Innerhalb der Fernsehgeschichte der DDR nimmt das Kinderfernsehen schon deshalb eine besondere Rolle ein, weil es seit den Anfängen des Deutschen Fernsehfunks einen kontinuierlichen Anteil am Programm hatte. 1953 wurden 65 Minuten pro Woche gesendet, 1957 bereits 160 Minuten und 1961 bereits ca. 270 Minuten .
Das Kinderfernsehen zeichnete sich zudem durch eine große Kontinuität seiner Sendereihen aus. Bestimmte Sendungen und die mit ihnen verbundenen Figuren waren über Jahrzehnte hinweg bis zum Ende des DDR-Fernsehens im Kinderfernsehen präsent: "Meister Nadelöhr erzählt Märchen" / "Zu Besuch im Märchenland" (1955–1991), "Bei Professor Flimmrich" / "Flimmerkiste" / "Flimmerstunde" (1959–1991), "Unser Sandmännchen"/"Abendgruß" (1959–1991). Außerdem waren DDR-Kindersendungen seit den 1950er Jahren auch im Ausland begehrt und wurden häufig exportiert (siehe auch mdr.de: Sendungen im Kinder- und Jugendfernsehen der DDR. URL: Externer Link: https://www.mdr.de/zeitreise/stoebern/damals/artikel91734.html#sprung0).
DDR-Kinderprogramm ab 1953
Das Kinderfernsehen in der DDR startete wie auch das Kinderfernsehen in der Bundesrepublik früh. Nachdem in der DDR am 21.12.1952 die Versuchssendungen des Deutschen Fernsehfunks begonnen hatten, gehörte ein Angebot für Kinder bereits an den Weihnachtstagen 1952 zum Programm. Anfangs waren die Fernsehmacher der Überzeugung, dass man rasch ein genügend großes Kinderpublikum erreichen und die Kinder mit Hilfe des Fernsehens zu sozialistischen Staatsbürgern erziehen könnte. Außerdem wollte man die benötigten Sendungen mit Hilfe nicht speziell für das Fernsehen ausgebildeter Pädagogen und Journalisten produzieren.
Kinder sollten Anteil am neuen Massenmedium haben
1953, so geht es aus den Programmankündigungen hervor, bot man im Versuchsprogramm am Sonntag (16.00 bis 18.00 Uhr) ein Programm für Kinder an. Es wurde – im Unterschied zu Vorbehalten gegenüber dem Medium im Westen – nicht ernsthaft erwogen, Kindern das Fernsehen zu verbieten. Ebenso wurde nicht diskutiert, ob Fernsehen für Kinder schädlich sein könnte. Vom ersten Tag an war klar: Die DDR entwickelte das Fernsehen zu einem Massenmedium, und auch die Kinder sollten Anteil daran haben.
Zweifellos erreichten die Kindersendungen im DDR-Fernsehen parallel zur Durchsetzung des Fernsehens auch immer mehr Kinder. Die Ausbreitung des Fernsehens erfolgte jedoch wie in der Bundesrepublik sukzessive, und erst in den 1970er Jahren kann man – wie in der Bundesrepublik – von einer flächendeckenden Verbreitung des Fernsehens in der DDR sprechen.
Engagierte Mitarbeiter, frische Ideen
Die Bedeutung der Kindersendungen verdankte das DDR-Fernsehen insbesondere dem Engagement und der Kreativität der Mitarbeiter der Anfangsjahre. Sie kamen in den 1950er Jahren von Hörfunk, Theater, Film und Presse, und nicht zuletzt aus der Volksbildung. Es waren also Lehrer oder Erzieherinnen – nur und in wenigen Fällen kamen sie direkt von der Universität. "Man ging mit Frische und Naivität ans Werk und erkundete mit wachsender Gestaltungssicherheit Neuland (...). Tendenzen von Kindertümelei und vordergründiger Belehrung in guter Absicht blieben nicht aus. Praktische Erfahrung war das beste Allheilmittel gegen die wohl unausweichlichen 'Kinderkrankheiten'. Programm- und Personalausbau erfolgten in zügigem Tempo".
Gezielte Ausbildung für Redakteure
Mehr Professionalität entstand durch die Ausbildung von Mitarbeitern an der neu gegründeten Hochschule für Film und Fernsehen Babelsberg sowie an der Journalistischen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig. Außerdem gab es Sonderlehrgänge an der Rundfunkschule Grünau, "um den dringlichsten redaktionellen Bedarf abzusichern". Von der Babelsberger Hochschule kamen 1958 Beate Hanspach und Hans-Jürgen Stock, die das Kinderfernsehen in der DDR von Anfang an durch ihre Arbeit als Redakteure wesentlich geprägt haben.
Die Aufgaben des Fernsehens in der DDR
Heinz Adameck (re.) erhält die Ehrenspange zum vaterländischen Verdienstorden. (Bundesarchiv, Bild 183-Z1221-303 / Fotograf: Klaus Franke)
Heinz Adameck (re.) erhält die Ehrenspange zum vaterländischen Verdienstorden. (Bundesarchiv, Bild 183-Z1221-303 / Fotograf: Klaus Franke) Lizenz: cc by-sa/1.0/deed.de
Heinz Adameck (re.) erhält die Ehrenspange zum vaterländischen Verdienstorden. (Bundesarchiv, Bild 183-Z1221-303 / Fotograf: Klaus Franke) Lizenz: cc by-sa/1.0/deed.de
Der Glaube an das Fernsehen als sozialistisches Erziehungsinstrument hielt bei den Fernsehmachern lange an: Der Intendant des Deutschen Fernsehfunks (DFF), Heinz Adameck, schrieb 1961 selbstbewusst: "Es (das Fernsehen) hilft ihm (dem Kind), sein Weltbild zu formen und seine Urteilskraft auszubilden. Auch auf die schulischen Leistungen kann das Fernsehen günstig einwirken. Mit dem Kinderfernsehen nimmt der Deutsche Fernsehfunk gleichzeitig Einfluss auf die Eltern und hilft durch Anregungen und Beispiele bei der Erziehung im Elternhaus".
Fernsehen als Teil eines Erziehungsprojekts
Kinder sollten – mit Unterstützung des Fernsehens – "allseitig entwickelte sozialistische Persönlichkeiten" werden. Das Kinderfernsehen in der DDR war Teil eines gesellschaftlichen Erziehungsprojekts. "Das Kinderfernsehen verstand sich als wichtiges Kettenglied im System der Erziehungsträger. In diesem Sinn wollte es Lebenshilfe und -orientierung vermitteln, nicht nur schlechthin Wegbegleiter für Generationen Heranwachsender, sondern wirksamer Begleiter sein. 'Staatsbürgerliche Erziehung' – später durch den umfassenderen und ideologisch stärker etikettierenden Begriff 'kommunistische Erziehung' ersetzt – war auf die Herausbildung moralisch-sittlicher Verhaltensweisen und Wertvorstellungen gerichtet. Im Blickpunkt des Kinderfernsehens stand sinn- und kulturvolle Freizeitgestaltung".
Unterhaltung wird wichtiger
Unterhaltung für Kinder war zunächst kein expliziter Bestandteil der sozialistischen Auffassung vom Fernsehen. Das änderte sich erst, als man den Spagat versuchte zwischen "Bestärken von Wohlbefinden, Geborgenheit und Zukunftsgewissheit in der Gesellschaftsordnung einerseits und der Herausforderung andererseits, Einflüsse des Westfernsehens abzuwehren", so der damalige Kinderfernsehredakteur Hans-Jürgen Stock . Der aus dieser doppelten Aufgabenstellung entstehende Druck führte langfristig dazu, dass "Unterhaltsamkeit, Spiel und Spaß sowie insgesamt 'Erlebnishaftigkeit'" immer mehr "zu maßgebenden Programmkriterien" erklärt wurden .
Märchen verbinden Erziehung und Unterhaltung
Dass diese Differenz schon das Kinderfernsehen der Anfangsjahre prägte, lag an dem kleinbürgerlich-konservativen Unterhaltungs- und Kulturbegriff, der Unterhaltung und Kultur als sich ausschließende Formen verstand und auch die Programmentwicklung des DFF beeinflusste . Im Kinderfernsehen zog dieses Verständnis die Fokussierung auf Märchen nach sich – eine Literaturform, die den tradierten pädagogischen Konzepten der Korrespondenz von Altersphasen mit bestimmten Literaturgattungen (z. B. im sogenannten "Märchenalter") entsprach. "Ohne Märchen wird keiner groß – diese Lebensweisheit schlug sich in einer umfangreichen Produktionspalette nieder". Märchen wurden deshalb für eine lange Zeit im Kinderfernsehen der DDR zu einem Bindeglied zwischen Erziehung und Unterhaltung.
Märchen im DDR-Kinderfernsehen
"Zu Besuch bei Professor Flimmrich" (alternativ: "Bei Professor Flimmrich" / "Flimmerkiste" / "Flimmerstunde"; 1959–1991) und "Meister Nadelöhr erzählt Märchen" bzw. "Zu Besuch im Märchenland"(1955–1991) bildeten zeitgemäße Formen für Märchenpräsentationen, weil sie von lebendigen Figuren moderiert wurden, die einerseits der Märchenwelt verhaftet, andererseits auch der DDR-Gegenwart verbunden waren. Die Sendereihe "Zu Besuch bei Professor Flimmrich" war aus der 1958 gestarteten Reihe "Karli Kurbels Flimmerkiste" entstanden. Hier wurden Märchen-Kinderfilme gezeigt.
"Clown Ferdinand" als Erfolgsformat
Ab 1959 kam es auch zu einer Zusammenarbeit mit dem tschechischen Kinderfernsehen und damit zur Entwicklung der Figur des "Clown Ferdinand" (gespielt von Jiri Vrštala), der in verschiedenen Sendeformen auftrat (z. B. in der Kinderrevue "Mit Ferdinand ins Zauberland" 1957, in zahlreichen Filmgrotesken, außerdem in Filmen von Ota Hofmann und Jindrich Polak). Von diesen Filmen wurde "Clown Ferdinand und die Rakete" 1964 auf dem Festival des Prix Jeunesse von Gert Müntefering gesehen und für das ARD-Fernsehen angekauft. Clown Ferdinand war mit immer neuen Reihen im DDR-Fernsehen zu sehen – nicht zuletzt 1972/74 in einer 13-teiligen Serie von Kurzfilmen mit jeweils neuem Handlungsort, in denen Ferdinand - in einem pantomimischen Spiel, nur musikalisch unterlegt – unterschiedliche Abenteuer erlebte..
Märchen – pädagogisch bearbeitet
Märchenfilme bzw. -verfilmungen gelten bis heute als der international erfolgreichste Zweig sowohl der Defa als auch des DDR-Kinderfernsehens. In den 1950er Jahren waren es die Defa-Kinofilme wie Paul Verhoevens "Das kalte Herz" (1950) und Wolfgang Staudtes "Der kleine Muck" (1953) – obwohl beide nicht primär für ein Kinderpublikum produziert worden waren – sowie Helmut Spieß' "Das tapfere Schneiderlein" (1956), Francesco Stefanis "Das singende, klingende Bäumchen" (1957) u. a., die das Bild des DDR-Märchenfilms nachhaltig beeinflussten. Allerdings wurden die Märchenverfilmungen in den 1950er Jahren auch von der kulturpolitischen Debatte über den sozialistischen Realismus beeinflusst. Unbearbeitete Märchen wurden als schädlich für eine harmonische psychische Entwicklung von Kindern eingestuft. Die Märchen sollten als Mittel der sozialistischen Erziehung dienen. So bearbeiteten die Defa-Dramaturgen z. B. die 1952 neu aufgelegten "Hausmärchen der Brüder Grimm" nach pädagogischen Gesichtspunkten: .Die Märchen sollten als Mittel der sozialistischen Erziehung dienen.
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Politische Deutung der Märchenfilme
In der Folge wurden Märchen auch politisch gedeutet und den Vorstellungen von der Durchsetzung des Sozialismus angepasst. Ein frühes Beispiel dafür ist der Märchenfilm "Der Teufel vom Mühlenberg" von Herbert Ballmann (1954). Hier wurden Klassenkampftheorien in das ursprüngliche Märchengeschehen 'eingepasst'. Andere Drehbuchautoren adaptierten die Märchen in ähnlicher Weise.
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Ab 1953 sendete auch der DFF erste im Studio inszenierte Märchenspiele, z. B. nach Märchen der Brüder Grimm und nach Hans Christian Andersen – damals "live" ausgestrahlt, weil es noch keine fernsehspezifischen Aufzeichnungsmöglichkeiten gab. Seit 1955 begleitete "Meister Nadelöhr" als Moderator der Sendung die Kinder in die jeweiligen Märchenverfilmungen. Sie richteten sich primär an die über Sechsjährigen.
"Abendgruß" für Vorschulkinder
Das Sandmännchen (Bundesarchiv Bild 183-1984-1126-312 / Fotograf: o. Ang.)
Das Sandmännchen (Bundesarchiv Bild 183-1984-1126-312 / Fotograf: o. Ang.) Lizenz: cc by-sa/3.0/de
Das Sandmännchen (Bundesarchiv Bild 183-1984-1126-312 / Fotograf: o. Ang.) Lizenz: cc by-sa/3.0/de
Schon ab 1957 strahlte der DFF auch Sendungen für Kinder von drei bis fünf Jahren aus. In der gleichen Zeit hatten die Kinderfernsehredakteure der ARD aufgrund der Novellierung des Jugendschutzgesetzes beschlossen, keine Sendungen für Kinder unter sechs Jahren anzubieten.
"Sandmännchen": DFF schneller als SFB
1959 wurde "Unser Sandmännchen" ins Programm genommen. Es handelte sich hier um eine Weiterentwicklung des bereits seit 1958 gesendeten "Abendgrußes", der letztlich auf die Sendung "Abendlied" der Kinderfunkspezialistin Ilse Obrig im (Ost-) Berliner Rundfunk zurückging. 1959 planten Ilse Obrig, inzwischen beim West-Berliner Sender Freies Berlin (SFB) beschäftigt, und die Puppengestalterin Johanna Schüppel, für den SFB eine Sandmännchen-Sendung mit einer einfachen Handpuppe zu schaffen. Noch bevor "Sandmännchens Gruß für Kinder" am 01.12.1959 im SFB auf Sendung ging, sendete der DFF aus Berlin-Adlershof am 22.11.1959 "Unser Sandmännchen".
Die Ost-Berliner Fernsehmacher unter dem damaligen stellvertretenden Intendant und Programmdirektor Walter Heynowski hatten von der West-Berliner Idee erfahren. Daraufhin entwickelte der Bühnen- und Kostümbildner Gerhard Behrendt die Trickfilmfigur des Sandmännchens – zusammen mit Harald Sekowski, der für die Kulissen und die später oft futuristischen Fahrzeuge zuständig war. Seine endgültige Gestalt mit dem Bart erhielt das Sandmännchen im Sommer 1960. Die Sendung wurde in einem gesonderten Studio in Berlin-Mahlsdorf produziert.
Gaststars: Figuren aus anderen Sendungen
Das Sandmännchen führte in jeder Sendung auf einem kleinen Fernsehgerät Geschichten (Einspielfilme) vor, die zumeist von Märchenfiguren oder Alltagszenen handelten, aber auch von Besuchen bei der Nationalen Volksarmee, den Grenztruppen oder von Pionierferienlagern erzählten. Weitere Figuren waren Flax und Krümel, Pittiplatsch und Schnatterinchen, Moppi, der Hund, das Küken sowie Herr Fuchs und Frau Elster, die teilweise auch in anderen Kinderfernsehsendungen des DFF präsent waren, etwa in "Meister Nadelöhr erzählt Märchen"/ "Zu Besuch im Märchenland". Die verschiedenen Geschichten folgten über lange Zeit einem festen Abfolgeplan, so dass an jedem Wochentag eine bestimmte Geschichte gezeigt wurde .
Das "Sandmännchen" als Identifikationsfigur
Das Sandmännchen wurde über Generationen hinweg zu einer wichtigen Identifikationsfigur für die DDR-Zuschauer. Der Kosmonaut Sigmund Jähn, der 1978 als erster Deutscher ins Weltall flog, nahm auch eine Sandmännchen-Puppe mit, die dann mit der von dem sowjetischen Kosmonauten mitgebrachten Fernsehpuppe Mascha eine 'Puppenhochzeit' feierte. Nach dem Ende der DDR sollte das Sandmännchen zunächst eingestellt werden, wurde jedoch nach zahlreichen Protesten weitergeführt und wird heute vom RBB, dem MDR und dem Kinderkanal KiKA ausgestrahlt.
Programmeinflüsse der Partei
Man kann erst mit Beginn der 1960er Jahre von einer kontinuierlichen Märchenfilmproduktion des DDR-Fernsehens sprechen. Beate Hanspach erwähnt in einem 1988 veröffentlichten Beitrag, dass "in den letzten 20 Jahren im Kinderfernsehen ca. 50 Märchenspiele und -filme inszeniert (wurden)"[13]. Bis 1971 wurden die Märchen im DDR-Fernsehen ausschließlich als Studioinszenierungen aufgenommen, obwohl bereits in den 1950er Jahren in der Fernsehdramatik (Fernsehspiel) einzelne Gegenwartsstoffe auf Film produziert wurden. Mit "Der kleine und der große Klaus" von Celino Bleiweiß wurde zu Weihnachten 1971 die erste Fernseh-Märchenverfilmung (35mm) im DFF gesendet, zwei Jahre später folgte mit "Die klugen Dinge" (Rainer Hausdorf, nach einer Vorlage von Samuel Marschak) die zweite. Beide wurden von der Defa für den DFF bzw. das Fernsehen der DDR realisiert.
Koproduktion: "Drei Nüsse für Aschenbrödel"
Der Beginn der 1970er Jahre war im Fernsehen nicht sehr märchenfreundlich, während die Defa mit den Märchenfilmen von Rainer Simon und den Koproduktionen mit der Tschechoslowakei noch einmal eine innovative Phase hatte. Beispielhaft ist hier der Märchenfilm "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" (1973, Regie: Václav Vorlícek), einer Koproduktion der Defa mit den tschechischen Barrandov-Filmstudios nach Motiven des gleichnamigen Märchens von Božena Nemcová. Das Aschenputtel-Märchen wird hier mit Witz und Humor erzählt und zeigt eine aktive Hauptfigur. Auch wenn viele der Defa-Märchenfilme, die für das Kino produziert
Fernsehfiguren mit politischer Mission
Die populären Figuren des Kinderfernsehens wie Meister Nadelöhr und Professor Flimmrich, die für Märchen und Kinderfilme sorgten, stellten gleichzeitig auch eine Beziehung der kindlichen Zuschauer zum Staat her. Dass die Inhalte des Programms sich an den Vorgaben der Staats- und Parteiführung orientierten, ist den Ankündigungen der Sendungen in der Programmzeitschrift "Unser Rundfunk" aus dem Jahr 1959 zu entnehmen. So war im Mai des Jahres 1959 zuerst das Warschauer Kinderfernsehen zu Gast, eine Woche später war Meister Nadelöhr, eigentlich ja eine Figur aus dem Märchenland, zum Frühlingsfest in einem DDR-Dorf. Im Juli sendete das Kinderfernsehen live aus Jahna, einem Dorf in Thüringen. Im gleichen Monat berichteten Flax und Krümel über die Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Wien.
Im August besuchte Professor Flimmrich die Kinder in einem Ferienlager in Suhl. Am 4. August des Jahres war Paul Robeson, ein schwarzer Menschenrechtler aus den USA, Gast im "Abendgruß"; zum Tag der Opfer des Faschismus wurde das thematisch passende Fernsehspiel "4:0 für Karin" gesendet. Im gleichen Monat berichteten Meister Nadelöhr und Mäxchen Pfiffig, eine Figur aus der Kinderzeitschrift "Fröhlich sein und singen" (FRÖSI), noch einmal von den Weltfestspielen in Wien. Am 7. Oktober 1959, dem zehnten Jahrestag der Gründung der DDR, erzählte Meister Nadelöhr keine Märchen, sondern gratulierte zum Jahrestag. Schon drei Tage vorher hatten Flax und Krümel zum Geburtstag der Republik Glückwünsche gesendet, und am 6. Oktober wurde die Geburtstagsfeier direkt aus dem Berliner Kinderkaufhaus übertragen.
Fiktion im DDR-Kinderprogramm
Zu den aktuellen Sendungen für Kinder gehörten auch solche, die von Kindern in beiden deutschen Teilstaaten handelten, z. B. die Fernsehspiele "Aktion blaues Halstuch" (1957) oder "Ferien auf Rügen" (1958). Sie gingen auf die Aktion "Frohe Ferien für alle Kinder" zurück, die Ferienaufenthalte für West-Kinder in der DDR organisierte. In diesen Sendungen drückte sich der gesamtdeutsche Anspruch aus, den der Deutsche Fernsehfunk in den 1950er Jahren erhob. In "Aktion Blaues Halstuch" wurde z. B. von einem West-Berliner Jungen erzählt, der sich mit einem Rentner angefreundet hatte, der ehemaliger Widerstandskämpfer war und dessen Rente gestrichen wurde. Nachdem der Junge zufällig in der DDR seine Ferien erleben konnte und er dies in der Schule erzählte, wurde er wegen kommunistischer Propaganda von der Schule verwiesen. Zusammen mit den Jungen Pionieren aus Ost-Berlin half er dem Rentner, der sonst verhungert wäre .
Die fiktionalen Sendungen des Kinderfernsehens jenseits der Märchenfilme beschäftigten sich intensiv mit der Gegenwart der DDR. Dies gilt für 42 von den 52 Fernsehsendungen für Kinder, die von 1953 bis 1961 ausgestrahlt wurden. "Die Kinder von Brummershagen" (1959) gehörte dazu, aber auch Produktionen wie "Die geheimnisvolle Gruft" (1961), eine Ost-West-Geschichte, bei der der Bau der Mauer nachträglich gerechtfertigt wurde.
Ungewöhnlich war auch das Fernsehspiel "Der Dieb im Warenhaus" (1959). Die Ankündigung durch die Programmansagerin lautete folgendermaßen: "Liebe Kinder, unsere nun folgende musikalische Komödie lädt euch in ein neu eröffnetes Kinderkaufhaus ein. Bei dessen Bau hat eine Pioniergruppe sehr fleißig mitgeholfen. Die Pioniergruppe, die jetzt hier gleich auftauchen wird, ist auf der Suche nach dem 'Dieb im Warenhaus'."
Wichtige Botschaft: Kinder engagieren sich
Zu Beginn des Films spazierten jene sechs Pioniere, die vorher beim Aufbau des Warenhauses mitgeholfen hatten, in das Büro des Geschäftsführers und forderten die Übergabe des Hauses. Die Erwachsenen, also die Angestellten des Warenhauses, waren entsetzt über das Ansinnen: "Kinder wollen ein Warenhaus leiten?!" Die Pioniere entgegneten singend: "Was Kinder tun, ist auch nicht schlecht." Außerdem erklärten sie: "Doch wir wollen nur, was uns gehört." Natürlich machten sie dabei, wie von den Erwachsenen erwartet, Fehler, doch sie entwickelten auch neue Ideen, was die Erwachsenen schließlich anerkennen mussten. Auch wenn eine solche basisdemokratische Idee im DDR-Fernsehen erstaunte, war es vor allem wichtig, Kinder auf dem Bildschirm zu zeigen, die sich sozial und gesellschaftlich engagierten .
Aufgrund der Live-Produktion des Fernsehens in den 1950er Jahren – das DDR-Fernsehen konnte erst ab 1964 elektronisch Sendungen aufzeichnen – gab es zahlreiche musikalisch-literarische Studiosendungen und "estradenartige öffentliche Aufführungen". Als "Estrade" wurde in der DDR eine volkstümliche Veranstaltung mit einem gemischten Programm verstanden, vergleichbar dem 'Bunten Abend' im westlichen Fernsehen, nur stärker musikalisch ausgerichtet. So gab es z. B. die Live-Sendung "Fest der Freundschaft" (1957), bei der aufgrund der großen Begeisterung über die Darbietung eines koreanischen Jungen die Programmabfolge innerhalb der Sendung umgestellt wurde.
Das DDR-Kinderfernsehen hatte am Ende der 1950er Jahre eine Vielfalt an Formen entwickelt und besaß regelmäßige Sendeplätze werktäglich zwischen 16.00 und 17.00 Uhr und sonntags um 10.00 Uhr. Damit war das Kinderfernsehen zu einem festen Programmbestandteil geworden und der Grundstein dafür gelegt, dass es für Kinder in der DDR ein "Fernsehen im Kleinen" gab, in dem auch fast alle Genres des Erwachsenenprogramms vertreten waren. Die Voraussetzungen für die Produktion von Sendungen waren relativ günstig. Es gab eine Kinderredaktion mit fest angestellten Redakteuren und Regisseuren, aber auch mit Schauspielern und Puppenspielern. Da sich Redaktion und Produktion auf dem Gelände der Studios in Berlin-Adlershof befanden, waren auch die Redakteure eng mit dem Produktionsprozess verbunden und konnten ihre dort gemachten Erfahrungen in die weitere Entwicklung der Sendungen einfließen lassen.
Puppenspiele bildeten ein wichtiges dramaturgisches Element im Kinderfernsehen der DDR. Neben dem "Sandmännchen" gab es viele Figuren, die über Jahre hinweg bei Kindern – und auch bei Erwachsenen – bekannt und äußerst beliebt waren. So etwa die Bewohner des fahrbaren Spielhauses der Puppenspielserie "Spielhaus" (ab 1980 im Programm) oder die Puppen von "Zu Besuch bei Frau Puppendoktor Pille". Ab 1963 wurde diese Sendung 25 Jahre einmal wöchentlich im Abendprogramm des Kinderfernsehens der DDR ausgestrahlt.
Den Medien sprach man eine gewisse Allmacht bei der Schaffung von Weltbildern und Überzeugungen zu, insbesondere dem Hörfunk und dem Fernsehen, was gerade in dieser Phase des Kalten Krieges zwischen Ost und West von Bedeutung war. So ist in diesem Kontext von Bedeutung gewesen, dass zu Beginn der 1960er Jahre eine Kampagne der FDJ gegen das Hören und Sehen von Westsendern ("Aktion Ochsenkopf") stattfand, bei der nicht nur DDR-Antennen, die auf das Westfernsehen ausgerichtet waren, abgesägt und Leute wegen Westempfangs verhaftet wurden. Schülerinnen und Schüler wurden auch zur Denunziation ihrer Angehörigen oder Mitschüler über den Westempfang aufgefordert.
Plan zur Beeinflussung der Kinder in der BRD
Der gesamtdeutsche Auftrag des Kinderfernsehens wurde auch in den 1960er Jahren nicht gleich ad acta gelegt. Unter dem Titel "Gedanken zur Entwicklung des Programmbereichs der HA Jugend und Erziehung für den Zeitraum bis 1970" (vom 25.11.1964) heißt es: "Viele Kinder in den Gebieten Westdeutschlands, die durch unsere Sendungen erreicht werden, werden durch das Kinderfernsehen beeinflusst. Daraus ergibt sich eine große Verantwortung für die Mitarbeiter des Kinderfernsehens." Doch es ging jetzt weniger um einen gesamtdeutschen Auftrag, sondern eher um eine mögliche Beeinflussung der Kinder in der Bundesrepublik.
Fernsehen als pädagogisches Instrument
Fernsehen für Kinder wurde in den 1960er Jahren explizit als pädagogisches Instrument verstanden. Die Macher des Kinderfernsehens arbeiteten intensiv mit den Verantwortlichen der SED, der Leitung der Pionierorganisation, der Freien Deutschen Jugend und Vertretern des Ministeriums für Volksbildung der DDR zusammen. Der pädagogischen Arbeit lag die Vorstellung vom 'defizitären Kind' zugrunde, es war ein 'unfertiger Mensch', der so schnell wie möglich erwachsen werden sollte. Dabei hatte das Fernsehen zu helfen .
Kinder- und Jugenddramaturgie
In den 1960er Jahren wurde die Programmstruktur des Kinderfernsehens an den Abläufen der Schule orientiert. Es gab nun Programme für Schüler der Unterstufe, der Mittelstufe und der Oberstufe. Damit wurde die Voraussetzung geschaffen, dass sich die Programm-Macher direkt über den jeweiligen Wissensstand der Zielgruppe informieren konnten. Dadurch entstand eine Kompatibilität mit dem Schulfernsehen, das auch in der DDR in dieser Zeit geplant und aufgebaut wurde.
Schwer zu erreichende Zielgruppe: Jugendliche
Während die kleineren Kinder weiterhin mit ihren etablierten Sendereihen bedient wurden, fühlten sich vor allem die Jugendlichen immer weniger vom Kinderfernsehen angesprochen, weshalb neue publizistische Formen gesucht wurden, die dann jedoch, einmal ausgestrahlt, meist schnell wieder abgesetzt wurden. Gerade die Halbwüchsigen, die gern ihre eigenen Wege gehen wollten, ließen sich schwer an ein Kinderfernsehen für ältere Kinder binden. Stärker angenommen wurde die Sendereihe "Mach mit, mach's nach, mach's besser" (ab 1964–1991), bei der es um sportliche Wettkämpfe zwischen den Schulen ging und die auch im Rahmen einer breiten Volkssportbewegung in der DDR stand.
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DFF-Abteilung "Kinder- und Jugenddramaturgie"
In der fiktionalen Kinderfernsehproduktion nahm die speziell geschaffene Abteilung "Kinder- und Jugenddramaturgie" unter Fritz Schmenger die Arbeit auf. Die Thematisierung der Gegenwart konzentrierte sich jetzt hauptsächlich auf die DDR und hier vor allem auf den Bereich der Schule und der Integration von nicht-normgerechtem Verhalten von Kindern und Jugendlichen.
Ab Mitte der 1960er Jahre wurden auch historische Fernsehspiele für Kinder produziert, die sich dem Leben von Karl Marx, Friedrich Engels und anderer Führer der Arbeiterbewegung widmeten. Sie korrespondierten mit den großen mehrteiligen Fernsehspielen des Jahrzehnts, in denen es um die 'Ankunft' der Menschen in der DDR und um ein Bekenntnis zum Sozialismus ging. Kinder standen nur selten im Mittelpunkt dieser Produktionen.
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