Sport, Medien und Politik
Während in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg die Professionalisierung des Sports mit einer durch die Medien bedingten wachsenden Kommerzialisierung einherging, etablierte sich in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine enge Verbindung von Sport, Medien und Politik. In der DDR wurde der Sport für innen- und außenpolitische Zwecke instrumentalisiert. Im Mittelpunkt der Sportpolitik stand seit den 1950er Jahren die Förderung des Leistungssports. Die Grundlagen dafür wurden im Kinder- und Jugendsport und den Betriebssportgemeinschaften gelegt. Sportliche Erfolge bei internationalen Wettkämpfen sollten die Anerkennung des Staates fördern. Die Organisation des Sports wurde durch zahlreiche Institutionen gewährleistet, z. B. durch den Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB), die Gesellschaft für Sport und Technik (GST), das Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (FKS) und, als oberste Instanz, zunächst durch das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport (Stako), das dann 1970 als Organ des Ministerrates im Staatssekretariat für Körperkultur und Sport (StKO) aufging.
Staatlich abgesicherte Leistungssportler
Ziel der Sportpolitik war von Beginn an, der Vereinsbildung entgegenzuwirken, die als bürgerliche Tendenz gebrandmarkt wurde. Während sportfremde Investoren in der Bundesrepublik und anderen westlichen Gesellschaften durch Beeinflussung der Rahmenbedingungen zunehmend sportliche Leistungen erst ermöglichten, zum Beispiel durch Sponsoring und Werbeverträge, schufen in der DDR die Staats- und Parteiführung auf politischer Ebene die organisatorischen Voraussetzungen für das Leistungssportsystem. Damit war auch die Grundlage für die Existenz staatlich abgesicherter Profisportler gegeben. Eine Kommerzialisierung des Sports in der DDR konnte aufgrund des Ideals eines sozialistischen Staates offiziell nicht stattfinden und wurde "bekämpft". Doch machte die internationale Entwicklung diesbezüglich keinen Bogen um die DDR, so dass sich hier eher eine stumme und schleichende Kommerzialisierung auf niedrigem Niveau vollzog. DDR-Sportler wurden nicht nur staatlich finanziert, sondern erhielten auch Vergünstigungen von DDR-Firmen. Die Medien, insbesondere das Fernsehen, waren für die Verbreitung der Leistungen der DDR-Sportler sehr bedeutsam.
Ideologisierte Sportberichterstattung
Ziel aller Medien in der DDR, so auch des Sportfernsehens, war die Vermittlung politisch-ideologischer Inhalte. Sport wurde als nicht von den gesellschaftlichen Verhältnissen loszulösender politischer Gegenstandsbereich betrachtet. Vor allem waren die allgemeinen politischen Ziele und Grundsätze der DDR auf dem Gebiet des Sports zu transportieren - also ein fester Klassenstandpunkt, sozialistisches Denken, Verwirklichung von Parteitagsbeschlüssen und Abwehr "imperialistischer Ideologie" aus dem verfeindeten Westen. Die Vermittlung dieser Werte war Teil des ideologischen Auftrags der Massenmedien, Agitation und Propaganda zu betreiben, um den Menschen die "objektive historische Wahrheit" zu verkünden und sie zu sozialistischen Persönlichkeiten zu erziehen. Zum propagandistischen und agitatorischen Auftrag der DDR-Sportberichterstattung gehörte gemäß dem Parteiauftrag auch die Auseinandersetzung mit den Klassengegnern im Sport.
Grenzen der Instrumentalisierung
Allerdings ließ sich die Sportberichterstattung nicht grenzenlos beeinflussen, denn der Sport folgte und folgt eigenen Gesetzen. Ein Sieg des 'Klassengegners' bei einem Wettkampf ließ sich nicht in eine Niederlage umdeuten, und die Niederlage eigener Sportler nicht in einen Sieg. Solche Ergebnisse ließen sich nur unterschiedlich kommentieren. Doch die Sportreporter der DDR legten in ihren Kommentaren häufig politische Zurückhaltung an den Tag, denn auch sie wussten, wie sensibel international darauf reagiert wurde. So wurde nach den Olympischen Spielen 1972 in westdeutschen Medien das "fachliche Wissen der DDR-Reporter" gelobt und festgestellt: "Die Kommentierung westdeutscher Athleten ist sachlich und objektiv"
Politik der sportlichen Erfolge
Bedeutend war die Förderung des Staatsbewusstseins der DDR-Bürger durch sportliche Erfolge. Im Mittelpunkt der Berichterstattung standen die Ergebnisse der DDR-Athleten. Aber auch die Erfolge der Sportler aus der Sowjetunion und anderer befreundeter sozialistischer Staaten wurden vor allem bei internationalen Wettkämpfen besonders herausgestellt, bei nationalen und internationalen Sportereignissen, vor allem bei Olympischen Spielen oder Welt- und Europameisterschaften. Sowohl dem Fernsehpublikum in der DDR als auch der ganzen Welt sollte durch die Darstellung von Titel- und Medaillengewinnen die Überlegenheit des sozialistischen Gesellschaftssystems vor Augen geführt werden. Dazu war der DDR-Führung jegliches Mittel recht, eben auch der Einsatz unerlaubter Mittel zur Leistungssteigerung, gemeinhin als Doping bekannt.
Sportübertragungen in den 50er Jahren
Bereits 1952 erklärte Hermann Zilless, der damalige Leiter des DFF-Fernsehzentrums in Berlin, dass "regelmäßige Sportsendungen" über "die wichtigsten Sportereignisse in der DDR, in Berlin und über gesamtdeutsche Spiele in Westdeutschland" berichten sollten. "Sie wollen darüber hinaus die demokratische Sportbewegung und die Sportler im Kampf um die Einheit des deutschen Sports unterstützen"
Am 22.12.1952 wurde die erste Magazinsendung "Sport der Woche" mit Wortbeiträgen und Standbildern gesendet. Sie wurde mehrfach umgebaut, zwischenzeitlich als "Sportgeschehen in Wort und Bild" und im Frühjahr 1953 als "Sportgeschehen – Ferngesehen" bis Anfang 1955 ins Programm genommen.
Ab 1955, mit der Beschaffung der ersten beiden Übertragungswagen, wurden Sportsendungen auch live ausgestrahlt. Den Anfang machte ein Boxkampf am 19.1.1955. In der Folgezeit wurden – wie auch in der Bundesrepublik – vor allem am Sonntag Fußballspiele gezeigt. Das Spiel Sparta Prag gegen ZSK Vorwärts Berlin am 23.10.1955 wurde als erste Großveranstaltung aus dem Walter-Ulbricht-Stadion in Berlin übertragen
Die "Tour de France des Ostens"
Neben den Fußballübertragungen und anderen Sportberichten bildete die Internationale Friedensfahrt den Höhepunkt der Sportberichterstattung im Frühjahr. Dieses Radrennen, das seit 1948 zwischen Warschau und Prag, seit 1952 zusätzlich auch in Ost-Berlin mit wechselnden Streckenführungen durchgeführt wurde, galt als die "Tour de France des Ostens". Das Radrennen wurde ab 1956 mit geringen Einschränkungen als Live-Sendung ausgestrahlt. 1959 wurden erstmals Bilder von einer Hubschrauber-Kamera aufgenommen. Das galt damals europaweit als Sensation und machte die Live-Berichterstattung von der Fahrt noch attraktiver. 1955 und 1959 siegte der ungemein populäre DDR-Radrennfahrer Gustav Adolf ("Täve") Schur. Täve Schur war sechsmal DDR-Meister, gewann viermal die DDR-Rundfahrt und zweimal die Straßenrad-Weltmeisterschaft (1958 und 1959). Er wurde 1960 noch beliebter, weil er bei der Straßenrad-WM seinem Kollegen Bernhard Eckstein vor laufenden Kameras den Vortritt ließ.
Bildmaterial aus anderen Ländern
Einmarsch der Mannschaft der DDR in das Olympia-Stadion in Mexiko-City während der Eröffnungsfeier im Sommer 1968 (© picture-alliance/dpa)
Einmarsch der Mannschaft der DDR in das Olympia-Stadion in Mexiko-City während der Eröffnungsfeier im Sommer 1968 (© picture-alliance/dpa)
Der DDR war es gelungen, beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) provisorisch anerkannt zu werden. Eigentlich durfte keine Nation mit zwei Delegationen vertreten sein. Auf Grund dieser Anerkennung konnte das DDR-Fernsehen 1956 aus Cortina d'Ampezzo berichten. Mit einigen Live-Übernahmen des italienischen Fernsehens. Aus Rom 1960 kamen ebenfalls Live-Berichte, während es dann 1964 aus Tokio wieder nur Filmberichte gab. Das DDR-Fernsehen griff dabei immer wieder auf das von den veranstaltenden Ländern produzierte Pool-Material zurück, das allen Beteiligten zur Verfügung gestellt wurde. Erst ab 1968, als die DDR mit einer eigenen Mannschaft in Mexiko antrat und damit sportpolitisch einen Durchbruch erzielte, konnte man zumindest mit einer 15-minütigen eigenen Livesendung aus dem "DFF Studio Mexiko" berichten. Für die Mehrheit der Berichte war man weiterhin auf Pool-Sendungen angewiesen, die vor allem von der Eurovision hergestellt und an die Intervision weitergereicht wurden
Sportübertragungen in den 60er Jahren
Von 1955 bis 1968 leitete Werner Cassbaum die Sportredaktion des DFF und baute in dieser Zeit eine intensive Sportberichterstattung auf. Neben aktuellen Beiträgen über die DDR-Oberliga im Fußball, aber auch über andere Sportarten, berücksichtigte Cassbaum zudem mit Sendereihen wie "Sport und Musik" (1957–1964) den Unterhaltungsaspekt von Sport-Programmen. In den 1960er Jahren etablierten sich einige regelmäßig erscheinende Magazinsendungen wie "Sport-Mix" (1961–1966, aus der Sendung "Unsere Sportstafette" entstanden) und "Sport-Meridiane" (1961–1968). Diese sollten über den Sport in den befreundeten Ländern berichten. Die Aktualität der Sportberichterstattung erhöhte sich, als dem DDR-Fernsehen ab 1964 eine Magnetaufzeichnungsanlage zur Verfügung stand. Bereits am Vorabend konnten zusammenfassende Berichte von Nachmittagsveranstaltungen gesendet werden.