Seit 2012 ist "Gender und Klima" als fester Punkt auf der Tagesordnung der Vertragsstaatenkonferenzen verankert; zudem wurden weitergehende Vereinbarungen zur Geschlechterparität in Delegationen, Verhandlungsgruppen und Konsultationsmechanismen vereinbart. Auch wurden erste Schritte in Richtung einer gendersensiblen Klimapolitik verabredet. Nach vielen Jahren der Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit durch Frauenorganisationen wie GenderCC – Women for Climate Justice war dies ein großer Sprung nach vorn.
Um die Umsetzung der bisherigen Beschlüsse voranzutreiben, wurde 2014 ein zweijähriges Arbeitsprogramm, das Lima Work Programme on Gender, verabschiedet. In der Begründung wird zum ersten Mal im UNFCCC-Prozess konstatiert, dass Gender Mainstreaming (siehe Kasten) in Bezug auf alle relevanten Aktivitäten unter der Konvention notwendig ist und dass genderresponsive Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zu Erhöhung der Wirksamkeit der Klimapolitik leisten. In diesem Kontext gab es in der englischsprachigen Diskussion einen fliegenden Wechsel vom Begriff gender-sensitive zum Begriff gender-responsive. In Anlehnung an die Terminologie anderer internationaler Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder UN Women, die Frauenrechtsorganisation der Vereinten Nationen, werden sie wie folgt umrissen: Während gender-sensitive die soziokulturellen Faktoren von Geschlechterungleichheit berücksichtigt, um die Diskriminierung nicht zu verstärken, zielt gender-responsive dagegen darauf ab, durch die Gestaltung von Maßnahmen aktive Beiträge zur Geschlechtergerechtigkeit zu leisten. Verbindliche Vereinbarungen über die Definitionen wurden jedoch nicht getroffen, und es bleibt offen, inwieweit die gesellschaftlichen und strukturellen Ursachen der Ungleichheiten im Sinne eines transformatorischen Verständnisses behandelt werden sollen.
Die bisher genannten Beschlüsse sind Vertragsstaatenentscheidungen, deren Verbindlichkeit noch nicht abschließend geklärt ist. Gender ist aber zum Beispiel auch in der Präambel des Pariser Klimaabkommens 2015 verankert, das aufgrund des Ratifizierungsverfahrens völkerrechtlich verbindlich ist. Dort wird gefordert, Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und das Empowerment von Frauen bei allen Aktivitäten im Bereich Klimawandel zu berücksichtigen.
Bei der jüngsten Vertragsstaatenkonferenz im November 2017 in Bonn wurden die UNFCCC-Beschlüsse zu Gender, die sich als Aufträge an die Regierungen verstehen lassen, in Form eines Gender-Aktionsplans (Gender Action Plan) konkretisiert. Er umfasst prioritäre Handlungsfelder, zentrale Aktivitäten und Indikatoren, Zeitpläne für die Umsetzung sowie Zuständigkeiten und geschätzte Budgetaufwendungen und schließlich Mechanismen für Überprüfung und Erfolgskontrolle. Die Elemente des Plans wurden in fünf Cluster zusammengefasst: a) Kapazitätenaufbau, Wissensaustausch und Kommunikation; b) Geschlechterparität, Beteiligung und Frauen in Führungsrollen; c) Kohärenz innerhalb der UNFCCC und mit anderen UN-Organisationen; d) gendersensible Umsetzung und Umsetzungsinstrumente; e) Monitoring und Berichterstattung.
Aus dem internationalen Klimaprozess leiten sich also Mandate für eine geschlechtergerechte Klimapolitik ab, die sowohl den Klimaschutz, die Anpassung an Klimaveränderungen als auch flankierende Maßnahmen wie Bildung, Information und Kapazitätsentwicklung umfassen. Häufig werden diese Vereinbarungen von den Industrieländern allerdings als ausschließlich oder zumindest in erster Linie den Globalen Süden betreffend wahrgenommen. Erst seit Kurzem werden politische Anstrengungen unternommen, die auf eine Veränderung dieser Wahrnehmung hinweisen.
Forschungsergebnisse zu Gender und Klima
Vonseiten der deutschen Umweltpolitik wird immer wieder gefordert, dass zunächst belegt werden solle, welche forschungsbasierten Erkenntnisse zu den Wirkungen des Klimawandels und der entsprechenden Klimapolitik auf die Geschlechterverhältnisse in Deutschland und anderen Industrieländern überhaupt vorliegen und welchen Mehrwehrt die Integration der Genderperspektiven für die Klimapolitik hat.
Wir gehen davon aus, dass jeder Aspekt des Klimawandels direkt oder indirekt genderrelevant ist: die Verursachung von Treibhausgasemissionen, die Betroffenheit durch die Folgen des Klimawandels und die Anpassung daran, der Zugang zu klimarelevanten Ressourcen wie etwa Energie- und Transportdienstleistungen, Präferenzen, Optionen und Kapazitäten zur Vermeidung von Emissionen auf der Akteursebene und letztlich die Auswirkungen politischer Interventionen zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Wirkungen des Klimawandels.
Eine Auswertung der jüngeren Fachliteratur, die im Frühjahr 2017 als Teil unseres gemeinsamen Forschungsvorhabens erstellt wurde, zeigt, inwieweit sich diese Annahme durch wissenschaftliche Ergebnisse belegen lässt. Wir können im Folgenden nur ein Fragment der Literaturauswertung aus dem Bereich des Klimaschutzes wiedergeben, für eine ausführlichere Darstellung verweisen wir auf die Publikation mit sämtlichen Ergebnissen des Literaturreviews.
Geschlechterspezifische Unterschiede: CO2-Fußabdruck
In der Klimaforschung werden Genderaspekte bisher vor allem auf der Mikroebene der Haushalte analysiert, zum Beispiel im Hinblick auf den Wärme- und Strombedarf von Frauen und Männern und gegebenenfalls verbunden mit weiteren sozioökonomischen Kategorien wie Einkommen, Alter oder Bildung. Auch wird danach gefragt, ob es einen signifikanten Unterschied in den sogenannten carbon footprints, den durchschnittlichen Kohlenstoffemissionen, von Männern und Frauen gibt. Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen gegenüber Individuen und deren Umweltverhalten, sondern um die zugrunde liegenden strukturellen Fragen, die auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft bearbeitet werden müssen.
Hier zeigt sich, dass der in vielen Berechnungen deutlich höhere CO2-Fußabdruck von Männern nachweislich aus deren Mobilitätsverhalten resultiert, das sich in größeren Autos und häufigerer Nutzung bei längeren zurückgelegten Strecken zeigt. Doing gender – das heißt, der alltägliche Prozess, in dem "Geschlecht" als sozial folgenreiche Unterscheidung hervorgebracht und reproduziert wird (siehe Kasten) – spielt hier also eine erhebliche Rolle.
Je geschlechtergerechter, desto weniger CO2-Emissionen?
Eine Untersuchung der Verbindungen zwischen dem Gleichstellungsstatus und der Größe des carbon footprints in mehr als hundert Ländern aller Weltregionen zeigt, dass nach dem Bruttosozialprodukt die Gleichstellung der Geschlechter der Faktor mit den größten Wirkungen auf die Minderung von CO2-Emissionen ist. Ähnliche Ergebnisse liegen aus Skandinavien vor, wo Kommunen, die ihre politischen Maßnahmen weitestgehend unter Berücksichtigung möglicher genderdifferenzierter Wirkungen planen und realisieren, auch die höchsten Werte bezüglich ihres Engagements in der Klimapolitik haben – und umgekehrt. Einschränkend muss aber darauf verwiesen werden, dass dabei weitere, in den Studien nicht untersuchte Faktoren eine Rolle spielen können, etwa der Energiemix bei der Stromversorgung oder auch eine vergleichsweise fortschrittlichere Haltung, die beides – die Geschlechtergleichstellung wie auch die Klimapolitik – forciert.
Auffällig ist, dass kaum eine der zumeist quantitativen Erhebungen zu Einstellungen und klimabezogenem Verhalten über die Unterschiede zwischen den biologischen Geschlechtern hinausgeht. Diese reichen vom immer wieder nachgewiesenen höheren Umweltbewusstsein von Frauen über die entsprechenden Verhaltensänderungen bis hin zur Bereitschaft für Klimaschutz mehr zu zahlen – trotz des durchschnittlich geringeren Einkommens von Frauen. Fragen der strukturellen Gegebenheiten und Machtverhältnisse bleiben dabei weitgehend ausgeblendet.
Die Ergebnisse der Erhebungen bieten damit weder Erkenntnisse für mögliche strukturelle Veränderungen, noch weisen sie in Richtung einer gesellschaftlichen Transformation. Forschung zu den strukturellen Hintergründen der Geschlechterdifferenzen steht, mit Ausnahme von psychologischen Ansätzen, somit weitgehend aus. Um adäquate Ergebnisse bei den Erklärungen für Unterschiede bei den Einstellungen, der Akzeptanz oder dem Verhalten im Klimaschutz- und Klimaanpassungsbereich zu erzielen, ist es daher notwendig, "Gender" mit anderen Variablen zu messen als mit dem biologischen Geschlecht und der bipolaren Aufteilung in männlich und weiblich. Allerdings mangelt es bisher an Lösungsvorschlägen dafür, wie diese Variablen definiert und gemessen werden sollten.
Zwischenfazit
Die Auswertung der Fachliteratur zeigt, dass es eine substanzielle Menge von Forschungsergebnissen gibt, die die Relevanz der Geschlechterverhältnisse für alle Aspekte von Klimawandel und Klimapolitik belegen, und dass sich durch die Vielfalt und Breite der Forschungsergebnisse die Anschlussfähigkeit an klimapolitische Diskurse, Strategien, Programme und die Umsetzung von Maßnahmen deutlich verbessert hat. Allerdings zeigt sich auch, dass dabei die Treiber von Ungleichheit – und damit die genderbedingten Verursachungen und Auswirkungen des Klimawandels – eher selten im Mittelpunkt stehen. Ebenso wenig wird die tendenziell androzentrische Sichtweise in Institutionen und Politik thematisiert – also die historisch geprägte Sichtweise, die Maskulinitätsmodelle zum Maßstab für "allgemeine" Nützlichkeit erhebt und die Perspektiven auf den Klimawandel und auf die Entwicklung von Lösungsansätzen als "genderneutral" begreift.
Sieben transformative Gender-Dimensionen
Um die sehr breit gefächerten Erkenntnisse zu den Genderaspekten des Klimawandels richtungssicher für die Klimapolitik und deren Umsetzung handhabbar zu machen, wurden sie anhand von sieben Gender-Dimensionen strukturiert, die im Rahmen des Projekts des Umweltbundesamtes "Genderaspekte der Klimapolitik" auf der Grundlage bestehender Studien weiterentwickelt wurden. In diesen Gender-Dimensionen sehen wir eine Voraussetzung für Geschlechtergerechtigkeit in der Klimapolitik:
Symbolische Ordnung: Hierarchisierungen, Bedeutungszuschreibungen und -positionierungen (GD1);
Versorgungsökonomie/Sorgearbeit: Zuschreibung, Verteilung, Zeit, Stellenwert, Instrumentalisierung (GD2);
Erwerbsökonomie: horizontale und vertikale Segregation, Berufswahl, Vermögensverhältnisse (GD3);
Öffentliche Ressourcen/Infrastrukturen: Bereitstellung, Ausrichtung, Zugang, Gebrauchsfähigkeit (GD4);
Institutionalisierter Androzentrismus: Maskulinität als Maßstab, Definitionsmacht der Institutionenebene, institutionalisierte inhaltlich-kognitive implizite Genderhierarchisierungen (GD5);
Definitions- und Gestaltungsmacht auf Akteursebene: Teilhabe an und Berücksichtigung von Genderexpertise bei Entscheidungen in Wissenschaft, Technik und Politik (GD6);
Körper und Gesundheit: Privatsphäre (intimacy), Gewaltfreiheit (GD7).
Der besondere Wert dieser Gender-Dimensionen liegt darin, dass sie Erkenntnisse für mögliche strukturelle Veränderungen bieten und in Richtung einer gesellschaftlichen Transformation weisen. Indem sie nicht auf geschlechtshierarchisch geprägte phänomenologische Unterschiede qua biologischem Geschlecht mit gegebenenfalls nur weiteren soziodemografischen Merkmalsausprägungen fokussieren, sondern auf unsere strukturellen gesellschaftlichen Genderprobleme – also auf Ungleichheit und Machtverhältnisse erzeugende und aufrechterhaltende Faktoren –, eröffnen sie politische Gestaltungsmöglichkeiten. Erst durch diesen Fokus lassen sich strukturverändernde und wirksame politikpraktische Ansatzpunkte identifizieren, derer die Klimapolitik fast mehr noch als andere Politikbereiche bedarf.
Es sieht auf der einen Seite fast so aus, als wenn diejenige Forschung, die in den vergangenen Jahren akademisch unternommen wurde und Eingang in akademische Veröffentlichungen findet, strukturelle Zusammenhänge weitgehend negiert. Sie scheint den Bezug auf die Forschung seit den 1970er bis in die 2000er Jahre, die strukturbezogene Ansätze entwickelte, verloren zu haben. Auf der anderen Seite ist der Bedarf, Strukturen transformativ zu gestalten, angesichts der globalen existenziellen Herausforderungen des Klimawandels in der gleichen Zeit drastisch deutlicher geworden. Die transformativen Gender-Dimensionen eröffnen hier wichtige neue Perspektiven und Chancen, die zudem für die praktische politische Umsetzung und insbesondere die Anwendung des Gender Impact Assessments (GIA) in konkreten Handlungsfeldern der Klimapolitik genutzt werden können.
Welchen Weg weisen nun Erkenntnisse zu den Wirkungsmechanismen zwischen Klimapolitik und transformativen Gender-Dimensionen, wenn diese den Blick auf systemische Zusammenhänge richten und zugleich in umsetzbare Klimapolitiken überführt werden sollen? Wie ist zum Beispiel eine klimarelevante Versorgungspolitik zu konzipieren, etwa eine Energiepolitik, die die Versorgungsökonomie als zugehörig zu Männlichkeit begreift, als Teil öffentlicher und politischer Verantwortung einschließt und versorgungsökonomische Beiträge von der Wirtschaft einfordert (GD2)? Wie kann eine entsprechende Energiepolitik aussehen, die die weiblich konnotierte Versorgungsökonomie und das Private nicht be-, sondern entlastet?
Oder, um die Perspektive an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen: Wie kann die Forderung der Klimapolitik nach Verkehrsvermeidung klimapolitisch durchgesetzt werden – angesichts institutionalisierter Androzentrismen, die das Handlungsfeld Verkehr anhand technischer Vehikel anstatt lebensweltlicher Mobilitätsbedürfnisse strukturieren (GD5)? Wie wird ihr das möglich, angesichts einer aus androzentrischen Narrativen konstruierten übergreifenden symbolischen Ordnung (GD1), die die strukturelle Erzeugung von "Verkehr" als Erscheinungsform von Modernität und Wachstum als hinnehmbar postuliert? Wie kann Klimapolitik die symbolische Ordnung dahingehend beeinflussen, dass stattdessen Verkehrserzeugung als gesellschaftlicher Kostenverursacher und als für Bürger*innen nicht zumutbar begriffen wird?
Wie kann daran anknüpfend auch auf politischer Ebene die Zukunftsfrage bearbeitet werden, wie ein Wirtschaften zugunsten einer selbstbestimmten Bewegungsfreiheit von allen Menschen aller Lebenslagen zu verwirklichen ist? Wie ist eine nachhaltige Privilegierung von Anwohner*innen und Nutzer*innen des öffentlichen Raumes und verträglicher Nahverkehrsmittel zu realisieren?
Wie vergleichbare Fragen Anwendung finden (können), wird im Folgenden durch ein Beispiel aus der nationalen Klimapolitik veranschaulicht.
Geschlechtergerechtigkeit in der nationalen Klimapolitik
Geschlechtergerechtigkeit ist auch für die nationale Klimaschutzpolitik ein verbindliches Ziel. Die Grundlagen bilden das im Grundgesetz formulierte Gleichstellungsgebot (Art 3. Abs. 2 GG) sowie das in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) verankerte Prinzip des Gender Mainstreamings. Die Umweltpolitik war eine Vorreiterin bei der Entwicklung von Instrumenten und Verfahren zur Umsetzung des Gender Mainstreamings in der Bundesrepublik. Allerdings werden die gleichstellungspolitischen Ziele gegenwärtig vor allem auf der Ebene der institutionellen Gleichstellungspolitik im Bundesumweltministerium oder dem Umweltbundesamt umgesetzt, etwa durch das Aufstellen von Gleichstellungsplänen und gleichstellungsrelevanten Maßnahmenkatalogen. Eine systematische Überprüfung der Gleichstellungsrelevanz von umwelt- und klimapolitischen Gesetzen und Maßnahmen findet bislang nicht statt.
Beispiel Hitzeschutz
Wie Klimapolitik zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen kann, soll an einem aktuellen Beispiel aus der Klimaanpassungspolitik in Deutschland gezeigt werden. Da als Folge des Klimawandels die Häufigkeit und Dauer von Hitzewellen in Deutschland zunehmen, ist der Hitzeschutz ein wichtiges Handlungsfeld der Klimapolitik. Das Beispiel Hitzeschutz verdeutlicht, wie vielfältig die Verbindungen von Klimapolitik, Gender und Geschlechtergerechtigkeit sind.
Der Zusammenhang von Klimawandel und Gender wurde vor allem im Kontext der Auswirkungen von Hitzewellen untersucht. Statistiken zeigen, dass die Sterberate von Frauen bei Hitzewellen erheblich höher ist als diejenige von Männern. Allerdings beschränken sich Studien häufig darauf, Unterschiede zwischen den Geschlechtern festzustellen. Die Gründe für die höhere Sterblichkeit von Frauen bleiben ungeklärt oder werden pauschal auf die höhere Lebenserwartung von Frauen zurückgeführt. Neuere Untersuchungen stellen diese Erklärungen infrage und gehen davon aus, dass die physiologischen Auswirkungen von Hitzeereignissen durch soziale Faktoren beeinflusst werden. Die sozial konstruierte Zuständigkeit für Betreuung und Sorgearbeit durch Angehörige (GD2) spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die erhöhte Mortalität von Frauen könnte demnach eine Folge der schlechteren Versorgung alleinlebender Personen sein, von der Frauen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung häufiger betroffen sind als Männer. Aber auch die Schlechterstellung von Frauen im Bereich der Erwerbsökonomie, wie der sogenannte Gender Gap bei Einkommen und Vermögen (GD3), spielen dabei eine Rolle. Frauen sind demnach besonders anfällig, ebenso wie weitere Personengruppen, die von der Unterstützung anderer abhängig sind. Dies betrifft vor allem Alleinlebende und Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status. Soziale Isolation und der damit einhergehende fehlende Zugang zu sozialen Netzen, die Sorgearbeit gewährleisten könnten, werden generell als ein Risikofaktor angesehen, der eine erhöhte Vulnerabilität, also Anfälligkeit, gegenüber den Folgen des Klimawandels zur Folge hat.
Die verfügbaren Forschungsarbeiten enthalten wichtige Erkenntnisse über die komplexe Art und Weise, wie soziale Geschlechtskonstruktionen die Vulnerabilität von Frauen und Männern unterschiedlich beeinflussen. So zeigt eine Untersuchung, dass Männer in den USA bei Hitzewellen deutlich häufiger ins Krankenhaus eingeliefert werden als Frauen und bevorzugt medizinisch behandelt werden (GD7). Hier liegt es nahe, dass die geschlechtsspezifische Zuschreibung der Sorgearbeit (GD2) dazu führt, dass Männer eine bessere Versorgung durch Angehörige und Freunde erfahren; beispielsweise rufen Frauen eher Krankenwagen für Männer als umgekehrt. Geschlechtsspezifische Rollenerwartungen und Tätigkeitsmuster (GD1) können sich aber auch negativ auf die Vulnerabilität von Männern auswirken. Nach Angaben der WHO sind Männer bei heißem Wetter aktiver als Frauen und sterben deshalb eher durch einen Hitzschlag.
Folgerungen für die politische Praxis
Welche Folgerungen sich daraus für eine geschlechtergerechte Klimapolitik ergeben, lässt sich an einem aktuellen Beispiel verdeutlichen. Hitzeaktionspläne sind ein Instrument des vorsorgenden Hitzeschutzes, mit deren Hilfe negative gesundheitliche Auswirkungen von Hitzewellen möglichst vermieden werden sollen (GD7).
Bei der Definition der Zielgruppen von Maßnahmen von Hitzeaktionsplänen sollte darauf geachtet werden, dass die Auswirkungen von sommerlichen Hitzewellen nicht nur durch physiologische, sondern auch durch soziale Faktoren beeinflusst werden. Bei der Definition der Zielgruppen von Hitzeaktionsplänen sind daher nicht allein physiologische Kriterien, wie Alter, Pflegebedürftigkeit oder chronische Krankheit zu berücksichtigen. Vielmehr sollte auch die häusliche Situation, zum Beispiel das Vorhandensein pflegender Angehöriger (GD2) oder die Art der Tätigkeit beachtet werden, da im Freien körperlich schwer arbeitende Menschen ebenfalls besonders gefährdet sind.
Die unterschiedlichen Lebenssituationen von Männern und Frauen spielen auch hier eine wichtige Rolle: So sollte bei konkreten Pflege- und Betreuungsmaßnahmen beispielsweise die höhere Vulnerabilität von älteren alleinlebenden Personen berücksichtigt werden, bei denen Frauen die Mehrzahl bilden (GD4). Auch bei der Ansprache dieser Zielgruppen sollten die unterschiedlichen Lebenssituationen berücksichtigt werden.
Die Umsetzung von Hitzeaktionsplänen erfolgt durch Netzwerke auf kommunaler Ebene, die geeignete Pläne erarbeiten und aktiv Maßnahmen einleiten sollen. Diese Netzwerke umfassen zuständige Stellen der kommunalen Verwaltung, Organisationen und Einrichtungen des Katastrophenschutzes (Feuerwehr, Rettungsdienste) und des Gesundheitswesens sowie Pflege- und Erziehungseinrichtungen. In diesen Netzwerken sind neben männlich dominierten Berufsgruppen auch solche Berufe repräsentiert, die eher weiblich konnotiert sind (GD3). Bei der Festlegung von Entscheidungsstrukturen und der Aufgabenverteilung im Netzwerk ist darauf zu achten, dass keine geschlechterhierarchisierenden Zuschreibungen erfolgen (GD6).
Zudem sollte bei der internen Kommunikation und in der öffentlichen Berichterstattung eine an tradierten Geschlechtervorstellungen orientierte Zuschreibung von Aufgaben und Tätigkeiten vermieden werden (GD1). Bei der Zuweisung von Aufgaben und der Aufstellung von Dienstplänen (GD5) sollte berücksichtigt werden, dass in den überwiegend von Frauen ausgeübten Pflegeberufen häufig eine Doppelbelastung durch berufliche Aufgaben und die Zuständigkeit für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen besteht, die gerade in Krisensituationen (sommerliche Hitzeereignisse) zu einer Überlastung führen kann.
Für die Bewältigung von Hitzeereignissen spielen neben verhaltensbezogenen auch bauliche Maßnahmen eine wichtige Rolle. So schützt eine gute Gebäudedämmung nicht nur vor Kälte, sondern kann auch einer sommerlichen Überhitzung entgegenwirken. Untersuchungen zum Thema Energiearmut haben gezeigt, dass Bevölkerungsgruppen mit mehrfachen Benachteiligungen (zum Beispiel durch geringe Einkommen und Migrationshintergrund) häufig in Stadtquartieren leben, die einen schlechten energetischen Gebäudestandard aufweisen. Maßnahmen zum Hitzeschutz sollten daher nicht nur am Ziel der Geschlechtergerechtigkeit ausgerichtet sein, sondern auch weitere Formen der sozialen Benachteiligung berücksichtigen (GD4). Planerische Maßnahmen zum verbesserten Hitzeschutz (GD5) sollten zum Beispiel einen besonderen Schwerpunkt auf Gebiete mit einkommensschwachen Haushalten und einer schlechten Gebäudequalität legen.
Fazit
In der internationalen Klimapolitik wird zunehmend anerkannt, dass Klimawandel und Geschlechtergerechtigkeit in einem engen Zusammenhang stehen. Im Unterschied zu Ländern des Globalen Südens findet die Bedeutung der Geschlechterverhältnisse für eine effektive Klimapolitik in Industrieländern erst seit Kurzem mehr Beachtung. Eine Vielzahl von Studien belegt auch für Länder des Globalen Nordens die Relevanz der Geschlechterverhältnisse für Klimawandel und Klimapolitik, doch werden strukturelle Bedingungen und Machtverhältnisse nur wenig thematisiert.
Entlang der sieben Gender-Dimensionen lassen sich Voraussetzungen gesellschaftlicher Transformation differenziert betrachten. Das Beispiel Hitzeschutz verdeutlicht, dass die Auswirkungen des Klimawandels auch in den Ländern des Nordens durch die Geschlechterverhältnisse beeinflusst werden. Davon betroffen sind eine Vielzahl unterschiedlicher, in den Gender-Dimensionen adressierter Bereiche wie die Organisation der Erwerbs- und Sorgearbeit, der Zugang zu Ressourcen, Gesundheitsvorsorge oder politische Beteiligung.
Die Klimapolitik kann daher einen wichtigen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit und zum Abbau von Geschlechterhierarchien leisten und durch die Berücksichtigung von Genderaspekten zugleich ihre gesellschaftliche Wirksamkeit verbessern. Bisher wird dieses Potenzial erst in Ansätzen genutzt. In Abstimmung mit dem Umweltbundesamt wird derzeit in unserem gemeinsamen Forschungsvorhaben ein neues Instrument des Gender Impact Assessment entwickelt, das dazu dienen soll, die Integration der Genderperspektive für die Planenden von klimapolitischen Programmen und Maßnahmen handhabbarer zu machen.