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Anfänge und Vorläufer des Reality-TV ab den 50er Jahren | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

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Anfänge und Vorläufer des Reality-TV ab den 50er Jahren

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Der Gladbecker Geiselnehmer Hans-Jürgen Rösner beim Interview mit einem Journalisten während der Geiselnahme (© picture-alliance/dpa)

Versteht man unter dem Begriff Reality-TV eine Form von "Wirklichkeitsfernsehen", so ist dies eine eher unscharfe Definition dieses Programmgenres. Denn mit "Wirklichkeitsfernsehen" ist einerseits gemeint, dass hier von tatsächlichen Ereignissen berichtet wird, die entweder zufällig entstanden sind oder geplant produziert wurden und die durch Film- oder Video-Aufnahmen wiedergegeben werden. Solche Ereignisberichterstattung findet natürlich auch in den tradierten Programmgenres der Nachrichtensendung, der Dokumentation und der Magazinsendung statt. Unter dem Begriff Reality-TV wird aber auch die nachgestellte, inszenierte Darstellung des Ereignisses verstanden, auf die immer dann zurückgegriffen wird, wenn keine Video- oder Filmaufnahmen des Ereignisses vorhanden sind. Solche Ereignis-Nachinszenierungen sind im deutschen Fernsehen unter dem Begriff des "Dokumentarspiels", heute unter dem des "Doku-Dramas", seit Mitte der 1960er Jahre bekannt und eingeführt .

Reality-TV konzentrierte sich in den 1990er Jahren in beiden Formen auf die Darstellung von Katastrophen, Unfällen und Verbrechen, wobei deutlich die Herausstellung des Sensationellen, Spannungstreibenden, Emotionsgeladenen im Vordergrund stand. Das unterschied die neue Form des Reality-TV auch von den deutschen Vorläufern, die sehr viel stärker das Pädagogisch-Vermittelnde in den Vordergrund gestellt hatten.

Authentizität und Verbrechens-Prävention

Seit den Anfängen des deutschen Fernsehens war die Darstellung von Kriminalität mit der Absicht der Verbrechens-Prävention verbunden. Jürgen Rolands Sendereihe "Der Polizeibericht meldet" (ARD) präsentierte zwischen 1953 und 1958 Kriminalfälle, die "nach Akten der Kriminalpolizei" aufbereitet und etwa einmal im Monat im Fernsehen gezeigt wurden, um vor bestimmten kriminellen Praktiken zu warnen und gleichzeitig das Bild der Polizei positiv zu beeinflussen. Deutlich war hier bereits die Tendenz erkennbar, von einer eher nüchtern-biederen nach und nach zu einer dramatisierten Darstellung zu kommen. Dieser Sendereihe folgte von 1958 bis 1968 die Serie "Stahlnetz" (ARD), die bereits explizit als Fiktion auftrat, aber ebenfalls noch "nach Unterlagen der Kriminalpolizei" gestaltet war und damit auf die Authentizität der behandelten Fälle verwies.

Eduard Zimmermann, von 1967 bis zur 300. Folge im Jahr 1997 der Fernseh-Fahnder bei "Aktenzeichen XY...ungelöst" (© picture-alliance, ZB - Fotoreport)

"Aktenzeichen XY...ungelöst" (ZDF)

War hier dem Publikum immer deutlich, dass es sich um eine Fiktion handelte, so stellten die ZDF-Sendereihen "Vorsicht, Falle! Nepper, Schlepper, Bauernfänger" (1964–2001) sowie "Aktenzeichen XY… ungelöst" (ab 1967) – bei ähnlicher Konstruktion – reale Kriminalfälle, szenisch aufbereitet – deutlich den realen Charakter der Kriminalfälle heraus. Der Entwickler und Moderator beider Reihen, Eduard Zimmermann, forderte in "Aktenzeichen XY… ungelöst" das Fernsehpublikum dazu auf, den jeweils unbekannten Täter des Kriminalfalls selbst zu suchen und Hinweise an die Polizei zu geben. In einem zweiten Teil der Sendung wurden am selben Fernsehabend bereits erste "Ergebnisse" mitgeteilt, wenn in den gezeigten Fällen bereits Hinweise auf den Täter eingetroffen waren. Diese Sendereihe, die bis heute im ZDF läuft (über 550 Folgen, seit 2002 mit Rudi Cerne als Moderator), stieß jedoch in der deutschen Öffentlichkeit auch immer wieder auf heftige Kritik, weil die Vermischung von Dokumentation und Fiktion das Publikum irreführen konnte und die Sendung zur Denunziation aufforderte. Ungeachtet dessen blieb die Sendung im Programm, da sie sich stets hoher Zuschauerzahlen erfreute.

Andere dem Genre Reality-TV verwandte Sendereihen waren "Der 7. Sinn" (ARD, 1966–2005), in der Autounfälle gezeigt wurden, um die Zuschauer zu einem vorsichtigeren Fahren zu veranlassen, oder auch Rechtsserien ("Das Fernsehgericht tagt", ARD, 1961–1978; "Wie würden Sie entscheiden", ZDF, 1974–2000), in denen den Zuschauern Prozessfälle präsentiert und Szenen vor Gericht nachgestellt wurden.

Ethische Grenzen des Journalismus – das Gladbecker Geiseldrama (1988)

Die Berichterstattung über das Gladbecker Geiseldrama von 1988, bei dem Gewalttäter eine Bank überfallen hatten und mit ihren Geiseln durch die Bundesrepublik flüchteten, kann als besondere Form der inszenierten Realität gelten – und damit in gewisser Weise als Vorläufer späterer Reality-TV-Formate. Print- und Fernsehreporter folgten den Geiselnehmern und interviewten sie in ihrem Fluchtauto, während vor ihnen die mit der Pistole bedrohten Geiseln saßen. An dieser Form der Berichterstattung wurden in der bundesdeutschen Öffentlichkeit erstmals ausführlich die ethischen Grenzen des Journalismus diskutiert. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, inwieweit es zulässig ist, dass sich eine auf Sensationen ausgerichtete Presseberichterstattung in die polizeiliche Verfolgung einmischt und damit behindert sowie die Angst der Opfer in exklusiven Bildern ausgiebig präsentiert. Das Geschehen, bei dem insgesamt drei Personen ums Leben kamen bzw. ermordet wurden, wurde wiederum mehrfach medial in Dokumentationen und Filmen aufgearbeitet, zuletzt in "Gladbeck" (ARD Degeto/RB, 2018, Auszeichnung mit dem Bayerischen Fernsehpreis 2019).

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