Zum "richtigen" Umgang mit historischem Filmmaterial
Kay Hoffmann
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Filmaufnahmen aus der NS-Zeit dienten zumeist propagandistischen Zielen. Doch was tun mit dem Filmmaterial: zeigen oder unter Verschluss halten? Die Nutzung des Materials ist eine Gratwanderung, meint der Filmhistoriker Kay Hoffmann. Die Hintergründe der Filmproduktion zu kennen ist bedeutsam für den Umgang mit dem Material, um nicht die Hetze der Nazis weiter zu transportieren.
Historische Programme im deutschen Fernsehen erzielen hohe Einschaltquoten. Mit ihrer durchdachten Dramaturgie erreichen sie internationales Niveau, sind populär und lassen sich weltweit vermarkten. Sie erzählen historische Zeitläufe am Schicksal von Einzelpersonen und personalisieren damit Geschichte. Zusätzlich wird durch Musik, computeranimierte Sequenzen oder die Reinszenierung von Ereignissen eine starke Emotionalisierung erreicht.
Vorbild für eine solche Geschichtsaufarbeitung war 1978 die amerikanische Serie "Holocaust", die die Verfolgung und Vernichtung der Juden am Beispiel der Familie Weiss erzählt. Die Reihe war in Deutschland sehr erfolgreich. Obwohl seit 1960 zahlreiche TV-Dokumentationen über die Judenvernichtung ausgestrahlt worden waren, schaffte es erst diese fiktionale Serie, die Betroffenheit der Zuschauer in solch einem Maße zu wecken. Knut Hickethier bezeichnet in seiner Fernsehgeschichte die Ausstrahlung von "Holocaust" im Jahr 1979 in Westdeutschland als einen Wendepunkt: "Die These vom engen Zusammenhang von Inhalt und Form, die einst dazu geführt hatte, daß bestimmte Themen nur in bestimmten Formen als darstellbar galten, verlor an Bedeutung. Jedes Thema konnte nun in eine populäre Dramaturgie eingepasst werden."
Propagandamaterial und seine Nutzung
Im deutschen Fernsehen integrieren Geschichtsdokumentationen in der Regel historische Aufnahmen. Diese wurden bis in die 1990er Jahre zunehmend aufgrund ihrer symbolischen Bedeutung ausgewählt. Markante Motive zur Visualisierung der Geschichte des "Dritten Reichs", wie zum Beispiel von Reichsparteitagen der NSDAP, von Hitler bei Paraden oder von Bücherverbrennungen, wurden wieder und wieder gezeigt und haben sich so in das kollektive Gedächtnis eingebrannt.
Von den im "Dritten Reich" produzierten dokumentarischen Filmen, die damals Kulturfilme genannt wurden, ist – ähnlich wie bei den Spielfilmen – nur ein sehr geringer Teil als reine Propaganda einzuschätzen. Doch in den Geschichtsdokumentationen wurden gerade die symbolträchtig aufgeladenen Motive der eindeutig als Propaganda einzustufenden Filme genutzt, sie gelten als typisch für die Zeit des Faschismus und wurden gerade deshalb gerne in den Fernsehdokumentationen verwendet. "Damit erst vollzog sich in unser aller Köpfen der wahre Triumph der Bilder, entfalteten Goebbels Propagandakompanien, Riefenstahls ‚heroische Reportagen’ und die vielen anderen Kultur- und Propagandafilme ihre größte Wirksamkeit, avancierten Hitler und seine Helfer zu Medienstars, erstrahlte die Bild-Ästhetik der Ufa neben der eher kümmerlichen Qualität ergänzender Fernsehaufnahmen in neuem Glanz. Unser Bild vom ‚Dritten Reich’ ist von diesen Filmen maßgeblich geprägt worden", schreibt der deutsche Filmwissenschaftler Peter Zimmermann.
Das gilt auch für die Deutschen Wochenschauen, die zumeist Propagandazwecken dienten. Seit den 1990er Jahren gelten diese Aufnahmen als verbraucht, da sie so oft eingesetzt wurden und dadurch ihre Attraktivität verloren haben wie auch durch die Tatsache, dass es sich um Schwarz-Weiß-Bilder handelt. Angeblich akzeptieren immer weniger Zuschauer Aufnahmen, die nicht farbig sind. Häufiger werden deshalb inzwischen Amateuraufnahmen in 16 Millimeter verwendet: Sie zeigen eine persönlichere Sicht und haben den Vorteil seit den 1930er Jahren in Farbe zu sein. Eine weitere Option, um mehr Abwechslung zu schaffen ist es, entsprechende Sequenzen nach zu inszenieren.
Historische Aufnahmen werden jedoch weiterhin für Dokumentationen genutzt. Dabei geht es den Filmemachern häufig mehr um die visuelle Symbolkraft eines Bildes als darum, wann, wo und von wem es gedreht wurde. Für die Zuschauer bleibt verborgen, woher das historische Material stammt oder in welchem Produktionszusammenhang es entstanden ist. Lediglich die Archivquellen werden in der Regel im Abspann genannt, ohne sie jedoch als Zuschauer einzelnen Aufnahmen zuordnen zu können. Theoretisch wäre es in historisch-kritischen DVD-Editionen von Geschichtsfilmen heute möglich, auf einer Metaebene auf diese Details einzugehen: Zum Beispiel können ergänzend zu Filmsequenzen Filmkommentare angeboten werden oder die exakten Quellennachweise geliefert werden. Doch solche Möglichkeiten werden kaum genutzt. Hinzu kommt, dass der von Historikern geforderte Quellennachweis im Bild sich in Fernsehproduktionen in der heutigen Medienlandschaft kaum durchsetzen lässt. Denn solche Angaben würden den Informationsfluss stören. Da die TV-Produktionen zum Teil auch auf Plattformen im Internet gestellt werden, zirkulieren sie dort völlig losgelöst von ihrer Herkunft.
Das Filmteam in Warschau inszenierte, um zu polarisieren
In ihrem Film "Geheimsache Ghettofilm" erläutert die junge israelische Regisseurin Yael Hersonski (mehr Infos bietet das Interner Link: Interview mit Yael Hersonski) die Hintergründe und Produktionsgeschichte der historischen Aufnahmen aus dem Warschauer Ghetto. Präzise weist sie die Inszenierungs- und Propagandastrategien nach. Die Aufnahmen wurden im Mai 1942 gedreht und sind auch unter den Titeln "Asien in Mitteleuropa", "Ghetto" und "Das Warschauer Ghetto" bekannt (weitere Infos bietet der Hintergrundtext Interner Link: "Das Filmfragment 'Ghetto'" von Anja Horstmann). Hersonski kontrastiert die stumm überlieferten Aufnahmen des Ghettoalltags mit Tagebucherinnerungen sowie mit Aussagen von Zeitzeugen, die die Dreharbeiten noch erinnern. Ihre Berichte belegen, in welchem Umfang die Aufnahmen im Ghetto inszeniert wurden.
Bei dem Filmmaterial aus dem Jahr 1942 fällt auf, dass häufig die Kameraleute in Uniform mit im Bild sind. Dies ist ein Indiz, dass der Film von einer Propagandakompanie gedreht wurde, die in die militärischen Strukturen integriert war. Die Bewohner des Ghettos reagieren auf das Filmteam, bleiben stehen, schauen in die Kamera. Die Aufnahmen sollten nicht das Elend, die Not der von Hunger ausgemergelten Körper zeigen, sondern sie kontrastieren mit reichen, wohlgenährten Juden. Der Trauerzug eines reichen Juden mit geschmückten Leichenwagen und hölzernem Sarg – bei jüdischen Beerdigungen nie verwendet – wird dem Einsammeln der auf dem Bürgersteig verendeten Juden gegenübergestellt, die auf einen offenen Karren geworfen, zu einem Sammelplatz gebracht und dort aufgestapelt werden. Auch die Normalität des Alltags wird inszeniert: Kinder tanzen im Garten, Frauen kaufen auf dem Markt, die reichen Juden haben schön ausgestattete Wohnungen. In diesen Sequenzen wird die Inszeniertheit des Films manifest.
"Geheimsache Ghettofilm" versucht die Hintergründe der Filmproduktion und die bisherigen Erkenntnisse zusammenzufassen. Unklar bleibt, wer den Auftrag zu diesem Film gab. Yael Hersonski präsentiert die Aussagen des Kameramanns Willy Wist, der 1970 von der Staatsanwaltschaft im Zuge der Vorermittlungen gegen den Offizier der Schutzstaffel (SS) Heinz Auerswald, dem "Kommissar für den jüdischen Wohnbezirk in Warschau", vernommen wurde. Davon sind Tonbandaufzeichnungen erhalten. Demnach wurde Wist mit drei Kollegen nach Warschau geschickt. Ein Angehöriger der Sturmabteilung (SA) habe sie an die Drehorte geführt und ihnen erklärt, was sie drehen sollten. Einige Sequenzen wurden von einem Kollegen mit dessen privater 16-Millimeter-Kamera in Farbe gedreht. In Hersonskis Film wird das Verhör von 1970 mit dem Schauspieler Rüdiger Vogler nachinszeniert.
Der Historiker Dirk Rupnow sieht in Hersonskis Film keinen Erkenntnisgewinn. Er wirft dem Film eine Oberflächlichkeit vor, die keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalte: "Das Problem von Hersonskis Film ist nun, dass sie die Zirkulation der Täterbilder nicht durchbricht, selbst wenn sie auf deren propagandistischen Charakter beharrt. Die Strategie, die bewegten Bilder durch die Stimmen der Opfer und überlebenden Zeitzeugen zu konterkarieren, geht nicht auf: Die Bilder bleiben dominant. Sie erzeugen die stärksten und bleibendsten Eindrücke. Der Film wird angetrieben von den Filmaufnahmen der Täter und überlässt sich ganz ihrer Struktur und Bildsprache. […] Die Realität im Ghetto war nun einmal komplex und die sozialen Unterschiede erzeugten tatsächlich enorme Spannungen unter den Opfern, die wir der Einfachheit halber uns als homogene Einheit zu betrachten angewöhnt haben." (siehe hierzu die Filmkommentare von Interner Link: Dirk Rupnow "Unser Umgang mit den Bildern der Täter" und von Interner Link: Rainer Rother "Nationalsozialistische Filmpropaganda - filmisch dekonstruiert".) Damit negiert Rupnow jedoch die Qualitäten des Films, der sich medienreflexiv mit dem Material auseinandersetzt und die propagandistische Inszenierung nachweist.
Umfangreiche Filmaufnahmen sollten Ressentiments und Stereotypen bestätigen
Propagandaminister Joseph Goebbels vermerkte in seinem Tagebuch am 27. April 1942, dass die Vernichtung der Juden begonnen habe und die Ghettos mit reichen Juden aus dem Reichsgebiet gefüllt würden. Er habe veranlasst, dass nach der Deportation der deutschen Juden "in großem Umfang Filmaufnahmen" in den Ghettos in Osteuropa gemacht werden. "Das Material werden wir für die spätere Erziehung unseres Volkes dringend gebrauchen." Diese Zielsetzung für eine erzieherische Verwendung nach dem "Endsieg" könnte erklären, warum der Film letztlich ein Fragment blieb, also nicht fertig geschnitten und vertont wurde. Nachdem bei der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 die Vernichtung der Juden als "Endlösung" beschlossen worden war, erschien es vielleicht auch nicht mehr opportun, die jüdischen Ghettos zu zeigen. Als weiteren möglichen Grund dafür, vermutet der Publizist und Filmemacher Erwin Leiser, dass die Ghettobilder in ihrer Schrecklichkeit und Brutalität anders wirkten als von den Nationalsozialisten gewünscht. "Es war nicht sicher, daß sie wirklich Ekel und Haß bei einem großen Publikum hervorrufen würden. Bei Probevorführungen zeigten die Zuschauer Mitleid. Gerade die boshaftesten Manipulationen in den gestellten Szenen wirkten nicht wie vorgesehen." Dass es Probevorführungen des "Ghetto"-Films gegeben hat, ist eine Annahme Erwin Leisers, die er leider nicht genau belegt; es finden sich dafür keine eindeutigen Nachweise.
Die Vermutung erscheint mir jedoch ein wichtiger Punkt zu sein, da Leiser hier andeutet, dass die zum Zweck der anti-semitischen Propaganda hergestellten Bilder ihre eigentliche Funktion nicht erfüllten. Dies war nachweisbar auch der Fall bei anderen Aufnahmen, die propagandistischen Zielen dienten, wie Aufnahmen der Exhumierung von Massengräbern in den Wäldern von Katyn, die in der "Deutschen Wochenschau" nie gezeigt wurden. Der Schweizer Historiker Walther Hofer argumentiert hinsichtlich der zurückhaltenden Aufnahmen des anti-semitischen Propagandastreifens "Der ewige Jude": "So stark vermochte auch die geschickteste und unbedenklichste Propaganda die noch vorhandenen christlichen und humanistischen Grundlagen nicht erschüttern, als dass man das Wissen um die Juden-Massaker der breiten Öffentlichkeit zuzumuten wagte."
Das im Warschauer Ghetto gedrehte Material sah Goebbels vermutlich im August 1942: "Einige grauenhafte Filmstreifen werden mir aus dem Ghetto in Warschau gezeigt. Dort herrschen Zustände, die überhaupt nicht beschrieben werden können. Das Judentum zeigt sich hier in aller Deutlichkeit als eine Pestbeule am Körper der Menschheit. Diese Pestbeule muss beseitigt werden, gleichgültig mit welchen Mitteln, wenn die Menschheit nicht daran zugrunde gehen will." Goebbels fühlte sich in seinen Ressentiments bestätigt.
Das Material aus dem Warschauer Ghetto wurde als Teil des Reichsfilmarchivs als "Geheime Kommandosache" deklariert. 1956 wurde im "Neuen Deutschland" der Fund dieses Materials im Staatlichen Filmarchiv der DDR gemeldet. Dies hängt sicherlich mit dem Kompilationsfilm "Du und mancher Kamerad" zusammen, einem Abriss zur deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Andrew und Annelie Thorndike zusammen mit Karl-Eduard von Schnitzler für das DEFA-Dokumentarfilmstudio erstellten. Bei Minute 71 wird eine Minute des Ghetto-Materials erstmals öffentlich gezeigt. Zunächst zu einem Schwarzbild hört man den Kommentar: "Und nun, für eine Minute, Bilder, die vor dem deutschen Volke geheim gehalten wurden. Aufnahmen aus einem Geheimfilm des Reichs-Propaganda-Ministeriums. Das Warschauer Ghetto." Nach einer Totale werden vor allem hungernde Kinder auf der Straße gezeigt sowie Kinder, die beim Schmuggeln von Gemüse erwischt werden sowie der Abtransport von Toten auf einem Leichenwagen. Unterlegt werden die Bilder mit einem jüdischen Klagegesang.
Danach wurden die Aufnahmen aus dem Ghetto sowohl in Dokumentar- als auch in Spielfilmen regelmäßig gezeigt. In der DDR wurde das Material nach 1956 für die Nutzung weitgehend gesperrt. Außerhalb der DDR nutzte das Material als Erster der nach Schweden emigrierte Erwin Leiser in seinem Kompilationsfilm "Den blodiga tiden" ("Mein Kampf"). In seinem Begleitbuch zum Film spricht er von "noch unveröffentlichten Filmrollen aus dem Warschauer Ghetto". Er zeigte sieben Minuten und bezeichnete es als Propagandamaterial der Nationalsozialisten. Sieben Minuten des Ghetto-Materials wurden von Heinz Huber und Artur Müller für die vierzehnteilige SDR-Reihe "Das Dritte Reich" (1960/61) des SDR und WDR in Folge acht "Der SS-Staat" verwendet. Die beiden Filmemacher, die ebenfalls auf die Herkunft als Propagandamaterial hinwiesen, gingen auf die mangelnde medizinische Versorgung und Verknappung von Medikamenten ein, die den Ausbruch von Krankheiten wie Fleckfieber begünstigten, an denen viele Ghettoinsassen starben. Es war die erste umfassende Auseinandersetzung des westdeutschen Fernsehens mit der NS-Diktatur. Häufig wurden die Aufnahmen als authentische Bilder des Warschauer Ghettos eher illustrativ eingesetzt. Ihr Entstehungszusammenhang und ihre Herkunft aus einem NS-Propagandafilmprojekt wurden meist nicht offengelegt.
Leiser war die Wichtigkeit und Bedeutung des Materials aus Warschau sehr bewusst. Vor dem Kinostart von "Den blodiga tiden" 1960 in Schweden zeigte er im schwedischen Fernsehen Ausschnitte aus den Ghettosequenzen. Der französische Regisseur Claude Lanzmann dagegen verzichtete 1985 in seinem Dokumentarfilm "Shoah" bewusst auf Bilder von Opfern. Er erklärte, dass er Dokumentaraufnahmen der Massenmorde in den Gaskammern vernichten würde, wenn er sie hätte. Denn wenn es Bilder von diesen Verbrechen gäbe, würden sie vorstellbar. Leiser konterte: "Ich teile nicht Lanzmanns Auffassung, daß es ausreicht, die Orte der Verbrechen zu zeigen. Denn diese Verbrechen fanden an vielen Orten statt, und wenn jemand, der den Holocaust nicht selbst erlebt hat, nur eine Aufnahme des Ortes zu sehen bekommt, an dem die Verbrechen verübt wurden, kann er sich deshalb die Verbrechen nicht vorstellen. Ich würde auch authentische Aufnahmen aus den Gaskammern benutzen, als Argument gegen die Holocaust-Leugner, die sowohl den Massenmord an den Juden wie die Existenz von Gaskammern nicht wahrhaben wollen."
Bei der Verwendung von Propagandamaterial sollten auch die Hintergründe dazu erläutert werden
Für seinen Spielfilm "The Pianist" ("Der Pianist") nutzte Roman Polanski 2002 zu Beginn bewusst nur Archivmaterial aus Warschau bis zum Jahr 1939. Er verzichtete auf das Propagandamaterial aus dem Jahr 1942, es diente ihm jedoch als Vorlage für die Rekonstruktion des Alltags im Ghetto. Für entsprechende Szenen ließ er beispielsweise die Holzbrücke über die Straße, die das Ghetto teilte, nachbauen. Diese gelangen ihm so perfekt, dass der Zeitzeuge und Publizist Marcel Reich-Ranicki den Eindruck hatte, "es seien authentische Dokumentaraufnahmen eingeblendet worden". In einer genauen Analyse arbeitet der Filmhistoriker Tobias Ebbrecht die Funktionsweise der Bild-Ikonografie heraus: "Dieser Erinnerungseffekt ist Folge der medialen Erinnerung. Polanskis Darstellung des Warschauer Ghettos ruft jene Bilderinnerungen bei den Zuschauern wach, die aus der Bekanntheit von historischen Dokumenten oder deren populären Nachbildungen folgen. Auf diese Weise entstehen Geschichtsbilder, die historischen Fotografien oder Filmaufnahmen nachempfunden werden."
Wie aufgezeigt, wurden die Aufnahmen aus dem Warschauer Ghetto seit 1956 verwendet. Ihre Nutzung bleibt eine Gratwanderung, die eine differenzierte Argumentation und Analyse des Produktionshintergrundes der Bilder erforderlich macht. Dies wird aber in der Regel nicht geleistet und kann in aktuellen Fernsehproduktionen auch nicht eingelöst werden, da ein Exkurs über die Herkunft des Materials den Informationsfluss stören würde. Die Bilder zeigen weder wertfrei den Alltag im Ghetto, noch sind sie reine Propaganda.
Der holländische Filmhistoriker Karel Margry hat bei seiner Analyse von Bildern aus Theresienstadt – dort wurde zwischen 1944 und 1945 ein Propagandafilm gedreht und auch fertiggestellt – sicherlich Recht, dass in den Bildern mehr Alltag zu sehen ist, als auf den ersten Blick zu vermuten ist. Allerdings ist die Gefahr groß, dass bei den zeithistorischen Programmen im Fernsehen das Material auf seine Symbolkraft reduziert wird und eine Auseinandersetzung mit den Produktionsbedingungen nicht stattfindet. Die propagandistischen Aufnahmen einer von den Nationalsozialisten konstruierten Scheinwelt der Normalität in den Ghettos könnte von den Zuschauern für wahrgenommen und das Propagandaziel damit letztlich erreicht werden.
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Kay Hoffmann
Dr. Kay Hoffmann, Filmpublizist und -historiker. Seit 2007 Studienleiter Wissenschaft im Stuttgarter Haus des Dokumentarfilms, für das er seit 1995 zahlreiche Projekte realisierte. Darunter das DFG-Forschungsprojekt zur deutschen Dokumentarfilmgeschichte vor 1945. Organisation von Konferenzen, Film- und TV-Festivals. Zahlreiche Buchveröffentlichungen und Beiträge in Filmzeitschriften. Seine Schwerpunkte sind Film- und Kinogeschichte, Wochenschau, Propaganda sowie aktuellere Themen wie der aktuelle Dokumentarfilm oder Digitalisierung von Produktion und Abspiel.
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