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Infodienst Radikalisierungsprävention: Welche Aufgaben haben Sie als Kontaktbeamter für muslimische Institutionen – innerhalb der Polizei und nach außen?
Mario Kasprusch: Kontaktbeamte und -beamtinnen für muslimische Institutionen (KMI) werden bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen als Ansprechpartnerinnen und -partner für interkulturelle Angelegenheiten eingesetzt. Sie halten engen Kontakt zu muslimischen Einrichtungen wie Moscheen oder Vereinen und leisten dort wichtige Netzwerkarbeit. Den muslimischen Vereinen und Gemeinden werden zudem Präventionsmaßnahmen angeboten, wie zum Beispiel zum Einbruchschutz, zur Verkehrsprävention, zur Extremismusprävention, zur Jugendgewaltprävention, inklusive Mobbing und Cybermobbing, und zur Drogenprävention.
Die KMI stellen außerdem auf Anfrage bei Veranstaltungen ihre Arbeit vor und tauschen bei Fallbesprechungen Informationen mit anderen Akteuren der Präventionsarbeit aus. Zur Netzwerkarbeit gehört auch die Mitarbeit in kommunalen Einrichtungen und in integrationsfördernden Gremien, in Bonn beispielsweise beim städtischen Amt für Integration und Vielfalt.
Innerhalb der Polizei vermitteln die KMI wichtige kulturelle Informationen, etwa über die Grundzüge des Islams, die Strukturen der muslimischen Gemeinde sowie Gebetszeiten und -orte. Mit diesen Informationen soll Respekt gefördert und das Verständnis für Kultur und Religion innerhalb der Organisation verbessert werden.
Zudem sind KMI Ansprechpersonen der Polizeibediensteten bei Fragen bezüglich des Umgangs mit Musliminnen und Muslimen und deren Institutionen und Einrichtungen, wie zum Beispiel Moscheevereinen und landesspezifischen Kulturvereinen.
Wie und wann kam es zur Einrichtung dieser Sonderaufgabe bei der Polizei NRW und mit welchem Ziel ist sie verbunden? Gibt es vergleichbare Funktionen auch in anderen Bundesländern?
Im Jahr 2005 sind landesweit Kontaktbeamtinnen und -beamte muslimischer Institutionen (KMI) eingesetzt worden. Vorrangiges Ziel der KMI ist die Vertrauensbildung durch intensive Kontakte zu muslimischen Institutionen und Einrichtungen, insbesondere zu muslimischen Gemeinden und Vereinen. Seither ist das Amt des KMI Bestandteil der Sicherheitsprogramme der Behörden.
Auch in anderen Bundesländern gibt es Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbaren Aufgaben, in Niedersachsen etwa heißen sie ebenfalls Kontaktbeamtinnen und -beamte muslimischer Institutionen. In Koblenz in Rheinland-Pfalz ist es der Integrationsbeauftragte beim Polizeipräsidium, der ähnliche Aufgaben hat wie ich.
Wie wird man KMI? Welche Voraussetzungen und Qualifikationen müssen erfüllt werden? Bedarf es einer Aus- und Fortbildung?
Jeder Polizeibeamte und jede Polizeibeamtin kann sich auf eine offene Stellenausschreibung als KMI bewerben. Als Voraussetzung gilt zunächst eine gewisse Lebens- und Diensterfahrung, die KMI sollten also keine Berufsanfänger sein.
Weitere Voraussetzungen sind fachliche Kompetenz (Hintergrundwissen zum muslimischen Glauben), interkulturelle Kompetenz, hohe Organisationsfähigkeit, Verständnis für Integrationserfordernisse, hohe Eigenmotivation, selbstständiges Arbeiten und Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit sowie die Bereitschaft zum Umgang auf Augenhöhe mit Vertreterinnen und Vertretern muslimischer Institutionen.
Es finden Einführungsfortbildungen und wiederkehrende Informationsveranstaltungen mit allen KMI des Landes Nordrhein-Westfalen statt.
Wie sieht die Kontaktaufnahme und -pflege zu muslimischen Institutionen konkret aus? Um welche Institutionen geht es dabei und wer sind Ihre Ansprechpersonen?
Bei den Haupt-Ansprechpartnern handelt es sich um die Imame und um die Vorstände der Moscheevereine. Für gewöhnlich bitten die KMI um ein persönliches Treffen, welches in aller Regel von großer Gastfreundschaft und Höflichkeit geprägt ist.
Bei einem ersten Kontakt findet meistens ein Informationsaustausch statt: Den KMI werden die Strukturen der Organisation vermittelt und es findet eine Besichtigung der Moschee statt. In der Regel vereinbaren die Gesprächspartner dann weitere Treffen zur Kontaktpflege.
Wie wird das Angebot von muslimischen Institutionen auf- und angenommen?
Bislang zeigt die Erfahrung, dass das Angebot der Polizei beziehungsweise der KMI eher zurückhaltend aufgenommen wird. Die Corona-Pandemie könnte hierbei eine Rolle spielen.
Werden Sie in Ihrer Rolle als (nicht-muslimischer) Polizist von den muslimischen Gemeinden akzeptiert? Sehen Sie hier Unterschiede zu Kontaktbeamten in anderen Städten, die einen Migrationshintergrund haben und/oder muslimischen Glaubens sind?
Die KMI werden in erster Linie als Behördenvertreterinnen und -vertreter angesehen. Die Glaubensrichtung ist daher für die muslimischen Institutionen meist unerheblich.
Es existieren innerhalb des muslimischen Glaubens unterschiedliche Strömungen und auch Auslegungen, wie beispielsweise die Aleviten, die Schiiten, die Sunniten und die Wahhabiten. Ein Migrationshintergrund und die Zugehörigkeit zum muslimischen Glauben könnten möglicherweise bei der Kommunikation mit einer Gruppierung von Vorteil sein, sich bei einer anderen Gruppierung jedoch nachteilig auswirken. Resümierend wahrt ein nicht-muslimischer KMI ohne Migrationshintergrund möglicherweise eine gewisse respektvolle Distanz, Unvoreingenommenheit und Neutralität.
Wie wird die Arbeit der Kontaktbeamten innerhalb der Polizei aufgenommen?
Für gewöhnlich sind sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten recht interessiert und wissensdurstig, was Themen rund um den Islam (zum Beispiel über den Koran oder Moscheen) anbelangt, oder auch wenn es um religiös begründeten Extremismus (zum Beispiel Salafismus und Islamismus) geht. Aufgrund dieser Neugierde besteht folgerichtig auch ein Interesse an der Arbeit der KMI. Vorträge und Anfragen werden in aller Regel positiv aufgenommen.
Ergeben sich aus den Kontakten zu muslimischen Institutionen konkrete Präventionsmaßnahmen? Wie sehen diese und die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen und Trägern der Präventionsarbeit in Ihrem Fall aus?
Da ich erst kürzlich das Amt übernommen habe, kann ich hierzu noch nicht viel sagen. In den vergangenen Monaten fanden von unserer Behörde in Bonn aus keine Präventionsangebote vor Ort in muslimischen Institutionen statt.
Bei den Moscheegemeinden werden die Predigten und die gemeinsame Gemeindearbeit pandemiebedingt teilweise auch nur noch verhalten aufgesucht. Für die Zukunft ist jedoch davon auszugehen, dass die Vorstände der Moscheevereine versuchen werden, die Gemeindearbeit wieder auszuweiten, um ähnliche Besucherzahlen zu generieren wie vor der Pandemie. Das wird wohl im Besonderen auch die Jugendarbeit in den Gemeinden betreffen, hier dürften voraussichtlich Präventionsangebote bezüglich Jugendgewalt, inklusive (Cyber-)Mobbing und Drogenprävention, vermehrt abgerufen werden.
Kooperationen gibt es natürlich mit anderen Einrichtungen, wie beispielsweise den Beratungsstellen von Wegweiser und dem Aussteigerprogramm Islamismus des Landes Nordrhein-Westfalen (API). Ein Austausch findet hier regelmäßig und auch anlassbezogen statt.
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