Zur Bestimmung der Fernsehproduktion wurden bisher die technischen Voraussetzungen beschrieben. Sie haben die Produktion von Fernsehen entscheidend geprägt. Darüber hinaus sind aber auch die administrativen und institutionellen Bedingungen wichtig. Für die Produktion spielt beispielsweise die marktwirtschaftliche Orientierung seit den Anfängen des Films eine prägende Rolle. Häufig wurden solche Faktoren in der Vergangenheit auf der Ebene der Gesamtproduktion behandelt, wenn beispielsweise über das angebliche Problem der Überproduktion diskutiert wurde, oder auf der Ebene der Einzelproduktion, wenn es um die Ökonomisierung ästhetischer Aspekte ging (beispielsweise der Einsatz und die Hervorhebung von Stars).
In den letzten Jahren ist verstärkt eine betriebswirtschaftliche Sicht der Produktionsprozesse – auch der öffentlich-rechtlichen Anbieter – zu erkennen, was problematisch ist: denn gesellschaftliche Kommunikation ist nicht primär eine Ware, die zur Gewinnerzielung erzeugt wird, sondern dient der politischen, kulturellen und sozialen Verständigung der Menschen untereinander. Sie bildet die Basis für eine funktionierende Demokratie.
Öffentlich-rechtliche Produktion
Logo der ARD, dem Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Sender der Bundesländer (© ARD)
Logo der ARD, dem Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Sender der Bundesländer (© ARD)
Weil das gebührenfinanzierte Fernsehen aufgrund des gesicherten Haushaltes der Anstalten die Herstellung vieler Sendungen ermöglichte, spielten ökonomische Faktoren viele Jahre bei der inhaltlichen und ästhetischen Gestaltung eine untergeordnete Rolle. Damit soll nicht gesagt werden, dass ökonomische Aspekte nicht berücksichtigt wurden. Das Fernsehen war von Beginn an in das Marktgeschehen eingebunden, sei es beim Aushandeln von Gehältern, Löhnen oder Gagen, beim Einkauf von Technik und Produktionsmitteln, beim Bau von Sendern und Studios und nicht zuletzt beim Erwerb von Senderechten. Selbstverständlich wurde und wird dabei betriebswirtschaftlich gedacht und gehandelt, müssen Produktionen kalkuliert und Kostenpläne eingehalten werden. Aber das öffentlich-rechtliche Fernsehen kann – anders als die auf Gewinn ausgerichteten privatwirtschaftlichen Sender – ökonomische Aspekte zurückstellen, wenn die Relevanz eines Themas oder die gesellschaftliche Notwendigkeit es erfordern.
Ökonomische Fragen und mediale Grundversorgung
In bestimmten Programmbereichen, die regelmäßige Informationen liefern müssen, spielten bis zur Einführung des Dualen Systems ökonomische Fragen eine geringe Rolle. Die institutionelle Absicherung der Mitarbeiter sorgte dafür, dass solche Serviceleistungen nicht als Waren angesehen wurden. Sie waren und sind notwendige Beiträge der medialen Grundversorgung, wichtig für die Meinungsbildung und die gesellschaftliche Kommunikation. Diese Art der Fernsehproduktion wurde bis Mitte der 1980er Jahre nicht unter dem Gesichtspunkt der Gewinnerzielung gesehen.
Anfang der 1970er Jahre wurden in vielen Rundfunkanstalten bis dahin eng mit den Redaktionen verbundene Produktionsteams in zentralen Produktionsabteilungen zusammengefasst. Damit sollten Kapazitäten effizienter genutzt werden. Weil eingespielte Teams auseinander gerissen wurden, kam es zu heftigen Diskussionen und Protesten. Diese strikte Ökonomisierung der Produktion wurde daraufhin teilweise zurückgenommen.
Grundversorgung trotz Kostendruck
Heute herrscht auch bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ein starker Kostendruck. Es wird in allen Bereichen auf Effizienz und Leistung geachtet. Gleichwohl muss im Sinne des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags eine Grundversorgung an gesellschaftlicher Information und Bildung unabhängig von Einschaltquoten gewährleistet sein. Aufgrund des gestiegenen Kostendrucks werden jedoch bei Programmformen, die auf regionaler oder lokaler Ebene mit kleinen Beiträgen für Magazine, Nachrichtensendungen etc. operieren, zunehmend 'Einsteiger' beschäftigt, die in journalistischer 'Kleinarbeit' einen Beitrage produzieren. Hier gelten wiederum besondere Produktionsbedingungen – anders als in anderen Programmsparten des Fernsehens.
Produktionsabsicherung und -kontrolle
Die erste interaktive Live-Show des deutschen Fernsehens "Der goldene Schuss" – Moderator Lou van Burg mit Assistentinnen und Armbrust (© picture-alliance, KPA)
Die erste interaktive Live-Show des deutschen Fernsehens "Der goldene Schuss" – Moderator Lou van Burg mit Assistentinnen und Armbrust (© picture-alliance, KPA)
Der am Gemeinwohl orientierte Status der gesellschaftlichen Kommunikation wurde damit erkauft, dass das Fernsehen zwischen Staat und Marktwirtschaft administrativ abgesichert wurde. Diese Absicherung hatte politische und ökonomische Gründe, ist jedoch auch den technischen Bedingungen der Fernsehkommunikation geschuldet. Denn seit den 1960er Jahren erreichten die Programme ein Millionenpublikum und jede Live-Sendung konnte "daneben" gehen. Um Pannen, politische Konflikte und Kontroversen zu vermeiden, kam es zu langen Planungsvorläufen und einer weitgehenden institutionellen Absicherung der Produktionen.
Richtlinien und Standards
So wurden und werden beispielsweise auch Nachrichten reglementiert. Meldungen müssen von einer Agentur zugeliefert und durch andere Meldungen bestätigt werden. Richtlinien zur Ausgewogenheit legen seit den 1970er Jahren fest, dass immer auch die Gegenseite zu hören ist, wenn einflussreiche Interessengruppen zu Wort kommen. Politisch brisante Themen werden häufig gar nicht erst aufgegriffen. Bei Gesprächsrunden werden Teilnehmer und Kandidaten – wenn sie nicht prominent und bildschirmbekannt sind – vorher getestet und überprüft.
Planung statt Spontanität
Vorproduzierte Sendungen müssen in allen Phasen von Programmverantwortlichen auf unterschiedlichen Ebenen abgenommen werden. Galt schon für die Filmgeschichte, dass das Drehbuch auch ein Mittel der inhaltlichen Kontrolle ist, so gilt dies für das Fernsehen und seine Sendungen in besonderer Weise. Dies führt dazu, dass Fernsehfilme von der Idee bis zur Sendung heutzutage etwa zwei Jahre benötigen. Auch Sendungen, die den Zuschauern beispielsweise in der Unterhaltung als Live-Ereignis angekündigt werden, sind häufig vorproduziert – und seien es nur wenige Stunden.
Mit dieser Form der verdeckten Vorproduktion können "Ausrutscher" und spontane Aktionen aus den Sendungen herausgeschnitten oder Sendungen auf eine für den reibungslosen Programmablauf festgelegte Länge gebracht werden. Damit wird dem Medium jede Form spontaner Produktion genommen. Alles ist geplant und Spontaneität ist nur noch als Reaktion auf politische Krisen oder Naturkatastrophen möglich – oder in der Sportberichterstattung. Doch selbst dabei wird auf Routine und Rituale zurückgegriffen, um eine Sendung in der Form zu halten. Andererseits besteht darin eine der wichtigen Leistungen des Fernsehens: Ereignisse in eine Form zu bringen, sie in "Geschichten" zu verwandeln, um die Welt begreifbarer zu machen und um den Zuschauern Orientierung und Sicherheit zu vermitteln.
Privatrechtliche Produktion
Mit der Etablierung privatrechtlicher Programmanbieter haben sich die Formen der administrativen Kontrolle und Lenkung der Produktion nicht wesentlich verändert. Möglicherweise sind die Hierarchien in den kommerziell arbeitenden Unternehmen etwas flacher. Dafür sind die Risiken größer, weil Produktionen, wenn sie nicht gleich die geplante Einschaltquote erzielen, schneller aus dem Programm "gekippt" werden.
Endemol-Chef John de Mol zum Sendestart von Big Brother in Deutschland (© picture-alliance/dpa)
Endemol-Chef John de Mol zum Sendestart von Big Brother in Deutschland (© picture-alliance/dpa)
Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlicher und privater Produktion
Prinzipiell sind kaum Unterschiede in den Produktionsabläufen bei öffentlich-rechtlichen und privaten Produktionen festzustellen. Die technischen Standards und die weitgehend routinierten Produktionsabläufe setzen eigene Rahmenbedingungen. Unterschiede sind bei der Durchführung und in der handwerklichen Machart festzustellen. Vor allem kleinere Sender und mit ihnen verbundene Produktionsfirmen arbeiten mit wenig erfahrenen Mitarbeitern. Manche Sender – insbesondere auf lokaler oder regionaler Ebene – leben vom Einsatz von Praktikanten, die gering oder gar nicht bezahlt werden. Diese gewinnen zwar Erfahrungen mit dem Fernsehen, der Professionalität der Produktion kommt dies jedoch nicht unbedingt zugute.
Privatrechtliche Unternehmen müssen stärker auf neue Formate achten und Marktnischen entdecken, um ihre Marktanteile zu erhöhen. Permanent werden neue Ideen erwartet, von denen viele ebenso sang- und klanglos wieder verschwinden. Dies führt dazu, dass über Produktionen häufig abrupt und überraschend entschieden wird. Dadurch entsteht bei den Mitarbeitern eine tendenziell größere Unsicherheit.
Auftragsproduktionen durch eigenständige Unternehmen
Mit dem Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Fernsehen hat die Tendenz zugenommen, die Produktion von Sendungen auszulagern und von Unternehmen herstellen zu lassen, die vom Sendeunternehmen unabhängig sind oder in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, aber ökonomisch eigenverantwortlich handeln.
Auftragsproduktionen sind jedoch keine Erfindung des privatrechtlichen Fernsehens. Spezialisierte Unternehmen können oft effizienter und zu einem vorher festgelegten Festpreis produzieren.
Insgesamt ist in den letzten Jahrzehnten ein vielgliedriger, hochgradig arbeitsteiliger Produktionskomplex entstanden, der für das Fernsehen Sendungen in unterschiedlichen Formen herstellt, den permanenten Programmfluss aufrechterhält und damit die gesellschaftliche Kommunikation gewährleistet.