Neben dem Erzählen von einzelnen Geschichten in der Form von Fernsehfilmen oder auch mehrteiligen Produktionen gehört das serielle Erzählen zum wesentlichen Merkmal des Fernsehens. Denn durch die tägliche Präsenz im Alltag der Zuschauer, durch dessen problemloses Zugreifen auf die angebotenen Programme kann es auch kontinuierlich Fortsetzungen von Geschichten anbieten. Zwar hat das serielle Erzählen eine lange kulturelle Tradition, aber in den Fernsehserien hat es eine besondere Qualität gewonnen. Dabei ist auffällig, dass das Fernsehen – zumindest in Deutschland – nur wenige Genres seriell bedient. Ausgehend von der Alltagsverbundenheit des Mediums insgesamt, sind es vor allem familiäre Geschichten, wobei der Begriff der Familie weit gefasst ist und er hier eine Beziehungskonstellation zwischen mehreren Personen meint, die ihre Grundmuster schon aus den Beziehungszusammenhängen der traditionellen Familie gewinnt.
Berufe im Mittelpunkt
Neben der Familie werden Geschichten erzählt, die stärker in der Öffentlichkeit spielen, wobei in der Regel Vertreter von Berufsgruppen als verbindende Elemente zwischen den verschiedenen Serienfolgen verwendet werden, die auch in der Realität einen großen Kontakt zu unterschiedlichen Menschen haben: Ärzte und Krankenschwestern, Pfarrer, Detektive, Polizisten, Anwälte, gelegentlich auch Förster und Lehrer. Nicht alle Genrevarianten können hier dargestellt werden, das Fernsehen variiert hier gern immer wieder aufs Neue die Figuren und ihre Ausstattung mit realitätshaltigen Elementen.
Die Familienserie war lange Jahre das Herzstück der Fernsehfiktion. In Zeiten, in denen das Programmangebot noch nicht sehr ausdifferenziert und das Publikum noch nicht in Gruppen zersplittert war, hatten die Fernsehmacher die ganze Familie im Blick. Dafür war das Genre ideal, weil es dem Zuschauer ein breites Identifikationsangebot quer durch die Generationen gab. Der Familienverband erlebte zu Beginn einer Serienfolge einen Konflikt oder mehrere dem Alltag entlehnte Problemkonstellationen, die im Laufe der Handlung zu bewältigen waren.
Behandelten US-Serien der 1960er und 1970er Jahre oft innerfamiliäre Widersprüche, die die Familie und ihre Rollenmodelle stärker auf den Prüfstand stellten, kam in den bundesdeutschen Serien der gleichen Zeit die "Bedrohung" stärker von außen. Die Familie wurde hier als Bollwerk gegen die Unwägbarkeiten von nebenan und als Hort der Harmonie beschworen.
"Unsere Nachbarn heute Abend: Familie Schölermann"
Die Geburtsstunde der bundesdeutschen Familienserie schlug am 15. September 1954. Inspiriert von Sendeformen des Hörfunks, hieß es an jenem und 110 weiteren Abenden (NWDR, bis 1960): "Unsere Nachbarn heute Abend: Familie Schölermann". Die Serie wurde live gesendet. Der Fernsehzuschauer schaute vom eigenen Wohnzimmer ins Wohnzimmer der "Fernsehnachbarn". Eine Familie mit Mutter Trude (Lotte Rausch), Vater Matthias (Willy Krüger) und den Kindern Heinz (Charles Brauer), Jokeli und Evchen sowie weiteren Verwandten. Der Vater war zunächst Angestellter in einem kleinen Unternehmen; als er arbeitslos wurde, eröffnete die Familie eine Pension. Heinz arbeitete in einer Autowerkstatt. Die Handlung der einzelnen Folgen spielte fast immer zur Ausstrahlungszeit. Beabsichtigt war es, ein möglichst authentisches Abbild familiären Zusammenlebens zu geben, deswegen wurden die Namen der Darsteller auch nicht genannt. Das Konfliktpotenzial hielt sich in Grenzen, die Geschichten verliefen meist undramatisch, der Familientisch geriet zum Wunschbild eines intakten Familienlebens. Regie führte Ruprecht Essberger. Die Serie wäre wohl noch weiter fortgesetzt worden, doch Lotte Rausch, die Familienmutter, stieg aus privaten Gründen aus der Serie aus.
"Die Firma Hesselbach", "Die Familie Hesselbach" u. a.
Als Nachfolger traten "Die Firma Hesselbach" (HR, 1960–1961) und "Die Familie Hesselbach" (HR, 1961–1963) auf den Plan, um damit auch das häusliche Geschehen ein wenig mehr auf Pointen zu trimmen. Der Abschied von der Live-Produktion sowie der hessische Dialekt sorgten auch dramaturgisch für einen komödienartigeren, bisweilen satirisch gezeichneten Zuschnitt dieser Serien von (und mit) Wolf Schmidt. Die allgemeine Heiterkeit vieler Situationen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei den pragmatischen Hesselbachs zwischenmenschlich einiges im Argen lag. Die Hesselbachs besaßen eine kleine Druckerei, so dass auch die Angestellten mit dazugehörten und sich Betrieb und Familienleben vermischten. Die Serie, die nach einer zuvor gelaufenen Hörspielreihe entstand, war der Tradition des kritischen Volksstücks verpflichtet. Schölermanns wie Hesselbachs waren Abbilder der Wirtschaftswunderjahre.
Generationenprobleme wurden in den Serien der 1960er Jahre als individuelle Meinungsverschiedenheiten klein geredet. Am Ende hatte Papa immer Recht. Eine ähnliche Orientierung wie "Die Hesselbachs" boten auch Serien wie "Alle meine Tiere" (SWF, 1962/63), "Forellenhof" (SWF, 1965) oder "Salto mortale" (SWF, 1969–1972), weil sie dem Zuschauer die eigene Familiensituation spielerisch vor Augen hielten. Anschlussfähige Problemlösungen wie später in der wöchentlichen, lang laufenden Serie "Lindenstraße" (WDR, ab 1985, siehe unter Soap Operas), wurden selbst in den politisch bewegten späten 1960er Jahren dem Zuschauer nicht geliefert.
Kritische Darstellungen von Familien in den 70er Jahren
Unglück an Unglück reihte sich bei Familie Scholz – besser bekannt als "Die Unverbesserlichen" (NDR, 1965–1971). Robert Stromberger schrieb die Serie nach einem eigenen Bühnenstück. Nur selten verließ der Autor das Familientisch-Arrangement. Die Serie, die Inge Meysel zur "Mutter der Nation" machte, stand in deutlichem Kontrast zu gängigen Vorstellungen vom "trauten Heim". Die Familie war hier ein einziger Hort von Egoisten. Streit, Unfälle, Scheidung, Arbeitslosigkeit: Unheil strukturierte die Serie, die nach dem Prinzip einer Soap Opera funktionierte. Mit der kritischen Darstellung der Familie ging es weiter: "Familie Mack verändert sich" (ZDF, 1969) schilderte die Probleme einer Familie, deren Vater als Leitbild und Ernährer ausfiel, weil er straffällig geworden war und im Gefängnis saß. Einen angstfreien Umgang mit Behinderten vermittelte die Serie "Unser Walter" (ZDF, 1974), die historisch aufrollte, wie eine Familie in das Leben mit einem vom Down-Syndrom betroffenen Kind hineinwuchs. Ungewöhnlich war auch Rainer Werner Fassbinders Versuch, der Familienserie mehr soziale Relevanz zu geben. "Acht Stunden sind kein Tag" (WDR, 1971) zeigte Arbeitswelt und Privatleben von Arbeitern und verabschiedete die großfamiliäre Eintracht ins Reich der Illusionen. Die Heile-Welt-Kritik forcierte sich in Wolfgang Menges Serie "Ein Herz und eine Seele" (WDR, 1973–1976), in der sich eine Karikatur des Kleinbürgers (Alfred Tetzlaff – gespielt von Heinz Schubert) durch die Szenerie vor einem anwesenden Publikum pöbelte.
In den 1980er Jahren variierte Stromberger sein Katastrophen-Konzept von "Die Unverbesserlichen" in der Erfolgsserie "Diese Drombuschs" (ZDF, 1983–1994). In 39 Teilen lotete er mit einem lebensklugen Realismus, der die Wahrhaftigkeit in der alltäglichen Banalität zeigte, Möglichkeiten und Grenzen des Familienlebens aus und lud somit gleichermaßen zu Identifikation und Kritik ein.
Moderne Familien in Dauerserien
Moderne Familien mit (welt)offenen Akteuren in einem überschaubaren Umfeld, mit Hang zur politischen und privaten Korrektheit, eingebettet in ein Verhaltens- und Alltagskonzept, das geschickt zwischen Dichtung und Wahrheit, zwischen Wunschbild und Abbild vermittelt: So lassen sich die Konzepte von Dauerserien wie "Der Landarzt" (ZDF, 1987–2013),"Forsthaus Falkenau" (ZDF, 1989–2013, mit Christian Wolff als Förster Rombach, ab Folge 221 mit Hardy Krüger jr. und ab Folge 222 mit Martin Lüttge als Förster) und "Unser Charly" (ZDF, 1995–2012) umschreiben. Das trifft auch auf besonders beliebte Serien wie "Die Schwarzwaldklinik" (ZDF, 1985–1989) oder "Ich heirate eine Familie" (ZDF, 1983–1986) zu, die Vorreiterserie, die das Konzept der Patchwork-Familie etablierte, an dem dann weitere Serien anknüpften.
"Die Fussbroichs" (WDR)
Durch die zunehmende dramaturgische und filmische Perfektion kam die unmittelbare, physische Nähe zu den Protagonisten zunehmend abhanden. Die Doku-Serie "Die Fussbroichs" (WDR, 1991–2003) von Ute Diehl machte den Nachbarn wieder zum Helden und holte den gelebten Alltag ins Wohnzimmer. Die Kölner Arbeiterfamilie war die Familie zum Anfassen, wie sie schon der ersten Fernsehgeneration präsentiert worden war, aber realer und echter als "Die Schölermanns". Mehr Nähe war nicht möglich, auch wenn es viele Filmemacher versuchten und ein Jahrzehnt später einen Doku-Soap-Boom initiierten.
Viele langlaufende Familienserien sind inzwischen eingestellt worden, zugunsten von Quizsendungen, Krimi-Serien und Telenovelas. Dauerserien wie "Familie Dr. Kleist" (Das Erste, seit 2004) sind die Ausnahme, ebenso Neuproduktionen wie z. B. "Herzensbrecher – Vater von vier Söhnen" (ZDF, seit 2013).
In der DDR kamen Familienserien erst in den 1960er Jahren und weniger zahlreich ins Programm als in der Bundesrepublik. Es wurden dem Zuschauer vornehmlich Idealbilder von Familie präsentiert, in denen sich zugleich auch das Idealbild gesellschaftlichen Zusammenlebens spiegelte.
Diese Idee verhinderte, dass – anders als in vielen West-Serien – die Familien Nabelschau betrieben. Stattdessen fand sich die Hauptfamilie wie in "Heute bei Krügers" (DFF, 1960–1963 25 Folgen) stets eingebettet in ein soziales Miteinander aus Nachbarn, Arbeitskollegen und Freunden. In "Ein offenes Haus" (DDR-FS, 1979, 7 Folgen) ist die Familie, die ein Betriebsgästehaus führt, nur Bindeglied für alle möglichen Geschichten. Das multiple Erzählen, das im Westen erst mit den Ensemble-Soaps aufkam, fand als idealer Ausdruck sozialer Gemeinschaft früh Eingang in die Familienserie der DDR – gelegentlich sogar in Verbindung mit einer historischen Aufarbeitung der DDR-Geschichte ("Dolles Familienalbum", DFF, 1969–1971, 2 Staffeln mit 5 bzw. 4 Folgen). Die Geschichten gaben oft Anweisungen zu einer "richtigen" sozialistischen Lebensführung. Die vorbildlichen Haltungen von Figuren oder die soziale Moral einer Serienfolge wurden im Gegensatz zu West-Serien, die ihre Werte und Absichten unter der perfekten Oberfläche zu verstecken wussten, in der Regel deutlich exponiert.
In den Serien der DDR wurde Familie nicht als ein von der Gesellschaft abgegrenztes privates Refugium begriffen, sondern als ein Grundkollektiv, das in die Gesellschaft integriert war und sich ihr öffnete. Die Konflikte, die hier erörtert wurden, waren dann zumeist Anpassungsprobleme der Individuen an die gesellschaftlichen Normen und Anforderungen.
Allumfassende Solidarität mit Heimatgefühl
In der Reihe "Aus dem Tagebuch eines Minderjährigen" (DFF, 1965, 7 Folgen) beobachtete ein Junge seine Familie durch ein Ofenrohr und machte sich seine eigenen Gedanken zum Verhalten der Erwachsenen. Auch "Aber Vati!" (DDR-FS, 1974 und 1979, 4 Teile) oder "Bei Hausers zu Hause" (DDR-FS, 1985, 10 Folgen) waren weitgehend aus der Perspektive und dem Erlebnishorizont von Kindern erzählt. War die breite Generationenpalette der bundesdeutschen Familienserien oft deutlich dem Kampf um die Einschaltquote geschuldet, zeigte sich in DDR-Serien eine andere Zielsetzung. Modellhaft wurde ein sozialer Mikrokosmos entworfen, in dem jeder wie im wirklichen Leben seinen Platz fand. Immer wieder ging es in Familienserien um allumfassende Solidarität und gegenseitiges Wohlwollen.
"Ein Zimmer mit Ausblick" (DDR-FS, 1978, 7 Folgen) zeigte einen jungen Arbeiter, der bei der Suche nach einer Unterkunft bald sogar Familienanschluss fand. Ähnlich erging es einem wohnungslosen Bauarbeiter in "Kiezgeschichten" (DDR-FS, 1987, 7 Folgen). Beide Serien hatten eine Hauptfigur, die sich durch die Freundlichkeit anderer weiterentwickelte. Auch der frustrierte Held in "Hochhausgeschichten" (DDR-FS, 1981, 7 Folgen) beschloss im Laufe der Serie, dass er sein Leben ändern und Familienglück suchen müsse, anstatt sich wie seine in Scheidung lebenden Eltern das Leben schwer zu machen.
Häufig wurde in den DDR-Familienserien thematisiert, wie sich Heimatgefühl erzeugen und ausdrücken ließ. Als effektive Methode erwies sich eine Liebenswürdigkeit des Alltags, die sich in kleinen, unprätentiösen Geschichten widerspiegelte, selbst wenn ein didaktischer Hintergedanke wie in "Die Lindstedts" (DDR-FS, 1976, 7 Folgen), einer Serie, die vom Großfamilienalltag eines Genossenschaftsbauern erzählte, offensichtlich darin bestand, für das Leben in der LPG und das Zusammenstehen in einer großen Gemeinschaft wie dem DDR-Staat zu werben.
Helden des Alltags
Private oder berufliche Veränderung spielte in DDR-Familienserien eine große Rolle ("Familie Neumann"mit 15 Folgen und "Neumanns Geschichten" mit 16 Folgen, DDR-FS, 1984 und 1986). DDR-Helden gingen darin das Leben aktiv an und waren offen für Entwicklungen. Selbst im Alter sprühten sie noch vor Lebenskraft. In "Rentner haben niemals Zeit" (DDR-FS, 1978–1979, 20 Folgen) setzten Ursula Damm-Wendler und Horst Ulrich Wendler (Autoren) den Alten – als Nicht-Arbeiter in der DDR-Gesellschaft eher an den Rand gedrängt – ein Denkmal. Wie im wahren Leben würde ohne sie das Familienleben der Kinder und Enkel nur unzureichend funktionieren. Das Zusammenleben verschiedener Generationen in einer Hausgemeinschaft thematisierten Ursula Damm-Wendler sowie Gerd Billing und Wolfgang Luderer (Drehbuch/Regie) bereits in der Serie "Die lieben Mitmenschen" (DDR-FS, 1972–1974, 2 Staffeln, 10 Folgen), in der sie eine Frau bürgerlicher Herkunft ihre Vorurteile gegenüber der DDR-Gesellschaft abbauen ließen. Die Wendlers schrieben auch die "Geschichten übern Gartenzaun" (DDR-FS, 1982, 7 Folgen). Im Mittelpunkt dieser alltagsorientierten, undramatischen Ensembleserie stehen die Bewohner einer Kleingartenanlage. Der große Erfolg dieses Serien-Idylls zog die Fortsetzung "Neues übern Gartenzaun" (DDR-FS, 1985, 7 Folgen) nach sich.
Plattenbaukritik bei "Einzug ins Paradies"
Auf weniger Gegenliebe bei der Staats- und Parteiführung der DDR stieß "Einzug ins Paradies" (DDR-FS, Produktion1983/84, Ausstrahlung erst 1987, 6 Folgen) nach einem Roman von Hans Weber. Fünf Familien zogen in dieser Serie in ein gerade fertig gestelltes Hochhaus, bei dem jedoch einige Steine in den Balkonabsperrungen fehlten, so dass sie sich auch unkonventionell besuchen konnten. Das taten zunächst die Kinder. So wuchsen sie in sechs Tagen, die eine Art von Schöpfungsgeschichte darstellten, zu einem "Kollektiv" zusammen. Was als Lehrstunde gedacht war, in der für das DDR-Wohnungsprogramm geworben werden sollte, entpuppte sich als plattenbaukritisch und problemthemenoffen. 50 Details mussten vor der Ausstrahlung zwangsweise verändert werden, nachdem die Serie über drei Jahre auf Eis lag. Die Serie wurde dann 1989 auch im ARD-Fernsehen gezeigt und wirkte vor dem Kontext des sich ankündigenden Endes der DDR merkwürdig disparat, weil im Programmumfeld, das von der Flucht zahlreicher DDR-Bürger nach Ungarn und in die bundesdeutsche Botschaft in Prag berichtete, die Serie von einem neuen Zusammenstehen in der DDR erzählte.
Als umfangreichste der berufsbezogenen Serien kann die Arztserie gelten. Sie zeigt in der Regel ein Team, dessen Mitglieder in engen Beziehungen zueinander stehen, die aber jeweils durch unterschiedliche 'Fälle' immer wieder in neue Herausforderungen zwischenmenschlicher Art gebracht werden. Tod, schwere Krankheit, tiefes Leid, Gesunden und Glücklichsein liegen hier dramaturgisch eng beieinander.
Die deutsche Arztserie ist eine Spielart des Familien-Genres. Serien aus allen historischen Phasen wie "Alle meine Tiere" (SWF, 1962/63), "Der Landarzt" (ZDF, ab 1986), "Bereitschaft Dr. Federau" (DDR-FS, 1988) oder "Der Bergdoktor" (Sat.1, 1992–1999; ZDF ab 2008) sind um einen zentralen Familienverband entwickelt. Je rudimentärer die private Familienstruktur ausgebildet ist, umso stärker übernimmt das berufliche Umfeld die Funktion der "Familie". Serien, die auf einen einzelnen Arzt fixiert sind wie "Frauenarzt Dr. Markus Merthin" (ZDF, 1994–1997) oder "Doktor Stefan Frank – Der Arzt, dem die Frauen vertrauen" (RTL, 1995–2001), stehen in der Tradition des trivialen Arztromans und der (melo)dramatischen Arztserie, die die Amerikaner mit "Dr. Kildare" (USA, 1961–1966) etablierten und auf die sich "Ein Chirurg erinnert sich" (SWR) bereits 1972 bezog.
Klinikserien
Wegweisend für das Subgenre Klinikserie war der tschechische Überraschungserfolg "Das Krankenhaus am Rande der Stadt". 1979 wurde die Serie im DDR-Fernsehen ausgestrahlt, ein Jahr später zog die ARD nach und beteiligte sich bei einer zweiten Staffel sogar als Koproduzent. Einfluss auf das Genre hatten auch die amerikanischen Soap Operas, die seit "Dallas" (Ausstrahlung ARD, ab 1981 mit Unterbrechungen bis 1991; Produktion USA, 1978–1991) gelegentlich im Hochglanz-Look einer Drama-Serie auftraten. 70 Folgen lang fesselte "Die Schwarzwaldklinik" (ZDF, 1985–1989) die Zuschauer. Zum Erfolgsrezept gehörten eine Erzählweise, die Familienleben und Klinikalltag, dramatische und entspannende Momente auf wirkungsvolle Weise kombinierte – wie es bisher in einer deutschen Serie noch nicht zu sehen gewesen war, aber auch der hohe Menschlichkeitsfaktor und die Problemfälle, die die Serie gelegentlich zum öffentlichen "Aufreger" machten. So übte in der Folge "Gewalt im Spiel" von 1986 eine vergewaltigte junge Frau Selbstjustiz und verletzte den Täter mit Stichen in den Unterleib. In "Steinschlag" wurde eine Kindesmisshandlung gezeigt; die Folge lag ein Jahr auf Eis, bevor sie 1987 ausgestrahlt wurde. Die von Wolfgang Rademanns Fernsehproduktionsfirma professionell produzierte Serie reizte die Genremuster weitgehend aus, indem sie sie sehr stark emotionalisierte.
Physischer Realismus und Seifenoper-Elemente
Nur im Hinblick auf Dramatik und Ästhetik war noch mehr möglich. Tempo machten die an ein jüngeres Publikum gerichteten Serien wie "Die Flughafenklinik" (RTL, 1995/96) oder "Klinikum Berlin Mitte" (ProSieben, 1999–2002), die den physischen Realismus der US-Kultserie "Emergency Room" (ProSieben, 1995–2009) imitierten, deren visuelle Raffinesse und dramaturgische Dichte aber nicht erreichten (RTL, 1994; ab 1995 auch auf ProSieben). Mitte der 1990er Jahre wurde die Klinikserie mit Seifenoper-Elementen durchsetzt und auch produktionstechnisch stärker standardisiert. Elektronisch gedrehte wöchentlich erscheinende Serien wie "Für alle Fälle Stefanie" (Sat.1, 1995–2004), "Alphateam" (Sat.1, 1997–2005), "Dr Klein", ZDF, 2014–2019 oder der ARD-Dauerbrenner "In aller Freundschaft" (ab 1998; seit 2015 auch "In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte" und seit 2018 "In aller Freundschaft – Die Krankenschwestern") setzten auf ein umfangreiches Ensemble mit bis zu 20 wiederkehrenden Rollen, eine sterile Innenraum-Anmutung und die typische Zopfdramaturgie (miteinander verknüpfte parallele Handlungsstränge) der Soap-Opera. Während nur noch wenige neuere deutsche Produktionen laufen (z. B.; "Der Bergdoktor", ZDF, seit 2008, "Bettys Diagnose", ZDF, seit 2015), gibt es jedoch permanent Wiederholungen alter Serien – gerade in kleinen Spartensenden – sowie die Ausstrahlungen US-amerikanischer Serien, z. B. "Grey’s Anatomy – Die jungen Ärzte" (ProSieben, seit 2006).
In der DDR spielten Arztserien keine große Rolle. "Bereitschaft Dr. Federau" (DDR-FS, 1988, 7 Folgen) war ein Versuch, die psychologische Zwickmühle, in der sich eine allein erziehende Notaufnahme-Ärztin befindet, in einer Drama-Serie zu verarbeiten. Das Konzept wurde nach der Wiedervereinigung von der ARD-Reihe "Ärzte" aufgegriffen. "Barfuß ins Bett" (1988 und 1990, 2 Staffeln mit je 7 Folgen), gemäß gängiger Serien-Standards von der DEFA produziert, war die Antwort des DDR-Fernsehens auf die ZDF-Quotenhits "Die Schwarzwaldklinik" und "Der Landarzt". Dagegen sah die elektronisch gedrehte Familien-Arzt-Serie "Zahn um Zahn – Die Praktiken des Dr. Wittkugel" (1985–1988, 3 Staffeln mit je 7 Folgen) aus wie eine Mischung aus "Lindenstraße" und den späteren wöchentlich erscheinenden Klinik-Serien.
Die Sitcom
Die Sitcom ist ein aus dem Amerikanischen kommendes Genre, das sich als deutsche Eigenproduktion erst spät etablierte. Situationskomik meint eine humorvolle Auseinandersetzung von Figuren mit einer Situation und ist durch eine rasche Abfolge von Pointen und Gags im Rahmen eines Handlungsgeschehens gekennzeichnet. Das knapp 30-minütige Format entsprach Mitte der 1980er Jahre weder dem öffentlich-rechtlichen Programmschema noch den deutschen Sehgewohnheiten. Die Sitcom wurde goutiert als ein Genre, das durch seine stereotype Figurenzeichnung, die Transparenz der Charaktere und die Vorhersehbarkeit der Handlung zur schnellen Rezeption einlud, aber nicht intellektuellen Ansprüchen genügte. Die Sitcom, die auch Comedyserie genannt wird, zeichnet sich durch eine "zirkuläre Dramaturgie" aus: Die Figuren sind am Ende einer Episode so klug wie zuvor. Erst gegen Ende der 90er Jahre konnten einige Sitcoms auch die TV-Kritik überzeugen, die das Genre bislang eher skeptisch beurteilt hatte. Die kommerziellen Sender zeigten ein besonderes Interesse an diesem leicht konsumierbaren Genre, weil es als Studioproduktion preiswert herzustellen war und sich gut als Rahmenprogramm für TV-Werbung eignete.
Pointen statt realistischer Abbildung
Während die klassische Serie alltägliche Welten aufbaute und darstellte, kommentierte die Sitcom den Alltag in Familie und Beruf witzig und frech. Die Figuren handelten nicht möglichst realitätsgetreu, sondern eher überspitzt: Dialoge wurden auf Pointen zugeschnitten, Handlungskonstellationen dienten einem verbalen Schlagabtausch mit möglichst vielen Gags. Auch die Zusammensetzung und Ausformung der Charaktere war eher einem möglichst großen Witz-Potenzial geschuldet als einer realistischen Abbildung der Welt. Diese Form der fiktionalen Darstellung war für das deutsche Publikum eine Innovation.
"Ein Herz und eine Seele"
Eine Ausnahmestellung in der Geschichte der deutschen Sitcom nimmt "Ein Herz und eine Seele" (WDR, 1973–1976) ein. Die provokative Handlung um den chauvinistischen Kleinbürger Alfred Tetzlaff mit rechtskonservativer politischer Haltung überdeckte die ungewohnte Form. Sie zeigt stark überspitzt den Familienalltag in einem Arbeiterviertel in Bochum-Wattenscheid während der 1970er Jahre. Zentrale Figur ist der ewige Nörgler und Spießer Alfred Tetzlaff ("Ekel Alfred"), der durch seine provokativen Äußerungen mit den anderen Familienmitgliedern immer wieder in Konflikt gerät.
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Weitere öffentlich-rechtliche Sitcoms
In den 1980er und frühen 1990er Jahren entwickelte sich über die Rezeption amerikanischer Sitcoms wie "Alf", "Eine schrecklich nette Familie" oder "Golden Girls" ein erstes Bewusstsein für das so undeutsche Genre. Erste Adaptionsversuche wie "Hilfe, meine Familie spinnt" (RTL ,1993) oder "Drei Mann im Bett" (WDR, 1994) scheiterten. Der Versuch von Wolfgang Menge, in "Motzki" (WDR/NDR, 1993) einen Seelenverwandten von Alfred Tetzlaff auf den Bildschirm zu bringen und an die Tradition von "Ein Herz und eine Seele" anzuschließen, brachte der Serie viel Aufmerksamkeit. Die ersten gelungenen Sitcoms kamen von den öffentlich-rechtlichen Sendern. Die Einfalt und Weltfremdheit eines saarländischen Ehepaares wurde in den 1990er Jahren zum größten seriellen Lacherfolg in der ARD: "Familie Heinz Becker" (SR/WDR, 1992–2003) setzte dem deutschen Michel ein Denkmal. So stimmig das Spießbürgertum in der Serie auch gezeichnet wurde, die Lacher entsprangen vor allem der Schadenfreude.
"Salto Postale" (ZDF, 1993–1996) mit Wolfgang Stumph schaffte es, dem Ärger vieler ehemaliger DDR-Bürger eine Stimme zu geben, ohne dabei das Amüsement der Zuschauer im Westen zu mindern. Auch dem Spin-Off "Salto Kommunale" (ZDF, 1998–2002) gelang satirische Unterhaltung, die die Obrigkeit und nicht den Bürger selbst kompromittierte. Die erste Sitcom, der es gelang, die amerikanischen Vorgaben des Genres (Dialogwitz, Tempo und eine starke Hauptfigur) konsequent umzusetzen, ohne dabei die Nationalspezifik der Geschichten aus dem Auge zu verlieren, war "Lukas" (ZDF, 1996–2001) mit Dirk Bach. Dagegen wirkte "Lerchenberg" (ZDF, 2013/2015) eher bemüht.
Sitcoms bei RTL
Diese ersten erfolgreichen Comedyserien wurden noch im klassischen, preiswerten Produktionsstil hergestellt (Studio, drei elektronische Kameras, vor Publikum aufgezeichnet oder durch eingespielte Lacher ergänzt). RTL löste sich 1997 von dieser Produktionsweise. Der Kölner Privatsender hatte bislang von allen Sendern die meisten Versuche in Sachen Sitcom unternommen, aber nur Flops produziert. Mit "Die Camper" (1997–2005) und "Das Amt" (1997–2003) setzte man wie in US-amerikanischen Produktionen wie "Friends" oder "Seinfeld" auf 16mm-Film, auf professionelle Komödianten wie Jochen Busse und Heinrich Schafmeister und auf reale Schauplätze. Es folgten die Klinik-Parodie "Nikola" (1997–2005), die Kleine-Leute-Sitcom "Ritas Welt" (1998–2003) und die aus der Perspektive eines einzelgängerischen Teenagers erzählte Familienserie "Mein Leben & Ich" (2001–2007). Der produktionstechnische Aufwand, die sorgfältige Bucharbeit und das perfekte Casting lohnten sich, die Sitcoms von RTL gewannen Preise und die Sympathie der Zuschauer. Von der Serie "Der Lehrer", die 2009 den deutschen Fernsehpreis erhielt, wurden bis 2020 8 Staffeln gedreht.
Weitere (erfolgreiche) deutsche Sitcoms
Sat.1 konnte bislang nur mit der Studio-Serie "Hausmeister Krause" (1999–2010) reüssieren. Die selbstreferentielle, ironische Sitcom "Anke" (2000/ 2001) fand dagegen nur eine kleine Fan-Gemeinde. Wesentöoch erfolgreicher waren die Anwalts-Sitcom "Edel & Starck" (2002–2005, u. a. Dt. Fernsehpreis 2002) und "Pastewka" (7 Staffeln, 2005–14 und Staffeln 8–10, 2018–2020, Amazon Prime Video). Nachdem sich die Deutschen mit der Sitcom jahrelang schwer taten, gab es zuletzt sogar internationale Anerkennung. Die ARD trumpfte auf mit "Berlin, Berlin" (2002–2006), einer WG-Comedy, die voller verrückter dramaturgischer und filmischer Ideen steckte, und mit "Türkisch für Anfänger" (2006–2008, Dt. Fernsehpreis 2006 und Adolf-Grimme-Preis 2007), einer doppelbödigen Migrations-Sitcom, die klug und witzig mit ethnischen Vorurteilen spielt.
Von diesen Formen ist eine andere Mischung der Darstellungs- und Sprechweisen (dokumentarisch und fiktional) abzugrenzen, die mit dem englischen Begriff des 'Mockumentary' (engl. 'to mock' – sich lustig machen, 'documentary' – Dokumentation) bezeichnet werden. Ein Mockumentary gibt vor, eine Dokumentation oder ein Dokumentarfilm zu sein, ist es jedoch nicht, weil er auf einem Drehbuch beruht und eine ausgedachte Geschichte erzählt. Dabei wird häufig das Spiel mit den scheinbar dokumentarischen Mitteln übertrieben, so dass der Zuschauer auch die Parodie und damit die Fiktionalität erkennen kann.
Prototypen dieser Mockumentarys im deutschen Fernsehen sind Sendereihen wie "Stromberg" und "Dittsche". Sie geben vor, eine Art von Reportage zu sein, arbeiten mit bewusst überzogener Darstellung, verwackelter Kamera, verrutschten Bildausschnitten, undeutlichem Ton, schlechter, manchmal auch improvisiert erscheinender Ausleuchtung und benutzen bekannte Klischees.
"Stromberg" (ProSieben)
Den Status einer Kultserie erlangte "Stromberg" (Pro Sieben, 5 Staffeln, 2004–2012), einer psychologisch klugen Sitcom, die intelligent Doku-Charakter vortäuscht (Original: "The Office", BBC, 2001). "Stromberg" handelt vom Büroalltag in einem Versicherungsunternehmen: Es geht um die Beziehungen der Angestellten untereinander und zu dem unfähigen Abteilungsleiter Bernd Stromberg (gespielt von Christoph Maria Herbst). Immer wieder wird durch das Verhalten der Figuren deutlich, dass sie die Kamera, die die Serie aufnimmt, wahrnehmen (entweder, etwa in privaten Gesprächen, als störend – oder als Motivation, sich 'bewusst' in Szene zu setzen). Die Aufzeichnung ist also ein Teil der erzählten Geschichte, auch wenn das Kamerateam selbst nie gezeigt wird und sich auch nicht selbst äußert. Die Serie, von der nach einer zögerlichen Annahme durch das Publikum inzwischen bereits drei Staffeln mit 25 Folgen produziert wurden, erhielt unter anderem den Grimme-Preis und hat einen Kultstatus erreicht.
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"Dittsche" (WDR/Das Erste)
Von "Dittsche – Das wirklich wahre Leben" (WDR/Das Erste, seit 2004) wurden bisher über 250 Folgen in 29 Staffeln (Stand Juli 2020) produziert. Die Sendung zeigt einen Hamburger Imbiss ("Eppendorfer Grillstation" im Eppendorfer Weg 172), in dem sich der Arbeitslose Dittsche (gespielt von Olli Dittrich) Bier holt und mit dem Imbiss-Wirt Ingo (Jon Flemming Olsen) und dem Stammgast Schildkröte (Franz Jarnach) in einer Art Wochenrückblick über die Welt räsoniert. Dittsche schlurft im blau-braun-weiß gestreiften Bademantel herein, wirkt ungepflegt und immer etwas verwirrt. Er gibt seine Sicht auf die Dinge der Welt zum Besten; die Bild-Zeitung und das Fernsehen dienen ihm dabei als wichtige Quellen für seine Theorien und Problemlösungsansätze. "Dittsche" wird live gesendet, ohne Drehbuch und mit zuvor festgelegten Kameraeinstellungen. Die Benutzung von kleinen Digitalkameras, die zum Teil in Sepia-Tönen senden, bringt zusätzlich "dokumentarische" Effekte. Die Figur des Dittsche gibt sich als Realitätsfigur, die gleichwohl in der Tradition der fiktionalen Räsonierer Alfred Tetzlaff ("Ein Herz und eine Seele", ARD/WDR, 1973–1976) und Motzki ("Motzki", ARD/WDR, 1993) steht.
Deutlich zeigt sich hier, wie die Grenzen verschwimmen, denn ebenso wie "Dittsche" ließe sich "Blind Date" (ZDF, 2001–2005) mit Olli Dittrich und Anke Engelke als eindeutige Fiktion kennzeichnen: Es geht immer darum, dass sie Personen darstellen, die sie nicht selbst sind, und sich die entstehenden Geschichten – ob mit Drehbuch oder ohne – deutlich als eine Form des audiovisuellen Erzählens verstehen lassen.
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