70er Jahre: Zielgruppenforschung
Wie in den Jahrzehnten zuvor gab es auch in den 1970er Jahren von Partei und Staat formulierte ideologische Zielvorstellungen sowie eine direkte und indirekte Einflussnahme der SED auf das Kinderfernsehen. Die Programm-Macher reagierten darauf sehr unterschiedlich. Die Suche nach Gestaltungsräumen für versteckte Botschaften spielte bei den Fernsehmachern ebenso eine Rolle wie der Wunsch nach einer (fernseh-)ästhetischen Erziehung der Kinder. Der Ehrgeiz, einfach gute Sendungen zu machen, war ebenso vertreten wie die Auffassung, in einer besseren Gesellschaft zu leben, und dies den Kindern vermitteln zu wollen.
Stärkere Systematisierung des Kinderfernsehens
Das DDR-Kinderfernsehen sollte in den 1970er Jahren stärker systematisiert, d. h. differenziert auf die Zielgruppen ausgerichtet werden, und dort jeweils ein informatives und unterhaltendes Element enthalten
Zielgruppenforschung in der DDR
Zudem wurde das Zentralinstitut für Jugendforschung konsultiert und andere Kindermedien (z. B. der FDJ-Verlag "Junge Welt") einbezogen. Man stimmte die Pläne mit den für das Bildungs- bzw. Schulfernsehen zuständigen Redaktionen und mit dem Ministerium für Volksbildung ab. Weiterhin suchte man Unterstützung seitens der osteuropäischen Fernsehorganisation Intervision (vergleichbar der westeuropäischen Organisation der Eurovision) über den Austausch passender Sendungen
Perspektive der Kinder im Mittelpunkt
Auffällig war die Ernsthaftigkeit, mit der nun die Sichtweise der Kinder einbezogen wurde. Die Fernsehmacher stellten sich auf die Seite des Kindes, versuchten dessen Perspektive einzunehmen und mit der Darstellung von Realität zu verbinden. Die jungen Zuschauer sollten sich mit den Kindern auf dem Bildschirm identifizieren können, sie sollten in den Geschichten etwas von ihrem Alltag wiederfinden. Die auf dem Bildschirm agierenden Kinder sollten einem "Ideal von Kindsein entsprechen oder sich zu einem solchen entwickeln"
"Märchenland" in der Krise?
Wie schon in den 1960er Jahren blieben beliebte Reihen wie der "Abendgruß des Kinderfernsehens" ("Unser Sandmännchen"), die Sendereihe "Zu Besuch im Märchenland" und die "Flimmerkiste" bzw. "Flimmerstunde" (die Nachfolgesendung von "Zu Besuch bei Professor Flimmrich") weiter bestehen. Der "Abendgruß" erfreute sich auch zu diesem Zeitpunkt großer Beliebtheit – trotz mancher Kritik von Pädagogen und Fernsehredakteuren an seinem 'unzeitgemäßen' Erscheinungsbild. Es war immerhin ein Programm, das noch für Devisen verkauft werden konnte, die das DDR-Fernsehen dringend brauchte. Die Sendung genoss gerade wegen ihrer Kontinuität ein hohes Ansehen bei den DDR-Zuschauern, die sie schon als Kinder gesehen hatten.
Nach dem Tod von "Meister Nadelöhr"
Anders war die Situation bei "Zu Besuch im Märchenland" (1955–1991). Nicht gelungen war in den 1970er Jahren die Neukonzipierung der Sendung nach dem Tod von Eckehard Friedrichson (1976), der den "Meister Nadelöhr" verkörpert hatte. Das "Märchenland" der früheren Jahre gab es nicht mehr. Was immer noch durchschnittlich 25 % der Kinder an den Bildschirm lockte, das waren der freche Pittiplatsch, die mädchenhaft kluge, manchmal etwas zänkische und zickige Ente Schnatterinchen und die Hoffnung, einen Film zu sehen, den man noch nicht kannte, oder einen, der so gut war, dass man ihn sich gerne noch einmal ansah.
Ständige Wiederholungen in der "Flimmerstunde"
Wenig diskutiert wurde über die "Flimmerstunde für Kinder" (1959–1991). Ihr Problem bestand darin, dass es kaum Filme gab, die hier gezeigt werden konnten. Während in den 1950er und 1960er Jahren, in denen Spielfilme noch nicht das Programm dominierten, Wiederholungen noch nicht zum Problem geworden waren, waren nun neue und Erfolg versprechende Produktionen kaum verfügbar oder nicht zu bezahlen. Hollywood mit seinen Spielfilmen und Serien war auf den Bildschirmen des bundesdeutschen Fernsehens präsent und bildete eine attraktive Alternative zum eigenen Programm. Die Verantwortlichen im DDR-Fernsehen verfügten kaum über Devisen, um hier mithalten zu können.
Die wöchentliche "Flimmerstunde" am Samstagnachmittag stand also häufig vor der Entscheidung, entweder beliebte Filme zum dritten oder vierten Mal zu senden oder weniger attraktive Filme ins Programm zu nehmen. Das führte dazu, dass die wenigen vorhandenen Filme in immer kürzeren Abständen wiederholt wurden. Das bemerkten natürlich auch die Zuschauer, wie heute noch in manchen Weblogs zu lesen ist, die sich nostalgisch mit alten Fernsehsendungen beschäftigen.