Entstehung des dualen Systems
In der Bundesrepublik kam es 1983/84 zu einem grundsätzlichen Wandel in der Medienpolitik. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem weiteren Fernsehurteil 1981 angesichts der neuen Verbreitungstechnologien von Satellit und Kabel auch kommerzielle Programme für möglich erklärt. Mit diesen Technologien konnte die Frequenzknappheit beseitigt werden, die bis dahin ein Hinderungsgrund gewesen war. Der Wechsel von der sozial-liberalen Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD) zur christlich-liberalen unter Helmut Kohl im Oktober 1982 rückte die Zulassung kommerzieller Programme in Reichweite. CDU/CSU wie FDP standen der Idee eines kommerziellen Fernsehens aus zwei Gründen nahe: Zum einen aufgrund der Vorstellung, dass in einer Marktwirtschaft möglichst viele Bereiche nach Gesetzen des Marktes und ohne staatliche Intervention oder öffentlich-rechtliche Konstruktion organisiert sein sollen. So wie der Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, der als reines Spiel der Marktteilnehmer funktionierte, sollte auch das Fernsehen beschaffen sein – so die Verfechter dieser Idee aus der FDP und dem Wirtschaftsflügel der CDU.
Größere Verteilung der publizistischen Macht
Zum anderen war die Verlusterfahrung bei der Bundestagswahl 1976 prägend, die Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von CDU/CSU überraschend gegen Helmut Schmidt verloren hatte. Diese Niederlage sei, so die CDU-Auffassung, das Ergebnis eines Meinungskartells gewesen, an dem maßgeblich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten mitgewirkt hätten. Um ihnen die publizistische Macht zu nehmen, sollten die Fernsehprogramme vervielfacht werden und damit insgesamt an Autorität verlieren. Medienpolitiker der CDU sprachen von einer "Ent-Autorisierung" des Fernsehens. Mit dem Amtsantritt von Kohl 1982 wurde die Verkabelung der Bundesrepublik massiv vorangetrieben. Die Bundespost investierte mehrere Milliarden Euro in den Ausbau von Kabelnetzen, mit denen nun statt der drei Programme über die Antenne 20 und mehr Programme zu den Zuschauern gebracht werden konnten. Da die Programme via Satellit zu den Kopfstationen der Kabelnetze transportiert wurden und Satellitenplätze noch rar und teuer waren, schlossen sich selbst große Medienunternehmen zu Konsortien zusammen, um gemeinsam den langen und teuren Weg zur Durchsetzung von kommerziellem Fernsehen zu gehen.
Die Entstehung von zwei großen Medienkonzernen: die Kirch-Gruppe
So taten sich für den Fernsehsender PKS die Zeitungshäuser der Bundesrepublik über ihren Verband und einzelne Verlage wie Springer oder der Verlag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) mit einer Tochterfirma der Deutschen Genossenschaftsbank (DG) zusammen. PKS startete am 1. Januar 1984 und erhielt ein Jahr später den Namen Sat.1. Die DG-Bank hielt die Anteile, wie sich später herausstellte, nur stellvertretend für den Medienunternehmer Leo Kirch, der mit Film- und Serienrechten, die er vor allem an das ZDF verkauft hatte, zu Geld und Macht gekommen war. Kirch hätte seinen Kunden ZDF verloren, wenn er sich von Anfang an offen an einem der neuen Konkurrenzunternehmen beteiligt hätte. Die heimliche Beteiligung bot Kirch auch den Vorteil, mit dem eigenen Sender lukrative Geschäfte zu machen. Während die Zeitungshäuser in den ersten Jahren mit Sat.1 mehrere hundert Millionen Euro Verlust machten, blieb für den nicht offen auftretenden Anteilseigner Kirch der Schaden gering, da er durch seine Programmverkäufe an den Sender einen großen Teil seines eingesetzten Geldes wieder zurückerhielt.
Die Bertelsmann-Gruppe
Für einen zweiten Fernsehsender schloss sich das Medienunternehmen Bertelsmann AG, das neben seinem Ursprungsgeschäft der Buchclubs mittlerweile als Zeitschriftenverlag und Musikproduzent agierte, mit einer Firma namens CLT (Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion) in Luxemburg zusammen, die unter dem Namen RTL plus (Radio Television Luxembourg) ab 2. Januar 1984 ein deutschsprachiges Fernsehprogramm veranstaltete und zunächst auch von Luxemburg nach Deutschland terrestrisch ausstrahlen wollte. Dieses Konzept hatte die CLT in den 1960er Jahren bereits mit einem deutschsprachigen Radioprogramm vorexerziert, das sich wegen seines hohen Anteils an Popmusik in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland großer Beliebtheit erfreute.
Privatsender profilieren sich
Sat.1 und RTL plus verstanden sich seit ihrem Start im Januar 1984 als Vollprogramme, die neben großen Unterhaltungsstrecken, vielen Spielfilmen und Serien auch Informationssendungen im Angebot hatten. Den Status eines Vollprogramms hatten sie jedoch von den zuständigen Landesmedienanstalten nur erhalten, weil sie in ihren Programmen auch politische Magazine und Kultursendungen präsentierten, die sie in der Regel von anderen Fernsehunternehmen bezogen und die teilweise als sogenannte Auflagensendungen von den Landesmedienanstalten zur Bedingung für das Erhalten der Sendelizenz gemacht worden waren. Dazu gehörten Sendungen wie das "Spiegel-TV Magazin" (seit 1988) und "Stern-TV" (seit 1990), aber auch Kultursendungen wie "10 vor 11" (auf RTL seit 1988) und "News & Stories" (Sat.1 seit 1988), die von Alexander Kluges Firma dctp produziert werden und für die Kluge seinerzeit eine gesonderte Sendelizenz erworben hatte, so dass er von den großen Medienkonzernen nicht aus den Programmen gedrängt werden konnte.
Anders sah es bei den anderen kommerziellen Programmen aus, die sich um Plätze in den Kabelnetzen bemühten und sich aus Kostengründen auf ein Marktsegment wie Videoclips oder Fernsehserien konzentrierten. Anfangs präsentierte sich die neue kommerzielle Fernsehwelt nicht gerade vielversprechend. Sat.1 imitierte das Unterhaltungskonzept des ZDF, während RTL mit schrägen Billigsendungen vor allem junge Zuschauer erreichen wollte.