Friedrich Karl Kaul, bekannt durch die Ratgebersendung im DDR-Fernsehen "Fragen Sie Professor Kaul". (Bundesarchiv, Bild 183-78210-0001 / Fotograf: o. Ang.) Lizenz: cc by-sa/3.0/de
Formelle und informelle Bildung im Fernsehen
Ähnlich unklar wie der Kulturbegriff ist auch der Bildungsbegriff, dementsprechend variierte das Verständnis von Bildungssendungen im Fernsehen im Verlauf der Entwicklung. Seit der Gründung der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten 1948/49 ist Bildung im Programmauftrag verankert. Dieser Auftrag wurde in den Anfangsjahren allgemein als kulturelle Bildung (über die Künste) einerseits und als technisch-wissenschaftliches Wissen andererseits verstanden. Der Bildungsbegriff wurde in den 1960er und 1970er Jahren im Sinne eines vorschulischen, schulischen und 'erwachsenen' Lernens interpretiert Zur Auflösung der Fußnote[1]. Schorb unterscheidet zwischen Kontextprogrammen (also Sendungen, die im Kontext des Schulunterrichts eingesetzt werden sollen), Kursprogrammen, in denen einzelne Qualifikationen (z. B. Fremdsprachenbeherrschung) eigenständig und unabhängig von der Schule angeeignet werden können, und Lehr- und Lernsystemen, die auch unabhängig vom Fernsehen verwendbar sind. Als Alternative zur Schulbildung erwies sich das Fernsehen jedoch mittel- und langfristig nicht Zur Auflösung der Fußnote[2].
Bildungsanspruch des Fernsehens und "Edutainment"
Von den 1980er Jahren an wurde der Bildungsanspruch des Fernsehens zum einen wieder als spezifischer Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten im Gegensatz zu den Programmangeboten der kommerziellen Anbieter verstanden. Zum anderen setzte sich die Auffassung von "informellen Bildungsangeboten" Zur Auflösung der Fußnote[3] durch, also die Meinung, dass Fernsehsendungen unausgesprochen eine Tendenz zur Wissenserweiterung und zum Erwerb von Verhaltensformen und Handlungsweisen enthalten können, die vor allem in Verbindung mit Unterhaltung steht und die entsprechend auch als "Edutainment" bezeichnet wird Zur Auflösung der Fußnote[4]. Damit sind Rateshows wie "Wer wird Millionär?" und Ratgebersendungen wie "Hobbythek" oder die neueren Reality-Shows und Mischformen gemeint, aber auch die damalige Ratgebersendung zu Rechtsfragen des DDR-Fernsehens "Fragen Sie Professor Kaul". Der Strafverteidiger thematisierte erstmals die Euthanasie-Morde im Nationalsozialismus für eine größere Öffentlichkeit in der DDR. Ob sich bei diesen Sendungen Lerneffekte einstellen und wenn ja, welche, ist umstritten, weil zu den Wissensfragen (etwa in Quizshows) oft Hintergründe nicht vermittelt und Zusammenhänge nicht hergestellt werden Zur Auflösung der Fußnote[5]. Daher werden Wissenssendungen auch an entsprechender Stelle im Bereich "Interner Link: Information" behandelt. Bildung als Fernsehgenre war also von Beginn des Fernsehens an bis heute umstritten und könnte in einem engeren Sinne alleine auf pädagogisch-didaktisch strukturierte Sendungen (insbes. Schulfernsehen) bezogen werden. Dennoch ist ein genauerer Blick auf einzelne Bildungsangebote aufschlussreich, weil so die Bildungsabsichten des Fernsehens deutlich werden.
Bildungsfernsehen der 1950er und 1960er Jahre in der BRD
Apollo 11 - Sonderstudio zum 1.Mondflug 1969. Im Bild: Othmar Urban (li.) (© picture-alliance, First Look / picturedesk.com)
Zu den frühen Bildungssendungen, die sich zu Beginn der Fernsehentwicklung häufig auf geisteswissenschaftliche Themen und Alltagsprobleme bezogen, kamen in West wie Ost Sendungen hinzu, die naturwissenschaftliche und vor allem auch technische Erfolge feierten. Seit den späten 1950er Jahren sind dies vor allem Sendungen zur Monderkundung und zur Raumfahrt. Im DDR-Fernsehen gab es schon 1957 eine Sondersendung zum Start des Satelliten "Sputnik" durch die Sowjetunion, im bundesrepublikanischen Fernsehen kamen vor allem Ende der 1960er Jahre zahlreiche Sendungen zur Mondlandung und zu Raketenstarts ins Programm. Zur Apollo-Mondlandung 1969 übertrug z. B. der WDR Bilder aus einem speziell gebauten Apollo-Sonderstudio (16. bis 24.7.1969). Auch das DDR-Fernsehen berichtete in oft umfangreichen Sendungen von den Raumfahrterfolgen, hier allerdings der Sowjetunion. Das Fernsehen vermittelte auf diese Weise eine naturwissenschaftlich-technische Aufbruchsstimmung – in West wie in Ost.
Fernsehangebote gegen die "Bildungskatastrophe"
Auslöser der Bildungsdiskussion in den 1960er Jahren waren in der Bundesrepublik vor allem zwei Bücher: "Die deutsche Bildungskatastrophe" (1964) von Georg Picht und "Bildung ist Bürgerrecht" (1965) von Ralf Dahrendorf, in denen die Notwendigkeit einer aktiven Bildungspolitik beschworen wurde, sollte Deutschland nicht seinen Status als ein führendes Industrieland verlieren. Neben zahlreichen Bildungsinitiativen, die auf den Schul- und Hochschulbereich zielten, fühlte sich auch das Fernsehen angesprochen, hatten doch die Rundfunkanstalten mit den ihnen im ZDF-Staatsvertrag zugestandenen Dritten Programmen die Möglichkeit, hier spezielle Angebote machen zu können. Dazu schienen ihnen audiovisuelle Lernprogramme, wie sie in dem weltweit diskutierten Schulfernsehen erprobt wurden, besonders geeignet.
Arbeitsgemeinschaft für Schulfunk und Schulfernsehen
1964 entstand eine ARD-Kommission für das Schulfernsehen, aus der dann 1972 die Arbeitsgemeinschaft für Schulfunk und Schulfernsehen hervorging, welche die Produktion von multimedialen Unterrichtswerken koordinierte. Die in speziellen Schulfernsehredaktionen der Sender entwickelten, zumeist mehrteiligen Kursangebote wurden zwischen den regional ausgestrahlten Dritten Programmen ausgetauscht. In wenigen Jahren entstanden ca. 1.500 Unterrichtsstunden. Sie machten die Bundesrepublik, obwohl sie sich erst spät dem Schulfernsehen zuwandte, zu einem führenden Land in der Produktion von audiovisuellen Lerneinheiten Zur Auflösung der Fußnote[6] Für alle Unterrichtsfächer wurden Kurse angeboten, z. B. für Englisch und Französisch, dann auch für die Naturwissenschaften, für Geografie und andere, auch außerschulische Themenbereiche. Anfangs stellten die Sendungen abgefilmte Unterrichtsstunden dar. Seit den 1980er Jahren verstand sich das Schulfernsehen stärker als ein Partner der Lehrer denn als Lehrerersatz, so dass man sich von moderierten Studiosendungen stärker auf Dokumentationen und Features verlegte, wobei trotzdem noch auf eine leichte Integrierbarkeit in den Unterricht geachtet wurde.
Bildungsfernsehen in der DDR
Im DDR-Fernsehen gab es seit den frühen 1950er Jahren explizite Bildungssendungen, wobei dem Fernsehen vor allem in den 1960er Jahren eine bedeutende Bildungsfunktion zugesprochen wurde. Im Gefolge des kulturpolitischen Konzepts des Bitterfelder Weges, das darauf abzielte, Werktätigen einen aktiven Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen, sollte das Fernsehen eine besondere Bildungs- und Erziehungsaufgabe wahrnehmen Zur Auflösung der Fußnote[7]. Neben informierenden Sendungen über Wissenschaftsthemen standen auch ökonomische Fragestellungen ("Wußten Sie schon?", seit 1953), Themen der Landwirtschaft ("Gute Saat – gute Ernte", seit 1953) und andere technisch-wissenschaftliche Inhalte auf dem Programm. Das Fernsehen der DDR, so der Medienwissenschaftler Torsten Hahn, wurde "zum Bildungsmedium im sozialistischen, dezidiert anti-bürgerlichen Sinne" Zur Auflösung der Fußnote[8]. Dabei knüpfte das Fernsehen in den 1960er Jahren vor allem an die Erwachsenenbildung an, ab 1961 unter dem Titel "Fernsehakademie", mit verschiedenen Einzelsendungen und Reihen (letztere vorwiegend für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht). Erster Sprachkurs war "Russisch für Sie". Die Fernsehakademie wurde in veränderter Konzeption ab 1974 unter dem Titel "Neue Fernseh-Urania" fortgeführt.
Herausbildung des "neuen sozialistischen Menschen"
Zu den kulturellen Programmangeboten der 1970er Jahre gehörten "Meisterwerke der Dresdner Gemäldegalerie" (1977–1979) und das "Literatur-Café" (1977-1979). Da letztlich der Anspruch des gesamten Programms darin bestand, den "neuen sozialistischen Menschen" heranzubilden, wurde kein großer Gegensatz zwischen Bildungssendungen und anderen Sendungen gesehen. Gleichwohl gab es insbesondere in den an erwachsene Zuschauer gerichteten Sendungen Bestrebungen, das Medium gezielt zu nutzen, um das technisch-naturwissenschaftliche Wissen der Zuschauer zu verbreitern und die technischen Kompetenzen in der Bevölkerung zu erhöhen. So wurde 1976 nach dem IX. Parteitag der SED in einer programmatischen Darstellung betont, dass Wissenschaft, Technik und Bildung im weitesten Sinne eine Schlüsselstellung einnähmen bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und der Schaffung von Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus Zur Auflösung der Fußnote[9] Den Medien kam in der Vermittlung dieser Bereiche eine besondere Aufgabe zu, doch hatten die Bemühungen offensichtlich anfangs wenig Erfolg, da 1979 eine neue Kampagne unter dem Stichwort "Wissenschaft massenwirksam darstellen" ausgerufen werden musste Zur Auflösung der Fußnote[10].