Unterhaltung im Privatfernsehen seit den 80er Jahren | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

Unterhaltung im Privatfernsehen seit den 80er Jahren

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Hugo Egon Balder und Assistentinnen in der Show Tutti Frutti

Hugo Egon Balder und Assistentinnen in der Show "Tutti Frutti" (© RTL)

"Glücksrad" und Co. – Quizshows nach amerikanischem Vorbild

Das kommerzielle Fernsehen setzte in Deutschland vor allem auf gewinnträchtige Quizshows, mit denen es an amerikanische Vorbilder anknüpfte und von denen es die Lizenzen erwarb. Die wichtigste Unterhaltungsshow des kommerziellen Fernsehens war die nach dem amerikanischen Titel "Wheel of fortune" benannte Reihe "Glücksrad". Sie wurde 1988 zuerst von Sat.1 ausgestrahlt, zunächst werktäglich, dann samstags und sonntags und lief mit über 4.000 Folgen bis 2005 auf verschiedenen Sendern (nach Sat.1 auf kabel eins und bis 2005 auf 9Live). Frederic Meisner und Peter Bond moderierten die Sendung im wöchentlichen Wechsel. Trotz ihres Erfolges wurde "Glücksrad" 1998 von Sat.1 abgesetzt, weil überwiegend ältere Zuschauer zusahen, die als nicht werberelevant galten. Das Spiel war eine Art von Kreuzworträtsel, bei dem Worte zu erraten waren. Das sich drehende Glücksrad zeigte auf verschiedene Geldbeträge, die man gewinnen konnte. Aus einer vorgegebenen Produktpalette konnten sich die Kandidaten Waren im Gegenwert ihres Gewinnes aussuchen. Wegen dieser Warenpräsentation wurde "Glücksrad" als "Dauerwerbesendung" eingestuft. Eine Neuauflage lief von 2016 bis Ende 2017 bei RTLplus.

Tägliche Gameshows

Zehn Monate zuvor war als andere 'Daily Gameshow' die Sendereihe "Ruckzuck" (Tele 5, RTL II u. a.) gestartet, die bis 2005 ebenfalls auf verschiedenen Kanälen lief und 2.330 Folgen erlebte. Ab 1992 lief ebenfalls auf Sat.1 die Gameshow "Geh aufs Ganze", die nach ihrer Absetzung bei Sat.1 im Jahre 1997 noch bis 2003 auf anderen kommerziellen Kanälen beheimatet war. Hier mussten Zuschauer ein Tor auswählen, hinter dem sich ein Gewinn verbarg. Sie konnten dabei jedoch vom Moderator in die Irre geleitet werden.

Umstritten: "Der Preis ist heiß" und "Tutti Frutti" (RTL)

Wegen ihrer Vermischung von Werbung und Spielaktionen umstritten waren Vorabend-Reihen wie die aus den USA stammende Rateshow "Der Preis ist heiß" (1989–1997, RTL), mit denen private Sender Zuschauer zu ködern suchten. Die meiste Erregung erntete RTL mit "Tutti Frutti" (1990–1993), einer von Hugo Egon Balder moderierten, aus Italien übernommenen Spielshow, in der die Kandidaten und Kandidatinnen durch Ablegen von Kleidungsstücken zusätzliche Punkte erringen konnten. Die ab 2016 geplante Neuauflage bei RTL Nitro wurde nach nur einer Folge eingestellt.

Die "100.000 Mark Show" (RTL)

Deutlich größeren körperlichen Einsatz erforderte die "100.000 Mark Show" (1993–2000, RTL), in der trainierte Paare jüngeren Alters einen anstrengenden Hindernisparcours und Denksportaufgaben zu bewältigen hatten. Deutlicher als vorangegangene Spielshows setzte dieses den Trend zu Extremsportarten aufnehmende Format auf Identifikation mit den Protagonisten, die nach der ersten Ausscheidungsrunde sehr ausführlich vorgestellt wurden. So sollten die Zuschauer bewogen werden, ihre persönlichen Favoriten zu wählen und entsprechend mitzufiebern.

Mischformen und Neuauflagen seit 2000

Durch die Ausweitung von Anzahl und Umfang der Programme bot das Fernsehen mit Beginn des neuen Jahrtausends vielfältige Unterhaltungssendungen, darunter etliche Mischformen und Neuauflagen altbekannter Ideen. Die klassische Quizshow beispielsweise wurde 1999 mit dem in Großbritannien entwickelten Format "Wer wird Millionär?" weltweit wieder populär (Moderation in Deutschland: Günther Jauch, Titel im Original "Who Wants to Be a Millionaire?"). Über 20 Jahre nach dem Start dieser Sendung erzielt RTL noch immer beachtliche Zuschauerquoten, insbesondere bei "Prominenten-Specials". Die große Quizshow bekam kleine Ableger mit regionaler Ausrichtung wie "Die NDR-Quiz-Show" oder "Das NRW-Duell". Immer aktuell ist der Themenkomplex Partnersuche/Heirat, der sich durch die gesamte Programmgeschichte zieht Zur Auflösung der Fußnote[1] und z. B. das in den Niederlanden eingekaufte Format "Nur die Liebe zählt" (zunächst RTL, dann Sat.1) von 1993 bis 2011 erfolgreich macht.

"Schlag den Raab" (ProSieben)

Als besonders bemerkenswerte Sendung ist die von 2006 bis 2015 auf ProSieben gelaufene Show "Schlag den Raab" mit Stefan Raab zu erwähnen. Hier wurde das Show-Prinzip dahingehend variiert, dass ein Kandidat, den die Zuschauer per Televoting bewerten, in unterschiedlichen Disziplinen gegen den "TV total"-Moderator Stefan Raab antreten musste. Steven Gätjen führt seit Juni 2011 durch die Show. Zuvor hatte Matthias Opdenhövel die Sendung moderiert. In bis zu 15 Runden treten Raab und der Kandidat gegeneinander an. Der Sieger erhielt 500.000 Euro; sind sie an Raab gefallen, gingen sie in einen Jackpot für die nächste Runde, deren Preisgeld sich entsprechend erhöht hat. Die Sendung, eine neue Art großer Abendshow, war erfolgreich, und die Lizenz für dieses Format wurde unter dem Titel "Beat Your Host" von ProSieben in verschiedene Länder, darunter die USA, verkauft. Mit der Beendigung der Fernsehkarriere von Stefan Raab endete die Sendung; der Ableger "Schlag den Star" (seit 2009) mit Moderator Elton läuft jedoch weiter.

Nach Raab: A Show Must Go On

Eine Show, die seit 2013 bei ProSieben läuft und ebenfalls in eine eigenwillige, absurd-lustige bzw "schräge" Richtung geht, ist "Circus HalliGalli". In der Jury-Begründung für den Grimme-Preis 2014 im Bereich "Unterhaltung" heißt es: "Ihr Markenzeichen ist die Grenzüberschreitung: Joachim Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, den meisten Zuschauern schlicht als 'Joko & Klaas' bekannt, sind das Duo infernale des deutschen Fernsehens." Gespräche, Show-Acts und Wettkämpfe sorgen für Spaß und Überraschungseffekte im Fernsehen.

Moderatoren prägen Programme

Da die kommerziellen Programme in starkem Maße von der Unterhaltung leben, gewannen die Moderatoren dieser Sparte einen das jeweilige Programm prägenden Einfluss. Harald Schmidt, Jörg Pilawa, Reinhold Beckmann, Günther Jauch, Oliver Geissen, Stefan Raab, die zum Teil – so Geissen, Schmidt und Jauch – ihre Karrieren im öffentlich-rechtlichen Bereich begonnen hatten, und andere wurden bei den Privatsendern zu Stars, wechselten dann öfter wieder zu den öffentlich-rechtlichen Programmen und bildeten damit eigene Profile wie 'Markenartikel' aus.

Recycling von Showformaten – kein Zukunftsmodell

Die zumeist gescheiterten Versuche mit Wiederauflagen von Shows wie "Glücksrad" (2016–2017, RTL) und "Tutti Frutti" (eine Sendung 2016, RTL Nitro) haben gezeigt: Der Bedarf nach Unterhaltungsshows war und ist da, neue Ideen sind aber rar. Ähnliches zeigt sich bei der ARD mit "Dalli Dalli" bzw. "Das ist SPITZE!" (2011–2015; zuvor als "Dalli Dalli" von 1971 bis 1986 im ZDF mit dem legendären Hans Rosenthal). Da auch die Attraktivität vieler Reality-Formate nachgelassen hat, erweitern die Privatsender im Bedarfsfall zumeist ihr Angebot an fiktionalen Serien. Dass andere Showkonzepte funktionieren können, zeigen z. B. die Tanzshow "Let’s Dance" (RTL, seit 2010) und die Comedy-Quizshow "Luke! Die Schule und ich" (seit 2017, Sat.1). In der mit dem Deutschen Fernsehpreis 2019 in der Kategorie "Beste Moderation Unterhaltung" ausgezeichneten Sendung tritt jeweils ein Prominenten- gegen mehrere Schüler/-innen-Teams an.

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