Die 1960er Jahre sind dadurch gekennzeichnet, dass das Fernsehen sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR zum Massenmedium wurde und sich damit auch die Anforderungen an Fernsehfilm und Fernsehspiel erhöhten. Auch fühlte man sich in der Dramaturgie wie in der ästhetischen Gestaltung von Bild und Ton sicher genug, um sich an große Aufgaben wagen zu können.
"So weit die Füße tragen" als erster "Straßenfeger"
Ende 1959 machte in der Bundesrepublik der erste Fernsehmehrteiler von sich reden. "So weit die Füße tragen" (5 Teile, WDR, 1959) erzählte nach dem Buch von Josef Martin Bauer das Schicksal des deutschen Kriegsgefangenen Clemens Forell (gespielt von Heinz Weiss), der aus einem sibirischen Lager flüchtet und sich nach entbehrungsreichen Wanderungen durch Sibirien bis nach Persien durchschlägt, um von dort aus in die Heimat zurückzukehren. Dabei wird immer wieder in den einzelnen Stationen der Gegensatz zwischen den einfachen Menschen, die zu ihm halten und ihm helfen, und dem stalinistischen Staat gezeigt, der stereotyp mit Stacheldraht und Wachtürmen im Bild ist. Der Film, in den Bavaria-Studios bei München entstanden (die seit 1959 mehrheitlich dem WDR und SDR gehörten), setzte auf eine filmisch erzeugte Spannung, die gleichzeitig die im Fernsehen mögliche Sendelänge für die Erzählung nutzte. Die Geschichte, die einen Deutschen als Kriegsopfer zeigt, war auch Balsam für die Seele des Volkes und traf den politischen Zeitgeist, der von einem latenten Revanchismus geprägt war. Denn das Bild vom tapferen deutschen Offizier, der sich durch das Sibirien einer brutalen und unbarmherzigen Sowjetunion durchschlägt, entsprach dem Bild der Bundesdeutschen, die sich als Vorposten im Kampf gegen einen den Westen bedrohenden Kommunismus sahen. Das Resultat war eine fast 90-prozentige Sehbeteiligung für den insgesamt 400 Minuten dauernden Fünfteiler.
Mehrteiler über die Zeit des Zweiten Weltkriegs
Weitere Mehrteiler über die jüngste Vergangenheit folgten. Regisseur Fritz Umgelter war fortan der Mann für die als "Fernsehromane" bezeichneten Filme wie "Am grünen Strand der Spree" (WDR, 1960), einem fünfteiligen Episodenfilm, in dem sich Männer im Jahre 1954 u. a. in der Berliner Jockey-Bar ihre Kriegserlebnisse erzählen. In der ersten Folge ("Das Tagebuch des Jürgen Willms") liest ein gerade aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft Heimgekehrter aus dem Tagebuch eines vermissten Kameraden vor, das von seinen Erlebnissen an der Ostfront berichtet. Hier wird zum ersten Mal im deutschen Fernsehen die Erschießung von Juden während des Zweiten Weltkriegs in quälender Länge gezeigt. Eine weitere, viel beachtete Produktion war die Fallada-Verfilmung "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst" (WDR, 1962, 3 Teile).
"Die Revolution entlässt ihre Kinder" (NDR)
Ein Jahr nach dem Mauerbau und auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise sorgte "Die Revolution entlässt ihre Kinder" (NDR, 1962), eine dreiteilige Abrechnung mit dem Stalinismus nach der Autobiografie von Wolfgang Leonhard, für politischen Sprengstoff. Leonhard schildert hier, wie er als Kind mit seinen Eltern in die Sowjetunion emigrierte, dann während des Zweiten Weltkriegs nach Kasachstan zwangsumgesiedelt wurde, schließlich Sprecher beim Sender Freies Deutschland wurde und 1945 als Mitglied der Gruppe Ulbricht nach Deutschland kam, um die Verwaltung der sowjetisch besetzten Zone aufzubauen. 1949 verließ er die DDR, ging zunächst nach Jugoslawien und von dort aus in die Bundesrepublik.
Sendungen in den 1960er Jahren (DDR)
Auch im Deutschen Fernsehfunk entdeckte man die Form des mehrteiligen Erzählens. Ebenfalls nach einem autobiografischen Bericht drehten Günter Reisch und Hans-Joachim Kasprzik den Fünfteiler "Gewissen in Aufruhr" (DFF, 1961). Es ging um den autobiografischen Bericht des Wehrmachtsoffiziers Rudolf Petershagen (in der Serie: Joachim Ebershagen), der 1945 die Stadt Greifswald vor der Zerstörung bewahrte und sie der heranrückenden Roten Armee übergab, dann in den Westen ging, dort Repressionen ausgesetzt war und deshalb in die DDR wechselte. Die Geschichte beginnt im Kessel von Stalingrad, wo der Hauptfigur Oberst Joachim Ebershagen (gespielt von Erwin Geschonneck) erste Bedenken kommen. Seine Wandlung vollzieht sich jedoch erst nach negativen Erfahrungen beim amerikanischen Geheimdienst in Westdeutschland. Die Darstellung dieses Lebensweges sollte die Entscheidung eines moralisch einwandfreien Menschen für die DDR erklären, ähnlich wie in anderen Filmen, in denen die Menschen nach Zweifeln, auch Irrwegen, schließlich in der DDR "ankommen". Solche "Ankunftsfilme" (prominentestes Beispiel: Konrad Wolfs Kinofilm "Der geteilte Himmel" nach dem Roman von Christa Wolf) waren vor allem nach dem Bau der Mauer 1961 wichtig, um eine Motivation zu schaffen, sich in der DDR zu engagieren.
Die DDR-Fernsehdramatik zeigte ebenfalls, dass man mit Filmkameras aus den Studios hinausgehen musste, um die Geschichten lebendiger und realitätsnäher zu erzählen. Da reine Filmproduktionen für das Fernsehen zu dieser Zeit aus Kostengründen noch nicht in Frage kamen, entwickelte sich – wie im Fernsehspiel der Bundesrepublik – die elektronisch-filmische Mischproduktion.
"Das Wagnis der Maria Diehl" (DFF, 1957) von Autor Fred Reichwald und "Die Entscheidung der Lene Mattke" (DFF, 1958) von Autor Helmut Sakowski waren Geschichten um Liebe und Vertrauen, um Festhalten am Alten und Aufbruch zum Neuen. Beide Filme waren eine emotionale "Werbung" für die neuen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs). Die gleiche Zielsetzung verfolgte der Mehrteiler "Wege übers Land" (DFF, 1968) von Martin Eckermann (Regie) (zweite Fassung: 1984). Der Weg der Magd Gertrud Habersaat, der durch verschiedene historische Epochen führt, zeigt, wie in der DDR auch eine Magd zu einer gesellschaftlich einflussreichen Persönlichkeit werden konnte. DDR-Alltag und Arbeitsleben spiegelten das ideologisch musterhafte Fernsehspiel "Die grüne Mappe" (DFF, 1959) von Autor Walter Baumert und "Nachtdienst" (DFF, 1960) von Georg Bengsch (Szenario).
Politisch akzentuierte Mehrteiler
Der wegweisende ARD-Mehrteiler "So weit die Füße tragen" alarmierte die DDR-Dramaturgen sowohl dramaturgisch als auch politisch und führte in den frühen 1960er Jahren zu einem Wettstreit bei der Produktion von politisch akzentuierten Mehrteilern. "Flucht aus der Hölle" (DFF, 1960, 4 Teile) von Hans Erich Korbschmitt und Hans-Jürgen Brandt (beide Regie) war die direkte DDR-Antwort. Es ging um einen Deutschen, der aus der französischen Fremdenlegion flüchtet. Mit diesem Mehrteiler wurde Armin Mueller-Stahl als Darsteller bekannt. 1962 folgte der in Guatemala spielende Abenteuer-Fünfteiler "Das grüne Ungeheuer" (Regie: Rudi Kurz) über einen von der CIA organisierten Putsch in Guatemala und die Rolle der United Fruit Company.
Mehrteiler über die (bundes-)deutsche Nachkriegsgeschichte
Besonders wichtig waren die Mehrteiler, die sich in den 1960er Jahren mit der deutschen Geschichte, insbesondere mit der bundesdeutschen Fortsetzung von Entwicklungen beschäftigten, die vor 1945 angelegt worden waren. Die fünfteilige Produktion "Ich – Axel Cäsar Springer" (DFF, 1968/70) von Karl Georg Egel und Harri Czepuk (Drehbuch) zeichnete die Biografie des Zeitungsverlegers aus der DDR-Perspektive nach und stellte eine Beziehung zwischen der Zeit vor 1945 und dem Antikommunismus Springers ab 1959/60 her.
Der Fünfteiler "Krupp und Krause – Krause und Krupp" (DFF, 1968/69) von Gerhard Bengsch (Autor), sowie Horst E. Brandt und Hein Thiel (Regie) beschäftigte sich mit den Klassengegensätzen in der Schwerindustrie. Hier steht der Arbeiter Fred Krause der Krupp-Dynastie gegenüber, im fünften Teil übernimmt Krause (gespielt von Günther Simon) als Betriebsleiter die ostdeutschen Kruppwerke – die Arbeiterklasse hat gesiegt. Bezeichnenderweise heißt diese Folge dann auch "Krause und Krupp". "Hier agiere 'der sozialistische Volksheld in seiner Staatsaktion' dekretierte die Theoretische Konferenz zu Entwicklung der Gegenwartsdramatik im September 1968".
Komödien für ein Zusammengehörigkeitsgefühl
Aus dem Realen Sozialismus der DDR entstanden auch erste Komödien wie "Gelegenheit macht Liebe" (DFF, 1959) oder die von der DEFA produzierte TV-Trilogie der Filme "Papas neue Freundin" (DFF, 1960), "Vielgeliebtes Sternchen" (DFF, 1962) und "Oh, diese Jugend" (DFF, 1962), mit der sich Angelica Domröse als junge Mutter Irene Sauer (bzw. Irene Bach) in die Gunst der Zuschauer spielte. Die Fernsehkomödien, die mit ähnlichen Kinofilmkomödien der DEFA in dieser Zeit korrespondierten, sollten ein "Wir"-Gefühl in der DDR erzeugen und die Zusammengehörigkeit stärken.
Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im Fernsehspiel der DDR
Früh nahm sich die DDR-Fernsehdramatik der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und des Zweiten Weltkrieges an, z. B. in "Der Henker richtet" (DFF, 1960), einem Film über die Geschwister Scholl. Der Formenkanon spannte sich vom psychologischen Kammerspiel ("Immer am Weg dein Gesicht", DFF, 1960) bis zum aufwändigen Antikriegs-Mehrteiler "Gewissen in Aufruhr" (5 Teile, DFF, 1961).
Schaffung einer neuen sozialistischen Persönlichkeit
Die Intention dieser Filme war es, Lehren aus der Geschichte zu ziehen mit dem Ziel der Schaffung einer neuen sozialistischen Persönlichkeit. Die Fernsehdramatik suchte den sozialistischen Volkshelden. Der am bürgerlichen Entwicklungsroman orientierte mehrteilige Fernsehroman gab in den 1960er Jahren dem Fernsehspiel die ideale Dramaturgie an die Hand. Das faustische Drama "Dr. Schlüter" (5 Teile, DFF, 1965/66), in dem ein junger Chemiker den Nazis seine Seele verkauft und Jahre später nach dem "wahren" Deutschland sucht, und "Wege übers Land" (5 Teile, DFF, 1968), eine bewegende Saga über eine junge Frau, die zur couragierten Wortführerin der Einzelbauern wird, wurden als Mehrteiler gedreht.
Zu den bedeutendsten Leistungen dieser jungen Fernsehgattung gehörte die Adaption des Romans von Bruno Apitz "Nackt unter Wölfen" (DFF, 1960, Regie: Georg Leopold). Das KZ-Drama, das wie der Roman die Häftlinge zu den Befreiern des Lagers machte, was dem antifaschistischen Gründungsmythos der DDR entsprach (nicht aber den historischen Tatsachen), wurde ein großer Erfolg. 1962/63 kam es unter Frank Beyers Regie zu einer international beachteten Kino-Verfilmung.
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Menschen gehen auf Sinnsuche
Neben der expliziten Gesinnungsdramatik, die als Entsprechung der sogenannten "Ankunftsliteratur" gesehen werden konnte, gab es auch "weichere" Formen der Ideologisierung im Fernsehspiel der 1960er Jahre. In der Diskussion um das kulturelle "Erbe" fand man in Hans Fallada einen Autor, den man nicht dem bürgerlichen Klassenfeind überlassen wollte. Nachdem die ARD "Jeder stirbt für sich allein" (SFB, 1962) erfolgreich adaptiert hatte, zog der DFF gleich mit zwei Verfilmungen von Hans-Joachim Kasprzik nach: "Wolf unter Wölfen" (DFF, 1965, 4 Teile) und "Kleiner Mann – was nun?" (DFF, 1967, 2 Teile). Der Schauspieler und Filmemacher Ulrich Thein näherte sich in "Mitten im kalten Winter" (DFF, 1968) dem Zweiten Weltkrieg in Form einer poetischen Beschreibung des Alltags. In seinen Alltagsgeschichten aus der DDR zeigte er Menschen, die auf Sinnsuche gehen, die in Liebeskonflikten stecken und für die individueller Anspruch und gesellschaftliche Erfordernis kein Widerspruch war. Theins Ästhetik in "Columbus 64" (DFF, 1966, 4 Teile) oder "Unbekannte Bürger" (DFF, 1969, 5 Teile) – dokumentarisch anmutendes Schwarzweiß, ausschnitthafte Reihung von Alltagssituationen, Menschen mitten im Leben – war vom europäischen Neorealismus des Kinos jener Jahre deutlich beeinflusst.
Gegenöffentlichkeit im Westfernsehen
Die 1960er Jahre brachten den endgültigen Sprung über die Studiomauern und damit eine verstärkte Hinwendung zur Realität. In der Bundesrepublik stellte, noch bevor die Studenten auf die Straße gingen, der Fernsehfilm eine Art Gegenöffentlichkeit dar. Verdrängtes, sozial Abseitiges, Abgeschobenes gerieten ins Visier der Fernsehspielmacher, Gesellschaftsanalyse war wichtiger als die Darstellung des Privatlebens. Die treibenden Kräfte waren nicht selten Redakteure: Egon Monk, Dieter Meichsner und Peter Märthesheimer schrieben auch selbst Drehbücher oder führten sogar Regie.
Politisierung des Fernsehspiels
Die Politisierung des Fernsehspiels, die in einer Politisierung des Zuschauers gipfeln sollte, nahm ihren Anfang beim NDR. Monks Fernsehfilm "Wilhelmsburger Freitag" (NDR, 1964), der erste Film, der in Farbe für das damals noch schwarzweiß gesendete Programm produziert wurde, zeigte realitätsnah das triste Alltagsleben eines jungen Arbeiterpaares. Der Faschismus wie im KZ-Drama "Ein Tag" (NDR, 1965), die deutsche Gegenwart wie in "Not der deutschen Teilung" (NDR, 1965) oder "Fluchtversuch" (SDR, 1965) oder die Kombination beider Themen wie in "Mord in Frankfurt" (WDR, 1968) waren beliebte Stoffe .
Neue thematische und ästhetische Akzente
In Peter Beauvais' "Der Unfall" (WDR, 1968) nach dem Drehbuch von Dieter Waldmann (mit den damals jungen Darstellern Marius Müller-Westernhagen und Jürgen Flimm) wurde feinsinnig und ohne künstliche Dramatisierung die aufkommende Ausländerdiskriminierung analysiert. Langsam zeigte die Suche nach Autoren für Fernsehproduktionen Erfolge. Karl Wittlinger ("Seelenwanderung", WDR, 1962) und Benno Meyer-Wehlack ("Stück für Stück", SWF, 1962) setzten neue Akzente in der Ästhetik des Fernsehens. Regisseure wie Peter Lilienthal ("Stück für Stück") und andere suchten auch nach einem neuen visuellen Ausdruck. Im Bereich der zeitkritischen Alltagskomödie machte sich Horst Lommer einen Namen, indem er jährlich eine neue Komödie schrieb, die, von Peter Beauvais inszeniert, die bundesdeutsche Wirtschaftswundermentalität persiflierte (z. B. "Das Glück läuft hinterher", NDR, 1963).
Erste Perlen des populären Fernsehens (BRD)
Das ambitionierte Fernsehspiel schrieb politisch und ästhetisch Fernsehgeschichte. Die größten Erfolge beim Zuschauer aber feierten in der Bundesrepublik die ersten eigenproduzierten Kriminalfilme. Die Sendereihe "Stahlnetz" (NDR, bis 1968) legte 1958 mit 22 Folgen den Grundstein für das Genre, das Anfang der 1960er Jahre in den WDR-Mehrteilern von Francis Durbridge ihren noch erfolgreicheren Ausdruck fand. Ob "Das Halstuch" (WDR, 1962), "Tim Frazer" (WDR, 1963) oder "Melissa" (WDR, 1966) – der britische Autor bediente mit seiner auf Spannung und szenische Kontinuität bedachten Dramaturgie die Anforderungen des Mediums und die Ansprüche des Zuschauers. Gleichwohl erscheinen heute viele der Filme als sehr langsam erzählt, weil über die Verbrechen vor allem geredet wird. Deutlich filmischer erzählt war 1966 der Dreiteiler "Die Gentlemen bitten zur Kasse" (NDR, 1966) nach dem Bericht von Henry Kolarz, der dem legendären britischen Postraub nachempfunden wurde. Das ZDF reagierte mit den stark kolportageartigen, die traditionellen Krimigenre-Muster wiederholenden Dreiteilern "Der Tod läuft hinterher" (ZDF, 1967) und "Babeck" (ZDF, 1968) von Herbert Reinecker.
Abenteuerfilme als Advents-Vierteiler
Ein Highlight für die jungen Zuschauer waren die Advents-Vierteiler des ZDF: "Robinson Crusoe" (ZDF, 1964), "Die Schatzinsel" (ZDF, 1966) oder "Der Seewolf" (ZDF, 1971). Die Walter Ulbrich Filmproduktion stellte fast Jahr für Jahr spannende Abenteuerfilme voller Südseeromantik her, selbst wenn sie – wie einer der letzten Filme dieser Reihe, "Zwei Jahre Ferien" (ZDF, 1974) nach dem gleichnamigen Roman von Jules Verne – in Rumänien und am Schwarzen Meer gedreht worden waren.
Kriminalfilm-Innovation
Eine unterhaltsame Kriminal-Innovation, die den Live-Charakter des Fernsehens beschwor, war das heitere Mörderratespiel "Dem Täter auf der Spur" (ARD, 1967–1973, 17 Teile) von Jürgen Roland. Prominente konnten sich mit Lösungsvorschlägen beteiligen und rätseln, wer sich wann und wie bei den Befragungen durch den Kommissar verraten hatte.
Dokumentarspiel und Dokumentarfilm (BRD)
Die 1960er Jahre standen im Zeichen der Konkurrenz zwischen der ARD und dem ZDF. Der neue Mainzer Sender startete nach seiner Gründung 1961 im Jahre 1963 mit seinem Programm. Er war politisch etwas konservativer ausgerichtet und stärker unterhaltungsorientiert als das Programm des Ersten Deutschen Fernsehens.
Rekonstruktionen historischer Ereignisse in den 60er Jahren
Eine Fernsehgattung, dem die Mainzer einen festen Programmplatz gaben, waren Dokumentarspiele, die in szenischen Rekonstruktionen historische Ereignisse aufbereiteten. Man inszenierte historisches Geschehen, orientierte sich dabei an Originaltexten und Dokumenten, spielte aber auch theatralische Dokumentarstücke nach. Die Palette reichte von Theodor Schübels "Karl Sand" (ZDF, 1964) über die Ermordung des Dramatikers August von Kotzebue, Heiner Kipphardts "In der Sache J. Robert Oppenheimer" (ZDF, 1964) über die Verantwortung des Wissenschaftlers bei der Erfindung der Atombombe, bis hin zu "Der Fall Vera Brühne" (ZDF, 1966), der Verfilmung des bis dahin aufsehenerregendsten Schwurgerichtsprozesses der bundesdeutschen Nachkriegszeit.
Verbindung von Fiktion und Dokumentation
Verzichtete dieses reine Studio-Genre in den 1960er Jahren noch auf filmische Anmutung, etablierten sich in den 1970er Jahren dokumentarisch-fiktionale Mischformen und Kostümfilme, die gleichermaßen Wert auf Realitätsgehalt und hohe visuelle Attraktivität legten. Das ZDF-Dokumentarspiel geriet Mitte der 1970er Jahre in heftige Kritik, weil es so tat, als liefere es ein objektives Bild der Vergangenheit, wo es doch eine mögliche Deutung inszenierte . Das Entscheidende war, dass eine publizistische Form gesucht wurde, die die Fiktion mit der Dokumentation verband, sich dabei aller Möglichkeiten fiktionaler Verdichtung bediente, gleichwohl aber den Anspruch auf Authentizität, auf dem historischen "So war es" für sich reklamierte. In dieser Tradition – wenn auch mit dokumentarischen Produktionen – stand auch Guido Knopp (bis Februar 2013 als Leiter des ZDF-Programmbereichs Zeitgeschichte) mit seinen Geschichtsmehrteilern im ZDF ("Hitler und seine Helfer" etc.).
Fernsehspiele mit dokumentarischen Mitteln
Zu einer treibenden Kraft für die Fiktion wurde Ende der 1960er Jahre der Dokumentarfilm, weil er mehr Realität auch von der Fiktion einforderte. Die ersten Arbeiten Eberhard Fechners ("Nachrede auf Klara Heydebreck", NDR, 1969), Klaus Wildenhahns oder Erika Runges ("Warum ist Frau B. glücklich?", WDR, 1968), die sich mit dokumentarischen Methoden der bundesdeutschen Wirklichkeit näherten, waren wegweisend für das Fernsehspiel Es suchte mit seiner kritisch-journalistischen Ausrichtung den Zugang zu den politischen Fragen der Zeit. Auch hier wirkte die Arbeit mit den dokumentarischen Mitteln auf die Fiktion, indem eine neue Form der Verdichtung und des Umgangs mit der Realität gesucht wurde. Eberhard Fechner entwickelte durch seine Technik der forcierten Montage zahlreicher Interviewpartikel, dass ein Zeitbild einer ganzen Generation ("Klassenphoto", NDR, 1970) von Musikern ("Comedian Harmonists", NDR, 1976) und Seeleuten ("La Paloma", 1988) entstand, eine Art "kollektiver Stimme", weil Sätze von einer Person zur anderen und wieder zur nächsten führten, so als sprächen sie die gleiche Sprache und von der gleichen Sache . Die wichtigste Arbeit war sein dreiteiliger Film über den Majdanek-Prozess ("Der Prozess", 1984).
Experimentierwerkstatt und Talentschmiede
In einer Zeit, die vom Diskurs und der Auseinandersetzung über die Form der Gesellschaft geprägt war, wurden Fernsehspiele oft zu umstrittenen publizistischen Ereignissen. "Alma Mater" (NDR, 1969) von Dieter Meichsner und Rolf Hädrich ist ein stark dokumentarisch anmutender Film, der die destruktiven Mechanismen innerhalb der Studentenbewegung kritisierte. Er erweckte den Unmut der Linken, irritierte aber auch durch die fast ununterscheidbare Mischung von Fiktion und Dokumentation. Ulrike Meinhofs "Bambule" (SWR, 1970) über die Situation in Fürsorgeheimen wurde aufgrund der politischen Aktivitäten seiner Autorin als Mitglied der terroristischen "Roten Armee Fraktion" (RAF) aus dem Programm genommen. Für ästhetische Irritationen sorgte "Berliner Antigone" (ZDF, 1968) nach der Novelle von Rolf Hochhuth. Montagen, die Zeit- und Bewusstseinsebenen mischten, sowie der Verzicht auf eine lineare Handlung und den Blickwinkel eines objektiven Beobachters machten den Film über eine junge Frau, die von den Nazis zum Tode verurteilt wird, zu einem außergewöhnlichen Film. Die experimentellen Möglichkeiten des Fernsehspiels lotete Peter Zadek in "Rotmord" (WDR, 1971) aus, einer Revue über die bayerische Räterepublik, frei nach Tankred Dorsts Stück "Toller". Sie vermittelte viel Sinn und Sinnlichkeit und zwang dem Zuschauer keine Haltung auf.
Die Zunahme der Sendezeiten und damit des Bedarfs an neuen Sendungen erhöhte auch den Bedarf an filmischem Nachwuchs. "Das kleine Fernsehspiel", die Talentschmiede des ZDF, vergibt seit den 1960er Jahren Produktionsaufträge an Filmhochschüler und legte so die Grundlage für den Erfolg des Neuen Deutschen Films. Peter Lilienthal, Hark Bohm, Wim Wenders oder Jutta Brückner, sie alle drehten ihre ersten Filme mit ZDF-Budget.
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