Volkstheater als Fernsehunterhaltung
Zu den Formen der Fernsehunterhaltung wird in aller Regel das volkstümliche Theater gezählt, das in Theateraufzeichnungen, später in spezifischen Fernsehinszenierungen präsentiert wurde. Hier handelt es sich um eines der vielen, die Sendeformen überschreitenden Phänomene der Programmentwicklung im Fernsehen, denn die Theaterinszenierungen vom Ohnsorg- und Millowitsch-Theater im Westen und der Moritzburg im Osten gehören zum Programm der fiktionalen Darstellung, also zum Fernsehspiel und Fernsehfilm. Aber weil es sich hier um Formen handelt, die sehr stark auf das Interagieren mit einem Saalpublikum und auf eine mediale Präsentation ausgerichtet sind, die der der Unterhaltungsshows ähnelt, und weil sie letztlich auf populäre Formen und Inhalte setzen, gelten sie ebenfalls als Teil der Fernsehunterhaltung.
Beginn mit Klassikern in den 50er Jahren
Als in der Bundesrepublik das Fernsehen in den frühen 1950er Jahren mit seinem Programm begann, wählte man mit Goethes "Vorspiel auf dem Theater" einen Bühnenklassiker als Vorlage für das erste Nachkriegs-Fernsehspiel, bei dem man sich noch mit einer acht Quadratmeter großen Bühne begnügen musste. Ähnliche Probleme plagten die Mitarbeiter des Ost-Fernsehens. Erst nachdem am 1. Mai 1953 ein größeres Studio bezogen worden war, konnte man dort ein längeres – d. h. 20-minütiges – Spiel realisieren. Die Wahl fiel auf "Der hessische Landbote" von Horst Heydeck
Volkstheater im Westfernsehen
Von den Theater-Mitschnitten und Fernseh-Inszenierungen der zum literarischen Kanon gehörenden Dramen hoben sich die Aufführungen der sogenannten Volkstheater ab, die zumeist in Dialektform Schwänke, Lustspiele und leichte Komödien boten. Die erste Direktübertragung im Fernsehen der Bundesrepublik verdankte sich allerdings einem Missgeschick: Als am 27. Oktober 1953 das Eishockeyspiel Deutschland – UdSSR kurzfristig abgesagt wurde, füllte der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) die Programmlücke mit dem Kölner Millowitsch-Theater und seiner Inszenierung des 1936 entstandenen Militärschwanks "Der Etappenhase"
Neue Darstellungskonventionen
In dem Maße, wie sich die fiktionalen Produktionen des Fernsehspiels, des Fernsehfilms und der Fernsehserien in den 1970er und 1980er Jahren durch den Einsatz des Films von den eher statisch wirkenden Bühnen- und Studioinszenierungen lösten, folgten sie filmischen Darstellungskonventionen, so dass Koproduktionen mit dem Kino bald keine Besonderheit mehr darstellten. Zeitgleich nahm das Interesse an den Theaterinszenierungen im Fernsehen ab. Trotz des abnehmenden Interesses gab es noch bis in die 1980er Jahre hinein Volkstheateraufführungen im Fernsehen, ebenso Boulevardtheater (ohne Mundartaufführungen), unter anderem als Aufzeichnungen aus den Boulevard-Theatern großer Städte, wie z. B. dem Theater am Kurfürstendamm in Berlin, in dem damals bekannte Fernsehstars wie Günter Pfitzmann, Georg Thomalla und Karin Eickelbaum auftraten. Die öffentlich-rechtlichen Sender überließen die Ausstrahlung oder Übertragung zeitgenössischer Inszenierungen mit der Zeit den als Kulturkanälen konzipierten Programmen 3sat und arte. Von 1999 bis 2011 unterhielt das ZDF den digitalen Theaterkanal (Slogan: "Die ganze Welt ist Theater"). Dieser wurde 2011 in ZDFkultur umgewandelt und im Herbst 2016 eingestellt.
"Heitere Dramatik" im DDR-Fernsehen
Der Deutsche Fernsehfunk bemühte sich von Anfang an um die "heitere Dramatik", wie die Lustspiel-, Schwank- und Komödienproduktion in der DDR genannt wurde. Diese Bezeichnung hängt damit zusammen, dass der Begriff des Fernsehspiels im DDR-Fernsehen durch den der 'Fernsehdramatik' ersetzt wurde, weil man die fiktionalen szenischen Darstellungsformen als Teil einer übergreifenden Gattung der Dramatik ansah. Im Deutschen Fernsehfunk gab es deshalb eine eigenständige Redaktion "Heitere Dramatik", die viele als volkstümlich geltende Stücke bei DDR-Autoren in Auftrag gab. Dabei war von vornherein klar, dass man auf die Stücke, die vor 1945 von den Lustspiel- und Schwankautoren verfasst worden waren, nicht zurückgriff, weil diese – vielfach zu Recht – als ideologisch belastet galten. Es sollten Stücke sein, die eine auf die DDR-Alltagsrealität hin orientierte Thematik entwickelten. Beispielhaft war die Fernsehkomödie von Hermann Rodigast und Klaus Gendries "Aber Vati!" von 1974 (zunächst 3 Teile und eine Fortsetzung im Jahr 1979) um den allein erziehenden Erwin Mai (Erik S. Klein) der ca. 10-jährigen Zwillinge Kalle und Kulle, welcher nach etlichen Ereignissen und Turbulenzen um die beiden Söhne die ebenfalls alleinerziehende Monika Büttner (Helga Labudda) heiratet.
Fernsehtheater aus der Moritzburg
Im Hallenser Fernsehtheater Moritzburg wird die Spielzeit 1981 eröffnet. (© Bundesarchiv, Bild 183-Z0206-022 / Fotograf: Thomas Lehmann)
Im Hallenser Fernsehtheater Moritzburg wird die Spielzeit 1981 eröffnet. (© Bundesarchiv, Bild 183-Z0206-022 / Fotograf: Thomas Lehmann)
Anfang der 1960er Jahre war der Parteifunktionär und spätere Volkskammerpräsident Horst Sindermann auf die "ehrgeizige Idee"
Kritik an der Volkstümlichkeit
In der Benutzung solcher Stereotypen unterschied sich die heitere Dramatik nicht von den Volksstücken des bundesrepublikanischen Fernsehens, bei denen der WDR-Redakteur Martin Wiebel und Theatermacher Melchior Schedler etwa zur gleichen Zeit die Frage stellten, was denn ihre "Volkstümlichkeit" ausmache und ob "das Volk so tümlich" sei, womit sie auf eine gewisse geistige Beschränktheit der Figuren und ihrer Handlungen verwiesen