Oligopole und Begrenzungen
Der deutsche TV-Markt gilt weltweit als einer der größten. Insgesamt summierten sich die TV-Rundfunkerlöse in Deutschland im Jahr 2018 auf rund 14 Milliarden Euro. [6] VAUNET 2020 Trotz des relativ großen Angebotes, wird der Markt von wenigen wichtigen Anbietergruppen geprägt, die jeweils mehrere Free-TV-Programme anbieten.
Wirtschaftswissenschaftler sprechen in solchen Fällen von einem Oligopol. Dies bedeutet, dass ein Markt von nur einer kleinen Anzahl von Anbietern geprägt wird. Oligopole entstehen durch einen Konzentrationsprozess und lassen sich auch in anderen Wirtschaftsbereichen finden, zum Beispiel in der Automobilindustrie, in der Mineralölwirtschaft oder der Computer-Branche. Problematisch an Oligopolen ist, dass sie oft den freien Wettbewerb behindern und zu abgestimmten Angeboten führen können. Für die Medienbranche ist dies besonders kritisch zu bewerten, da weniger Wettbewerb in der Regel auch bedeutet, dass beim inhaltlichen Angebot die Meinungsvielfalt zurückgeht. Dieser Vorgang wird als publizistische Konzentration bezeichnet.
Begrenzte Beteiligungsmöglichkeiten
Um zu verhindern, dass einzelne Unternehmen eine zu starke Stellung und damit auch Meinungsmacht im deutschen Fernsehmarkt erhalten, sind die Beteiligungsmöglichkeiten begrenzt. Als Grenze, ab der eine zu starke Meinungsmacht droht, gilt laut Rundfunkstaatsvertrag (§ 26) dabei der Anteil aller Programme einer Unternehmensgruppe von 30 % am Zuschauermarkt. Bei Überschreiten dieser Marktanteilsgrenze werden keine Zulassungen für weitere Programme oder maßgebliche Beteiligungen mehr erteilt, und es müssen sogenannte "vielfaltsichernde Maßnahmen" (z. B. Sendezeit für unabhängige Dritte, Einrichtung eines Programmbeirats) durchgeführt werden. Zuschauermarktanteile einzelner Programme werden einem Unternehmen erst ab einer 25-%igen Beteiligung (Sperrminorität) zugerechnet. Bei indirekten Beteiligungen sind nur Beteiligungen ab 51 % relevant. Für Kontrollen ist die Kommission zur Ermittlung der Konzentration (KEK) im Medienbereich mit Sitz in Berlin zuständig, die aus sechs von den Ministerpräsidenten ernannten Mitgliedern (plus zwei Ersatzleuten) besteht. TV-Programmanbieter, die im Jahresdurchschnitt einen Zuschauermarktanteil von 10 % oder mehr erreichen, müssen wöchentlich 260 Minuten Fensterprogramme zulassen, davon 75 Minuten zwischen 19.00 und 23.30 Uhr, wobei Regionalfenster mit maximal 80 Minuten anrechenbar sind.
Eingriffe durch KEK und Bundeskartellamt
Sollte ein Unternehmen eine starke Stellung in einer Branche aufweisen, die mit dem TV-Bereich eng verwandt ist – zum Beispiel im Bereich der TV-Programmzeitschriften oder beim Film- oder Sportrechtehandel – dann kann die KEK auch eingreifen, wenn statt 30 % nur 25 % Zuschauermarktanteil erreicht werden. Dieses Kriterium lag zum Beispiel vor, als die Axel Springer AG die Mehrheit der Gesellschafteranteile an der ProSiebenSat.1 Media AG übernehmen wollte. Ein Zusammenschluss, der Anfang 2006 sowohl von der KEK als auch vom Bundeskartellamt untersagt wurde, hätte die Medienkonzentration deutlich verstärkt. Der neue Medienkonzern hätte über fast ein Viertel der TV-Zuschauermarktanteile verfügt, etwa ein Fünftel der TV-Programmpresse beherrscht, mit mehr als 90 % Auflagenanteil den Boulevardzeitungsmarkt (Bild) dominiert, mit seinen Zeitschriften fast die Hälfte aller Leser erreicht und fast ein Viertel aller verkauften deutschen Zeitungen herausgegeben.
Der Unternehmenssitz der ProSiebenSat.1 Media AG im bayerischen Unterföhring bei München. (© AP)
Der Unternehmenssitz der ProSiebenSat.1 Media AG im bayerischen Unterföhring bei München. (© AP)
Senderfamilien und Medienkonzentration
Im Fernsehmarkt entscheidet das Verhältnis zwischen Kosten und Einnahmen bzw. Erlösen über den wirtschaftlichen Erfolg. Um die Kosten niedrig zu halten, ist eine starke Position überall dort wichtig, wo es darum geht, TV-Programme möglichst preisgünstig herzustellen oder zu erwerben. Senderfamilien mit Beteiligungen an mehreren Programmen haben Vorteile, weil sie Filme und Serien zunächst bei den Marktführern (z. B. RTL, Sat.1) einsetzen. Später können auf weiteren Kanälen (z. B. Super RTL, kabel eins) Wiederholungen angesetzt werden.
Auch im Bereich der aktuellen Berichterstattung ergeben sich Vorteile. Eine zentrale News-Redaktion kann gleich mehrere Programme mit Nachrichten oder Magazinbeiträgen versorgen. Solche Synergievorteile sparen Kosten. Außerdem bündeln RTL Group und ProSiebenSat.1 die Vermarktungsgesellschaften ihrer einzelnen Programme. Das vereinfacht den Verkauf von Werbezeiten, aber auch die Verwertung von Filmrechten oder das Merchandising. Also den Verkauf von Produkten, die eng mit Serien, Shows oder Stars einzelner TV-Programme oder -Formate verbunden sind (T-Shirts, Caps, DVDs, CDs, Fan-Magazine etc.).
Zur ProSiebenSat.1 Media SE (bis 7. Juli 2015: ProSiebenSat.1 Media AG), die aus der ehemaligen Kirch-Gruppe hervorging, zählen u. a. die Free-TV-Programme Sat.1, ProSieben, kabel eins, sixx, Sat.1 Gold und ProSieben MAXX. Außerdem betreibt die Mediengruppe die Pay-TV-Sender ProSieben FUN, kabel eins CLASSICS und Sat.1 emotions.
Die zur Bertelsmann AG gehörende RTL Group strahlt die Free-TV-Programme RTL, RTL Nitro, RTLplus, RTL ZWEI, VOX, Super RTL und n-tv aus. Hinzu kommen noch die Pay-TV Sender RTL Crime, RTL Living, RTL Passion und GEO TV.
Markteintrittsbarrieren für kleinere Anbieter
Während bei Zeitungen oder Zeitschriften eine höhere Auflage auch immer mit steigenden Kosten – vor allem für Papier, Druck und Vertrieb – verbunden ist, bleiben im Fernsehmarkt die Kosten für Produktion und Ausstrahlung von TV-Programmen unabhängig von der Zuschauerzahl konstant. Dies bedeutet, dass mit der steigenden Zuschauerzahl die Kosten pro Zuschauer sinken, während die Werbeerlöse steigen. Dieser Mechanismus führt dazu, dass große Senderfamilien einen enormen Marktvorteil haben. Zugleich sinken die Erfolgschancen für kleinere Anbieter. Senderverbünde und das RTL/ProSiebenSat.1-Duopol im deutschen TV-Markt schaffen so für viele Wettbewerber kaum überwindbare Markteintrittsbarrieren.
Vorteile für Senderfamilien durch Output-Deals
Weil die großen Sendergruppen mehr Filme und Serien kaufen oder herstellen als kleinere Anbieter, erhalten sie in der Regel von Zulieferern und Produzenten Rabatte. Die TV-Rechte an Spielfilmen aus Hollywood werden beispielsweise fast ausschließlich in sogenannten Output-Deals vergeben. Dabei müssen jeweils die Rechte an mehreren Dutzend Filmen – vom Oscar-prämierten Blockbuster bis zum wenig attraktiven C-Movie – zusammen in einem Paket erworben werden. Die Kosten für diese Filmpakete sind in der Regel so hoch, dass sie nur von finanzstarken Sendergruppen gezahlt werden können. Innerhalb der Senderfamilien werden einzelne Serien oder Filme dann zielgruppenspezifisch so eingesetzt, dass sie optimale Marktanteile versprechen. Kleinere Programmanbieter haben bei solchen Output-Deals meist das Nachsehen und sind auf externe Filmrechtehändler angewiesen. Der Kauf einzelner Filmrechte wird dadurch teurer.
Wettbewerbsvorteile durch vertikale und horizontale Integration
Die Vorteile großer Sendernetzwerke liegen auf der Hand: Programmfamilien wie die RTL Group oder die ProSiebenSat.1 Media SE sichern sich mit ihren spezialisierten Tochterunternehmen viele Produkte (Serien, Show-Konzepte, Sportrechte etc.) sowie Dienstleistungen (Synchronisation, Sendetechnik etc.) in eigener Regie. Daher müssen sie kaum fürchten, beim Wettbewerb um Programminhalte nicht zum Zuge zu kommen oder zu hohe Preise zahlen zu müssen. Gelingt es Medienunternehmen, vor- oder nachgelagerte Verwertungsstufen wie Filmrechtehandel, Synchronisation, Produktion oder die Vermarktung von Werbung innerhalb eines Konzerns zu bündeln, sprechen Medienmanager von vertikaler Integration, die betriebswirtschaftlich Vorteile sichert (u. a. Kostensenkung). Für den gesamten Markt handelt es sich dabei aber um vertikale Medienkonzentration, weil durch sie der Wettbewerb ausgehebelt wird.
Horizontale Integration führt zur Medienkonzentration
Existieren mehrere Programme, die gemeinsam gemanagt werden, entstehen durch diese horizontale Integration weitere Verbundvorteile. So ist es beispielsweise möglich, Kosten beim Verkauf von Werbezeiten zu sparen, weil aus einer Hand gleich mehrere Programme vermarktet werden. Dabei lassen sich mit Rabattaktionen auch leichter neue Werbekunden gewinnen. RTL Group und ProSiebenSat.1 können dank ihrer horizontalen Integration auch einzelne Formate zeitlich gestaffelt in verschiedenen Programmen zeigen oder ergänzen. So wurden zum RTL-Format "Deutschland sucht den Superstar" begleitend Reportagen und Magazine bei Vox ausgestrahlt. US-Serien, die bei Vox erfolgreich starteten, wurden im Gegenzug später von RTL übernommen. Vor allem aber erlauben Senderfamilien sogenannte Cross Promotion. Bei dieser redaktionellen "Überkreuzwerbung" kann auf einem Kanal für die Inhalte anderer Programme geworben werden: entweder durch bezahlte Werbespots oder durch eine Platzierung von Stars einer Sendung in Magazinen oder Talkformaten. So tauchten zum Beispiel oft Stars aus dem Sat.1-Programm in Stefan Raabs ProSieben-Show "TV total" (1999–2015) auf. Solche Formen einer horizontalen Medienkonzentration führen dazu, dass darunter die inhaltliche Vielfalt im deutschen Fernsehmarkt leidet.
Sowohl auf dem Zuschauermarkt als auch auf dem Werbemarkt haben die ProSiebenSat.1 Media SE und die RTL Group seit Jahren bei den privatwirtschaftlichen TV-Programmen eine Vorherrschaft. Während die beiden Marktführer sich in den letzten Jahren i. d. R. zusammen einen Zuschauermarktanteil von ca. 40 % sicherten (und die öffentlich-rechtlichen Sender ca. 45 bis 50 %), kamen die übrigen Privatanbieter lediglich auf ca. 10 bis 15 %.
Probleme für den Wettbewerb – Gefahr für die Meinungsvielfalt
Das Oligopol im deutschen Free-TV-Markt bedeutet auch, dass unabhängige Produzenten es schwer haben, ihre Preisvorstellungen durchzusetzen. Deshalb scheitern sie oft mit ihren Programmideen an strengen Kosten-Konzepten. Geht die Wettbewerbsintensität zurück, ist die Qualität der Programme bedroht. Fehlender Wettbewerb hat im TV-Werbemarkt außerdem dazu geführt, dass die Vermarkter von RTL Group und ProSiebenSat.1 Media SE mit sogenannten "Shared Deals" gegen das Wettbewerbsrecht verstießen, um zu verhindern, dass Werbekunden auch bei kleineren Programmanbietern Werbeplätze buchen.
Noch größer sind die Gefahren für die Meinungsvielfalt: Große Sendergruppierungen können leicht starken Einfluss auf die öffentliche Meinung ausüben. Die Mehrfachverwertung von Inhalten bedroht darüber hinaus die Programmvielfalt. Schließlich sinkt die Vielfalt an Meinungen, Perspektiven, Programmen und Formaten im Fernsehen in dem Maße, in dem die Zahl unabhängiger Anbieter zurückgeht. Deshalb kommt der Konzentrationskontrolle im Fernsehmarkt eine besonders große Bedeutung zu.
Finanzinvestoren im Fernsehen
Der US-Investor Haim Saban erwarb im August 2003 gemeinsam mit sechs Beteiligungsfonds die Mehrheit der Gesellschafteranteile an der ProSiebenSat.1 Media AG. Das war die bis dahin spektakulärste Übernahme in der deutschen Mediengeschichte. Die Investorengruppe aus den USA war selbst nicht unmittelbar produktiv tätig, sondern sie übernahm die deutsche Senderfamilie zu einem vergleichsweise günstigen Preis. Nach nur drei Jahren wurde diese dreimal teurer weiterverkauft.
Haim Saban, Vorstandsvorsitzender der Saban Capital Group und Käufer der ProSiebenSat1 Media AG (© picture-alliance, Sven Simon)
Haim Saban, Vorstandsvorsitzender der Saban Capital Group und Käufer der ProSiebenSat1 Media AG (© picture-alliance, Sven Simon)
Unter der Führung von Saban gelang es dem Konsortium, den Gewinn der ehemaligen Kirch-Senderfamilie innerhalb von nur drei Jahren auf 241 Millionen Euro zu versechsfachen. Bis zum Jahr 2006 verdreifachte sich der Börsenwert, und Saban & Co. verkauften ihre Beteiligung an der ProSiebenSat.1 Media AG für 3,1 Milliarden Euro an die Lavena Holding 4 GmbH. Dahinter stecken die Finanzinvestoren Permira und KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.), die im Dezember 2007 für etwa eine halbe Milliarde Euro auch die restlichen 12 % der ProSiebenSat.1-Stammaktien von der Axel Springer AG übernahmen. Mit dem Einstieg in den deutschen Fernsehmarkt legten Permira und KKR den Grundstein für einen europäischen Senderverbund.
Übernahme von SBS Broadcasting
Im Juni 2007 übernahm die ProSiebenSat.1 Media AG für 3,3 Milliarden Euro die Sendergruppe SBS. Durch die Übernahme von SBS Broadcasting stieg die Netto-Verschuldung der Pro SiebenSat.1 Media AG 2008 auf 3,7 Milliarden Euro, während sich die neuen Mehrheitsgesellschafter eine Dividende auszahlten, die drei Mal so hoch lag wie der Vorjahresgewinn und deshalb aus der Substanz gezahlt werden musste. Die Folge waren Kostenreduzierungen und Personalabbau bei den Programmen ProSieben, SAT.1, kabel eins und N24, was sich mittelfristig negativ auf die Qualität der Programme auswirkte.
Ausstieg von KKR und Permira
Im Jahr 2009 übernahm Thomas Ebeling die Leitung des Konzerns von Guillaume de Posch. Durch einen strikten Sparkurs und gezielte Investitionen gelang es ihm, ProSiebenSat.1 Media SE wieder auf Wachstumskurs zu führen und von einem reinen TV-Konzern zu einem digitalen Entertainment & Commerce Anbieter zu transformieren. Im Jahr 2012 erzielte das Unternehmen einen Rekordumsatz in Höhe von 2,97 Milliarden Euro. Der wirtschaftliche Erfolg und der stark gestiegene Aktienkurs erschwerten in der Folgezeit die Suche nach einem neuen Käufer. KKR und Permira entschieden sich daher für einen schrittweisen Verkauf des Medienkonzerns über die Börse. Anfang 2014 veräußerten die Finanzinvestoren ihre letzten Aktien für 1,26 Milliarden Euro und erwirtschafteten mit ihren Investment einen Gewinn von 550 Millionen Euro. Nach dem Ausstieg von KKR und Permira ist der Konzern erstmals unabhängig von starken Einzelaktionären. Bis auf einen geringen Anteil an Stammaktien befinden sich sämtliche Wertpapiere des Unternehmens in Streubesitz. 2015 erfolgte die Umwandlung zur ProSiebenSat.1 Media SE. Diese stieg am 21. März 2016 in den wichtigsten deutschen Leitindex Dax auf.