Neben dem Familiengenre, das in allen Varianten zwischenmenschliche Konflikte und Problemlagen darstellt, beschäftigen sich auch die Kriminal- und Abenteuerserien mit Konflikten. Hier steht oft der Einzelne im Vordergrund. Er muss sich großen Herausforderungen stellen und hierbei diverse Bedrohungen seiner Existenz meistern.
Kriminalserien nach Aktenlage
Die ersten Krimis im deutschen Fernsehen starteten im Namen der präventiven Aufklärung. Aus der Reihe "Der Polizeibericht meldet" (NWDR, 1953–1958), die vor Einbrüchen, Handtaschendieben und Raubüberfällen berichtete und die Polizeiarbeit schilderte, wurde die Reihe "Stahlnetz". "Dieser Fall ist wahr! Er wurde aufgezeichnet nach den Unterlagen der Kriminalpolizei", hieß es im Vorspann von "Stahlnetz" (NDR, 1958–1968, Regie: Jürgen Roland), der ersten Krimireihe mit Langzeitwirkung, deren Vorbild die US-Serie "Dragnet" war. Es gab keine wiederkehrenden Rollen, keine festen Kripo-Teams, anfangs wenig Action; dafür ließ Autor Wolfgang Menge in Off-Kommentaren die Kommissare Erklärungen zum jeweiligen Fall und den Ermittlungsmethoden der Polizei geben. Das ZDF hielt mit "Das Kriminalmuseum" (1963–1970) dagegen, einer Reihe, die ebenfalls auf Aktenlage basierte. "Der Kommissar" (ZDF, 1969–1976) verzichtete auf den dokumentarischen Duktus und ging mit Stammbesetzung in seine 97 Fälle. Kommissar Keller (Erik Ode) agierte als Übervater, an seiner Seite standen drei gehorsame "Söhne", die dankbar waren für jede moralische Unterweisung – unter ihnen auch Fritz Wepper als Harry Klein. Dieser wechselte später das Dezernat innerhalb der Münchener Polizei und stand fortan in den Diensten von Oberinspektor "Derrick" (ZDF, 1974–1998) – ein kurioser Wechsel einer Serienfigur, der in der deutschen Fernsehgeschichte bislang einmalig war .
Amerikanische und britische Importe
Parallel zur Entwicklung deutscher Serien kauften ARD und ZDF in den 1960er Jahren amerikanische, aber auch britische Kriminalserien ein, die regelmäßig freitags, dann aber auch an anderen Wochentagen ausgestrahlt wurden. Serien wie "77 Sunset Strip", "Perry Mason", "FBI", "Amos Burke", "Solo für O.N.C.L.E." oder "Tennisschläger und Kanonen" stimmten das bundesdeutsche Publik auf eine schnelle amerikanische Krimi-Erzählweise ein.
Erste Kriminalserien im DDR-Fernsehen
Der Krimi passte prinzipiell nicht in die "sozialistische Menschengemeinschaft", in der das Verbrechen keinen Platz mehr haben sollte. Der Aufklärungsgedanke dominierte deshalb die ersten Kriminalfilme im DDR-Fernsehen. Das neue Genre sollte neben "gehaltvoller Unterhaltung" lehrreich sein und einen didaktischen Anspruch verfolgen. Dem Juristen Friedrich Karl Kaul, zunächst Hörspielautor, diente das Fernsehen von 1958 bis 1978 als Forum für Justizfälle des Kaiserreichs und der Weimarer Republik.
Die elektronisch produzierte Pitaval-Reihe ("Weimarer Pitaval", "Fernseh-Pitaval" u. a., DFF, 1957-1978) war eher juristisch als kriminalistisch aufbereitet und propagandistisch ausgerichtet. Kritisiert wurde stets der Klassencharakter der bürgerlichen Justiz. Ein Studiomoderator kommentierte den in Spielszenen dargestellten "Fall". Auch die Reihe "Blaulicht" (DFF, 1959–1968, 31 Folgen), die Jürgen Rolands "Stahlnetz" auf dem Fuß folgte, befriedigte den Hunger der Zuschauer nach Unterhaltung klassenkämpferisch. Während die westdeutsche Reihe auf politische Bezüge verzichtete, machte DDR-Autor Günter Prodöhl das geteilte Berlin zum Schauplatz und die Teilung Deutschlands zum Auslöser für die Krimihandlung. Auf der einen Seite ermittelten in mühsamer Kleinarbeit tüchtige Kriminalpolizeioffiziere. Auf der anderen Seite standen unfähige, korrupte West-Berliner Behörden – und das Verbrechen blieb selbst nach dem Mauerbau fest in westdeutscher Hand. Spannung ohne Nervenkitzel, Schießereien und Verfolgungsjagden waren Prodöhls dramaturgische Mittel. Ein Nebeneffekt sollte die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Kriminalpolizei und Bevölkerung sein.
"Kriminalfälle ohne Beispiel" und "Der Staatsanwalt hat das Wort"
Auch "Kriminalfälle ohne Beispiel" (DFF/DDR-FS, 1967–1975, 8 Folgen), in der spektakuläre Verbrechen aus der Bundesrepublik präsentiert wurden, wertete Kriminalität als Spezifikum der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Die langlebigste DDR-Krimiserie ging 1965 erstmals auf Sendung: "Der Staatsanwalt hat das Wort" (DFF/DDR-FS, bis 1991, 140 Folgen) schilderte das Vorfeld der kriminellen Handlung. Der Zuschauer sollte mit den neuen Gesetzesbüchern vertraut gemacht werden. Gezeigt wurden erstmals DDR-Verbrechen, die sich meist auf "kleinere" Delikte beschränkten.
Die 70er Jahre: Derrick und andere Kommissare
Wenig Action bei "Derrick" (ZDF) und Co.
Stärker noch als "Der Kommissar" wurde der "Tatort" zum Abbild seiner Zeit, zum Spiegelbild bundesdeutscher Befindlichkeit. Action hatte die ARD-Reihe – wie alle anderen deutschen Krimis – lange Zeit nicht im Repertoire. Erst Schimanski brachte mehr Physis auf den Bildschirm. Bis dahin mussten "Derrick" (ZDF, 1974–1998) und "Der Alte" (ZDF, seit 1977, mit wechselnden Hauptdarstellern) noch zahllose Male eher taktisch und psychologisch ermitteln. Bis weit in die 1980er Jahre blieben deutsche Krimis auf szenische Gestaltungen in Innenräumen konzentriert, waren szenisch, wortlastig, ohne Tempo (Ausnahme: "Ein Fall für Zwei" mit dem ruppigen Detektiv Josef Matula, ZDF, 1981–2013). Selbst "Kottan ermittelt" (ZDF, 1982–1985) war trotz Slapstick-Einlagen und einem hohen Grad an Selbstreferentialität weitgehend von der Geschwindigkeit des Wiener Schmäh getragen. Überraschenderweise war es vor allem die Serie "Derrick" (ZDF, 1974–1998) mit Horst Tappert, die zu einem großen internationalen Erfolg des ZDF wurde. Die Serie ist immer noch die weltweit erfolgreichste deutsche Serie und lief in über 100 Ländern. Ob "Derrick" wegen der SS-Vergangenheit von Tappert aber in Deutschland in Zukunft noch einmal gezeigt wird, ist ungewiss. Ein Dauerbrenner ist die "SOKO"-Serie mit Ablegern aus verschiedenen deutschen Städten (ZDF, seit 1978).
Seit der Wiedervereinigung boomt der Krimi stärker als je zuvor. Spannungsdramaturgisch kann das Genre nicht neu erfunden werden. Es sind deshalb seit den 1990er Jahren neue Misch-Genres und vielfältige Varianten der ästhetischen Umsetzung entstanden, mit denen Krimiserien und vor allem die stark forcierten 90-minütigen Reihenformate zum internationalen Standard des Genreerzählens aufgeschlossen haben – von "Bella Block" (ZDF, ab 1991) über "Doppelter Einsatz" (RTL, 1994–2007), "Alles außer Mord" (ProSieben, 1994–1996) bis zu "Unter Verdacht" (ZDF/arte, seit 2002). Forciert wurde die Entwicklung durch die zunehmende Konkurrenz der kommerziellen Sender.
Neue Schwerpunkte und Misch-Genres
RTL wurde Marktführer im Bereich Action ("Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei", seit 1996). Krachen ließ es auch ProSieben in der Krimireihe "Die Straßen von Berlin" (1995–2000). Die Krimiserien von Sat.1 wie "Kommissar Rex" (1994–2004), "Ein Bayer auf Rügen" (1993–1996) oder "Der Bulle von Tölz" (1996–2009) entwickelten einen deutlichen Hang zur Komödie mit zeitgemäßem Heimatfilm-Flair.
Nachdem alle Metropolen abgefilmt waren, begab sich der Krimi immer wieder in die Provinz. Erste Krimis wie "Sperling" (ZDF/arte, 1996–2007) begannen, der Oberflächlichkeit, mit der im Genre mit Mord und Tod umgegangen wird, eine neue Umsichtigkeit, auch im Umgang mit den Opfern und Hinterbliebenen, entgegenzusetzen. Ebenfalls einen anderen Ansatz verfolgt "Der Kriminalist" (ZDF, seit 2006) mit einem Hauptkommissar der als "Viktiologe" die Beziehung zwischen Täter und Opfer ins Zentrum der Ermittlungen stellt.
Neue Erzählweisen nach 2000
Ein kriminalistischer Trend war die Aufwertung des Gerichtsmediziners in Serien wie "Der letzte Zeuge" (ZDF, 1998–2007),"Post mortem" (RTL, 2007/2008) und z. B. auch im "Tatort" aus Münster (seit 2002). Unter dem Einfluss amerikanischer Krimiserien wie "CSI" oder "24" fanden im neuen Jahrtausend neue, komplizierte und schnellere Erzählweisen verstärkt Eingang in die deutschen Krimiformate. "Nachtschicht" (ZDF, seit 2002) von Lars Becker ist mit der Alles-in-einer-Nacht-Dramaturgie und den politisch nicht immer korrekten Cops im Spannungsfeld zwischen Genre und Realismus angesiedelt, ähnlich wie auch "Heldt" (ZDF, seit 2013) Den hektischen Kriminal-Alltag zeigte die Serie "KDD – Kriminaldauerdienst" (ZDF, 2007–2010), die mit der Vielzahl an durchgehenden Figuren, Fällen, privaten Geschichten und mit entsprechend vielen Erzählsträngen dem Genre einen ästhetischen Innovationsschub gab. Ein weniger radikaler Vorläufer war die RTL-Serie "Abschnitt 40" (2001–2006). Eine erfrischende Wendung hin zur Comedy vollzog das Genre mit "Dr. Psycho" (ProSieben, 2007–2008), einer Serie mit Christian Ulmen, die mit Sprach- und Spielwitz punktete. In der Serie "Im Angesicht des Verbrechens" (WDR, 2010), laut Grimme-Preis-Jury "ein deutsches Mafiaepos mit eigener Handschrift, ein fiebrig-elektrisierendes Porträt des modernen Berlin", wurden mehrere Handlungsstränge geschickt miteinander verwoben. Einen starken Einfluss üben inzwischen auch skandinavische Fernsehproduktionen aus, nach den Verfilmungen der Romane u. a. von Henning Mankell (Kommissar Wallander) und Håkan Nesser (Kommissar Van Veeteren) sind es nun Serien wie "Kommissarin Lund – Das Verbrechen" (ZDF, 2008–2014) und "Die Brücke – Transit in den Tod" (Arte, ZDF, 2012–2016) mit Einzelgängerinnen und Außenseitern als Hauptfiguren. Weitere ausländische und insbes. amerikanische Serien werden häufig bei den privaten Fernsehanbietern ausgestrahlt.
Science-Fiction und Abenteuer-Serien in West und Ost
Fernsehhelden, die das Abenteuer suchen, geben die Sicherheit eines geregelten Alltags auf. Sie begeben sich in Gefahr, aber nicht um der individuellen Freiheit willen. Sie tun dies in erster Linie, um anderen zu helfen, um Grenzen zu sichern und Besitzstände zu wahren. Der historische Abenteurer ist von realen Lebensbezügen weitgehend freigesprochen und kann sich, wie der Held aus dem 18. Jahrhundert, "Rinaldo Rinaldini" (ARD, 1968), zur märchenhaften Figur aufschwingen.
Erste deutsche Science-Fiction-Serie
Legendär war die erste serielle Science-Fiction-Produktion "Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion" (WDR, 1966, 7 Teile), die von der Bavaria produziert wurde. Die Szenerien und Requisiten entwarf Bavaria-Bühnenbauer Rolf Zehetbauer. Die Serie besaß durch Mode- und Stil-Accessoires und durch Hightech-Simulationen mittels Bügeleisen und Bleistiftspitzern schon zur Entstehungszeit einen hohen Kultfaktor.
Westdeutsche Abenteurer
Abenteuerlich wurde es in den frühen 1970er Jahren im sogenannten Werberahmenprogramm. Motiviert von US-Serien wie "Ivanhoe" oder "Sir Francis Drake" versuchte man, auch einige deutsche Abenteurer zu etablieren. "Der Kurier der Kaiserin" (ZDF, 1970/71), "Arpád der Zigeuner" (1973/74) oder "Graf Luckner" (ARD, 1973–1975) stellten sich in hehrer Absicht dem Feinde. Die Advents-Vierteiler und die Mehrteiler wie "Die merkwürdige Lebensgeschichte des Friedrich Freiherrn von der Trenck" (ZDF, 1973) waren bis in die frühen 1980er Jahre Marken der populären TV-Fiktion, aber ohne große fernsehhistorische Relevanz.
Der Abenteurer in heutiger Zeit definiert sich über Alltagskonventionen und gesellschaftspolitische Realitäten. Ob die Geschichte als Feuerwehrserie ("Die Feuerengel", RTL, 1997), Bergrettungsdrama ("Wildbach", ARD, 1993–1997) oder medizinische Notfallserie ("Die Rettungsflieger", ZDF,1997–2007; "Notruf Hafenkante", ZDF, seit 2006), erzählt wird, spielt dabei in der Regel keine Rolle. Mit Witz, Spannung und einem ungewöhnlichen Realismus-Konzept fiel die Vorabendserie "Auf Achse" (WDR, 1977–1996) mit Manfred Krug deutlich aus dem Rahmen der Vorabendserie.
DDR-Abenteurer
Die DDR-Abenteurer – zumeist in Staatsmission unterwegs – waren zumindest politisch interessanter. "Rendezvous mit Unbekannt" (DFF, 1969, 11 Folgen) zeigte die Arbeit der Abwehrorgane der DDR gegen den westlichen Geheimdienst in den frühen 1950er Jahren. Die Spionageserie (im DDR-Jargon "Kundschafterfilme") "Das unsichtbare Visier" (DDR-FS, 1973–1979, 16 Folgen in 2 Staffeln) entstand in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit. Sie zeigte einen DDR-Agenten undercover in Südamerika und in der Bundesrepublik im Kampf gegen Alt-Nazis, Rüstungsproduzenten und CIA-Agenten. Die filmisch professionell umgesetzte Serie indoktrinierte unterhaltsam und spannend. Sie wurde ein großer Erfolg und machte Armin Mueller-Stahl endgültig zum Star.
Historisch und ideologisch unbedenklicher war die "Stülpner-Legende" (DDR-FS, 1973, 7 Folgen). Manfred Krug spielte jenen legendären Wildschützen, den der Film zu einem Robin Hood des Erzgebirges stilisiert. Die 7-teilige Abenteuerserie "Rächer, Retter und Rapiere" (DDR-FS, 1982) über einen aufständischen Bauernsohn im Dreißigjährigen Krieg fand unter dem Titel "Der Bauerngeneral" auch Eingang ins ZDF-Programm. In der Tradition der frühen "Fernsehromane" stand der Kriegsfilm "Archiv des Todes – Ein Mann wird gejagt" (DDR-FS, 1980, 13 Folgen). Fünf Widerstandskämpfer sollten 1944 im besetzten Polen jenes Bergwerk finden, in dem die Pläne zum Aufbau einer Nachkriegs-Untergrundorganisation der Nazis lagerten. Es gab auch Abenteurer zu Wasser und in der Luft. In "Zur See" (DDR-FS, 1977, 9 Folgen) ging es um den Alltag einer Schiffsmannschaft der sozialistischen Handelsflotte. Die Ensembleserie, von der sich Wolfgang Rademann zum "Traumschiff" (ZDF, ab 1981, 57 Folgen) inspirieren ließ, zeigte Helden der Arbeit, setzte auf Fernweh und Dramaturgie der Belohnung guter Taten sowie auf viele kleine Geschichten statt auf eine zentrale Botschaft und wurde deshalb zu einem großen Publikumserfolg. Vor dem Niedergang der DDR ging es mit "Treffpunkt Flughafen" (DDR-FS, 1986, 8 Folgen) in die Lüfte.
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