Zur Jahrtausendwende hatten die Musikclips bereits ihre Bedeutung als Werbeträger und ihre popkulturelle Aussagekraft verloren. Das interessierte Publikum bezog seine Musik mittlerweile aus dem Internet, auch waren und sind dort Clips fast nach Belieben verfügbar. Die für ihre Eigentümer ohnehin wenig profitablen Clip-Kanäle waren überflüssig geworden. Eine Folge dieser Entwicklung war u. a., dass MTV ab 2011 zeitweise bis Ende 2017 in einen Pay-TV-Sender umgewandelt wurde; neben der Variante als Programm im linearen Free-TV gibt es die für Kinder und Jugendliche viel attraktivere Möglichkeit der Nutzung internetbasierter Angebote über die Webseite oder insbesondere per App auf dem Tablet oder Smartphone. Im Musikbereich wurden diverse Castingshows der neue Renner, darüber hinaus sehen sich Jugendliche insbesondere Scripted Reality-Formate an.
Neue und neu aufgelegte Musiksendungen
1996 erlebte der WDR-"Rockpalast" nach einer mehrjährigen Pause eine Wiedergeburt. Er wurde der veränderten Nachfrage angepasst und entsprach der Einführung diverser Unterlabels. Es gab unter anderem die "Classic Nacht", "Rockpalast Bootleg" und "Intro Intim".
Regelmäßig war das "Rockpalast"-Team bei den großen Festivals präsent. Spätestens mit der Renaissance des Live-Konzerts Anfang des neuen Jahrtausends, war die Sendung wieder auf der Höhe der Zeit. Außer im WDR sind "Rockpalast"-Produktionen auch auf 3sat und im ARD-Digitalkanal Einsfestival (seit 2016 "ONE") zu sehen. 3sat veranstaltet zusätzlich an besonderen Tagen den Thementag "Pop around the clock". 24 Stunden lang werden Live-Auftritte unterschiedlichster Künstler aneinander gereiht.
Ebenso verfahren Sat.1 mit dem "Sat.1 Music Special" (seit 2002) und ProSieben mit "WE LOVE in Concert". In beiden Reihen sind gelegentlich zu nächtlicher Stunde Konzertausschnitte oder Musikdokumentationen von auch bei Jugendlichen beliebten Künstlern zu sehen.
Live-Musik-Formate
3sat unterhielt überdies einen regelmäßigen Sendeplatz für Live-Musik im freitäglichen Nachtprogramm, in der Hauptsache ein Jazztermin, auf dem aber auch verwandte Sparten wie Funk und Rockjazz zur Ausstrahlung gelangten. Auch Freunde US-amerikanischer Country-Musik wurden von 2001 bis 2014 bei 3sat fündig: Die Sendereihe "Country Roads" stellte neueste Clips aus den USA vor, gelegentlich ergänzt um Sondertermine wie die US-Galaveranstaltung Country Music Association Awards. Eigene Live-Produktionen zeigte der SWR in der Reihe "SWR 3 Late Night Extra" bis 2013. Das Spektrum umfasste Künstler wie Herbert Grönemeyer, Scissor Sisters und 2raumwohnung.
In unregelmäßigen Abständen präsentiert der Kultursender arte ebenfalls Live-Mitschnitte sowie ausgiebige Festivalberichte, zum Beispiel über das Open-Air-Konzert in Wacken. Kompetenten und hintergründigen Musikjournalismus leistet darüber hinaus das wöchentliche arte-Kulturmagazin "Tracks" (seit 1997). Viele der Beiträge stehen ebenfalls online in der arte-Mediathek Unabhängig von der Sendezeit im Fernsehen zur Verfügung.
Popmusik mit Show-Elementen
Die Verbindung von Popmusik mit Show-Elementen finden sich in Sendereihen wie "Die ultimative Chart Show" (RTL, seit 2003) oder "Die Hit-Giganten" (Sat.1, 2003-2010). Sie findet sich ebenfalls in diversen Musik-Castingshows, die der Suche nach Nachwuchsinterpreten oder der Zusammenstellung einer neuen Band dienen. Die verschiedenen Musik-Castingshows haben direkte Vorbilder in den Produktionen "Star Search" (USA, 1983–1995 und 2003–2004), "Popstars" (Australien/Neuseeland, seit 1999) und "Making the Band" (USA, seit 2000, MTV). Neu ist das Konzept der Musikshow "The Masked Singer“ (seit 2019, ProSieben), in der Prominente gegeneinander in einem Gesangswettbewerb antreten, aber wegen ihrer Maskierung nicht zu erkennen sind.
Musik-Doku-Soaps und Castingshows
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Die am 14. November 2000 im RTL II-Abendprogramm gestartete und 2015 beendete Star-Schmiede "Popstars", zwischendurch bei ProSieben beheimatet, hat demgegenüber einen hohen Doku-Soap-Anteil und traf auf ein fasziniertes Publikum. RTL erwarb die deutschen Rechte an der britischen Show-Reihe "Pop Idol". In Deutschland heißt das in alle Welt verkaufte Format "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) und ist seit Herbst 2002 mit 17 Staffeln (Stand: 2020) erfolgreich. Durch den Erfolg von DSDS wurde in Deutschland ein regelrechter Casting-Boom ausgelöst mit Castingshows im Bereich Musik (z. B. "Popstars"; "The Voice of Germany", ProSieben/Sat.1, seit 2011, 10 Staffeln) und zu diversen Themen (z. B. Mode, Kochen; ausführlicher im Themenbereich "Interner Link: Unterhaltung".
Scripted Reality
Im Trend gerade bei Jugendlichen liegen die ca. seit 2008 verstärkt produzierten Scripted Reality-Soaps mit Laiendarstellern, wie "Berlin – Tag und Nacht" (RTL II, seit 2011) und der Ableger (spin-off) "Köln 50667" (RTL II, seit 2013). Sie sind billig und wirken authentisch. Fragwürdig ist, dass es jüngeren Zuschauern oft schwer fällt, diese Sendungen als Inszeniert bzw. "gescripted" (= nach Drehbuch gespielt) wahrzunehmen. Daher wurde eine Kennzeichnungspflicht der Sendungen eingeführt. Als problematisch kann auch der nicht selten vulgäre Sprachgebrauch gewertet (ausführlicher im Themenbereich "Interner Link: RealityTV").
Fernsehen und Videos im Internet
Betrachtet man die Fernsehnutzung jüngeren Zuschauern in den letzten 20 Jahren, nimmt diese zwar deutlich ab, aber nicht so drastisch, dass das "klassische" Fernsehen für sie schon bald keine Rolle mehr spielen wird. Hinzu kommt, dass viele Sendungen über Internetangebote im Nachhinein angesehen werden können, was ihrem Nutzungsverhalten eher entspricht – junge Menschen bleiben also Zuschauer/innen, wenn auch teilweise zeitversetzt, was zugleich zu Unschärfen in den Statistiken der Nutzungsdaten führen kann. "Fernsehen" bzw. "Fernsehsendungen" werden zudem gerade von Jugendlichen zunehmend nicht mehr über das klassische Fernsehgerät angeschaut. Es kann daher auch sein, dass viele von ihnen gar nicht mehr wirklich wahrnehmen, woher ein Video stammt, wenn sie es z. B. auf ihrem Smartphone bei YouTube anschauen.
Medienumgang Jugendlicher: Internet – Fernsehen im Vergleich
Der beliebteste Weg zu Medieninhalten ist bei Jugendlichen das Internet:
Über 90 % besitzen ein Smartphone
fast 90 % einen eigenen Internetzugang
ca. 75 % einen Computer/Laptop.
Einen eigenen Fernseher mit Internetzugang haben ca. 14 % (einen Fernseher ohne Internet ca. 57 %).
Entsprechend gestaltet sich die mediale Freizeitgestaltung. Täglich oder mehrmals in der Woche nutzen:
das Handy/Smartphone 94 %
das Internet 92 %
das Fernsehen 80 %.
Die subjektive Einschätzung der Wichtigkeit der Medien: "sehr wichtig/wichtig" ist
90 % das Internet zu nutzen
86 % das Handy zu nutzen
46 % Fern zu sehen.
Quelle: JIM-Studie 2015
Insgesamt bedeutet dies: Vielleicht nicht "das Fernsehen", wohl aber viele Fernsehprogramme bzw. Fernsehsendungen können die jungen Zuschauer/innen weiterhin erreichen, wenn sie dort angeboten werden, wo sie medial unterwegs sind, also über Apps in Sozialen Medien bzw. als "Web TV".
Viele Sender sind inzwischen im Internet mit Mediatheken präsent, darüber hinaus gibt es eigene Kanäle bei Video-Plattformen, Trailer bzw. Werbung für Fernsehsendungen bei vielen Anbietern oder exklusive Ausstrahlungen in kostenpflichtigen Video-Streamingdiensten (in ca. 75 % der Haushalte haben Jugendliche Zugriff auf einen Dienst wie Netflix oder Amazon Prime.
Ansonsten sei an die Definition von Jugendfernsehen zu Beginn dieses Themenbereichs erinnert: "Jugendfernsehen ist das, was Jugendliche tatsächlich sehen und wofür sie eine besondere Vorliebe entwickeln." Die "Lieblingssendungen" im Jahr 2019 stammen aus den Bereichen "Sitcoms/Comedy" (20 %, z. B. "The Big Bang Theory", "Two and a Half Men"), "Scripted Reality/Dokusoaps" (18,5 %, mit einer eindeutigen Präferenz bei Mädchen; z. B. "Berlin – Tag & Nacht"), "Comics/Zeichentrick/Animes" (17,5 %, mit einer eindeutigen Präferenz bei Jungen; z. B. "Die Simpsons"), und "Krimis/Mystery" (13,5 %), wobei die genannten Sendungen keine sind, die speziell für Jugendliche entwickelt werden (vgl. JIM-Studie 2019).
Öffentlich-rechtliches Jugendprogramm?
Auch wenn sich die öffentlich-rechtlichen Sender nicht wie die privatrechtliche Konkurrenz mit großen Teilen ihres Programms direkt an jüngere Zuschauer unter 49 Jahre wandten, weitete die ARD ihre jugendorientierten Angebote zunächst durch eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Programmredaktionen, insbesondere mit der Fernsehfilm-Abteilung, aus. "Kooperationen mit anderen Abteilungen der Rundfunkanstalten – besonders mit den Fernsehspielredaktionen – würden dem Jugendprogramm die Möglichkeit geben, 'Jugendthemen' von Zeit zu Zeit auch in der Form eines Spielfilms zu behandeln". Außerdem "können auf diese Weise speziell für die Zielgruppe 'Jugendlicher' produzierte Sendungen auch auf günstigere Sendeplätze – etwa des Abendprogramms – gelangen" .
Dies hat sich – erst recht im Internet-Zeitalter – allerdings als vergebliche Bemühung herausgestellt. Bei Jugendlichen ist der Fernsehkonsum rückläufig, gerade bezüglich der öffentlich-rechtlichen Sender, wie man selbstkritisch feststellt: Im neuen Internet-Angebot "funk.net" von ARD und ZDF wird auf die Frage " Warum gibt es euch?" sehr realistisch festgestellt: "Menschen unter 30 schauen immer weniger fern – erst recht nicht öffentlich-rechtlich". Daher hat man sich nach jahrelangem Findungsprozess nicht auf einen neuen Fernsehkanal, sondern auf ein neues "Content-Netzwerk von ARD und ZDF" geeinigt (siehe Externer Link: https://www.funk.net/funk), dass seit Anfang Oktober 2016 online ist. Es werden eigene "Formate" produziert (z. B. "Kliemannsland" und "Y-Kollektiv"), die sowohl unter "funk.net" als auch über YouTube (291 Mio. Videoabrufe im ersten Jahr), Facebook (102 Mio. Videoabrufe im ersten Jahr), Snapchat und Instagram sowie eine eigene App für mobile Geräte aufgerufen werden können.
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