Improvisiert und klein – die ersten Versuche ab 1950
Als ab 1950 der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) von Hamburg aus mit ersten Versuchssendungen des deutschen Fernsehens begann, hatten viele Fernsehmacher nur ungenaue Vorstellungen davon, wie Fernsehunterhaltung aussehen könnte. Andere, die beim Fernsehen des "Dritten Reiches" dabei gewesen waren, hatten bereits einige Unterhaltungsformen erprobt: das heitere Spiel, den Sketch mit wenigen Personen auf kleiner Studiobühne, die Gesprächsunterhaltung zwischen wenigen Personen, die musikalische Darbietung und Bunte Abende. Aufgrund der beengten Produktionsbedingungen – der Fernsehversuchsbetrieb war in einem kleinen Studio im Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg untergebracht – dominierten anfangs die kleinen Formen. Dafür wurden Entertainer aus den Varietees, Unterhaltungskabaretts und vor allem vom Hörfunk gewonnen. Viele Fernsehredakteure waren vom Hörfunk zum Fernsehen gestoßen und griffen auf Unterhaltungsformen zurück, die sie für fernsehtauglich hielten. Fernsehunterhaltung entstand aus den Studioproduktionen, die neben den Außenübertragungen das wichtigste Standbein der frühen Fernsehproduktion bildeten. In den Studiosendungen wurde "etwas erzählt und dargestellt, später gesungen, getanzt und vorgeführt" und "geladene Gäste" brachten "etwas von draußen mit"
Abendliche Sendungen aus Hamburg und Berlin
Lebendig wirkten Sendungen wie die NWDR-Reihe "Was ist los in Hamburg" (1952), in der sich der damals junge Reporter Jürgen Roland mit Künstlern und Sportlern unterhielt, die zu Gastspielen in der Hansestadt weilten. Ähnlich agierten die zwischen 1951 und 1953 separat produzierenden und sendenden Berliner TV-Pioniere. Einer der Beteiligten erinnert sich: "Wer da immer Rang und Namen hatte, musste einfach damit rechnen, bei uns in 'Erscheinung getreten zu werden'"
Werner Höfer, Hans Hellmut Kirst und Margot Hielscher
In Köln rief der Journalist Werner Höfer 1954 die Sendung "Darf ich vorstellen? – Begegnungen zwischen Rhein und Ruhr" ins Leben und führte mit geladenen Gästen entspannte Gespräche vor kleinem Publikum, locker verbunden durch musikalische Einlagen des Pianisten Paul Kuhn. Die im selben Jahr eingeführten "Kölner Mittwochsgespräche" widmeten sich vieldiskutierten Themen wie dem Roman "Null-Acht Fünfzehn" von Hans Hellmut Kirst und unter dem Titel "reformirte ortografi" einer möglichen Rechtschreibreform. Ab Januar 1955 betrieb Leinwand-Star Margot Hielscher in ihrer vom Bayerischen Rundfunk produzierten Sendung "Zu Gast bei Margot Hielscher" (Untertitel: "Prominente – fast privat!", bis 1957) heitere Konversation mit Unterhaltungskollegen wie Romy Schneider, Maurice Chevalier oder Winnie Markus. Die Dekors des Studios entsprachen der Einrichtung ihres Schwabinger Appartements und vermittelten dem Publikum die Illusion, an einer privaten Zusammenkunft teilzunehmen.
Revuen und Großveranstaltungen
Neben den kleinen Formen gab es vereinzelt größere Unterhaltungssendungen und Übertragungen großer Saalveranstaltungen. Der NWDR übertrug aus Hamburg und aus den Veranstaltungsorten rund um den Sender Unterhaltungsveranstaltungen: aus dem Park "Planten un Bloomen", dem Curio-Haus, der Ernst-Merck-Halle. "Mit Musik geht alles besser", hieß 1953/54 eine Fernsehrevue, die viele Nachahmungen fand
Anfänge im DDR-Fernsehen
Ankündigung der Schlagerrevue (© Bundesarchiv, B 285 Plak-061-005 / Grafiker: KM)
Ankündigung der Schlagerrevue (© Bundesarchiv, B 285 Plak-061-005 / Grafiker: KM)
In den Versuchssendungen des DDR-Fernsehens wurde zunächst erprobt, was im Fernsehen unterhaltend sein könnte. Hier orientierte man sich ebenfalls zunächst am Hörfunk. "Im Bereich der Unterhaltung war das Fernsehen vor allem ein 'Radio mit Bildern'", konstatieren Steinmetz/Viehoff
Verbindung von Unterhaltung und Publizistik
Im Deutschen Fernsehfunk wurde gerade in den Anfangsjahren Unterhaltung immer in Verbindung mit der Publizistik gesehen, die "publizistischen Inhalte sollten dem Zuschauer mithilfe einer emotionalen Gestaltung, die als 'Zusätzliches' gedacht wurde, vertieft werden. Umgekehrt wurden Unterhaltungssendungen für publizistische Aufgaben genutzt"
Der "Bunte Abend" – Wortwitz und zirzensische Attraktionen in der BRD
Clown Oleg Popow und Heinz Rühmann bei der Wohltätigkeitsgala "Stars in der Manege" im Münchner Circus Krone im Jahr 1980. Die letzte Folge wurde 2008 übertragen. (© picture-alliance/dpa)
Clown Oleg Popow und Heinz Rühmann bei der Wohltätigkeitsgala "Stars in der Manege" im Münchner Circus Krone im Jahr 1980. Die letzte Folge wurde 2008 übertragen. (© picture-alliance/dpa)
"Bunte Abende" sind Veranstaltungen, die ursprünglich im 19. Jahrhundert (in Vereinen) unter Beteiligung aller Anwesenden mit Tanz und Gesellschaftsspielen sowie Gesangsdarbietungen und Rezitationen durchgeführt wurden. Sie waren im Varietee und in der Music Hall vertreten und wurden dort zu einer Darbietungsform, bei der größere Zuschauermengen nur zuschauten. In dieser Variante kamen sie in den Hörfunk. Bunte Abende wurden in der Regel vor einem meist gering oder gar nicht beteiligten Saalpublikum durchgeführt und dann im Radio übertragen. Geboten wurde eine nummerierte Abfolge unterschiedlicher Beiträge: eine Nummernrevue. Ein Conférencier, also Moderator, übernahm die Ansagen und überbrückte die Pausen zwischen den Auftritten durch launige Zwischentexte und Ansprachen an die Zuschauer.
Vom Radio ins Fernsehen
Für das Radio produzierte Unterhaltungssendungen wurden früh – schon in den 1950er Jahren – von Fernsehkameras aufgenommen, Musikdarbietungen, szenische und kabarettistische Darstellungen (früher "Lebende Bilder", dann Sketche), Zauberkunststücke und artistische Präsentationen gehörten dazu. Als additive Form, die gleichzeitig ein Publikum – zumindest als Stimmungshintergrund – mit einbezog, war der Bunte Abend eine ideale Programmform für das Fernsehen, weil er vielfältige Angebote in sich vereinte, so wie sich das Medium insgesamt in seiner Programmstruktur aus unterschiedlichen Sendeformen zusammensetzte.
Varietees und Conférenciers
1952 beklagte die Rundfunkzeitschrift "HÖRZU", man sei im NWDR-Fernsehen "auf dem Gebiet der Unterhaltung" zurückgeblieben: "Hier hat man die Form des herkömmlichen Kabaretts oder Varietees bisher nur selten überwinden können"
Spezielle Zirkusübertragungen und Tiersendungen
Die zirzensischen und artistischen Darbietungen verschwanden jedoch nach und nach aus den Bunten Abenden im Fernsehen und wurden in spezielle Varietee- und Zirkusübertragungen verlagert (beispielsweise "Varieté, Varieté", ab 1963, ARD, und "Varieté-Zauber", ab 1967, ZDF, oder in die jährliche Benefiz-Veranstaltung "Stars in der Manege", seit 1959, ARD). Die Beschäftigung mit Tieren führte zu eigenen Tiersendungen mit Moderatoren wie Bernhard Grzimek und anderen.