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Potenziale von Reality-TV – Ein Ausblick | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

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Potenziale von Reality-TV – Ein Ausblick

/ 4 Minuten zu lesen

Szene aus "Zwei bei Kallwass". (© SAT.1)

Scripted Reality

Entscheidend in solchen Scripted Reality-Shows oder -Soaps ist das Realitätsverständnis der so genannten "scripted reality": Das Geschehen folgt einem Drehbuch (Skript), das sich an fiktionalen Mustern und Handlungskonstruktionen orientiert. Hier wird der Wortlaut nicht genau festgeschrieben, die Darsteller (zumeist Laiendarsteller) sprechen den Text nicht wortwörtlich, sondern geben ihn lediglich sinngemäß wieder. Daraus resultierende Versprecher, Sprechpausen und ein generelles Durcheinanderreden verschiedener Personen lassen die Darsteller authentischer wirken, auch die meist echte Nervosität trägt dazu bei. Oft stellen die Darsteller eine gewisse Begriffsstutzigkeit zur Schau. Es soll also der Schein des Dokumentarischen erzeugt werden, bei einer gleichzeitigen dramaturgischen Gestaltung, die Straffung, Pointierung, Zuspitzung und vor allem einen dramaturgischen Endpunkt enthält und sich an fiktionalen Mustern orientiert, wie sie in der Realität nicht oder nur selten vorkommen (auch "Pseudo-Doku"). Die vorab festgelegten (= gescripteten) Elemente unterscheiden damit Scripted Reality-Sendungen von den anderen Reality Soaps bzw. Reality Shows, die nicht in dieser detaillierten Form, insbesondere bezüglich der Handlungen und Dialoge der Teilnehmenden, vorgeplant sind.

Vermeintliche Realitätsnähe

Dokumentarisches und Fiktionales werden vermischt und zu einer neuen Attraktion für den Zuschauer – das ist das Prinzip des Reality-TV. Hier knüpfen andere Serien an, die ebenfalls mit der Form der angeblichen Realitätsnähe bei fiktionaler Grundstruktur arbeiten. Sie werden häufig auch als "Pseudo-Doku" bezeichnet: RTL hatte eine Reihe dieser Sendungen im Programm. "Familien im Brennpunkt" (2009–2014) und "Mitten im Leben" (2007–2013) über vermeintliche Familienkonflikte und das Alltagsleben wurden inzwischen ebenso eingestellt wie z. B. "Verdachtsfälle" (2009–2017) über einer Straftat verdächtigte Personen und "Betrugsfälle" (2010–2017) über Fremdgehen in der Partnerschaft. Wesentlich mehr Sendungen hatte und hat Sat.1 im Angebot, insbesondere kriminalistische Ermittler-Serien wie "Lenßen & Partner" (2003–2009) und "Niedrig und Kuhnt – Kommissare ermitteln" (2003–2013), zurzeit laufen z. B. "Auf Streife" (seit 2013) und "Grünberg und Kuhnt – Kommissare ermitteln" (seit 2020). Ausgelaufen sind ebenfalls u. a. die von der Psychologin Angelika Kallwass geleitete Sendung "Zwei bei Kallwass" (2001–2013, zuletzt: "Kallwass greift ein!"), in der es meist um familiäre oder partnerschaftliche Konfliktsituationen ging, und, wie auch bei RTL, die ehemals boomenden Interner Link: Gerichtsshows.

Reality Soap: "Berlin – Tag & Nacht" (RTL II)

Die seit 2011 ausgestrahlte und bei jungen Zuschauern besonders erfolgreiche Reality-Soap hat im Jahr 2012 zunächst sogar "Big Brother" verdrängt. In der gescripteten Serie werden recht klischeehaft WG-Konflikte mit Laiendarstellern gezeigt, wobei insbesondere das Party- sowie Nachtleben und damit die Partnersuche im Mittelpunkt der trashig mit wackeliger Handkamera inszenierten Soap stehen. Inzwischen wurden schon über 2.200 Folgen (Stand: Mitte 2020) ausgestrahlt. Besonders gut scheint auch die zielgruppengerechte Ansprache der Fangemeinde über Soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram zu funktionieren, die bei vielen Zuschauern ebenfalls zur Vermengung von Realität und Fiktion beiträgt.

Seit 2013 gibt es bei RTL II auch den Ableger "Köln 50667" (über 1.900 Folgen, Stand: Mitte 2020). Hier wiederum wurde 2015 im Stil einer Mockumentary (fiktionalen Parodie) die Web-Soap "Soapstar – Eine Luftpumpe will nach oben" ausgekoppelt, die online bei RTL II und YouTube gezeigt wird – ein weiteres Beispiel für die Ansprache der jungen Zielgruppe über das Internet.

In Richtung "jüngere Zielgrupe" weist auch "Krass Schule – Die jungen Lehrer" (seit 2018) mit teils sehr überspitzten Inszenierungen aus dem Leben von Schüler/innen und Junglehrer/innen.

Was bleibt?

Der Durchgang durch die verschiedenen sich im Laufe der Zeit verändernden Sendeformen und Formate zeigt, dass mit dem Reality-TV oder Realitätsfernsehen im deutschen Fernsehen neue Formen der Präsentation und Inszenierung von Wirklichkeit entstanden sind, mit denen insbesondere die privaten Fernsehsender täglich sehr viele Programmstunden füllen. Indem Wirklichkeit fiktionalisiert und in Unterhaltung verwandelt wird, wird dem Zuschauer kein Abbild der Realität gezeigt, sondern ein inszenierter und manipulierter Ausschnitt der Wirklichkeit, was durch die zwischenzeitlich starke Zunahme von Scripted-Reality-Anteilen noch deutlicher wurde. Das Medium wird dazu benutzt, die Welt anders, intensiver, lebendiger, vielleicht riskanter und dynamischer zu zeigen, als sie es tatsächlich ist. Im inszenierten Realitätsfernsehen steckt deshalb auch ein Potenzial, die Welt aus ungewohnter Perspektive zu zeigen, neue Möglichkeiten sichtbar zu machen, letztlich auch eine Utopie aufscheinen zu lassen .

Trotzdem ist besonders aus Sicht der Landesmedienanstalten und anderer Kontrollinstanzen, vor allem aber aus Sicht der öffentlichen Fernsehkritik, immer genau zu hinterfragen, was im Fernsehen auf welche Weise und aus welchen Gründen präsentiert wird. Denn die Bilder, die insbesondere die jungen Zuschauer vom Fernsehen erhalten, bestimmen wesentlich auch das Bild, das diese sich von der Wirklichkeit machen.

Bei Daily Talks, Gerichtsshows und einigen Scripted Reality-Sendungen zeigt(e) sich jedoch schließlich gleichermaßen: Ein neuer Trend im Reality-TV wird schnell von allen großen Privatsendern aufgegriffen. Mit einer Vielzahl von Serien versucht man, so viele Zuschauer/innen wie möglich für sich zu gewinnen. Doch genau deswegen ist ein solcher Trend bald wieder erschöpft, auch ständige Neuproduktionen helfen dann nicht mehr. Nach einigen Jahren sind viele Sendungen bzw. Serien wieder verschwunden bzw. werden nicht mehr produziert und man bedient neue Trends. Gleichwohl werden viele alte Sendungen bzw. Serien in Spartenprogrammen der Hauptsender wiederholt oder bleiben durch den im Bereich Reality-TV besonders hohen Transfer in die Mediatheken abrufbar.

Sendungsformen 2011 bis 2015 In Min./Tag

In Min./Tag

201120132015
ARD/Das Erste
Reality-Formate

Talk/Gesprächsformen
31

64
42

81
53

59
ZDF
Reality-Formate

Talk/Gesprächsformen
5

108
8

98
6

94
RTL
Reality-Formate

Talk/Gesprächsformen
414

-
391

1
420

0
Sat.1
Reality-Formate

Talk/Gesprächsformen
276

47
378

12
546

3
ProSieben
Reality-Formate

Talk/Gesprächsformen
58

34
5

25
1

1

Quellen: Krüger 2014, S. 229, Krüger 2016, S. 172.

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