Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag ist älter als fünf Jahre. Forschung, Fachdebatte oder Praxisansätze haben sich möglicherweise in der Zwischenzeit weiterentwickelt.
Ein Infodienst-Interview zum gleichen Thema aus dem Jahr 2023 finden Sie hier:
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Was können Anzeichen für eine Radikalisierung von Jugendlichen sein? Im Interview erklärt Berna Kurnaz, warum es immer auf den Einzelfall ankommt. Kurnaz ist Mitarbeiterin beim Beratungsnetzwerk kitab in Bremen. Sie berät Eltern, Angehörige und Betroffene in der Auseinandersetzung mit Islamismus.
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Wie können Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter eigentlich eine Radikalisierung bei Jugendlichen erkennen?
Berna Kurnaz: Tatsächlich versuchen wir, keine Checklisten zu nennen, nach denen man Jugendliche in die Kategorien "radikal" oder "nicht radikal" einsortieren kann. Wir versuchen stattdessen zu vermitteln, dass eine zunehmende Religiosität nicht immer auch eine Radikalisierung sein muss.
Dass Jugendliche ihre Religiosität als ganz zentralen Bestandteil ihrer Identität ausleben möchten, muss nicht grundsätzlich problematisch sein. Wenn jemand einen Bart, eine sogenannte "Hochwasserhose" oder ein Kopftuch trägt, ist das nicht zwangsläufig ein eindeutiger Hinweis, dass die Person sich radikalisiert. Ich glaube, dass Indikatoren eher auf der rhetorischen Ebene zu finden sind oder an bestimmten Verhaltensweisen festgemacht werden können.
Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffs "Radikalisierung". In der Regel wird damit ein Prozess bezeichnet, in dessen Verlauf sich das Denken und/oder Handeln von einzelnen Personen oder Gruppen wandelt und als dessen Ergebnis sie extremistische Positionen einnehmen. Unter Extremismus wird hier die Ablehnung grundlegender Regeln und Normen des demokratischen Verfassungsstaates verstanden. Dass eine Person extremistische Positionen vertritt, muss nicht heißen, dass sie gewaltbereit ist. In der Fachdiskussion wird daher häufig zwischen „kognitiven Extremisten“ und gewaltbereiten Extremisten unterschieden.
Zur Diskussion über den Begriff siehe
Welche Verhaltensweisen können das sein?
Berna Kurnaz: Am Beispiel des Kopftuchtragens kann man verdeutlichen, wie man zwischen Religiosität, Ideologie oder Islamismus unterscheiden kann. Ein Kopftuch allein ist noch kein bestimmtes Zeichen, es kann für Musliminnen alles Mögliche bedeuten. Es kann Ausdruck der Identität sein, Zeichen für Frömmigkeit, ein modisches Accessoire oder Schutz vor Zudringlichkeit von Männern. Also kann man natürlich ein Kopftuch tragen.
Im Rahmen von Religionsfreiheit und Meinungsäußerung kann man auch dafür werben, sich auf diese Art und Weise zu verhüllen. Problematisch wird es, wenn man jemanden bedrängt, das Kopftuch zu tragen, andere in ihrer Freiheit einschränkt oder sie abwertet, weil sie das Kopftuch nicht tragen und sich vermeintlich nicht "islamkonform" verhalten.
Islamismus wird in diesem Beitrag verstanden als „eine Sammelbezeichnung für alle politischen Auffassungen und Handlungen, die im Namen des Islam die Errichtung einer allein religiös legitimierten Gesellschafts- und Staatsordnung anstreben".* Salafismus bezeichnet eine sunnitische Subkategorie des Islamismus. Man kann den Salafismus grob in drei Strömungen unterteilen: eine puristische, eine politische und eine dschihadistische. Nur die politische und die dschihadistische Strömung sind der Kategorie Islamismus zu zuordnen. Die dschihadistische Strömung unterscheidet sich von der politischen in ihrem Verhältnis zur Gewalt. Dschihadisten legitimieren Gewalt und wenden sie auch an. Politische Salafisten lehnen in der Regel Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele ab.
*Zum Begriff Salafismus und den unterschiedlichen Strömungen der Bewegung siehe
Gibt es noch andere Anzeichen, an denen man eine Radikalisierung erkennen kann?
Berna Kurnaz: Wenn man erkennen möchte, ob sich Jugendliche radikalisieren, sollte man auf bestimmte Aspekte achten, zum Beispiel auf eine Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundwerte. Häufig lehnen Jugendliche, die Gruppierungen aus dem salafistischen Spektrum angehören, die Demokratie im Allgemeinen, aber auch Parteien und Parlamente ab. Denn das alles betrachten sie als Regelwerke, die vom Menschen erschaffen wurden, und die das ewig gültige und geltende Wort und Gesetz Gottes nicht miteinbeziehen.
Für Salafisten ist – wie für alle Muslime – das Wort Gottes jedoch immer und ewig gültig und nicht zu hinterfragen. Das Besondere an Salafisten ist, dass sie darauf bestehen, die religiösen Schriften des Islam wörtlich zu nehmen. Und sie werten alles ab, was von dem abweicht, was sie als das einzig Wahre verstehen.
Viele Dinge, die Jugendliche in der Schule lernen, also beispielsweise kritisch zu sein und Dinge zu hinterfragen, sind für Salafisten ketzerisch, wenn dies auf ihre eigenen Überzeugungen angewendet wird. Sie sind der Meinung, dass sie folgen, gehorchen und glauben sollen und dazu gibt es eine religiöse Grundlage, nämlich den Koran und die Sunna, an denen sie sich orientieren.
Welche weiteren Hinweise gibt es zusätzlich zu der Abwertung denn noch? Wie können Lehrkräfte sicher sein, dass sie das Verhalten eines Jugendlichen nicht fälschlicherweise als Religiosität verstehen, obwohl es eher dem Salafismus zuzuordnen ist?
Berna Kurnaz: Ich glaube, wenn Lehrkräfte in sich gehen und sich auf ihre pädagogischen Kompetenzen besinnen, wissen sie eigentlich, wann sie reagieren müssen.
Das Problem ergibt sich meistens aus dem Umstand, dass sie denken, dass sie zu wenig über den Islam wissen und ihre Schülerinnen und Schüler ihnen argumentativ überlegen sind. Viele Lehrkräfte wollen dann gar nicht darüber sprechen, um sich nicht auf die religiöse Ebene der Auseinandersetzung begeben zu müssen.
Deswegen ist es wichtig, von religiösen Themen zu abstrahieren und stärker auf Motive der Jugendlichen zu achten. Natürlich ist das Verhalten der Jugendlichen vordergründig religiöser Natur. Aber entscheidender ist es, die Anziehungskraft, die Salafisten auf sie haben, zu verstehen. Die liegt in ganz anderen, emotionalen Befindlichkeiten.
Worin liegt die Anziehungskraft denn? Worum geht es Jugendlichen tatsächlich?
Berna Kurnaz: Da geht es unter anderem um das Bedürfnis, zu einer elitären Gruppe zu gehören, ein Gemeinschaftsgefühl zu haben, nicht diskriminiert zu werden und eine Orientierung zu bekommen.
Jugendliche hören heute immer wieder, dass sie unzählige Möglichkeiten der Teilhabe haben. Aber sie erleben das nicht direkt, sondern erfahren stattdessen mittel- oder unmittelbar Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und verschiedene Formen der Diskriminierung. Für sie kann eine Hinwendung zum Salafismus eine ganz konkrete Lösung für unterschiedlichste Problemzusammenhänge darstellen.
Er bietet Jugendlichen Antworten, die um einiges stärker und eindeutiger sind als die schwammigen Angebote, die die Gesellschaft ihnen macht. Sie können sich an ganz konkreten Dingen, Werten und Mustern orientieren. Denn Salafisten richten ihre Lebensgestaltung nach einem dualistischen Weltbild aus, das sich nach außen hin abgrenzt: Es schafft ein "Wir", nämlich eine Gruppe von Gläubigen und Rechtschaffenden, sowie ein "Ihr", eine Masse von Ungläubigen und Verwirrten, und polarisiert somit. Die Anhänger müssen und sollen nicht selbstständig überlegen, sondern gehorchen und klaren Regelwerken Folge leisten.
Das Problem ist häufig, dass sich Lehrkräfte in eine Art Wettkampf mit den Schülerinnen und Schülern begeben. Sie sollten stattdessen lieber bestimmte religiöse Inhalte rauskürzen. Dann erkennen sie, dass es eigentlich nicht um Religion, sondern um Themen wie Ausgrenzung oder Mobbing beziehungsweise Gemeinschaft und Anerkennung geht.
Da Lehrkräfte im Schulalltag häufig mit Mobbing-Situationen konfrontiert werden, wissen sie auch, wie sie damit umzugehen haben. Eigentlich haben Lehrkräfte immer eine Handlungskompetenz. Aber sie sprechen sie sich oft selbst ab, weil sie sich attestieren, dass sie zu wenig zum Thema Islam wissen. Sie müssen aber keine Islamexperten sein, um zu verstehen, was da passiert.
Sie sagten, dass ein Bart und eine "Hochwasserhose" – so wie Mohammed sie getragen haben soll – für sich genommen noch keine Radikalisierungsanzeichen sind. Trotzdem findet man diese Äußerlichkeiten bei vielen Salafisten. Ebenso wie schwarze Kapuzenpullis mit weißer, arabischer Aufschrift. Sind solche Dinge nicht doch als Erkennungsmerkmale zu verstehen? Gibt es Geheimcodes in der Szene?
Berna Kurnaz: Genau so wie in allen anderen jugendspezifischen Milieus findet man auch bei Salafisten Merkmale, anhand derer Jugendliche unausgesprochen erkennen können, dass sie zu ein und derselben Subkultur gehören. Der Kleidungsstil kann da durchaus ein Hinweis sein.
Ganz oft findet man fast schon popkulturelle Elemente in dem Bereich. Auch wenn der Salafismus auf den ersten Blick wie eine rückwärtsgewandte Strömung erscheint, ist er eigentlich hochmodern – und das nicht nur bei der Nutzung moderner Medien, sondern auch im Bereich der Kommerzialisierung. Sympathisanten der Szene haben zum Beispiel Schlüsselanhänger mit dem hochgestreckten Finger. Ganz beliebt war eine Zeit lang ein verfremdetes Adidas-Logo, auf dem die Twin Towers zu sehen sind, oder ein verfremdetes NBA-Logo. Da ist dann kein Basketball-Spieler zu sehen, sondern ein Moslem, der betet.
Oft erkennt man die Verfremdung nicht auf den ersten Blick. Auch Jugendliche wissen häufig nicht, was sie da kaufen und cool oder lustig finden. Deswegen ist es so schwer zu sagen, wer tatsächlich zur Szene gehört und wer nicht. Kleidung kann also der entscheidende Hinweis sein, sie kann aber auch gar keiner sein.
Es ist die Summe aus unterschiedlichen Aspekten. Ich würde mehr darauf achten, wie Jugendliche Dinge verbalisieren und welche Haltung damit einhergeht; also, ob sie bestimmten Menschengruppen beispielsweise feindlich gegenüberstehen. Das hat dann – in der Kombination mit einer recht typischen Kleidung – noch einmal ein anderes Gewicht. Es zählt das Gesamtbild. Wer nur einzelne äußere Anzeichen betrachtet, kann gar nichts erkennen.
In der Szene gibt es viele verschiedene Prediger. Einer der bekanntesten deutschen salafistischen Prediger ist Pierre Vogel. Ist es als Radikalisierung zu werten, wenn sich Jugendliche Videos von ihm anschauen oder ihn toll finden?
Berna Kurnaz: Auch hier gilt: Nicht jeder, der sich Pierre Vogel anhört, ist automatisch radikal. Pierre Vogel ist ein "charismatischer" Typ, der weiß, wie er Jugendliche richtig und jugendaffin anspricht. Für einige ist er der ideale Einstiegsprediger, aber so eine wichtige Rolle, wie man denkt, spielt er in der Szene gar nicht.
Außerdem gibt es in der salafistischen Szene ganz unterschiedliche Prediger-Typen. Für jeden Jugendlichen, der das Phänomen Salafismus spannend findet, findet sich ein Prediger, der zum jeweiligen emotionalen Defizit passt – egal, ob jemand einen Familienersatz sucht, ob Kindern in Syrien geholfen werden soll oder ob man als Krieger Abenteuer erleben will.
Was alle Prediger eint, ist, dass sie in einem 45-Minuten-Vortrag oder einem dreiminütigen YouTube-Video ganz klar und leicht verständlich vermitteln, was sie von der verkommenen Gesellschaft halten, was der einzig wahre Weg ins Paradies ist, wie wichtig Werte, Glaube, Orientierung, Gemeinschaft und der Protest gegen Ungerechtigkeit sind.
Sie bieten eine Fläche, auf die die Jugendlichen ihre Bedürfnisse projizieren. Viele Jugendliche konvertieren spontan auf Veranstaltungen von Pierre Vogel. Das ist für sie unglaublich emotional. Sie haben das Gefühl, dass nun ein neues unbeschriebenes und schuldfreies Kapitel im Leben beginnt. Einige geben sich auch einen neuen Namen, um ihre neue muslimische Identität deutlich erkennbar zu machen. Pierre Vogel ruft beistehende Veranstaltungsteilnehmer dann gerne dazu auf, dass sie sich um die neue Schwester oder den neuen Bruder kümmern müssen.
Hier werden auch Menschen in den Arm genommen, die in anderen Zusammenhängen wenig Wertschätzung erfahren oder vielleicht Mobbing erleben. Genau das ist das Gefühl von Teilhabe und authentischer Zugehörigkeit, das die Jugendlichen so oft suchen – und dort bekommen.
Wenn Jugendliche sich Videos von Kundgebungen oder Reden anhören, ist das die eine Sache. Eine andere ist es vermutlich, wenn sie ein Hinrichtungsvideo vom IS bei WhatsApp oder in einem sozialen Netzwerk teilen. Was sollten Lehrkräfte machen, wenn sie das mitbekommen?
Berna Kurnaz: Ich glaube, dass Jugendliche, die solche Videos teilen, manchmal nicht darüber nachdenken. Sie sind den ganzen Tag in sozialen Netzwerken unterwegs und achten nicht immer darauf, was da steht. Oder sie "liken" Beiträge, weil ihre Freunde das gemacht haben.
Aber Videos mit einer Hinrichtung haben Traumatisierungspotenzial. Das ist ja kein gestellter Horrorfilm, sondern Realität. Zudem werden Koransuren oder Vorkommnisse in solchen Videos oft völlig aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt. Entweder fehlt die Einbettung in den historischen Kontext oder es ist für die Zuschauer nicht nachvollziehbar, ob hochemotionale Bildbeiträge bewusst ausgewählt wurden, um Propaganda zu betreiben oder Anhänger zu rekrutieren. Dabei werden die begleitenden Aussagen ideologisch zugespitzt. Die Bilder werden instrumentalisiert, um damit bei Jugendlichen das Gefühl auszulösen: "Ich muss nun helfen! Es ist als Moslem meine Aufgabe, meinen unterdrückten und bedrohten Brüdern und Schwestern zu helfen". Dieser Aktionismus kann sehr gefährlich werden.
Deswegen würde ich empfehlen, mit den Betroffenen selbstbewusst, zugewandt und hinterfragend darüber zu sprechen und ihnen deutlich zu machen, dass man sich um sie kümmert. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Religiosität ernst genommen, respektiert und keineswegs abgewertet wird. Dabei muss jedoch deutlich gemacht werden, welche Haltungen als problematisch eingestuft werden. Lehrkräfte sollten versuchen herauszufinden, warum Jugendliche sich von gewaltverherrlichenden Videos angesprochen fühlen. Außerdem müssen die Beiträge gemeldet und gegebenenfalls gesperrt werden.
Bei vielen Jugendlichen sind Naschids, also islamische Gesänge, sehr beliebt. Ist es bedenklich, wenn junge Menschen sich diese anhören?
Berna Kurnaz: Nein, das ist natürlich nicht zwangsläufig bedenklich. Naschids gehören zur islamischen Tradition und drücken Frömmigkeit und Gottergebenheit aus. Es gibt auch tolle, traditionelle Naschids, die völlig unproblematisch sind. Aber es gibt eben auch solche, die ganz eindeutig radikale Inhalte vermitteln. Sie handeln von Blut und Ehre, Zusammenhalt und Kampf.
Oft sind sie keine hochtrabenden musikalischen Meisterwerke, sondern Stücke, die man in fünf Minuten drei Mal gehört hat und dann auswendig kann. Das ist ja auch der Trick. Es soll eingängig sein.
Also muss man auch da genau schauen, welche Botschaft transportiert wird und wer diese platziert, um Rückschlüsse auf eine mögliche Radikalisierung ziehen zu können?
Berna Kurnaz: Ja, genau. Die Standardantwort muss lauten: "Es kommt darauf an". Tatsächlich muss man immer den konkreten Einzelfall anschauen und dann entscheiden, was zu tun ist.
Deswegen ist es wichtig, Personen, die damit in Berührung kommen, im Themenfeld zu sensibilisieren. Hierzu gehört der Hinweis auf die eigens hierzu eingerichtete Beratungsstelle Radikalisierung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die telefonisch und per E-Mail erreichbar ist. Dort beraten Fachleute, welche die Fälle jeweils einschätzen können. Sie geben Rat, wie man reagieren kann und kennen gegebenenfalls Hilfsangebote in der Nähe.
Der Beratungsbedarf bei Sozialraumakteuren wie Lehrkräften, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ist massiv gestiegen und er wird angesichts dieser dynamischen und rasch anwachsenden Jugendbewegung leider auch weiterhin zunehmen.
Zudem ist die Schule der zentrale Ort für Prävention. In der Vergangenheit wurde dort zu wenig gemacht. Das hat sich geändert, muss aber noch weiter vorangetrieben werden. Lehrkräfte sollen nicht nur wissen, woran sie generell Radikalisierungsprozesse erkennen können, sondern sie sollen verstehen, warum Jugendliche freiheitlich-demokratische Grundwerte ablehnen und andere Angebote annehmen, die deutliche Gegenpositionen und maximale Protesthaltungen darstellen.
Bei den präventiven Angeboten der Schule muss es immer darum gehen, wie man Jugendliche stärken kann. Es reicht nicht, wenn am Eingang einer Schule steht: "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage". Es geht darum, dass dieser Satz nicht nur ein Angebot bleibt, sondern tatsächlich konkret erlebbar und lebbar gemacht wird.
Manche Jugendliche haben den Eindruck, dass selbst berechtigte Kritik an der Gesellschaft nicht ernst genommen wird. Solange sie das Gefühl haben, dass die Teilhabe nicht echt ist, finden sie Angebote, die sich echter anfühlen – zum Beispiel den Salafismus. Es gilt, die Jugendlichen immun zu machen gegen diese Art von Heilsversprechen und Weltbildern.
Das Interview führte Frauke König.
Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten.
Berna Kurnaz ist Mitarbeiterin beim Beratungsnetzwerk kitab in Bremen. Sie berät Eltern, Angehörige und Betroffene in der Auseinandersetzung mit Islamismus.
Der Infodienst Radikalisierungsprävention bietet Informationen zur Prävention von Islamismus, zu Radikalisierung und Extremismus sowie zu Deradikalisierung:
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