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Dieser Beitrag erschien zuerst in dem Sammelband "Sie haben keinen Plan B", der von Jana Kärgel herausgegeben wurde. Der Sammelband kann im Shop der bpb
Die von den westlichen Staaten eingeführten vorbeugenden oder »sanften«
In diesem Beitrag werden die Anfänge und späteren Veränderungen von »Prevent« nachgezeichnet und die wichtigsten Ziele und Inhalte umrissen. Anhand von fünf weitgefassten und miteinander verknüpften Themen werden anschließend die heftigen und immer noch andauernden Kontroversen rund um das Programm dargelegt und diskutiert. Das ermöglicht einige Schlussfolgerungen über die Rolle von »Prevent« heute und in Zukunft.
Die Entwicklung von »Prevent«
Bei der Entwicklung von »Prevent« lassen sich zwei verschiedene Phasen ausmachen: »Prevent 1« wurde 2007 von der damaligen Labour-Regierung aufgelegt. »Prevent 2« läuft seit 2011. In der zweiten Phase erfolgten erhebliche Veränderungen, in denen sich einerseits zentrale Ereignisse wie der Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien widerspiegelten, andererseits aber auch Spannungen und verschiedene Sichtweisen innerhalb der Regierung (zwischen verschiedenen Ministerien und zwischen den Koalitionsparteien),
»Prevent 1« wurde 2007/2008 mit Pilotprojekten rasch in die Praxis umgesetzt und dann zwischen 2008 und 2011 erheblich ausgeweitet.
Damit einhergehend strebte das Programm eine staatliche Förderung »gemäßigterer« Formen der islamischen Glaubenspraxis an (etwa durch zivilgesellschaftliche Initiativen, mit deren Hilfe eine Art »Mainstream«-Islam befördert werden sollte, z.B. die Radical Middle Way Roadshow oder der Sufi Muslim Council, der allerdings nur von kurzer Dauer war). Schließlich wurden 300 zusätzliche Polizeistellen für Präventionsarbeit im Rahmen der sicherheitspolitischen Maßnahmen des Innenministeriums und seiner Abteilung für Sicherheit und Terrorismusbekämpfung (Office for Security and Counter-Terrorism, OSCT) geschaffen.
Insgesamt wurden mit dem Programm fast 150 Millionen Pfund (etwa 220 Millionen Euro nach damaligem Wechselkurs) direkt und ausschließlich für Prävention ausgegeben. Die Kommunalverwaltungen verfolgten dabei unterschiedliche Ansätze: Einige verteilten das ganze Geld an Organisationen innerhalb der muslimischen Communitys, andere setzten es ein, um eigene Programme in der Jugend- und Gemeindearbeit zu entwickeln.
Die schnell zunehmende Dominanz der Rolle der Polizei innerhalb von »Prevent« führte zu negativer Berichterstattung in den Medien, zum Vorwurf des »Ausspionierens«
»Prevent 2« sollte angeblich allen Formen des Extremismus entgegenwirken, aber in der Praxis blieb der Fokus überwiegend auf den islamistischen Extremismus gerichtet und damit unmittelbar auf die muslimischen Communitys. Das öffentliche Interesse an »Prevent« schien jedoch abzunehmen, bis zwei Ereignisse im Jahr 2013, die Ermordung des Soldaten Lee Rigby durch zwei islamistische Extremisten und die sich verschärfende Krise in Syrien, »Prevent« wieder verstärkt auf die Agenda hoben und zu seinem Ausbau führten.
Eine wesentliche Neuerung war die gesetzliche Verpflichtung (die sogenannte Prevent duty) für alle Schulen, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen, z.B. Gesundheitsdienste, »die Notwendigkeit ernst zu nehmen, Menschen davor zu bewahren, in terroristische Aktivitäten hineingezogen zu werden«,
Kontroversen um und Probleme von »Prevent«
Es gab unzählige politische, mediale und öffentliche Diskussionen über »Prevent«. Es ist nicht immer einfach, die Kommentare einzuordnen, weil sie häufig von heftigen emotionalen Plädoyers für oder gegen das Programm beeinflusst sind. Zudem ist aufgrund der oben angeführten erheblichen Veränderungen nicht immer ganz klar, wogegen sich die Kritik richtet – gegen das alte oder gegen das neue »Prevent«-Programm. Im Folgenden werden die zentralen Kontroversen um »Prevent« anhand von fünf Themenkomplexen zusammengefasst sowie die Änderungen und ihre Auswirkungen erklärt.
Der Fokus auf Muslime
Ausgestattet mit umfangreichen finanziellen Mitteln ging es in der ersten Phase von »Prevent« überwiegend um öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, die ausschließlich Muslime in den Blick nahmen, und das trotz der Tatsache, dass am Anschlag vom 7. Juli 2005 in London (»7/7«) und bei anderen vereitelten Anschlägen nur eine sehr kleine Zahl an jungen Muslimen im Vergleich zur Gesamtheit der in Großbritannien lebenden Muslime beteiligt war (von denen einige darüber hinaus zum Islam »Konvertierte«, z.B. aus der afrikanisch-karibischen Community, waren oder keine besonders gläubigen Muslime, d.h. solche, die nur selten in die Moschee gingen, auf entsprechende Kleidung verzichteten und es mit den Vorschriften zu Essen, Alkohol und Beziehungen nicht so genau nahmen).
Das hatte zwei bedeutsame negative Folgen. Zum einen entstand bei den Muslimen der Eindruck, dass ihnen kollektiv die Schuld für die Taten Einzelner in die Schuhe geschoben wurde, was auch den diskriminierenden Erfahrungen entsprach, die viele von ihnen auf Reisen oder in der Öffentlichkeit machten. Zum anderen hegten viele Menschen nun tatsächlich einen Generalverdacht gegen Muslime und hielten sie für eine Bedrohung: Denn warum sonst sollte die Regierung ein so großangelegtes Programm für nötig halten? Und das verstärkte und rechtfertigte muslimfeindliche Einstellungen. Der berühmte Soziologe Stuart Hall nannte »Prevent« nicht zuletzt deshalb das »bedeutsamste Vordringen in eine ethnische Community« durch den britischen Multikulturalismus.
Der Ansatz von »Prevent 1« ermöglichte jedoch die maßgebliche Einbeziehung zivilgesellschaftlicher muslimischer Organisationen in die Umsetzung des Programmes. Kommunalverwaltungen, die »Prevent«-Gelder erhielten, konnten diese Mittel nach eigenem Gutdünken einsetzen. Viele von ihnen boten muslimischen Gruppierungen Fördergelder an, um sie in die »Prevent«-Arbeit vor Ort miteinzubeziehen. Einige muslimische Gruppen lehnten die Annahme dieser Gelder jedoch entschieden ab, weil sie in einem zu engen Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung standen und damit einen faden Beigeschmack hatten.
Widersprüche zur Integrationspolitik
Großbritanniens multikultureller Politikansatz gegenüber bestimmten ethnischen Communitys hat sich in diesem Jahrhundert gewaltig verändert. Unruhen, ethnische Segregation und Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien in mehreren Städten Nordenglands hatten 2001 zu einem entscheidenden politischen Umdenken geführt. Ein neuer politischer Ansatz, dessen Ziel es war, »Zusammenhalt im Gemeinwesen« (community cohesion) zu schaffen, wurde auf den Weg gebracht, wobei der Schwerpunkt auf gemeinsamen Werten, Identität und dem Dialog zwischen den Communitys lag. Politiker benutzten nicht länger den Begriff »Multikulturalismus«, was manch einen dazu veranlasste zu behaupten, der britische Multikulturalismus sei »tot« und die für Frankreich typische Assimilation werde nun bevorzugt. Die Forschung zeigte jedoch, dass auch der Ansatz des »Zusammenhalts im Gemeinwesen« in der Praxis auf ethnische und religiöse Identitäten und Organisationen fokussierte, aber diese darüber hinaus dazu ermutigte, Community-übergreifend zu arbeiten, um den sozialen Zusammenhalt zu fördern.
Diese neue Politik des »Zusammenhalts im Gemeinwesen« wurde sowohl von den Fachleuten vor Ort als auch von den Communitys selbst unterstützt. Genau aus diesem Grund fand die spätere Einführung von »Prevent« so wenig Anklang, weil dieses Programm inklusive der Fördermittel sich ausschließlich an Muslime richtete – und damit andere ethnische Communitys von der Möglichkeit, Fördergeldern zu erhalten, ausschloss, obwohl aus Berichten über die Unruhen von 2001 deutlich hervorging, dass diese Art von einseitiger Mittelbewilligung für Unmut sorgt. Da »Prevent« im krassen Widerspruch zum Ansatz des »Zusammenhalts im Gemeinwesen« stand, mit dem die Kommunalverwaltungen dem Extremismus entgegenwirken wollten, waren diese gegen das Programm. Ihre Einwände wurden jedoch ignoriert und sie waren gezwungen, »Prevent« umzusetzen. Im Rahmen von »Prevent 1« gab es zwar auch noch staatliche Mittel zur Förderung des Zusammenhaltes, aber nach und nach wurde dieser Ansatz in den Hintergrund gedrängt.
Dass der Terrorismusbekämpfung ein höherer Stellenwert eingeräumt wurde als dem sozialen Zusammenhalt bestätigte sich 2012, als die britische Regierung die finanzielle Unterstützung für Projekte zur Förderung der community cohesion komplett einstellte.
Zunehmende Versicherheitlichung
Die große Rolle, die der Polizei und den Sicherheitsorganen innerhalb von »Prevent« eingeräumt wurde, wird als eine beunruhigende »Versicherheitlichung« (securitisation) der Gesellschaft angesehen und wurde sogar als Schritt in Richtung eines »polizeilich kontrollierten Multikulturalismus« bezeichnet.
In der »Prevent-1«-Phase sollten die Polizeibeamten in erster Linie Kontakte in die muslimischen Communitys knüpfen und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen. Dazu gehörte auch, dass sie mit den jungen Leuten aus den Communitys zusammenkamen – eine Aufgabe, die normalerweise von den Fachkräften in der Jugend- und Sozialarbeit erledigt wird. Aus den dem »Prevent«-Untersuchungsausschuss des britischen Parlamentes vorgelegten Berichten zur Arbeit der Polizei in den Jahren 2009/2010
Durch das 2015 verabschiedete Anti-Terror-Gesetz
Die Spannung zwischen »Mittel- und Werteorientierung«
Ein wichtiger Grund für die erheblichen Veränderungen, denen »Prevent« unterzogen wurde, waren die Meinungsverschiedenheiten darüber, was mit dem Programm erreicht werden soll und wie es zu erreichen ist. Dies kann als Spannung zwischen »mittel- und werteorientierten«
Beim mittelorientierten Ansatz, der bei »Prevent 1« im Vordergrund stand, gilt die individuelle Hinwendung zum Extremismus als ein komplexer und unvorhersehbarer Prozess, da die Denk- und Handlungsweisen von Einzelpersonen von verschiedenen Faktoren auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene beeinflusst werden. Entsprechend förderte »Prevent 1« die Entwicklung des Gemeinwesens, um die Communitys und die Widerstandsfähigkeit der Peergroups zu stärken. Man war zudem bereit, muslimische Gruppen zu finanzieren, die möglicherweise Einfluss auf radikalisierungsgefährdete Personen ausüben konnten, ganz gleich, ob diese Gruppen mit den gängigen demokratischen Werten der Gesellschaft übereinstimmten oder nicht. In dieser Phase überließ die Regierung es den Kommunen, zu beurteilen, welche Maßnahmen sie für geeignet hielten, und sie duldete die Einbeziehung von salafistischen Gruppen auf lokaler Ebene, wenn diese zur Prävention von Terrorismus beitragen konnten und weder gegen Gesetze verstießen noch Gewalt ausübten. Es ist bezeichnend, dass »Prevent« in dieser Phase tatsächlich als Programm zur »Verhinderung von gewaltbereitem Extremismus« bekannt war.
All das änderte sich mit der Überprüfung von »Prevent« im Jahr 2011, mit der die »Prevent-2«-Phase eingeläutet wurde. Dabei rückte der »werteorientierte« Ansatz in den Mittelpunkt. Aus diesem Blickwinkel wird die Hinwendung zu islamistischem Terrorismus nicht allein dem schwierigen Werdegang »gestörter« Individuen zugeschrieben, sondern auch allgemein mit den Einstellungen und Gesinnungen innerhalb der muslimischen Communitys in Zusammenhang gebracht, von denen generell eine Bedrohung ausginge, wie es Michael Gove, der an der Neuausrichtung auf nationaler Ebene beteiligt war, in seinem 2006 erschienenen Buch ausführt.
Der Schritt zu diesem »werteorientierten« Ansatz führte zu einer Reihe von Veränderungen im »Prevent«-Programm. Erstens wurde fast die gesamte »Prevent«-Finanzierung für Gruppen aus muslimischen Communitys gestrichen, weil sie als Partner nicht mehr vertrauenswürdig schienen. Auch die Mittel für die lokalen Behörden wurden erheblich gekürzt und, wie bereits dargelegt, der Kontrolle der Regierung in London unterstellt, weil auch ihnen nicht mehr voll und ganz vertraut wurde. Zweitens ging es bei »Prevent« jetzt offiziell um Extremismus im Allgemeinen und nicht mehr ausschließlich um gewaltbereiten Extremismus, sodass z.B. auch die Kritik an der britischen Außenpolitik von nun an als ein Zeichen für eine Radikalisierung gewertet werden konnte. In der Praxis fand und findet es die britische Regierung fast unmöglich zu definieren, was (nicht gewaltbereiter) Extremismus ist und wie sie dagegen vorgehen soll, ohne gegen grundlegende Rechte zu verstoßen.
Drittens geht man bei diesem Ansatz davon aus, vorhersagen zu können, welche Individuen sich in Richtung terroristischer oder extremistischer Aktivitäten bewegen werden. Wie weiter unten ausgeführt, liegt daher die Priorität darauf, öffentliche Bedienstete zu schulen, solche Individuen zu erkennen und zu melden. Die Forschung ist sich jedoch einig, dass es kein klares Muster an ursächlichen Faktoren oder Verhaltensweisen gibt, mit deren Hilfe vorhersagbar ist, wer sich in eine terroristische oder extremistische Richtung entwickeln wird. So haben z.B. einige Mitglieder von salafistischen Gruppen zu Gewalt gegriffen, viele andere aber nicht. Deshalb ist ein Verbot oder eine Strafandrohung für Gruppen dieser Art vermutlich eher ineffektiv. Eine strenge Überwachung oder rechtliche Maßnahmen (etwa rechtliche Auflagen für bestimmte Vereine oder die Einschränkung der Bewegungsfreiheit verdächtiger Personen), würden nicht nur gegen Bürgerrechte und gesellschaftliche Normen verstoßen, sondern könnten sich sogar insofern als kontraproduktiv erweisen, als sie eine größere Feindseligkeit schüren und dazu führen könnten, dass sich Muslime von der Gesellschaft abwenden, weil sie das Gefühl haben, dass sie und Menschen wie sie ohne klare Beweise beschuldigt werden. Aus diesem Grund ist die »Prevent«-Pflicht in Großbritannien so umstritten.
Die »Prevent«-Pflicht
Die Einführung der »Prevent«-Pflicht (Prevent duty) im Jahr 2015 war die logische Folge des werteorientierten Ansatzes. Sie erhielt durch zwei Umstände Auftrieb: zum einen dadurch, dass junge britische Staatsbürger nach Syrien ausreisten, zum anderen durch eine Kontroverse über den ultrakonservativen muslimischen Einfluss auf öffentliche Schulen in Birmingham, der als »Extremismus« ausgelegt wurde. Die »Prevent«-Pflicht ist insofern international beispiellos, als sie von Fachkräften verlangt, jenseits ihrer normalen beruflichen Verantwortlichkeiten Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung umzusetzen. An Universitäten waren die Maßnahmen besonders umstritten, weil die freie Meinungsäußerung und wissenschaftliche Freiheit bedroht schien. Hier führte der Protest zu einigen politischen Kompromissen, aber in Schulen und Berufsfachschulen, im Gesundheits- und Sozialwesen wurde die gesetzliche Pflicht voll umgesetzt und Tausende öffentliche Bedienstete wurden entsprechend geschult. Bei den von der Regierung durchgeführten Überprüfungen, z.B. den OFSTED-Inspektionen
Die »Prevent«-Pflicht geht mit der Forderung einher, Individuen, die »radikalisierungsgefährdet« zu sein scheinen, dem »Channel«-Projekt zu melden. »Channel« ist heute eines der »Prevent«-Elemente, dem höchste Priorität eingeräumt wird, und es verkörpert mit seinem kriminalpräventiven Ansatz die Problematik von »Prevent 2«: Es werden Menschen (von denen viele unter 18 Jahre alt sind) gemeldet, die gar keine Straftat begangen oder auch nur geplant haben. Hätten sie das getan, würde die Polizei ihre normalen Ermittlungen aufnehmen. Stattdessen sind die Meldungen häufig aufgrund von bestimmten Aussagen oder Denkweisen oder eines bestimmten Verhaltens dieser Menschen erfolgt.
Die auf nationaler Ebene festgelegten Indikatoren, nach denen die Fachkräfte ihre Beurteilungen machen, sind ebenso umstritten wie problematisch, weil sie Veränderungen beschreiben, die auf viele Teenager zutreffen könnten.
Welche Auswirkungen die »Prevent«-Pflicht hat, ist umstritten. Auch wenn die Medien bestimmte Fälle herausgepickt haben und die Berichterstattung in einigen dieser Fälle nicht korrekt war,
Jüngere Untersuchungen dazu, wie Lehrkräfte diese Pflicht in Schulen und Berufsfachschulen verstehen und umsetzen,
Was die Lehrkräfte jedoch kritisieren, ist, dass es seitens der Regierung keine Unterstützung dafür gibt, Bildungsmaßnahmen, die dazu beitragen, dass Jugendliche eine größere Resilienz gegen die »Verführungen« des Extremismus aufbauen, in den Lehrplan aufzunehmen. Lehrkräfte und Jugendsozialarbeiter versuchen dennoch, solche Maßnahmen, etwa Gespräche mit den Jugendlichen zu kontroversen politischen und gesellschaftlichen Themen, im Rahmen ihrer Regelarbeit anzubieten, bekommen aber wenig inhaltliche oder finanzielle Unterstützung durch »Prevent« oder die Regierung. Damit setzt sich ein Problem fort, das seit Beginn besteht:
Schlussfolgerung: Die britische »Prevent«-Strategie heute
»Prevent« ist heute noch genauso umstritten wie in den ersten Jahren. Es deutet sich jedoch an, wie die Bevölkerung allmählich davon überzeugt werden könnte, dass das Programm nützlich und notwendig ist. Ein sich gerade entwickelnder Ansatz ist, die »Prevent«-Arbeit transparenter zu machen. Die Medien erhalten jetzt Zugang zu tatsächlichen Fällen, die von »Channel« bearbeitet wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass es sich in einigen Fällen um rechtsextreme Personen handelte, also nicht immer nur um Muslime, und dass viele von ihnen ernsthafte Probleme hatten, die eine Intervention erforderlich machten. Es deutet auch einiges darauf hin, dass »Prevent« aufgrund der gesetzlichen »Prevent«-Meldepflicht allmählich verschwinden könnte, indem es nicht nur nach und nach Teil des gängigen Kinder- und Jugendschutzes und der Beratungsarbeit wird, sondern auch Teil der politischen Bildung. Hier wäre es ein hilfreicher Schritt, wenn die Polizei sich noch weiter aus dem »Prevent«-Programm zurückziehen würde. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass die Regierung in London erkennt, dass es ein Fehler war, den Kommunen die (finanzielle) Unterstützung zu entziehen. Die finanzielle Förderung für lokale »Prevent«-Maßnahmen nimmt langsam wieder zu, aber es ist noch unklar, ob die Regierung jetzt den muslimischen Organisationen vertrauen und ihnen Fördermittel anbieten wird und ob diese die Mittel dann auch akzeptieren würden. Die neue Herausforderung für »Prevent« sind die Rückkehrer aus Syrien. »Prevent« ist nicht für den Umgang mit Menschen konzipiert, die schon sehr radikalisiert und möglicherweise traumatisiert sind, dafür sind ein breiteres Spektrum an Experten und bessere Verfahren zur Risikobeurteilung vonnöten. Die behördenübergreifende Beratung im Rahmen des »Channel«-Projektes könnte jedoch eine Hilfe für die Rückkehrer sein. Die wirkliche Arbeit der Reintegration kann jedoch nur von der (muslimischen) Zivilgesellschaft geleistet werden. Damit zivilgesellschaftliche Gruppen, insbesondere muslimische Gruppen und Organisationen, Gelder von der Regierung akzeptieren, müssen sie vielleicht über einen anderen Mechanismus als »Prevent«, der nicht direkt ein Regierungsprogramm ist, vergeben werden.
Die Übersetzung des englischen Originaltextes besorgte Ina Goertz.
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