1. Die folgenden Bemerkungen knüpfen an den Aufsatz „Mittlere Geschichte im Lernfeld Politik" von Dieter Schmidt-Sinns an, den er Wolfgang Hilligen widmet und der als Vor-abdruck in „Aus Politik und Zeitgeschichte", B 41/76, erschien.
Dieser Aufsatz ist bemerkenswert, weil nach langer Zeit das Mittelalter wieder als ein Gegenstand aufgefaßt wird, der nicht nur selektiv für diese oder jene aus der Gegenwart aufgeworfene Fragestellung im Unterricht benutzt werden soll; es erscheint vielmehr in seiner historischen Bedeutung als eine ernst genommene geschichtliche Wirklichkeit im Bildungshorizont der Gegenwart. Damit ist in der Diskussion um die Bedeutung der Geschichte im gesellschaftskundlichen Unterricht die „Schallmauer" durchstoßen, die das Interesse des politischen Unterrichts an geschichtlichen Epochen als Ganzes nicht über die französische Revolution hinausdringen ließ.
So sehr dieser Intention des Verfassers und einer Reihe von ihm angeführter Hinweise — etwa zur didaktischen Funktion der „Verfremdung" und den die Gegenwart mitbestimmenden Nachwirkungen der weltgeschichtlichen Epoche des Mittelalters — zuzustimmen ist, so nachdrücklich müßte jedoch die Diskussion der didaktischen Denkfigur nachgehen, die diesen Aufsatz trägt: Die Zuweisung einer breiten Beachtung des Mittelalters im politischen Unterricht zu bestimmten politischen Optionen und Lernzielen. 2. Die Grundfigur dieses didaktischen Ansatzes ist die der Legitimierung einer politischen Grundkonzeption der Gegenwart durch eine Deutung der Geschichte. Die Beziehung zwischen Gegenwartsverständnis und Geschichtsdeutung, eine der wesentlichsten Strukturen aller Historie, bedarf einer sorgfältigen Analyse nicht nur ihres jeweiligen Inhaltes, sondern auch ihrer inneren Konsistenz. Die Frage, die dieser Aufsatz aufwirft, heißt nicht nur: „Was kann im , Lernfeld Politik’ aus der Geschichte des Mittelalters gelernt werden?", sondern auch, „Wie ist ein solches Lernen aus der Geschichte möglich und verantwortbar?"
Dazu einige Hinweise: Mit Recht stellt der Verfasser fest, daß die Geschichte des Mittelalters im 19. Jahrhundert und weit bis ins 20. Jahrhundert hinein als politische Geschichte ihre Beliebtheit in der stimulierenden und legitimierenden Funktion besaß, die sie für das Selbstverständnis des deutschen Nationalstaates, des „Zweiten Deutschen Kaiserreiches", erfüllen konnte. Das politische Ziel der Jahrhundertwende: die Ausdehnung der Einflußsphäre in die Weltmachtdimension, konnte auf die Kaiserpolitik des Mittelalters zurückprojiziert werden und sich damit historisch legitimieren. Daß eine solche Legitimation den „Interessen von Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik" (S. 23) entgegenkam, ist gewiß eine im ganzen richtige Behauptung; man müßte freilich auch die Abweichungen daneben setzen und z. B. konstatieren, daß die Wissenschaft schon damals die Frage nach der Möglichkeit, eine „große Linie" aus der mittelalterlichen Politik in die Gegenwart des 19. Jahrhunderts zu ziehen, aufgeworfen hat; daß neben der Dominanz der politischen Geschichte im 19. Jahrhundert die Forderung nach einer neuen „Kulturgeschichte" (Lamprecht) trat, also eine Art Sozial-und Verfassungsgeschichte mit starker Beachtung der mentalen Faktoren gefordert wurde, die diese Legitimationsfunktionen nicht erfüllte.
Dennoch bleibt richtig und aus Lehrplänen und Schulbüchern in aller Massivität nachweisbar, daß „Mittlere Geschichte im Lernfeld Politik" eine deutliche Funktion der Legitimierung nationaler deutscher Einheits-und Großmachtsansprüche erfüllte. Aus einem spezifischen Gegenwartsverständnis und einem deutlichen Zukunftswollen erfuhr die Geschichte eine ganz bestimmte, zugespitzte Deutung.
Diese Art des „Lernens" aus der Geschichte ist zwar weitverbreitet, in ihrer Fragwürdigkeit aber längst und immer wieder vergeblich aufgezeigt worden. Unverwischbar prägte freilich die Geschichte des Mittelalters vUz allem im gesamten kulturellen Bereich den geographischen und mentalen Kernbestand dessen, was man heute noch als „deutsch" bezeichnet. Schmidt-Sinns ist zuzustimmen, wenn er den Prozeß der Entstehung nationaler Identitäten im Mittelalter ansetzt; diese, durch die Geschichte hindurchreichende, sich auf gemeinsame Erfahrung und Erinnerung, auf gemeinsame Sprache, Kultur, Denkund Verhaltenstraditionen zurückführende Identität ist auch heute noch eine ebenso schwer und kaum eindeutig zu beschreibende wie wirksame Realität. Aber eine bestimmte Form des nationalen Staates, wie er im 19. Jahrhundert entstand, oder gar bestimmte weltpoliti -sche Konzeptionen, welcher Art auch immer, aus der Geschichte des Mittelalters zu legitimieren, bedeutete kein „Lernen" der Geschichte, sondern ihren instrumentalen Gebrauch zu gegenwärtigen Zwecken. 3. Die Frage ist nun, ob diese fragwürdige Figur des „Lernens" aus der Geschichte verschwindet, wenn man ihren Inhalt austauscht. Ist es falsch gelesen, wenn man den Eindruck hat, daß Schmidt-Sinns in seinem Aufsatz nunmehr die mittelalterliche Geschichte heranzieht, um seine These zu rechtfertigen, daß der deutsche Nationalstaat heute ein nicht nur nicht zu realisierendes, sondern auch ein nicht wünschenswertes politisches Ziel darstellt, daß also die Behandlung der Mittleren Geschichte im Lernfeld Politik gerade nicht die Herstellung einer nationalen Identität, 'sondern die Skepsis ihr gegenüber bezwecken müsse? Wäre aber einem solchen Ziel, das dem Unterricht über das Mittelalter im Lernfeld Politik zugewiesen wird, nicht der gleiche Vorwurf zu machen, der dem instrumentellen Gebrauch eines anders akzentuierten Geschichtsbildes vom Mittelalter im 19. Jahrhundert gemacht wird? Kommt es bei einem bloßen Austausch des „Was", aber bei einer Beibehaltung des „Wie" im historisch-politischen Lernprozeß nicht immer zu den prinzipiell gleichen Fehlleistungen? Wird auf diese Weise aus der Geschichte weniger „gelernt" als vielmehr „entnommen"? Einige Beispiele aus dem Aufsatz von Schmidt-Sinns können diese Bedenken konkretisieren: — Vorweg: Die Empfehlung, die Identität nicht mehr im Rahmen eines deutschen Nationalstaates, sondern der Bundesrepublik zu suchen, ist ebenso diskutabel wie der Hinweis, daß die Präambel des Grundgesetzes nicht historischen Veränderungen entzogen werden kann. Diese politischen Erwägungen können sich auf eine ganze Reihe von Symptomen im gegenwärtigen politischen und sozial-psychischen Bereich stützen. Aber sie sind nicht die Konsequenzen von „möglichen Einsichten aus der Geschichte" (S. 29), die im Lernfeld Politik das Ziel rechtfertigen könnten, von der nationalen Identität Abschied zu nehmen. Die Geschichte des Mittelalters für sich rechtfertigt weder die Gründung noch die Auflösung des deutschen Nationalstaates. Die Hinweise auf die Geschichte des Mittelalters, die als „mögliche Einsichten" die Abkehr von der nationalen Identität begründen sollen, sind recht schwach: — Die Grenzen des 10. Jahrhunderts sind keine Grenzen, welche die heutigen Grenzziehungen legitimieren könnten. Der „politisch denkende Betrachter der Geschichte" (S. 28) wird gerade dies bemerken, wenn er auf die unterschiedlichen Funktionen von Grenzen in unterschiedlichen Epochen achtet; — daß ein geeinter Staat nicht Normalität, sondern Ausnahmefall der deutschen Geschichte war, ist ebenso richtig wie die Bemerkung, daß sich dies auch auf andere europäische Nationalstaaten in gleicher Weise übertragen läßt und dort dennoch nicht als Einsicht aus der Geschichte in der Politischen Bildung vertreten werden dürfte; — die Fragwürdigkeit der Verwendung des Begriffes „Staat" über die Jahrhunderte hinweg braucht nicht eigens betont zu werden; der Slawenaufstand von 983 konnte noch keinen „Staat" erschüttern; — die Gründung des deutschen Nationalstaates im 19. Jahrhundert geschah zwar im Zusammenhang, aber keineswegs „in der Folge" dreier Kriege; sie hatte erheblich tiefere Motivationen; — wenn das Deutsche Reich nie ein Nationalstaat im strengen Sinne war, so teilte es dies ebenfalls mit anderen Nationalstaaten in Europa; selbst der Paradefall Frankreich genügt solch strengen Ansprüchen nicht. Bismarcks Reich war im Hinblick auf die Grenzen und die sie umfassenden Stämme keineswegs ein Anachronismus, es sei denn, man bezeichnet die Mehrzahl der europäischen Nationalstaaten im 19. Jahrhundert als anachronistische Phänomene; — daß das Zweite Deutsche Kaiserreich „durch seine bloße Existenz" den Weltkrieg ausgelöst habe, dürfte wohl kaum der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen. „Immer wird die deutsche Einigung der Schock Europas sein" (S. 28) : Diese Behauptung zeigt, wie das politische Lernziel mit den geschichtlichen Einsichten gleichsam Schlitten fährt. Daß Lothars Panzerreiter, daß der Supremat des deutschen Kaisertums oder die Machtent-B faltung des Zweiten Kaiserreiches anderen Nationen nicht behagte oder ihren Interessen zuwiderlief, sofern sie nicht davon profitierten, ist ein Normalfall der europäischen Geschichte; er findet sich bei allen Nationen, welche vorübergehend in die Rolle der Hegemonialmacht traten. Den deutschen Nationalstaat aus so zusammengeflickten „Einsichten" der Geschichte generell als „Schock Europas" (S. 28) zu bezeichnen, ist der gleiche fragwürdige Einsatz der Mittleren Geschichte im Lernfeld Politik, wie wir ihn am 19. Jahrhundert kritisieren. 4. Ist an solchen Argumentatiohsfiguren, welche die aufklärende und verständniserweiternde, nicht aber determinierende historische Einsicht deformieren, die Einordnung der Geschichte in das politische Lernfeld, die Unterordnung historischer Betrachtung unter politische Ziele schuld? Suggeriert die Einbeziehung von Geschichte ins Lernfeld Politik geradezu die Heranziehung der Geschichte zur Legitimation konkreten politischen Wollens?
Man kann es vermuten, wenn man sieht, wie der Verfasser des Aufsatzes die von ihm herangezogene Literatur selektiv mißversteht. Hermann Heimpel muß in diesem Zusammenhang als jemand erscheinen, der die politische Einheit Deutschlands in Frage stellte, weil sie ein Ausnahmefall in der Geschichte war; aber gerade Heimpel hat in den von Schmidt-Sinns herangezogenen Aufsätzen aus der Tatsache, daß die deutsche Einheit der Ausnahmefall gewesen ist, mit entgegengesetzter Tendenz darauf hingewiesen, daß der deutsche Nationalstaat, da er nicht naturgegeben sei, gewollt werden müsse: „Deutschland ist unteilbar: das Motto dieser Tagung bezeichnet nicht eine geschichtliche Tatsache, sondern ist Ausdruck eines Willens . . . womit wir uns nicht abfinden wollen und auch nicht abfinden müssen, daß ist die Teilung Deutschlands". (H. Heimpel, Kapitulation von der Geschichte? Göttingen 19603, S. 29.)
Noch gröber ist das Mißverständnis, daß Schmidt-Sinns dem Entwurf einer Unterrichts-einheit von Erich Kosthorst angedeihen läßt. (Die Teilung Deutschlands und die Entstehung zweier deutscher Staaten, in: Geschichtsunterricht, Inhalte und Ziele, hrsg. von J. Rohlfes und K. -E. Jeismann, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Sonderheft 1974, S. 151— 162.) Was Schmidt-Sinns am Ende seines Aufsatzes für sich und andere als die einzige Möglichkeit der Stellungnahme zur nationalen Identität feststellt, wird von Kosthorst in sehr viel vorsichtigerer Weise als Fragestellung historisch aufbereitet. Kost-hörst versucht, die Faktoren, die in der Gegenwart für die in der Präambel zum Grundgesetz ausgesprochene Willenserklärung wirken, ebenso aufzubereiten wie die, welche ihr zuwiderlaufen. Aufgrund einer sorgfältigen Abwägung will er den Schüler zu einer Entscheidung befähigen, sie ihm aber nicht aufdrängen.
Schmidt-Sinns kritisiert nun ausschließlich jene Faktoren, die in Kosthorsts Analyse für die Erhaltung einer nationalen Identität sprechen. Diese Kritik kann aber nicht überzeugen. Daß z. B.der Mecklenburger eine andere Mundart spricht als der Bayer, dürfte die Bedeutung der gemeinsamen deutschen Hochsprache als eines identitätsstiftenden Elementes nicht in Frage stellen. Auch ist der Begriff der „Kulturnation" keine willkürliche Erfindung, und seine Wiederaufnahme ist kein „Rückfall in das 19. Jahrhundert" (S. 27). Es ist die Bezeichnung einer aus der Geschichte nicht allein des 19. Jalhunderts, sondern auch des Mittelalters überkommenen Gemeinsamkeit. Nur auf der Basis der vielfältigen Erscheinungen, die dieser Begriff zusammenfaßt, ist ja die Begründung der Politik der Bundesregierung Brandt sinnvoll, wenn sie die Grenzen zwischen beiden deutschen Staaten durchlässiger machen wollte, um die menschlichen Beziehungen, die verwandtschaftlichen wie die kulturellen, um den Austausch der Meinungen und Informationen enger zu gestalten — in der ausgesprochenen und der Opposition immer wieder entgegengehaltenen Auffassung, daß man nur auf diese pragmatische Weise die Einheit der Nation als Realität über den akuten staatlichen Grenzziehungen erhalten könne.
Schmidt-Sinns scheint die DDR und ihre Menschen offenbar mit dem „Staatssozialismus" gleichzusetzen (S. 27); das ist eine ungeheuere Vereinfachung der vielfältigen Faktoren, die eine Gesellschaft als solche bestimmen; es ist zugleich ein Abschreiben der DDR als eines mit der Bundesrepublik Deutschland vielfältig verflochtenen Staates aufgrund einer konträren Staats-und Wirtschaftsordnung. Wenn man diese schwerwiegenden und folgenreichen Vorstellungen entwickelt, müßte man sehr viel genauer abwägen, was für sie spricht und auch, was ihnen entgegensteht. So wie es hier geschieht, zeigt sich, daß der Blick in die Geschichte durch das politische Ziel vorgeprägt ist: die nationale Identität aufzugeben, eine BRD-Identität zu entwickeln und diese in das „höhere Lernziel eines welt-bürgerlichen Bewußtseins" (S. 29) einzubetten. Noch einmal: Es wird nicht gegen eine solche Zielsetzung des politischen Unterrichtes polemisiert; sie ist eine unter möglichen. Aber gerade wenn sie ernst genommen wird, bedarf sie genauer Analyse der ihr zuwiderwirkenden Kräfte, ihrer möglichen Konsequenzen sowie der Abwägung von Gewinn und Verlust. Dazu kann der Blick in die Geschichte auch des Mittelalters helfen, nicht aber zur schnellen Legitimation eines solchen politischen Lernziels.
5. Es ist nicht die Absicht dieser Bemerkungen, Kritik an einzelnen, anfechtbaren Rückgriffen auf die Geschichte des Mittelalters innerhalb der Lernzielbestimmungen des politischen Unterrichtes zu üben. Der kritische Hinweis auf Einzelheiten soll vielmehr die Frage provozieren, ob es ein richtiger didaktischer Griff ist, Geschichte in ein anderes „Lernfeld" einzuordnen — ob nicht umgekehrt der Weg beschritten werden sollte, andere Lernfelder, zumal das Lernfeld Politik, aus dem historischen Zusammenhang, in dem es notwendig steht, zu strukturieren. Anders gefordert: Es müßten die Beziehungen zwischen politischem und historischem Unterricht aus einem Unterordnungs-und Ableitungsverhältnis befreit und Formen der Kooperation entwickelt werden, welche die Lernmöglichkeiten, ihre Chancen wie ihre Grenzen in der Kooperation erschließen. Diese Kooperation könnte je nach Gegenstand und Zielsetzung von einer sich ergänzenden Eigenständigkeit des Unterrichts bis zur Integration führen.
Ein letztes Beispiel aus dem Aufsatz von Schmidt-Sinns mag zeigen, was verfehlt werden kann, wenn man von der Unterordnung historischer Einsichten unter Lernziele der Politik ausgeht. Von dem gestuften Lernziel, die Identität der Bürger mit der Bundesrepublik und nicht mit einem nationalen deutschen Staat zu entwickeln und sie in das „höhere Lernziel eines weltbürgerlichen Bewußtseins" einzubetten, bekommt Schmidt-Sinns nicht mit in den Blick, daß „Weltbürgertum und Nationalstaat" als Postulate miteinander entstanden und vielfältig zusammenhingen. Als Tendenzen der gleichen Epoche sind sie im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert gleicherweise verschränkt zu bestimmenden Regulativen unserer eigenen Epoche geworden. Diese historische Einsicht könnte davor warnen, Nationalbewußtsein und Weltbürgerbewußtsein als Alternativen aufzufassen. Zu verflochten und zu ambivalent ist das Verhältnis dieser beiden Identifikationsangebote, als daß man eines von ihnen eliminieren und das andere verabsolutieren könnte. Diese historische Einsicht gibt zwar kein unmittelbares politisches „Lernziel"; sie bewahrt aber davor, politische Lernziele zu unbefangen und unreflektiert zu setzen; sie zeigt, auf welche Bedingungen und Grenzen politischer Wille stößt, welche Vorgegebenheiten er zu berücksichtigen, welche Nebenwirkungen er einzukalkulieren hat. Eine nicht im Lernfeld Politik als Legitimationssubstanz verplante, sondern eine offene Beschäftigung mit der Geschichte läßt dieses Lernfeld Politik mit seinen Zielen und Inhalten selbst als ein historisches erscheinen, gibt die Möglichkeit zu erkennen, wo der politische Wille herkommt, was er historisch eigentlich „ist". Diesen politischen Willen, didaktisch als „Lernziel" formuliert, wird die Geschichte weder rechtfertigen noch widerlegen; sie kann ihn aber klären und zum differenzierteren Verständnis seiner selbst bringen. Damit leistet Beschäftigung mit der Geschichte allerdings das, was auch Schmidt-Sinns mit Recht erkennt: Sie vermittelt auf indirekte Weise Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive. Sie kann es aber nur verläßtlich tun, wenn sie nicht in einem Lernfeld Politik vorweggesetzten politischen Lernzielen unmittelbar unterworfen wird; das provoziert nur ein täuschendes Echo aus der Geschichte, ist eine Veranstaltung zur Selbstbestätigung. Soll der Geschichtsunterricht die Funktion einer Klärung und Aufklärung politischen Denkens und Verhaltens bewirken, muß er aus politischen und didaktischen Legitimationsfunktionen befreit werden.
Wenn die Diskussion um den Aufsatz von Schmidt-Sinns die in ihm enthaltene didaktische Problematik einer tieferen Erörterung zuführt, wäre dem politischen Unterricht wie dem Geschichtsunterricht ein großer Dienst erwiesen.