insgesamt. Für die Versicherten ist die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit offensichtlich wenig interessant, weil sie ja ab Bezug der Altersrente uneingeschränkt hinzuverdienen könnten, sei es im Bereich abhängiger oder selbstständiger Beschäftigung.
Geringfügig Beschäftigte im Alter ab 65 Jahre nach Alter 2000 – 2022 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de
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Die Beschäftigung über die Regelaltersgrenze hinzu vollzieht sich deshalb in aller Regel parallel zum Rentenbezug. Das Arbeitseinkommen stockt die Altersrente auf. „Erwerbstätigkeit und Rente“ bzw. „Erwerbstätigkeit trotz Rente“ könnte das Schlagwort lauten und nicht „Erwerbstätigkeit statt Rente“. An der hohen Zahl von Minijobbern im Alter lässt sich erkennen, dass es sich vielfach nur um kleine Nebentätigkeiten handelt. Fast 1,2 Mio. Minijobber:innen sind im Jahr 2022 registriert, während es im Jahr 2000 nur 480.000 waren. Mehr als die Hälfte dieser Gruppe ist nicht älter als 70 Jahre.
Es arbeiten zumeist diejenigen, die schon vorher gute Erwerbschancen und -bedingungen hatten. Deutlich überrepräsentiert sind Personen mit mittleren und höheren Qualifikationen und mit einem guten Gesundheitszustand. Aber es gibt auch jene Rentner:innen, die als Zeitungsausträger, Postzusteller, Wachleute, Aushilfskräfte usw. neben der Rente arbeiten, weil diese zu niedrig ist.
Es mehren sich damit die Anzeichen, dass die starre Trennung von Erwerbsphase und erwerbsfreiem Ruhestand aufbricht. Parallel zu einer eigentlich durch Leistungen der Alterssicherungssysteme materiell abgesicherten Lebenssituation bildet sich eine neue Form der Zusatz-Erwerbstätigkeit heraus, weil für einen Teil der Älteren der Lebensabend nicht mehr ohne Zusatzeinkommen angemessen gestaltet werden kann. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Ältere, die die begrenzte Weiterarbeit nicht aus primär materiellen Motiven wählen, sondern für die die Erwerbstätigkeit ein Element (aber nicht das einzige) der Lebensführung in der Altersphase ist. Es bleibt allerdings unklar, wie groß diese Personengruppen jeweils sind.
Eine verlässliche und dauerhafte „vierte Säule“ der Alterssicherung sind die Einkommen aus solch einer Nebentätigkeit nicht. Die Aufstockung der Renten scheitert spätestens dann, wenn den interessierten Rentner:innen keine entsprechenden Arbeitsplätze mehr angeboten werden – weil sich womöglich die Gesamtlage auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert – oder wenn die gesundheitliche Lage eine weitere Tätigkeit schlicht nicht mehr zulässt.