Die werberelevante Zielgruppe
Das Fernsehpublikum gibt es nicht. Die Zuschauer wurden schon immer nach sozialstatistischen oder demographischen Merkmalen unterschieden. Seit den 1980-er Jahren haben sich weitere Einteilungen ergeben, die vor allem mit der Einführung des privat-kommerziellen Fernsehens verbunden sind. Da sich die privaten Sender über Werbung finanzieren, spielt die sogenannte werberelevante Zielgruppe, also alle Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 14 und 49 Jahren, eine wichtige Rolle. Die Anzahl der Zuschauer in dieser Gruppe ist für die privaten Sender die Währung gegenüber der werbetreibenden Industrie. Denn nach der Höhe der Einschaltquote und dem Marktanteil richtet sich der Preis, der für die Platzierung eines Werbespots zu zahlen ist.
Die Zielgruppe der "Babyboomer"
Die Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 14 und 49 Jahren werden als besonders werberelevant angesehen, weil sie selbstständig über ein Budget verfügen und – so die Annahme – in ihren Kaufentscheidungen (im Gegensatz zu den Älteren) noch leicht zu beeinflussen sind. Doch die Festlegung der 14- bis 49-Jährigen als wichtigste Zielgruppe ist nicht vom Himmel gefallen. Wie so vieles im Fernsehbereich ist diese Definition eine US-amerikanische Erfindung. In den 1970er Jahren hatte das US-Network ABC, neben CBS und NBC der größte US-Sender, Probleme durch geringer werdenden Zuschauerzuspruch, durch den die Marktführerschaft ins Wanken geriet. Man überlegte, wie man den anderen Sendern überlegen sein könnte. Die Zuschauer- und Marktforscher verglichen Marktanteile und Einschaltquoten. Dabei stellten sie fest, dass der Sender nur in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen den Konkurrenten überlegen war. Außerdem wurde für diese Gruppe ein Name gefunden, der bis heute in der Diskussion ist, obwohl die Angehörigen dieser Generation sehr viel älter geworden sind: Die Babyboomer. Nach und nach hat sich dann auch international die Ansicht durchgesetzt, dass diese Zielgruppe die wichtigste für jene Sender ist, die sich durch Werbung finanzieren.
Typenbildung nach Konsumverhalten und Mediennutzung
In den Sozialwissenschaften wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts davon ausgegangen, dass sich die Gesellschaft nicht einfach mit Hilfe der sozialstatistischen Daten wie z. B. das Alter beschreiben lässt, sondern dass sie sich in verschiedene Lebensstile und Milieus unterteilt. Diese Erkenntnis war in der Werbe- und Marktforschung bereits länger verbreitet. In den 1960er und 1970er Jahren waren es zunächst die Zeitschriftenverlage, die Frauen als Zielgruppe bestimmten, denn damals war die Frau die wichtigste Ansprechpartnerin für die Werbung – sie brachte, so die grundlegende Annahme, das Geld unter die Leute, das der Mann verdiente.
Der Verlag Gruner + Jahr entwickelte ebenso wie der Springer- und der Burda-Verlag Typologien, die die konsumierende (Haus-)Frau beschreiben sollten. In der "Typologie der Wünsche" des Burda-Verlages aus dem Jahr 1973 wurden sechs Frauentypen beschrieben: Die "offenherzig Unbeschwerte", die "gepflegte Lebenspartnerin", die "solide Hausfrau", die "lebenslustige Hausfrau", die "alleinstehende alte Dame" und die "junge Emanzipierte". Diese Typen unterschieden sich in ihrem Konsumverhalten und in ihrer Mediennutzung. Nach diesen Typen waren dann "Marktsegmente" benannt, die für die strategische Werbeplanung von Bedeutung waren.
Modelle der Zielgruppendefinition
Im Fernsehen spielen solche Zielgruppendefinitionen erst nach Einführung des Privatfernsehens eine Rolle. Die privaten Sender müssen mit ihren Programmen spezifische Zielgruppen mit besonderem Konsumverhalten ansprechen. Sie müssen ihre Werbestrategien optimieren. Allerdings ist man davon abgekommen, Typen nur nach deren Konsumverhalten zu bilden. Typen werden jetzt nach Werten und Lebenseinstellungen, zu der auch das Konsum- und Medienhandeln gehört, gebildet. Das bekannteste Modell sind die sogenannten Sinus-Milieus. Danach werden zehn Milieus unterschieden: