Der Boom an fiktionalen deutschen Fernsehproduktionen erreichte im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts sein Ende. Steigt auch das Angebot an fiktionalen Fernsehfilmen nicht weiter an, so differenziert es sich doch in seinen Formen aus. Qualitativ anspruchsvolle Fernsehfilme sind häufig im Programm vertreten, die alltägliche Geschichte pendelt sich dagegen auf eine Mischung der tradierten Genres ein – mit melodramatischen Beziehungsgeschichten, Krimi-Elementen, familiären Bausteinen. Dominant bleibt eine Spannungsdramaturgie. Die Zahl der weiblichen Hauptfiguren nimmt zu, sie dominieren immer stärker TV-Dramen und Krimireihen (z. B. "Bella Block", ZDF; "Rosa Roth", ZDF; "Unter Verdacht", ZDF, Arte; "Solo für Weiss", ZDF, "Die Kommissarin", Das Erste; "Mord mit Aussicht", Das Erste,), weil Kommissarinnen psychologischer ermitteln und weil Frauen das größere Zielpublikum der Fiktion sind. Zudem treten gerade im Kriminalfilm immer wieder Ermittlerfiguren mit einem problematischen familiären und/oder psychischen Background auf.
Vielfalt der Themen
In der Gestaltung der Bildsprache und des filmischen Erzählens indes genießen Regisseure wie Chris Kraus ("Bella Block: Reise nach China", ZDF, 2008) große Freiheiten. Neue Impulse für den "Beziehungsfilm" und für einen neuen Realismus kommen von Daniel Nocke und Stefan Krohmer ("Familienkreise", WDR, 2003), die bei Themen wie Familie und Freundschaft den gelebten Alltag und gesellschaftlichen Horizont nicht aus den Augen verlieren.
Zentrale Inhalte sind immer wieder auch unterhaltsame und/oder kritische Rückblicke auf wichtige Phasen sowie Ereignisse in der – älteren oder jüngeren – bundesdeutschen Gesellschaft und Politik, z. B. in der Trilogie "Mitten in Deutschland: NSU" (SWR/ARD Degeto/MDR, 2016), in "Ku’damm 56 / 59" (ZDF, 2016, 2018) und "Gladbeck" (ARD Degeto/RB, 2018).
Wichtige Themen von Fernsehfilm und Serien sind weiterhin
die Zeit des Nationalsozialismus (z. B. "Kinder der Flucht" und "Dresden", ZDF, 2006; "Die Flucht", ARD, 2007; "Die Gustloff", ZDF, 2008; "Das Meer am Morgen", Arte/ARD, 2012; "Unsere Mütter, unserer Väter", ZDF, 2013; "Meine Tochter Anne Frank", ARD, 2015; "Nackt unter Wölfen", MDR, 2015; "Landgericht - Geschichte einer Familie", ZDF, 2017; "Landgericht – Geschichte einer Familie", ZDF, 2017),
die Aufarbeitung der DDR-Geschichte und der Wendezeit ("An die Grenze", ZDF, 2007; "Jenseits der Mauer", Das Erste , 2009; "Weissensee", Das Erste, 2010–2015, "Mord in Eberswalde", WDR, 2013; "Bornholmer Straße", Das Erste, 2014; "Deutschland 83 / 86 / 89", RTL, seit 2015; "Tannbach – Schicksal eines Dorfes", ZDF, 2015), "Honigfrauen" (ZDF, 2017) und
die Migrationsthematik – oft auch beiläufig, indem zum Beispiel der "Tatort" aus Hamburg von 2008 bis 2012 seinen ersten türkischstämmigen Kommissar hatte, dargestellt von Mehmet Kurtulus (ab 2012 dann z. B. Aylin Tezel als "Nora Dalay" im "Tatort" aus Dortmund). Ironisch pointiert wurde das Migrationsthema in Filmen wie "Meine verrückte, türkische Hochzeit" (ProSieben, 2006), politisch brisant setzte es Regisseur Züli Aladag in seinem umstrittenen Film "Wut" (WDR, 2006) um. Ebenfalls ambitioniert sind laut Kritik in letzter Zeit z. B. "Einmal Hans mit scharfer Soße" (NDR, Arte, 2015) und "Leberkäseland" (ARD, 2015).
Auf dem Feld des tradierten Genres bewegt sich die ARD-Tochter Degeto mit Heimatfilmen, die die Kinomotive der 1950er Jahre mit einer Soap-Dramaturgie verbinden. Daneben werden auch Event-Zweiteiler wie "Der Baader Meinhof Komplex" (Das Erste, 2008), "Die Flucht" (Das Erste, 2007) oder "Die Puppenspieler" (Das Erste, 2016) produziert, die die Tradition der historischen Fiktionen wieder aufgreifen. Diese Filme haben sich zu großen Zuschauererfolgen der Gegenwart entwickelt und haben deshalb gute Chancen, auch in Zukunft zu den Angeboten der Fernsehfiktion zu gehören.
Was Serien betrifft, war Deutschland lange Zeit ein Entwicklungsland. Amerika gab seit den 1960er Jahren die Trends vor, deutsche Produzenten benutzten die dort erfolgreichen Erzählmuster, ergänzten die Formen mit nationalen Inhalten und hatten fast immer Erfolg. Im neuen Jahrtausend hat es die deutsche Serie zunächst schwerer gegenüber der neuen amerikanischen Seriengeneration von "24" (Staffel I–VIII von 2003–2010 bei RTL II, danach ProSieben, Sky und kabel eins), "CSI" (Vox, 2002–2015), "Six feet under" (5 Staffeln, Vox, 2004–2007) oder "Sex and the City" (ProSieben, 2001–2004).
Vereinzelt gibt es aber deutsche Produktionen, die kreativ und erfolgreich beim Publikum sind, z. B. "Alarm für Cobra 11" (RTL, seit 1996), "Berlin, Berlin" von David Safier (ARD, 2002–2005), oder "Doctor’s Diary" (3 Staffeln, RTL/ORF, 2008–2011) von Bora Dagtekin, der auch das Drehbuch für die Serie "Türkisch für Anfänger" (3 Staffeln, Das Erste, 2006–2008) schrieb.