In die Bonner Klimaverhandlungen im November vergangenen Jahres platzte eine schockierende Nachricht: Die weltweiten Treibhausgasemissionen sind erstmals seit drei Jahren wieder angestiegen. Nach einiger Zeit der Stagnation hatten manche die Hoffnung, der Wendepunkt sei bereits erreicht – ein naiver Trugschluss. Die nüchterne Realität ist, dass viele Staaten trotz des historischen Abkommens von Paris noch keine ausreichenden Schritte unternommen haben, ihre Emissionen zu senken. Stattdessen bauen sie nach wie vor Kohlekraftwerke und subventionieren die Nutzung von Kohle, Öl und Gas.
Dabei schien die Welt nach dem diplomatischen Durchbruch von 2015 auf dem richtigen Weg zu sein: Versprachen doch etwa Investoren in Paris, dass sie ihre Beteiligungen an fossilen Unternehmen am Aktienmarkt verkaufen; Rückversicherungsgesellschaften veröffentlichen seither drastische Schadensmeldungen und warnen auf den Kapitalmärkten vor den Risiken des gefährlichen Klimawandels. Das Weltwirtschaftsforum, das im Januar 2018 wieder in Davos tagte, hat in seinem Risikobericht die globalen Klima- und Umweltrisiken als die schwerwiegendsten Risiken für die Weltwirtschaft eingeschätzt – noch vor der weltweiten Bedrohung durch Finanzkrisen oder Terrorattacken. Die Kosten für die erneuerbaren Energien sinken zudem dramatisch. Es scheint, als sei sich die Wirtschaft der Gefahr des Klimawandels bewusst und hätte den Weg in Richtung einer CO2-freien Weltwirtschaft bis zur Mitte des Jahrhunderts eingeschlagen.
Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten haben die USA jedoch eine klimapolitische Rolle rückwärts vollzogen. Aber auch die Regierungen anderer wichtiger Staaten sind noch weit davon entfernt, die versprochene Trendwende einzuleiten, die den Zielen des Paris-Abkommens auch nur im Ansatz gerecht wird. Selbst der einstige Vorreiter Deutschland wird seine Klimaziele für 2020 nicht annähernd erreichen. Warum ist es so schwer, die Weltwirtschaft auf den Pfad der klimapolitischen Tugend zu führen? Warum setzen Regierungen weiter auf den Ausbau der Kohle – trotz des internationalen Drucks, auf künftigen Klimakonferenzen Erfolge vorweisen zu müssen?
Menetekel der Klimapolitik: Niedrige Preise
Die internationale Klimapolitik hat ein Grundproblem: Die Preise für Kohle, Öl und Gas verharren auf niedrigem Niveau und werden für die klimapolitisch relevante Zukunft weiter dort bleiben, weil es ein Überangebot an fossilen Energieträgern gibt. Die weltweiten Kohlevorräte sind nahezu unbegrenzt, und Kohlekraftwerke erzeugen im Vergleich zu Gaskraftwerken billigeren Strom, was Kohle für die Schwellen- und Entwicklungsländer besonders attraktiv macht. So beträgt der Anteil der Kohle an der Primärenergie in China heute 70 Prozent. Damit verbraucht das Land beinahe so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammengenommen und ist der mit Abstand größte CO2-Emittent (Abbildung 1). Zwar hat sich der Zubau neuer Kohlekraftwerke in China verlangsamt, dafür wollen andere Länder den Ausbau der Kohle sogar noch beschleunigen. So hat beispielsweise Indien angekündigt, die Nutzung seiner heimischen Kohle bis zum Jahr 2019 im Vergleich zu 2013 zu verdoppeln. Damit soll – den oft verheerenden gesundheitlichen Konsequenzen zum Trotz – breiten Bevölkerungsschichten, aber auch den Ärmsten ein zuverlässiger Zugang zu Elektrizität verschafft werden.
Länder wie die Türkei, Indonesien, Vietnam, Südafrika, Korea, Japan oder Bangladesch planen ebenfalls neue Kohlekraftwerke. Insgesamt sind weltweit 1.500 Kohlekraftwerke im Bau oder in Planung. Allein die im Betrieb befindlichen und neu geplanten Kohlekraftwerke werden die Atmosphäre über ihre gesamte Lebensdauer von durchschnittlich 40 Jahren mit etwa 330 Gigatonnen (Gt) CO2 belasten. Damit verbrauchen sie allein schon fast die Hälfte des CO2-Budgets für die Temperaturobergrenze von zwei Grad Celsius, zu dessen Einhaltung sich die Regierungen in Paris verpflichtet haben.
Wir wissen heute: Nicht die Knappheit von Kohle, Öl und Gas wird das 21. Jahrhundert prägen, sondern die begrenzte Aufnahmefähigkeit von Klimagasen durch die Atmosphäre. Ein einfacher Vergleich zeigt die ganze Dramatik der Situation: So lässt sich die in Paris beschlossene Begrenzung des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad Celsius in ein Budget von etwa 700 bis 800 Gt CO2 übersetzen. Das ist die Menge, die die Menschheit noch maximal in der Atmosphäre ablagern darf, bevor das Zwei-Grad-Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit verfehlt wird. Demgegenüber stehen geschätzte 15.000 Gt CO2, die als Kohle, Öl und Gas im Boden lagern.
Für die Klimapolitik hat dies einschneidende Konsequenzen: Die politischen Entscheidungsträger können nicht mehr hoffen, dass der Handlungsdruck von den Märkten kommt. Sie selbst müssen durch internationale Regeln und Vereinbarungen dafür sorgen, dass die fossilen Ressourcen im Boden bleiben und die Atmosphäre als das Gemeinschaftsgut der gesamten Menschheit geschützt wird. Andernfalls drohen zunehmende Fluten und Dürren, verschärfte Hungersnöte, vermehrte Hitzewellen, sogar die Zerstörung ganzer Städte durch Hurrikans.
Lösung durch technischen Fortschritt?
Wie aber soll die Klimapolitik darauf reagieren, wenn ihre minimalen Verhandlungserfolge durch die niedrigen Preise für Kohle, Öl und Gas ständig zunichte gemacht werden? Viele Ingenieure und Politiker hoffen, der technische Fortschritt der erneuerbaren Energien senke deren Stromgestehungskosten so weit, dass niemand mehr einen Anreiz hat, Kohle aus dem Boden zu holen. In der Tat sind die Kosten für Windkraft und Photovoltaik in den vergangenen zehn Jahren dramatisch gesunken, und ihr Anteil an neu installierten Anlagen steigt stetig. Unter optimalen Bedingungen sind die Stromgestehungskosten von Wind schon heute niedriger als die von Kohle. Rechnet man jedoch die Kosten der Fluktuation des Windes ein, ist Windstrom immer noch teurer als Kohlestrom, zumindest wenn sein Anteil im Netz hoch ist. Bei Solarenergie sieht es ähnlich aus. Der technische Fortschritt bei den Speichertechnologien und der Ausbau integrierter Stromnetze werden aber auch diese Kosten senken. Dennoch: Die Hoffnung, der technische Fortschritt allein werde das Klimaproblem lösen und man könne sich zeitraubende internationale Verhandlungen ersparen, ist trügerisch.
Werden nämlich CO2-freie Technologien wie die Kernenergie oder die erneuerbaren Energien billiger, steigt zwar deren Marktanteil, fossile Energieträger werden dann jedoch weniger nachgefragt. Dieser Rückgang wird teilweise dadurch wettgemacht, dass bei sinkender Nachfrage die Preise für Kohle, Öl und Gas fallen und so insgesamt mehr fossile Energie verbraucht wird. Das gilt insbesondere in Ländern, die sich keine stringenten Klimaziele gesetzt haben. Der technische Fortschritt bei den Erneuerbaren bedingt also nicht eins zu eins den Rückgang fossiler Energien. Die Förderung CO2-freier Technologien wird alleine nicht zum Ziel führen. Erst wenn die Verursacher von Treibhausgasen für ihre Emissionen zahlen müssen, ändert sich die Situation grundlegend. Denn ein CO2-Preis begünstigt nicht nur die Erneuerbaren, er verteuert auch die Nutzung der fossilen Energieträger. Dadurch verschwindet der Anreiz, vermehrt Kohle, Öl und Gas zu nutzen. Die Klimapolitik muss also den Preis für CO2 erhöhen, wenn die Emissionen dauerhaft sinken sollen.
Leider ist heute das Gegenteil der Fall: Fossile Energieträger werden nach wie vor beträchtlich subventioniert – ihre Nutzung ist zu billig, gemessen an den Umwelt- und Gesundheitskosten, die sie verursachen. Legt man diese Kosten als Berechnungsmaßstab zugrunde, so wird die Tonne CO2 im weltweiten Schnitt mit 150 US-Dollar jährlich subventioniert. Es kommt also in den nächsten Jahren darauf an, dass aus Subventionen, also negativen Preisen, positive CO2-Preise werden. Dies würde auch dazu beitragen, die globale Wirtschaftsordnung gerechter zu gestalten. Der Sinn der CO2-Bepreisung besteht ja gerade darin, zu verhindern, dass die reichen Länder weiter ungehemmt Treibhausgase emittieren und damit die Klimaschäden den Ärmsten aufbürden.
Notwendige CO2-Bepreisung
Die Einführung von CO2-Preisen ist leichter gefordert als politisch umgesetzt. Neben den innenpolitischen Hindernissen wie etwa steigenden Strompreisen türmen sich vor der Klimapolitik auch die Hindernisse der Globalisierung auf: Wenn nur ein einzelner Staat CO2-Preise einführt, verliert er an Wettbewerbsfähigkeit – und das umso mehr, je stärker seine Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte in die Weltwirtschaft integriert sind. Darum ist internationale Kooperation zwingend notwendig. Nur wenn alle Staaten in gleichem Maße Klimaschutz betreiben, kann verhindert werden, dass einzelne Staaten Wettbewerbsnachteile erleiden. Internationale Kooperation erfordert glaubwürdige gegenseitige Verpflichtungen – und genau daran droht das System der freiwilligen Selbstverpflichtungen zu scheitern, das in Paris beschlossen wurde. Stellen die Länder fest, dass ihre eigenen Anstrengungen nicht durch eine entsprechende Klimapolitik in anderen Ländern erwidert werden, wird kein Staat seine Verpflichtungen einhalten.
Wie aber könnten Verhandlungen aussehen, die zu internationaler Kooperation führen? Ein möglicher Weg wäre, dass einzelne Länder sich verpflichten, einen nationalen CO2-Preis einzuführen – entweder als Steuer oder als Mindestpreis in einem Emissionshandelssystem. Die nationalen CO2-Preise sollten aber an die Bedingung geknüpft sein, dass die Länder nur dann hohe Preise einführen, wenn ihnen andere Staaten darin folgen. Mit dieser Strategie könnten Befürchtungen über Wettbewerbsnachteile durch CO2-Bepreisung entkräftet werden. Zudem würden Staaten bestraft, wenn sie aus dem Abkommen aussteigen: Andere Länder würden dann ebenfalls ihre Preise – und damit ihre Anstrengungen zu Emissionsminderungen – senken, was langfristig zu erhöhten Klimaschäden führt.
Die CO2-Preise müssten über die Zeit hinweg so angepasst werden, dass das Zwei-Grad-Ziel auch erreicht wird. Die Weltbank hat in einem Bericht konkrete Preise berechnet, die dafür notwendig sind: Bis 2020 müssten sie auf einem Niveau zwischen 40 und 80 US-Dollar pro Tonne CO2 liegen; bis 2030 sollten sie dann zwischen 50 und 100 US-Dollar erreicht haben. Da die Einnahmen aus einer CO2-Steuer in dem Land verbleiben, das sie erhebt, könnten sie zum Beispiel für Steuersenkungen oder zur Finanzierung nachhaltiger Infrastruktur verwendet werden.
Es ist ermutigend, dass viele Nationalstaaten bereits entweder eine CO2-Steuer oder einen Emissionshandel eingeführt haben. Weltweit werden derzeit etwa 14,6 Prozent der Emissionen durch CO2-Preise reguliert. In den meisten Emissionshandelssystemen wie beispielsweise dem europäischen Emissionshandel dümpeln die Preise aber auf einem niedrigen Niveau; positive Ausnahmen sind Schweden und British Columbia in Kanada, die eine CO2-Steuer von umgerechnet etwa 120 Euro beziehungsweise 30 US-Dollar pro Tonne eingeführt haben.
Zu einer weltweiten Koordination und Anhebung der CO2-Preise wird es angesichts der großen Unterschiede zwischen den Ländern aber nur kommen, wenn es einen Lastenausgleich zwischen Arm und Reich gibt. Transferleistungen an ärmere Länder sollten allerdings nur unter der Bedingung gezahlt werden, dass diese einen Mindestpreis für Emissionen akzeptieren. Die in Paris vereinbarte Bereitstellung von 100 Milliarden US-Dollar zur Klimafinanzierung könnte ein Stützpfeiler dieser Politik werden. Ein Land mit vergleichsweise hohen Kosten der Emissionsminderung würde aus dem Green Climate Fund (GCF) kompensiert werden und hätte somit einen Anreiz, sich zu einer ambitionierten Klimapolitik zu verpflichten. Aber auch die reichen Länder, die in den GCF einzahlen, profitieren davon, weil die ärmeren Staaten zum globalen Klimaschutz beitragen und damit die Kosten des Klimaschutzes senken.
Viele Entwicklungs- und Schwellenländer fürchten jedoch die regressive Wirkung von CO2-Preisen – also dass vor allem Haushalte mit geringem Einkommen überproportional belastet werden. Diese regressive Tendenz ließe sich durch sozial verträgliche und länderspezifische Steuermodelle verringern: So könnten mit Hilfe der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung entweder Transfers an ärmere Haushalte finanziert oder verzerrende Steuern gesenkt werden.
Rolle der internationalen Finanzmärkte
Die Akteure des internationalen Kapitalmarktes spielen eine überragende Rolle in der Klimapolitik: Der norwegische Staatsfonds, Statens Pensjonsfond Utland (SPU), hat bereits die Umstrukturierung seines Aktienportfolios – weg von fossilen Investments – angekündigt. Auch die Allianz-Versicherung hat Aktien von Firmen verkauft, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle erzielen. Einige US-amerikanische und britische Eliteuniversitäten haben sich der Divestment-Bewegung angeschlossen. Dabei verzichten Universitäten, Kirchen, Pensionsfonds, Kleinaktionäre und Versicherungsgesellschaften auf den Besitz von Aktien an Unternehmen, die fossile Energieträger explorieren, fördern und in Kraftwerken nutzen. Der Weg dieser Bewegung scheint auf den ersten Blick vielversprechend: So wird behauptet, dass etwa 90 Unternehmen für zwei Drittel der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, die seit 1850 emittiert wurden; darunter Firmen wie Chevron, ExxonMobil, Saudi Aramco, BP, Gazprom und Shell. Wenn deren Aktien verkauft werden, sinkt der Unternehmenswert der Firmen. Dadurch werden sie entweder Kandidaten für eine feindliche Übernahme durch andere Konzerne oder die billigeren Aktien finden neue Käufer.
Aktien mögen zwar den Besitzer wechseln, aber es gäbe damit noch keinen Zwang des Marktes, das fossile Geschäftsmodell zu ändern. Die Divestment-Bewegung könnte ihr Ziel, die Unternehmen am Markt dauerhaft abzustrafen, nur erreichen, wenn sie alle Investoren dazu bringt, den fossilen Unternehmen dauerhaft das Kapital zu entziehen – und dafür eine geringere Rendite zu akzeptieren. Einige Investoren hätten aber immer noch einen starken Anreiz, die Aktien fossiler Unternehmen zu kaufen und so eine höhere Rendite einzustreichen. Schließlich hätte sich die Rentabilität fossiler Investitionen nicht vermindert. Trittbrettfahrerverhalten würde sich weiter lohnen. Auch staatliche Akteure investieren in die fossile Infrastruktur: Sie finanzieren sich jedoch nicht über den Aktienmarkt, sondern über Steuern und staatliche Anleihen. Daher hat die Divestment-Bewegung auf diese Akteure bislang keinen Einfluss.
Solange es keine glaubwürdige Bepreisung von CO2 gibt, werden ethische Investments eine Randerscheinung bleiben. Erst durch einen verbindlichen CO2-Preis wird der Wert fossiler Unternehmen dauerhaft sinken. Niemand kann dann noch darauf hoffen, dass fossile Investitionen mehr Ertrag abwerfen als klimafreundliche. Bei einem wirkungsvollen CO2-Preis kommt es daher zu einem gewaltigen Divestment, da alle Akteure auf den Finanzmärkten dazu gezwungen werden, in neue Geschäftsmodelle zu investieren. Die mögliche Größenordnung eines solchen Divestments hat bereits den Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, dazu veranlasst, eindringlich vor den Gefahren der sogenannten Stranded Assets zu warnen. Stranded Assets sind Vermögenswerte, die durch steigende CO2-Preise eine massive Abwertung erfahren könnten: Käme es etwa 2030 weltweit zu steigenden CO2-Preisen, müssten heute gebaute Kohlekraftwerke – die ja ein Vermögenswert sind – abgeschrieben werden. Diese Verluste würden dann jene Banken in ihrer Liquidität bedrohen, die bislang noch massiv in Kohlekraftwerke investieren. Carney fordert deshalb die Offenlegung (disclosure) derartiger Risiken in den Unternehmensberichten.
Trotz dieser Risiken sind die Akteure auf den Kapitalmärkten immer noch zögerlich, den Aufbau einer Infrastruktur erneuerbarer Energien zu finanzieren: Nicht nur die CO2-Preise sind zu niedrig, auch die hohen Kapitalkosten sind in vielen Ländern ein Problem. Bei den Erneuerbaren ist der Anteil der fixen Kapitalkosten an den Gesamtkosten höher als bei fossilen Kraftwerken. Steigen die Zinsen, werden die Investitionen in nachhaltige Infrastrukturprojekte im Vergleich zu fossilen stärker zurückgefahren. Der Anstieg der Zinsen um wenige Prozentpunkte macht die drastischen Kostensenkungen, die im zurückliegenden Jahrzehnt durch technischen Fortschritt erzielt wurden, über Nacht zunichte.
Gerade die Entwicklungs- und Schwellenländer müssen höhere Risikoaufschläge bezahlen, um überhaupt an Kredite am internationalen Kapitalmarkt zu kommen. Diese Aufschläge beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien in vielen Ländern erheblich. Daher sind die Entwicklungsbanken, wie zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), für die Finanzierung einer nachhaltigen Energieinfrastruktur von überragender Bedeutung. Sie ermöglichen durch günstige Kredite den Ausbau von Erneuerbaren in Ländern, die sich sonst den Umbau ihres Energiesystems nicht leisten könnten. Aber auch die Entwicklungsbanken können das Länderrisiko nicht vollständig übernehmen. Der GCF könnte zusätzlich für das Ausfallrisiko von Krediten in diesen Ländern bürgen, um dort Investitionen in langlebige Infrastrukturprojekte zu ermöglichen. Die Entwicklungsbanken und der GCF können durch innovative Finanzinstrumente erheblich dazu beisteuern, die Kapitalkosten zu senken. Die Ausgabe von klimafreundlichen Anleihen (green bonds) etwa kann dazu beitragen, risikoreiche, aber ertragsstarke Investitionen in den Klimaschutz zu ermöglichen. Solche Finanzinnovationen profitieren ebenfalls von der Einführung von CO2-Preisen, weil sich dadurch die Rentabilität CO2-neutraler Investitionen erhöht. Zugleich verbessern sinkende Kapitalkosten die Wirksamkeit von CO2-Preisen. Für eine effektive Klimapolitik sind Kapitalmärkte und Regierungen also in hohem Maße aufeinander angewiesen.
Die Umwelt- und Finanzminister vieler Länder sind noch äußerst zurückhaltend bei der Einführung von CO2-Preisen. Die Weltbank, einige private Banken, institutionelle Investoren und Unternehmen verwenden jedoch bereits einen internen CO2-Preis. Ethische Investmentfonds, Entwicklungsbanken, Pensionsfonds und die großen Rückversicherungsgesellschaften fordern immer lauter die Einführung von Emissionshandelssystemen oder CO2-Steuern. Mag die Stimme der Finanzmarktakteure bisher nur für Experten wahrnehmbar sein, in den Finanzministerien werden sie bereits gehört und sehr wohl verstanden. Es wird jedoch ebenso darauf ankommen, dass die breite Öffentlichkeit die Forderung nach klimagerechten Preisen nicht nur versteht, sondern deren Einführung von den Politikern auch einfordert.
Auf dem Weg nach Katowice
In der ersten Dezemberwoche 2018 werden die Regierungen der Klimarahmenkonvention in Katowice – mitten im polnischen Kohlerevier – wieder über die Klimapolitik verhandeln. Symbolträchtiger hätte man weder Ort noch Zeitpunkt wählen können. Die Herausforderungen sind gewaltig: zu niedrige Preise für fossile Energieträger, fortschreitender Ausbau der Kohlekraft, steigende Kapitalmarktkosten, Investitionsrisiken für erneuerbare Energien, lückenhafte internationale Kooperation und eine bröckelnde Unterstützung der Wähler für eine ambitionierte Klimapolitik in vielen Ländern.
Die Zeit drängt. Denn sind die Kohlekraftwerke erst einmal gebaut, wird eine entschiedene Klimapolitik immer unwahrscheinlicher. Der weltweite Kohleausstieg entscheidet aber darüber, ob die Regierungen die Tür zu einem ambitionierten Klimaschutz zumindest einen Spalt breit offen halten – oder ob sie diese krachend zuschlagen. Wenn der Einstieg in den Ausstieg nicht bald gelingt, droht das Scheitern der internationalen Klimapolitik.
Die Abkehr von der Kohle ist in vielen Ländern mit sozialen Verwerfungen verbunden. Daher müssen an diesem Strukturwandel Unternehmen, Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft beteiligt werden. Ein zügiger deutscher Kohleausstieg hätte international Signalwirkung. Die Vereinbarung von CO2-Preisen und internationalen, mit Bedingungen verbundenen Transferzahlungen wären überzeugende Schritte. Wenn darüber hinaus den Entwicklungsländern ein besserer Zugang zum internationalen Kapitalmarkt ermöglicht würde, wären nicht nur ehrgeizige Ziele formuliert, sondern es würden auch wirksame Instrumente und Mittel eingesetzt.
Die Verhandlungen in Polen werden sich um Klima, Kohle und Kapital drehen. Ausgetragen werden die Konflikte um die Zukunft des Planeten – wie immer – in rituellen Sprachspielen professioneller Diplomaten. Sie feiern die Verhandlungserfolge (oft zu Recht), wo außenstehende Beobachter (oft zu Recht) Stillstand und Lähmung wahrnehmen. Es wäre ein Hoffnungszeichen, wenn Katowice nicht der Gipfel der spektakulären Ziele wird, sondern ein Gipfel gangbarer Pfade.
Eine frühere Version dieses Textes erschien im April 2018 in "Stimmen der Zeit".