Ratgeber- und Servicesendungen im West-Fernsehen
Dass das Fernsehen auch Ratgeber- und Servicesendungen anbietet, geht aus seiner publizistischen Funktion hervor, seinen Nutzern Orientierung in der Welt zu liefern . Schon die Presse, mehr noch der Hörfunk boten immer auch solche Leistungen an. Deshalb war es selbstverständlich, dass auch das Fernsehen mit seinen audiovisuellen Möglichkeiten derartige Angebote machte.
Ratgeber- und Servicesendungen in den 50er Jahren
In den frühen Jahren des bundesdeutschen Fernsehens richteten sich Ratgebersendungen insbesondere an Frauen und betrafen Praktisches wie Haushaltsführung, Wohnungseinrichtung und Gartengestaltung, aber auch Hilfestellungen bei der Kindererziehung oder bei den "richtigen" gesellschaftlichen und modischen Umgangsformen. Die Programme dienten dazu, die Bevölkerung mit neuen Konsumgewohnheiten vertraut zu machen, die neue Warenformen (wie Fertiggerichte) und neue Angebotsformen (wie Supermärkte) mit sich brachten. Zugleich wurde der zunehmenden Technisierung der Haushalte und einer immer komplexeren Lebensführung Rechnung getragen. Die verschiedenen Ratgebersendungen trugen damit wesentlich zu einer 'Modernisierung des Alltags' bei.
Neben kirchlicher Lebenshilfe wurden Tanzkurse (NWDR) angeboten und Yogaübungen (BR) vorgestellt. Die wichtigste Sendereihe der 1950er Jahre im Bereich der Lebenshilfe war jedoch die eher kleine, unscheinbar wirkende Reihe "Wir helfen suchen" (NWDR, später "Vermißtensuchdienst"), die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz Angehörige bei der Suche nach Menschen, die im Krieg verschollen waren, unterstützte und in vielen Fällen helfen konnte.
Ratgeber- und Servicesendungen in den 60er und 70er Jahren
In den 1960er Jahren wurden passend zur wachsenden Motorisierung des Landes Verkehrsratgeber produziert, anfangs eher auf Männer zugeschnitten: Der SWF richtete "Das Rasthaus" ein, das ZDF gab "Tipps für Autofahrer" und die ARD sendete "Der 7. Sinn" (1966–2005). Auch für Themen wie Gesundheit ("Gesundheitsmagazin Praxis", ZDF, bis 2004; heute z. B. diverse Magazine in den "Dritten Programmen" wie "Hauptsache Gesund", MDR, seit 1998 und "Gesundheit!", BR, seit 2007) oder Wirtschaft ("Der Markt", ARD, ab 1975 "Plusminus") war die Zeit gekommen. An Eltern richtete sich die "Fernseh-Elternschule" (ZDF, 1964–1975), in der inszenierte Konflikte von Kinderpsychologen und Pädagogen interpretiert wurden.
Ab 1971 widmete sich der "ARD-Ratgeber" sehr erfolgreich unterschiedlichen Alltagsthemen (Geld, Gesundheit, Recht, Technik, später z. B. auch Heim + Garten, Mode, Reise; bis 2011/2014). In den in diesem Jahrzehnt neu entstandenen Dritten Programmen wurden diverse Ratgebersendungen etabliert, wurden Bücher und Schriftsteller, Filme und Filmemacher vorgestellt, 1984 ging das Wirtschafts- und Verbrauchermagazin "WISO" (ZDF) auf Sendung. Bis heute berichten "WISO" und seit 2011 WISO plus hauptsächlich aus der Sicht von Konsumenten, Arbeitnehmern oder Rentnern, über Themen aus Wirtschaft und Sozialpolitik.
Auch Koch- und Hobbysendungen waren beliebt. Stilbildend war hier die Sendereihe "Hobbythek", die – erfunden und präsentiert von Jean Pütz – von 1974 bis 2004 30 Jahre lang im WDR-Fernsehen gesendet wurde (zu weiteren Kochsendungen siehe
Ratgeber- und Servicesendungen seit den 80er Jahren
Mit der Etablierung des dualen Rundfunksystems wurde der Übergang zur Unterhaltung fließend, das Serviceangebot ordnete sich bei den Privatsendern vielfach dem Unterhaltungszweck unter, wie in großen Unterhaltungsshows ("Nur die Liebe zählt") oder kleineren Talkshows (Vaterschaftstest in der "Oliver-Geißen-Show").
Daneben existiert seit einigen Jahren eine zunehmende Koppelung von Informations- und Serviceangeboten. Magazinsendungen wie das "ARD-Buffet" (seit 1998) oder die Morgen- und Mittagsmagazine von ARD und ZDF vermischen verschiedenste Servicethemen mit Nachrichten, Wetter, Talk usw. Eine tägliche Live-Schaltung zur Frankfurter Börse (seit 1989) berichtet über Kursschwankungen und Aktienentwicklungen und zeigt den Stellenwert, den Wirtschaftsinformationen in der Gesellschaft mittlerweile erreicht haben.
Ratgeber- und Servicesendungen im Ost-Fernsehen
Spielte das DDR-Fernsehen in seinen ersten Jahren als Ratgeber nur eine untergeordnete Rolle – hier wurden Vorläufer von Sendungen für Frauen oder zur Verkehrserziehung ausprobiert und Kulturtipps gegeben –, änderte sich das in den späten 1950er Jahren. Zahlreiche regelmäßig ausgestrahlte Ratgebersendungen entstanden. Die Themenkomplexe waren die gleichen wie in der Bundesrepublik: Gesundheit, Verkehr, Haushalt, Recht, Mode, Freizeit, Erziehung, Hobby, Garten, Haustier, Beruf. Bis 1989 blieben Ratgeber- und Servicesendungen ein wichtiger Bestandteil in beiden Programmen des DDR-Fernsehens.
Verflechtung von Staat, Gesellschaft und Fernsehen
Die Ratgebersendungen im DDR-Fernsehen können nicht ohne Berücksichtigung der engen Verflechtung von Staat, Gesellschaft und Fernsehen und ihrer Aufgabe, zur Bewusstseinsbildung des "sozialistischen" Menschen beizutragen, angemessen beurteilt werden. So gingen z. B. bei der Sendereihe "Du und Dein Garten" (1968-2003, DFF; ORB) individuelle Interessen mit volkswirtschaftlichen und versorgungspolitischen Zielen Hand in Hand, dienten doch die Tipps der Verbesserung der Eigenversorgung der Bevölkerung mit Obst und Gemüse sowie der Erhöhung der Abgabe von privat angebautem Obst und Gemüse in den Handel. "tausend tele tips" (1960-1976) warb für Produkte und lieferte gleichzeitig Hinweise zum Gebrauch. "Gewußt wie – spart Energie!" sollte die mitunter schwankende Energieversorgung entlasten.
Ratgebersendungen in der Wendezeit
Moderatoren des DDR-Jugendsenders "Elf 99" (© Bundesarchiv Bild 183-1990-0108-414 / Fotograf: Thomas Uhlemann)
Moderatoren des DDR-Jugendsenders "Elf 99" (© Bundesarchiv Bild 183-1990-0108-414 / Fotograf: Thomas Uhlemann)
Wenige Ratgebersendungen des DDR-Fernsehens überlebten die Wende 1989, und auch dann nur für kurze Zeit. Neue Sendungen entstanden in der Zeit kaum, die politischen Themen rückten in den Vordergrund. Sendereihen wie "Marktwirtschaft konkret" (1990) oder "Arbeitsmarkt aktuell" (1990) versuchten, die DDR-Bevölkerung nach der Schaffung der Währungs- und Sozialunion (1.7.1990) in das neue Wirtschaftssystem einzuführen, wurden aber bald wieder eingestellt.
Magazinsendungen über verschiedene Bereiche des Alltagslebens
Neben den monothematischen Sendungen etablierten sich im DDR-Fernsehen auch Magazinsendungen, die über verschiedene Bereiche des Alltagslebens informierten. 1966 ging kurzzeitig das "Wirtschaftsforum" auf Sendung, ab Mai 1966 bis 1990 "Das Verkehrsmagazin". Als Kulturmagazin war ab 1961 "Das Operettenmagazin" zu sehen. Der Ratgeber-Charakter vieler Magazine führte dazu, dass sich diese Programmform mit der der Ratgebersendung vermischte. Vor allem die Organisation des privaten Lebens mit seinen DDR-spezifischen Mangelerscheinungen stand im Vordergrund. Ebenso spielte auch die Berufswahl und ihre Lenkung eine wesentliche Rolle: "Ein Beruf für Dich" hieß z. B. ein Berufsratgeber bis 1961 (Fortsetzung der 1959 begonnenen Reihe "Regina berät Dich"). Weitere Sendungen waren "Der nächste bitte!" ab 1964 (bis 1970, Fortsetzung der Reihen "Der Arzt", 1956–1957, und "DerTeledoktor", 1961–1962) oder "Selbst ist der Mann", ein Ratgeber für Heimwerker (1966, 8 Folgen) und "Du und Dein Haushalt" bzw. "Du und Dein Heim" (1967–1969).