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Die Rolle der Angehörigen in der Radikalisierungsprävention | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de

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Die Rolle der Angehörigen in der Radikalisierungsprävention Interview mit Claudia Dantschke von der Beratungsstelle HAYAT

Claudia Dantschke Redaktion Infodienst Radikalisierungsprävention

/ 11 Minuten zu lesen

„Die Familie ist der Schlüssel für die Arbeit mit jungen Menschen, die sich radikalisieren“ – so Claudia Dantschke von der Beratungsstelle HAYAT. Einerseits ist eine gestörte Beziehung zur Familie oft der Ausgangspunkt für den Weg in die Radikalisierung. Andererseits ist die Familie gerade daher der wichtigste Partner, um Jugendliche davon abzubringen. Im Interview berichtet die Extremismusexpertin Dantschke darüber, welche Rolle die Angehörigen im Beratungsprozess spielen.

Wenn Konflikte in der Familie gelöst werden, kann die Familie für radikalisierte Jugendliche wieder eine Alternative zur radikalen Gruppe darstellen. (© Drobot Dean / Externer Link: stock.adobe.com)

Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag ist älter als fünf Jahre. Forschung, Fachdebatte oder Praxisansätze haben sich möglicherweise in der Zwischenzeit weiterentwickelt.

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Redaktion Infodienst: Das Beratungsangebot von Hayat richtet sich an Angehörige von Personen, die sich radikalisieren. Wer meldet sich konkret bei Ihnen?

Claudia Dantschke: Wir wenden uns vor allem an die Kernfamilie, an die Eltern und die Geschwister, aber auch an das nähere Umfeld. Es können auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder Lehrkräfte sein, die eine starke Beziehung zu der Person haben, die sich radikalisiert.

Redaktion Infodienst: Welche Rolle können denn die Angehörigen spielen, wenn sich ein Familienmitglied radikalisiert?

Bei uns geht es um die einzelne Person – um ihr Leben, ihre Bedürfnisse, ihre Emotionen. Wie sie zum Beispiel Verluste verarbeitet hat. Wie sie psychisch und sozial geprägt ist. Denn jede Person ist abhängig von ihrer Sozialisation und verarbeitet bestimmte Entwicklungen anders.

Wir müssen auf die persönliche Ebene heruntergehen, weil wir den speziellen Ansatzpunkt herausfinden müssen: Was hat eine Person dafür geöffnet, dass sie auf die extremistische Ideologie positiv reagiert?

Hier kommen die Angehörigen ins Spiel. Denn es sind die Eltern, die Geschwister, die Verwandten, zu denen eine emotionale Beziehung besteht, auch wenn sie eventuell kaputt oder angekratzt ist.

Ein Punkt dabei ist: Oft ist die Situation in der Familie sehr konfliktbehaftet. Wenn sich das Kind plötzlich von der Familie und deren Werten abkehrt und in eine radikale Gruppe eintritt, reagiert die Familie – Vater, Mutter – oft verletzt, enttäuscht und sehr autoritär. Das Kind wird dadurch eventuell weiter in die radikale Gruppe getrieben, weil es diese Gruppe als positiv empfindet. Sie wird zu einer Art Ersatzfamilie, während die eigene Familie nur noch als Stress, Konflikt und negativ empfunden wird.

Der zweite Punkt ist, dass die emotionale Ebene mitentscheidet, welcher Ideologie ich mich zuwende. Wo fühle ich mich angenommen, aufgenommen, akzeptiert, wertgeschätzt? Welche Weltdeutung hilft mir, das Leben in den Griff zu bekommen?

Ich will damit nicht sagen, dass die Eltern schuld an der Radikalisierung sind – aber die Familie ist ein Einflussfaktor. Die Arbeit mit der Familie ist eine Möglichkeit, zu schauen, wie man auf den betroffenen Jugendlichen einwirken kann. Ob sich etwas entwickeln kann, um den „Schub“ in die Radikalisierung abzustellen.

Wenn wir es schaffen, dass das Konflikthafte gelöst wird und die Beziehung zumindest wieder als neutral empfunden wird, dann haben wir da einen Weg der Einwirkung auf den Jugendlichen. Die Familie ist wieder eine Alternative zur neuen, radikalen Gruppe.

Redaktion Infodienst: Voraussetzung für ihre Arbeit ist also, dass die Kontaktpersonen einen Zugang zu den sich radikalisierenden Personen haben?

Ich kann nicht irgendjemanden beeinflussen oder auf ihn einwirken, wenn ich keine Bindung zu ihm habe. Das heißt: Um einen Radikalisierungsprozess stoppen oder vielleicht auch umkehren zu können, ist immer zuerst Bindungsarbeit erforderlich. Es muss erst eine Beziehung aufgebaut werden.

Der Zugang über die Familie hat eine andere Qualität als der direkte Kontakt zu uns. Denn Jugendliche lassen sich etwas, das sie positiv stimmt, das ihnen vermeintlich guttut, nicht von fremden Leuten ausreden.

Das Problem ist aber, dass die Beziehung zur Familie oft konflikthaft ist. Das bedeutet, wir müssen zuerst bei diesen Konflikten ansetzen.

Redaktion Infodienst: Nehmen wir an, ich bemerke bei jemandem aus meiner Familie besorgniserregende Tendenzen. Zum Beispiel: Mein 18-jähriger Neffe äußert immer radikalere Ansichten. Was sollte ich als erstes tun?

Um mit Hayat zu arbeiten, müssten sie den ersten Schritt machen und uns kontaktieren, denn wir machen keine aufsuchende Arbeit. Im ersten Gespräch mit Ihnen würden wir versuchen, Ihren Neffen anhand Ihrer Berichte kennenzulernen. Wir nehmen keinen direkten Kontakt zu ihm auf. Wir versuchen herauszubekommen, wie das Leben Ihres Neffens bis zu dem Punkt war, ab dem er sich verändert hat. Gab es eventuell Brüche im Leben, wie sind die familiären Verbindungen, wie ist Ihre Beziehungen zu Ihrem Neffen?

Uns interessiert nicht nur, was jetzt ist, sondern besonders, was vorher war. Das dient dazu herauszubekommen, wo es eventuell Brüche gab. Was könnte das Motiv sein, das Ihren Neffen in die radikale Ideologie treibt – was sucht er?

Wir analysieren auch, wie weit der Prozess ist und in welche Richtung Ihr Neffe geht. Wir würden versuchen zu klären, wie er argumentiert, welche Vorbilder er hat, ob er Kontakt zu bestimmten Gruppen oder Moscheen hat. Denn es gibt ganz unterschiedliche Formen von Radikalisierung. Es gibt ja nicht nur eine militante Szene. Es gibt auch salafistische Gruppen, die zwar fundamentalistisch, aber nicht militant sind.

Diese Analyse ist der erste Schritt.

Redaktion Infodienst: Ich stelle mir das aus Sicht der Familie schwierig vor, sich an Dritte zu wenden, um über meine engen Angehörigen zu reden. Ist das nicht auch ein Vertrauensbruch?

Der Leidensdruck in der Familie ist oft sehr groß. Wenn Eltern uns ansprechen sind sie an einem Punkt ankommen, an dem sie sich extreme Sorgen um ihren Sohn oder ihre Tochter machen. Gleichzeitig sind sie mit der Situation überfordert, weil diese Jugendlichen durch die radikale Szene angehalten werden, auch ihre Familien zu missionieren. Wenn die Eltern sich dem widersetzen, kommt es ständig zum Konflikt.

Das ist eine Situation, unter der alle leiden. Die Eltern suchen Hilfe. Dabei haben sie nicht das Gefühl, ihr Kind zu verraten. Das Motiv ist, die Situation zu klären – nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse des Kindes. Und wir versichern den Eltern natürlich auch, dass die Beratung vertraulich ist.

Zum Problem kann es dabei allerdings werden, wenn die Sicherheit gefährdet ist. Wir machen den Eltern von Anfang an deutlich, dass man unter Umständen auch die Sicherheitsbehörden einschalten muss. Das machen wir aber in so einem Fall mit den Eltern gemeinsam.

Seit dem Krieg in Syrien hat sich die Situation zugespitzt. Die Gefahr ist real, dass die Jugendlichen von heute auf morgen auf dem Weg zum sogenannten Islamischen Staat sind oder zu einer anderen dschihadistischen Gruppe in Syrien oder im Irak. Das ist inzwischen bei allen Familien präsent. Das Wissen um die Gefahr motiviert die Eltern, frühzeitig Hilfe zu holen.

Redaktion Infodienst: Wenn eine Familie in solch einer Situation ist: Gibt es irgendetwas, das sie besser nicht tun sollte?

Die Familie sollte zunächst erst einmal Beratung für sich selbst suchen und die nächsten Schritte mit dem Berater oder der Beraterin klären. Sie sollten dem Kind nicht gleich mitteilen: Wir haben uns jetzt Hilfe geholt. Denn wenn der oder die Jugendliche das Gefühl bekommt: „Jetzt kommen die Eltern mit irgendwelchen Außenstehenden und ich werde hier ausgehorcht“, dann kann die Kommunikation schwierig werden. Es sollte in der Beratung zuerst darum gehen, dass die Eltern wieder Zugang zu ihrem Kind finden und wieder offen kommunizieren.

Wenn Eltern allerdings sagen: Das schaffe ich einfach nicht! Können Sie nicht mal mit meinem Sohn oder mit meiner Tochter reden? Dann müssen wir schauen, wie weit wir überhaupt in einen Kontakt kommen können. Aber das sind von den Fällen, die wir bearbeiten, nur ungefähr 5 Prozent.

Die meisten Eltern versuchen, die Ratschläge umzusetzen. Das ist nicht leicht, denn es geht ja um jahrelang eingeübte Verhaltensmuster. Die kann man nicht von heute auf morgen über Bord werfen.

Es gibt auch Fälle, da ist der Konflikt schon so weit fortgeschritten, dass die Eltern psychisch sehr angegriffen sind. Für diese Fälle haben wir ein Partnerprojekt, das „Diagnostisch-Therapeutische Netzwerk Extremismus (DNE)“. Das steht zur Verfügung, um in solchen Fällen die psychosozialen Fragen zu klären. Das hilft den Eltern, Stabilität zu gewinnen und ihre psychische Belastung abzubauen. Denn es ist zu viel verlangt, dass Eltern auf ihre Kinder einwirken, wenn sie eigentlich mit sich selbst beschäftigt sind.

Redaktion Infodienst: Sie sprechen bisher ausschließlich von Eltern. Kommt es auch vor, dass sich andere Personen an Sie wenden?

Deutlich mehr als die Hälfte der Anrufenden sind Mütter. In den letzten Jahren nimmt der Anteil der männlichen Bezugspersonen zu – also Väter oder Brüder. Es gibt inzwischen aber auch einzelne salafistisch orientierte Familien, wo dann die Großeltern anrufen, weil sie sich Sorgen um die Enkelkinder machen.

Zunehmend melden sich auch Sozialarbeiter, die in ihrer Einrichtung radikalisierungsgefährdete Jugendliche haben; oder Flüchtlingseinrichtungen. Solange eine gute Beziehung zwischen den betroffenen Jugendlichen und unseren Kontaktpersonen da ist, arbeiten wir auch mit Sozialarbeitern. Bedingung ist, dass der oder die Jugendliche Vertrauen zu dieser Bezugsperson hat.

Auch in so einem Fall versuchen wir, über die Kontaktperson auch die Eltern mit ins Boot zu holen. Aber die Bezugsperson bleibt diejenige, die den guten Draht zu dem oder der Betroffenen hat.

Redaktion Infodienst: Was können die Angehörigen bewirken, wie sind die Aussichten auf Erfolg?

Die totalitäre Ideologie muss man sich wie eine Burg vorstellen, in der es nur ein Fenster gibt, und das verschließt sich im Radikalisierungsverlauf immer mehr. Die Familie ist oft der letzte Bezug in eine andere Welt, das letzte Fenster in dieser Burg. Die radikalen Gruppen versuchen, ihre Anhänger total in ihre Welt reinzuziehen. Sämtliche sozialen Beziehungen außerhalb der Gruppe werden gekappt.

Die Familie kann, wenn sie geschickt handelt, noch eine Alternative zu dieser geschlossenen Welt bieten. Dafür ist Kommunikation wichtig. Wir sagen den Eltern, dass sie differenzieren sollten zwischen ihrer Bindung zu ihrem Kind und dessen Handlungen. Das heißt, sie können einen Anfang machen, indem sie deutlich zeigen: Du bist unser Kind, wir lieben dich, wir wollen dir helfen. Und dann zuhören, ihr Kind kennenlernen.

Denn der Ausgangspunkt der Radikalisierung liegt darin, dass die neue Ideologie den Jugendlichen scheinbar Lösungen für ihre Probleme bietet. Sie fühlen sich plötzlich stark, selbstbewusst. Sie haben etwas gefunden, was ihre Fragen beantwortet. Sie finden neue Freunde, neue Perspektiven. In der Regel sind sie durchaus mitteilsam und bereit zu reden. Da kann es ratsam sein, einfach mal zuzuhören und nicht sofort alles besser zu wissen.

Wie man auf diese Bedürfnisse eingeht, muss man anschließend natürlich prüfen. Ein plakatives Beispiel: Es gibt Eltern, die haben ihr Kind in eine bestimmte Ausbildung getrieben, die ihm nicht gefällt. Der Jugendliche kann sich aber nicht gegenüber seinen Eltern durchsetzen. Eine neue Bezugsgruppe mit ihrer Ideologie kann dieses Problem lösen – indem sie sagt: Diesen Beruf kannst Du nicht ausüben, weil du dabei permanent mit fremden Frauen in Berührung kommst.

In so einem Fall geht es darum zu schauen, was der Jugendliche von seinem Leben erwartet. Er soll möglichst seine Wünsche artikulieren. Das ist schwierig, weil in dieser radikalen Ideologie die persönlichen Bedürfnisse völlig unterdrückt werden. Es heißt: Du lebst nur auf dieser Welt, um „das Wort Allahs“ umzusetzen, so wie es die radikale Gruppe interpretiert. Das Glück im Diesseits ist irrelevant, nur ein Scheinvergnügen und lenkt vom Wesentlichen ab, sich nämlich für das vermeintliche Paradies zu qualifizieren. So eine Ideologie motiviert nicht gerade dazu, das Leben eigenbestimmt zu gestalten.

Um den Jugendlichen wieder dazu zu bringen, seine Vorstellungen zu artikulieren, müssen sich die Eltern viel kümmern und zuhören. Und sobald Wünsche geäußert werden, müssen sie versuchen, darauf einzugehen und zu helfen, Alternativen zu den Angeboten der radikalen Gruppe zu bieten. Das ist ein ganz schwieriger Weg, denn es geht nicht darum, den Jugendlichen von der Religionsausübung abzuhalten, sondern von einer menschenverachtenden Ideologie.

Redaktion Infodienst: Gibt es einen besonderen „Hebel“, den man dabei einsetzen kann?

Wichtig ist in jedem Fall, dass die Betroffenen reden. Abgesehen davon ist jeder Fall unterschiedlich, und alles hängt von den Bedürfnissen der jeweiligen Jugendlichen ab.

Es gibt zum Beispiel auch Familien mit alleinerziehenden Müttern, die überfordert sind. Ein junger Mann aus so einer Familie sucht eine männliche Bezugsperson – so simpel kann das manchmal sein. In diesem Fall muss man sich nach Alternativen zum Familienvater umschauen, nach jemandem, den man zusätzlich ins Spiel bringen kann.

Wir hatten auch einen Fall, da hat ein junger Mann verlangt, in seinem Ausbildungsbetrieb zu beten. Er hat es immer mehr auf die Spitze getrieben und wollte schließlich freitags unbedingt in die Moschee. Das war bei allem Wohlwollen des Betriebs nicht möglich, der Ausbildungsvertrag wurde aufgehoben. Die Personalchefin hat mir berichtet, wie der Jugendliche reagiert hat, als er von der Auflösung seines Vertrags hörte: richtig erleichtert. Da wurde ganz deutlich, dass das Beten eine Provokation war. Es war Mittel zum Zweck, um aus der Ausbildung rauszukommen. Das eigentliche Problem war, dass er eine Ausbildung gemacht hat, die er nicht wollte.

In diesem Fall war der Vater selbst kein Muslim und hatte kein Verständnis für das Verhalten seines Sohnes. Es war schwierig für den Vater, zu begreifen, dass nicht die religiösen Ansichten seines Sohnes das Problem waren. Dass es eigentlich darum geht, dass er seinem Sohn entgegenkommen muss, um ihn nicht weiter in die Radikalisierung zu drängen. Stück für Stück hat sich das Verhältnis von Vater und Sohn verbessert – inzwischen studiert der junge Mann. Er ist weiterhin praktizierender Muslim, aber es geht von ihm keine Gefahr für irgendjemanden aus.

Das ist ein langer Weg, der manchmal Jahre dauert. Aber es motiviert die Eltern, wenn sie merken, dass sich die Konflikte entspannen.

Redaktion Infodienst: Was kann schiefgehen? Was sollte man bei so einem Prozess vermeiden?

In einem meiner Fälle hat ein Vater die neuen Freunde seiner Tochter als „deine Terroristenfreunde“ bezeichnet. Es waren natürlich keine besonders demokratischen Leute, aber für seine Tochter waren es eben die neuen Freunde. Und das kennen ja alle Eltern: Ab einem bestimmten Alter ist die Peergroup wichtiger als alles andere. Es ist klar, dass die Jugendlichen sie gegenüber ihren Eltern verteidigen.

Wir animieren die Eltern, sich selbst ein Bild vom neuen Umfeld ihrer Kinder zu machen. Zum Beispiel, die Freunde einzuladen. Oder in die Moschee mitzukommen, zu der die Jugendlichen gehen. Einfach, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Vielleicht ergibt sich so die Möglichkeit, auch mal eine andere Moschee zu besuchen. Der Islam ist schließlich sehr vielfältig. So kann man sich annähern.

Ein Problem können auch Interventionen staatlicher Seite sein. Der Staat muss handeln, wenn er die Sicherheit in Gefahr sieht. Es gibt dann zum Beispiel die sogenannte Gefährderansprache, oder der Pass wird eingezogen. Das kann in manchen Fällen durchaus einschüchternd wirken. Aber in den meisten Fällen kann es zu einem Radikalisierungsschub führen. Denn der vermeintlich „islamfeindliche Staat“ mit seinen Behörden und seiner Polizei ist ein ganz wichtiges Feindbild.

In solchen Situationen stehen die Eltern hilflos zwischen dem Staat und dem Jugendlichen. Einerseits kann die staatliche Intervention eine Hilfe für sie sein. Andererseits sehen sie auch, wie das auf den Jugendlichen wirkt. Es ist nicht einfach, die Eltern in so einer Situation in ihrer Rolle als Vermittler zu stärken und zu verhindern, dass sie nicht ganz in die eine oder andere Richtung Partei ergreifen.

Und: Wir sind keine Allround-Talente. Wir können nur die Kompetenzen einbringen, die wir im Beratungsteam haben. Darüber hinaus bauen wir um jeden einzelnen Beratungsfall eine Hilfekonstruktion. Zum Beispiel können wir eine Familientherapie vermitteln. Oder Kontakte zu Muslimen, wenn die Eltern selbst keine Muslime sind. So können sie lernen, zwischen dem radikalen Islam ihrer Kinder und anderen Varianten zu unterscheiden. Die Zusammenarbeit mit einem Jugendamt ist manchmal ganz wichtig.

Redaktion Infodienst: Um ein Fazit zu ziehen, wie wichtig sind die Angehörigen für die Deradikalisierung?

Aus meiner Sicht ist die Familie ein Schlüssel. Ein ganz wichtiger Partner, um Jugendliche von der Radikalisierung abzubringen. Andererseits können Angehörige sehr kontraproduktiv sein, wenn Sie ausschließlich autoritär handeln. Das tun sie natürlich nicht böswillig. Ob die Familienmitglieder das wollen oder nicht: Weil sie die nächsten emotionalen Bezugspersonen sind, wirken sie ganz massiv auf einen Jugendlichen ein.

Vor diesem Hintergrund ist ein Familienumfeld, das sich dessen bewusst ist und das sich aktiv beteiligt, dem Jugendlichen zu einem selbstbestimmten Leben zu verhelfen, das wichtigste Mittel gegen Radikalisierung.

Das Interview führte Sebastian Kauer für den Infodienst Radikalisierungsprävention Islamismus.

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Fussnoten

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Claudia Dantschke studierte Arabistik an der Universität Leipzig. Sie schreibt zu den Themen Antisemitismus, Migration, Islam und Islamismus. Seit Dezember 2001 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Zentrum Demokratische Kultur (ZDK) in Berlin.

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