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Staatlich verantworteter islamischer Religionsunterricht und bekenntnisorientierte Moscheeunterweisung Zusammenarbeit von Schule und der universitären Islamischen Theologie mit den islamischen Verbänden

Eike Bösing Margit Stein Veronika Zimmer

/ 13 Minuten zu lesen

Wie unterscheiden sich Islamunterricht in der Schule und bekenntnisorientierte Glaubensunterweisung in der Moschee? Wie arbeiten universitäre Theologie und islamische Verbände bei der Entwicklung und Erteilung von islamischem Religionsunterricht zusammen? Und welche Konflikte können sich dabei ergeben? Der Beitrag gibt einen Überblick über den Status quo des Islamunterrichts in Deutschland. Außerdem diskutieren die Autor:innen, welche Herausforderungen und Chancen die bekenntnisorientierte Moscheeunterweisung und der schulische Islamunterricht bieten. Der Beitrag basiert auf Erkenntnissen eines Forschungsprojektes, für das Professor:innen, Dozierende sowie wissenschaftliche Mitarbeiter:innen an universitären Islamischen Instituten befragt wurden.

Ob als Schulfach oder als Glaubensunterweisung in der Moschee: Islamunterricht hat einen großen Einfluss auf die junge muslimische Generation (Symbolbild). Beide Unterrichtsformen sind jedoch mit verschiedenen Herausforderungen, Chancen und gesellschaftspolitischen Erwartungen verbunden. (© Adobe-Stock)

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Islamunterricht prägt die junge muslimische Generation in Deutschland in entscheidendem Maße – sowohl in Form von islamischem Religionsunterricht in der Schule als auch in Form von bekenntnisorientierter Unterweisung in der Moschee. Schätzungen gehen davon aus, dass es mindestens 580.000 muslimische Schüler:innen gibt (Ulfat et al. 2020). Im Schuljahr 2019/20 besuchten knapp 60.000 Schüler:innen Islamunterricht in über 900 Schulen in Deutschland (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2021). Zudem gab in einer Befragung 2010 etwa ein Drittel der muslimischen Schüler:innen an, an einem außerschulischen Koranunterricht teilzunehmen oder teilgenommen zu haben (Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales 2010, S. 90). Zwischen beiden Angeboten besteht ein Spannungsverhältnis, das im vorliegenden Beitrag diskutiert wird.

Der Beitrag stützt sich auf Expert:inneninterviews, die im Rahmen des Forschungsprojekts UWIT durchgeführt wurden ("Gesellschaftliche Ursachen und Wirkungen des radikalen Islam aus Sicht (angehender) islamischer Theolog*innen"). Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Es handelt sich um eine qualitative Studie, in der 25 Personen interviewt wurden. Bei den Interviewpartner:innen handelt es sich um Professor:innen, Dozierende sowie wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, die deutschlandweit an universitären Islamischen Instituten und Departments im Bereich der Islamischen Theologie, Religionspädagogik, Religionslehre und Islamwissenschaft forschen und lehren. Sie sind damit unter anderem an der Ausbildung künftiger islamischer Religionslehrkräfte beteiligt.

Islamischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach

Religionsunterricht ist als einziges Schulfach grundgesetzlich garantiert und wird in Übereinstimmung mit den jeweiligen Religionsgemeinschaften erteilt (gemäß Art. 7 Abs. 3 GG). Obwohl noch immer nicht gänzlich geklärt ist, inwiefern muslimische Verbände im Sinne der grundgesetzlichen Vorgaben als Religionsgemeinschaft anerkannt werden können, gestalten sie staatlich verantworteten islamischen Religionsunterricht oftmals mit.

Historie und aktuelle Umsetzung an deutschen Schulen

Erste Überlegungen zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts in der Schule gehen bis in die 1970er Jahre zurück, ohne dass es anfangs bereits konkrete Initiativen gab. Anlass war die Anwerbung von oftmals muslimischen Arbeitsmigrant:innen aus der Türkei und die Erkenntnis, dass diese mit ihren Familien dauerhaft in Deutschland bleiben wollen (Kiefer 2011). Obwohl die Notwendigkeit eines islamischen Religionsunterrichts schon 1984 von der Kultusministerkonferenz erkannt und entsprechend zugesagt wurde (Kultusministerkonferenz 1984), ist der staatlich verantwortete Islamunterricht an Schulen noch relativ neu.

Ende der 1990er Jahre wurde in einzelnen Bundesländern probeweise das Fach "Islamkunde" eingeführt, das man als neutrale Informationsvermittlung verstand. Die Islamkunde erfolgte hier – zumindest formal – ohne Glaubensverkündung oder die Förderung der Gewohnheitsbildung von religiöser Praxis, zum Beispiel das Erlernen von Gebeten oder Ritualen. Im Zentrum stand somit die Wissensvermittlung. Erst in den 2000er Jahren folgten dann erste Modellversuche eines bekenntnisorientierten Islamunterrichts an Schulen (Kiefer 2011). Bekenntnisorientierter Unterricht geht über objektive Religionskunde hinaus und wird aus einem Glaubensbekenntnis heraus erteilt. Sein Gegenstand ist – so wurde es 1987 in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sonderstellung des Religionsunterrichts formuliert – "vielmehr der Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Diese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln ist seine Aufgabe" (Sağlam 2022, S. 283).

Zudem wurden sukzessive Möglichkeiten geschaffen, Islamische Theologie zu studieren. Mittlerweile gibt es das Fach an 13 deutschen Universitäten und pädagogischen Hochschulen. So soll die Qualität des Unterrichts gesichert werden und sichergestellt werden, dass der Unterricht von Religionslehrkräften durchgeführt wird, die an deutschen Universitäten wissenschaftlich ausgebildet wurden.

Aktuell wird schulischer Islamunterricht in neun Bundesländern angeboten. Während die fünf östlichen Bundesländer kein entsprechendes Angebot bereithalten, bieten Hamburg und Bremen überkonfessionellen Religionsunterricht an. In Niedersachsen ist islamischer Religionsunterricht bereits als Regelfach, in Bayern als Wahlpflichtfach etabliert. Die anderen Bundesländer setzen diesen im Rahmen befristeter Modellprojekte um, die sich zwischen neutraler Informationsvermittlung und bekenntnisorientiertem Religionsunterricht bewegen. Bei der Umsetzung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts werden muslimische Verbände und lokale Moscheegemeinden in verschiedener Weise beteiligt (Mediendienst Integration 2020).

Relevanz des islamischen Religionsunterrichts für die muslimische Bevölkerung

In religionspolitischen Debatten wird bekenntnisorientierter Religionsunterricht an Schulen manchmal grundsätzlich kritisiert – etwa aufgrund des wachsenden Anteils an Schülerinnen und Schülern, die religionsfrei leben oder aufgrund laizistischer Positionen, also der Forderung nach einer strikten Trennung von Staat und Kirche (Klinger 2022). Der Regelfall an deutschen Schulen ist jedoch kein neutral religionskundlicher, sondern ein christlich-konfessioneller Religionsunterricht. Die flächendeckende Einführung eines islamischen Äquivalents ist daher im Sinne der gesellschaftlichen Gleichberechtigung und der staatlichen Neutralitätspflicht wichtig.

Unterstrichen wird die Relevanz von islamischem Religionsunterricht durch demografische Argumente: Etwa ein Fünftel von den 5,3 bis 5,6 Millionen Muslim:innen in Deutschland ist unter 15 Jahre alt und ein weiteres Viertel ist zwischen 15 und 25 Jahren alt (Pfündel et al. 2021). Damit ist die potenzielle Zielgruppe eines islamischen Religionsunterrichts an Schulen relativ groß – und sie wächst voraussichtlich weiter, auch infolge von Fluchtbewegungen aus mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern.

Dem schulischen islamischen Religionsunterricht kann folglich eine hohe Bedeutung in Bezug auf Integration und Teilhabe der muslimischen Bevölkerung zukommen. Die Glaubensunterweisung in Moscheen erfüllt diese Funktion derzeit häufig nicht, wie im Folgenden gezeigt wird.

Herausforderungen bekenntnisorientierter Moscheeunterweisung und die Bedeutung der universitären Theologie

Moscheegemeinden übernehmen als Orte der Bildung, Integration und religiösen Unterweisung wichtige soziokulturelle Funktionen. Gerade jedoch bezüglich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verweist Ceylan (2021) auf die komplexen Aufgaben der Beziehungsgestaltung und zielgruppengerechten Glaubensvermittlung, denen Imame häufig nicht gerecht werden. Sie seien oft im Ausland sozialisiert und ausgebildet, hätten dadurch einen starken Bezug zu den Herkunftsländern, wenig Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft und hielten an traditionell-konservativer Glaubensvermittlung fest. Dadurch entstehen Kommunikationsprobleme mit den Kindern und Jugendlichen, die überwiegend in Deutschland sozialisiert sind. Auch Dozierende, die im Rahmen der Studie UWIT interviewt wurden, verweisen auf einen Bedeutungsverlust von Moscheegemeinden und religiösen Autoritäten bei jungen Menschen. Aus innermuslimischer Perspektive sei

"das natürlich eine […] verpasste Chance auch in den Moscheegemeinden […], dass man nicht rechtzeitig auf die Lebenswelt und auf die Herausforderungen […] junge[r] Menschen […] reagiert hat. Also wenn ich jetzt an den Moscheeunterricht denke, der ist heute [teilweise] so wie er vielleicht vor 50 Jahren war […, das bedeutet], dass den Jugendlichen dort ihre Erfahrungen, beziehungsweise ihre Fragen nicht mehr so beantwortet werden, wie sie sich das wünschen oder vorstellen." (UWIT_1)

Um den pädagogischen Herausforderungen zu begegnen, wird eine Professionalisierung und Akademisierung des Moscheepersonals angestrebt, insbesondere durch eine Imamausbildung an deutschen Universitäten. Aus Perspektive eines interviewten Dozenten solle damit erreicht werden, dass Imame "in dieser Gesellschaft hier verankert sind und nicht [...], Stichwort 'Exportimame', mit Vorstellungen aus anderen Ländern [...] herkommen und die hier etablieren wollen" (UWIT_2). Die Berufsperspektive von Studierenden ohne Lehramtsoption ist jedoch ungewiss, da islamische Verbände und Moscheegemeinden ihre Imame frei wählen können.

In einer Interviewstudie mit Studierenden der Islamischen Theologie mit und ohne Lehramtsoption zeigten sich diese als hochreligiös, demokratiegefestigt und bezeichneten sich zudem häufig als Vermittlerinnen und Vermittler zwischen der islamischen Community und der Mehrheitsgesellschaft (Zimmer et al. 2019). Die Religionslehrkräfte können also ein wichtiges Bindeglied darstellen. In der universitären Ausbildung wird Wissen vermittelt und Religiosität reflektiert – auch, um den hohen gesellschaftspolitischen Erwartungen an den Unterricht zu begegnen.

Gesellschaftliche Erwartungen an den islamischen Religionsunterricht

Der schulische Religionsunterricht steht durch die universitäre theologische wie didaktische Ausbildung der Lehrkräfte in enger Verbindung zur Wissenschaft. Das soll verhindern, dass religiöse Inhalte mit traditionellen und kulturellen Faktoren vermischt werden. Zudem soll der Unterricht Schülerinnen und Schülern helfen, sich in Glaubensfragen selbst ein Urteil zu bilden und diese kritisch und reflexiv zu betrachten. Religionsunterricht dient einem schulischen Bildungsauftrag und stellt kein Äquivalent für religiöse Unterweisung in Gemeinden dar. In der religiösen Unterweisung in der Moschee wird oftmals vorgebetet, der Koran rezitiert und Glaubensgrundlagen im Sinne eines Verkündigungsauftrags vermittelt, jedoch ohne pädagogische Ausbildung (Karakoç 2019; Klinger 2022).

Die folgende Tabelle verdeutlicht die Unterschiede zwischen bekenntnisorientierter Unterweisung in den Moscheen und islamischem Religionsunterricht an Schulen.

Unterschiede zwischen bekenntnisorientierter Moscheeunterweisung und schulischem Islamunterricht

Bekenntnisorientierte Unterweisung in den MoscheenIslamischer Religionsunterricht an Schulen
VerantwortungVerantwortung der Moscheen oder der übergeordneten Verbände, Unterricht oft in der HerkunftsspracheVerantwortung von Staat/Kommission, Religionsunterricht als ordentliches, grundgesetzlich kodifiziertes Schulfach, Unterricht in deutscher Sprache
Adressat:innenMoscheebesucher:innen, Gläubige (oft mit ähnlichem kulturellem Hintergrund sowie innermuslimisch gleicher Ausrichtung)Alle Schüler:innen muslimischen Glaubens (innermuslimisch und kulturell sehr heterogen)
ZieleRezitation des Korans, Memorieren/Auswendiglernen von Koransuren, Vermittlung von Glaubensgrundlagen und Basiskenntnissen der Religion, Stärkung des Glaubensbewusstseins, Vermittlung religiöser und kultureller WerteBildungsauftrag, kritisch-reflexive Bildung zur Mündigkeit sowie Förderung der eigenen religiösen Urteilsbildung in Glaubensfragen, inhaltlich-systematische Auseinandersetzung mit islamischen Quellen
LehrendeImame und Ehrenamtliche, oft ohne pädagogische Ausbildung (Ausbildung in Herkunftsländern sowie Rotationsverfahren)Lehrkräfte, die Studium der Islamischen Theologie/Religionslehre an deutschen Hochschulen absolviert haben
LernortAußerschulischer, religiöser und kultureller LernortPädagogischer Raum, schulischer Lernort

An die Implementierung von islamischem Religionsunterricht in der Schule werden hohe gesellschaftspolitische Erwartungen geknüpft. So gilt der islamische Religionsunterricht als ein wichtiges Instrument für Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt, da er die Repräsentation und Teilhabe der muslimischen Bevölkerung stärken soll. Darüber hinaus soll Religionsunterricht Fundamentalismus und Radikalisierung vorbeugen, indem er die Grundsätze des Koran mit der Orientierung an Menschenrechten in Einklang bringt und Religion im Sinne eines aufgeklärten, in Deutschland beheimateten Islams vermittelt (Stein et al. 2021).

Gleichzeitig kritisieren etwa Stimmen aus der Präventionslandschaft sowie der Wissenschaft, dass der islamische Religionsunterricht so mit Anforderungen überfrachtet werden könnte, denen die Lehrkräfte kaum gerecht werden können (Sponick et al. 2020). Er sei – unter anderem aufgrund des geringen Stundenumfangs in der Schule – "weder ein 'Wundermittel' zur 'Integration der Muslime', noch ist er das probateste Mittel zur Extremismusbekämpfung und Prävention von dschihadistischen Persönlichkeiten […]" (Uslucan 2018, S. 199). Dementsprechend betont auch in der Studie UWIT ein Interviewpartner die zugeschriebene Sonderstellung des islamischen Religionsunterrichts:

"Man hat so das Gefühl, Religionsunterricht ist primär für Integration zuständig und für Sicherheitspolitik. Das ist nicht Ziel und Aufgabe eines islamischen Religionsunterrichts, so wenig wie die eines jüdischen oder christlichen Religionsunterrichts" (UWIT_I10).

Die Etablierung der universitären Islamischen Theologie und der Modellversuche des islamischen Religionsunterrichts hat religionspädagogische Debatten vorangetrieben und diesbezüglich die Ansprüche der muslimischen Bevölkerung zunehmend sichtbar gemacht. Dort, wo die Zusammenarbeit von Staat und muslimischen Vertreter:innen gelingt, entstand "im Rahmen von langjährigen Klärungsverfahren zwischen Staat und Trägern des IRU [Islamischen Religionsunterrichts, Anm. d. Verf.] ein Vertrauensverhältnis […], in dem die Muslim:innen als integraler Teil der Gesellschaft und nicht nur als Fremdkörper wahrgenommen werden" (Badawia & Topalovic 2021, S. 293).

Evaluationen des islamischen Religionsunterrichts zeigen eine hohe Akzeptanz des Unterrichts durch Schüler:innen sowie Eltern, bei gleichzeitig positiver Einschätzung hinsichtlich der integrativen Wirkung. Dies gilt sowohl für den Modellversuch aus Bayern, wo der islamkundliche Unterricht in staatlicher Verantwortung durchgeführt wurde (Holzberger 2014) als auch für den bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen, der zum Zeitpunkt der Evaluation von einem Beirat aus muslimischen Vertreter:innen begleitet wurde (Uslucan & Yalçın 2018).

Integration und Prävention sind zwar gesamtgesellschaftliche Aufgaben, dennoch kann der schulische Religionsunterricht dazu einen wichtigen Beitrag leisten – indem er einen geschützten Raum für Schüler:innen eröffnet, in dem sie Anerkennung erfahren, sich frei über Religion austauschen und eine eigene Religiosität entwickeln können. Insgesamt lässt sich am bisherigen Stand der Forschung jedoch nicht eindeutig belegen, inwiefern der Islamische Religionsunterricht tatsächlich eine integrative Wirkung entfaltet (Körs et al. 2022).

Die konkrete Ausgestaltung des Islamunterrichts bietet Konfliktpotenzial, da hier staatliche Institutionen wie Schule oder Universität und islamische Verbände aufeinandertreffen.

Das Spannungsfeld zwischen staatlicher Verantwortung und muslimischen Verbänden

An den meisten Standorten begleiten Beiräte die Ausgestaltung des schulischen islamischen Religionsunterrichts sowie der universitären theologischen Forschung und Lehre. Die in den Beiräten vertretenen muslimischen Gemeinden oder Vertreter:innen gestalten Forschung und Lehre hierdurch mittelbar mit. Hier können sie in inhaltlichen und personellen Fragen mitwirken, zum Beispiel durch die Zustimmung zu Studieninhalten oder Mitsprache bei der Besetzung von Lehrkräftestellen und Professuren. Durch die Etablierung von bekenntnisorientierten Studiengängen ist jedoch ein potenzielles Spannungs- und Konkurrenzverhältnis entstanden. Auf muslimischer Seite besteht teilweise die Sorge vor einem Staatsislam, der die von ihnen vermittelte "authentische" beziehungsweise "richtige" Religiosität ablöst (Sağlam 2022). Diese Wahrnehmung wird auch seitens der interviewten Dozierenden bestätigt.

"Selbst die klassischen Verbände sind ja zum Teil skeptisch, weil sie […] einen Kontrollverlust dadurch befürchten, wenn Islamische Theologie sich etablieren kann und auch Einfluss nehmen kann auf das Gesellschaftliche." (UWIT_7)

Der Islam ist vielfältig und umfasst verschiedene Glaubensrichtungen mit unterschiedlicher Religionsauslegung. Die Hauptströmungen sind das Sunnitentum und das Schiitentum. Einer Umfrage unter Musliminnen und Muslimen in Deutschland nach sind mit 73,3 Prozent die meisten der 5,3 bis 5,6 Millionen muslimischen Religionsangehörigen sunnitisch (Pfündel et al. 2021, S. 46 f.). Die zweitgrößte Gruppe (10,9 %) gab an, nicht zu wissen, welcher Strömung sie angehört. 7,8 % gehören dem Alevitentum an, wobei strittig ist, ob es sich hierbei um eine islamische Glaubensrichtung oder eine eigene Religion handelt. 4 % der muslimischen Religionsangehörigen in Deutschland sind Schiiten, 1,3 % Ahmadi und 1,2 % gehören sonstigen Glaubensrichtungen an. In Deutschland gibt es zwölf islamische Spitzenverbände und sieben Moscheezusammenschlüsse auf Landesebene; weitere befinden sich im Aufbau (Mediendienst Integration 2021). Darüber hinaus ging Krech im Jahr 2009 von 70 bis 80 muslimischen Organisationen und Strömungen im Deutschland aus, die weniger konfessionell, als vielmehr national differenziert sind (Krech 2009).

Nachdem die Moscheegemeinden in Deutschland zunächst unabhängig gegründet wurden, werden sie seit den 1970er Jahren durch verschiedene islamische Dachverbände organisiert. Viele der Gemeinden und Dachverbände repräsentieren Menschen ähnlicher Herkunft, die bestimmte islamische Glaubensrichtungen sowie politisch-religiöse Strömungen vertreten (Pfündel et al. 2021). Wenn die islamischen Verbände an der Gestaltung des Islamunterrichtes mitwirken, besteht die Gefahr, dass Inhalte der universitären und schulischen Lehre sowie personelle Entscheidungen auf bestimmte Ansichten einer "richtigen" und "falschen" Religiosität reduziert werden, die innerhalb eines Verbandes gelten. Das kann beispielsweise dazu führen, dass Lehrkräfte an Schulen oder Personal in Universitäten abgesetzt werden oder ihnen die Lehrerlaubnis vorenthalten wird, weil sie angeblich theologische Prinzipien relativieren. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass große islamische Verbände aufgrund ihrer historisch begründeten Homogenität der Pluralität des Islam kaum gerecht werden können. Die Mitbestimmung der islamischen Verbände steht zudem im Widerspruch zu den Grundsätzen der Wissenschaftsfreiheit; dieser Widerspruch ist allerdings auch im Falle der christlichen Theologien nicht geklärt.

Auslotung des Spannungsfeldes: die Beispiele Hessen und NRW

Die Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts ist also nicht nur eine pädagogische, sondern auch eine politische Frage, die über schulpolitische Felder hinaus kontrovers diskutiert wird. Die – je nach Bundesland unterschiedliche – Zusammenarbeit mit islamischen Verbänden (vgl. Stein et al. 2021) ist daher immer wieder Anlass für Konflikte, beispielsweise aufgrund von Zweifeln an der Unabhängigkeit des Moscheeverbandes DİTİB vom türkischen Staat.

So wurde in Hessen im Jahr 2020 die gemeinsame Gestaltung des Religionsunterrichts mit der Islamischen Religionsgemeinschaft DİTİB Hessen e. V. zwischenzeitlich ausgesetzt, da aus Sicht des hessischen Kultusministeriums DİTİB Hessen durch den türkischen Staat derart beeinflusst werde, dass ihre Grundsätze nicht selbstbestimmt seien. Vor der Aussetzung hatte DİTİB Hessen gemeinsam mit dem Kultusministerium die Lehrpläne gestaltet und die Lehrerlaubnis für bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht verliehen. Der Unterricht war von Religionslehrkräften erteilt worden.

Der gemeinsam gestaltete bekenntnisorientierte Islamunterricht wurde erst nach einer Klage durch DİTİB Hessen und einen gerichtlichen Beschluss im Mai 2022 durch den Verwaltungsgerichtshof Kassel wieder aufgenommen. Laut dem Urteil war das Aussetzen des gemeinsam gestalteten Religionsunterrichts nicht zulässig, da das Land Hessen den Kooperationsbescheid nicht "zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben" habe. Seitens der Islamischen Religionsgemeinschaft DİTİB Hessen e. V. bestehe demnach ein Anspruch auf gemeinsame Erteilung des Religionsunterrichts. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden aus dem Jahr 2021 (Verwaltungsgericht Wiesbaden 2021).

Der hessische Kultusminister betonte dennoch Zweifel an der Unabhängigkeit von DİTİB Hessen und kündigte begleitende Unterrichtsbesuche seitens des Kultusministeriums an (Hessisches Kultusministerium 2022).

In Nordrhein-Westfalen löste im Jahr 2021 eine "Kommission" den bisherigen "Beirat" der muslimischen Vertreter:innen ab. Die Kommission wurde maßgeblich durch die damalige schwarz-gelbe Landesregierung zusammengesetzt. Im bisherigen Beirat waren vier große islamischen Verbände vertreten gewesen . Zwei der Verbände wurden 2021 nicht in die neue Kommission aufgenommen; stattdessen wurden kleinere, eher regional verankerte islamische Gemeinschaften Teil der Kommission (Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen 2021). Die Organisationen dürfen ihre Vertreter:innen für die Kommission zwar selbst benennen, diese bedürfen jedoch der Zustimmung durch das Schulministerium.

Die größten islamischen Religionsgemeinschaften kritisierten den Ausschluss der zwei großen Verbände und den größeren Einfluss der Landesregierung. Durch die notwendige Zustimmung des Schulministeriums würden Selbst- und Mitbestimmungsrechte der Verbände eingeschränkt. Zudem wurde kritisiert, dass kleinere Organisationen, die nur wenige Muslim:innen vertreten, das gleiche Stimmrecht erhielten, wie Religionsgemeinschaften, die viele Gläubige vertreten (IslamiQ 2019a; 2019b).

In anderen Bundesländern stehen einige Verbände und Moscheegemeinden in der Kritik, fundamentalistische Einstellungen zu verbreiten oder Verbindungen zu ausländischen politischen Organisationen zu haben. Diese Vorwürfe sollten nach Ansicht einer interviewten Person jedoch nicht generalisiert werden: "Bei aller [...] berechtigten Kritik, gibt es dort [in den Verbänden] nach wie vor sehr viele, sehr vernünftige Leute" (UWIT_3).

Diese Umstände verschärfen jedoch Unsicherheiten in der Zusammenarbeit. So merken etwa die interviewten Dozierenden der UWIT-Studie an, dass Kooperationen der Universitäten mit lokalen Moscheen daran scheitern können, "dass [...] die Person, mit der man den Kontakt aufgebaut hat, [...] unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht […], dann kann das medial […] ausgeschlachtet werden" (UWIT_7). Bei dem Versuch, den Dialog zu islamischen Vertreter:innen zu suchen und Herausforderungen offensiv anzugehen, könne eine unreflektierte mediale Aufmerksamkeit zu einem Problem für die Forschung und den Lehrstuhl werden. Die Universitäten seien deshalb in der Zusammenarbeit mit muslimischen Initiativen und Gemeinden sehr zurückhaltend. Es gebe "viele Personen [in] der Islamischen Theologie, die dann sagen 'Wir halten uns da komplett raus, dann sind wir auf der sicheren Seite'" (UWIT_7).

Es gibt also Berührungsängste zwischen den Akteurinnen und Akteuren, was den Aufbau von Kooperationen erschwert. Gleichermaßen werden gegenüber einem:r interviewten Dozierenden von schulischer Seite Bedenken geäußert: "In welche Moschee könnte ich mit meiner Klasse gehen, ohne dass ich Angst haben müsste, dort wird irgendetwas politisch?" (UWIT_8)

Fazit und Ausblick

Wenn Fachkräfte aus Schule und Politik mit Verantwortlichen aus Moscheeverbänden zusammenarbeiten, kann sich das positiv auf den islamischen Religionsunterricht sowie die religiöse Unterweisung in der Moschee auswirken. Dennoch werden solche Kooperationen bisher eher zurückhaltend umgesetzt. Die skizzierten Herausforderungen verdeutlichen, dass es für eine vertiefte Zusammenarbeit noch einige Hürden zu bewältigen gibt. Es bedarf insbesondere der Weiterbildung und der Professionalisierung des Moscheepersonals, um den didaktischen und pädagogischen Anforderungen gerecht zu werden, sowie vermehrte Bereitschaft seitens der Universitäten, mit Gemeinden zusammenzuarbeiten. Dafür ist es allerdings notwendig, dass sich Verbände und Gemeinden mit fundamentalistischen Strömungen auseinandersetzen. Zudem braucht es eine Glaubensvermittlung, die nicht nur dem Bedürfnis nach authentischer muslimischer Identität gerecht wird, sondern auch den Menschenrechten, der Demokratie sowie der Lebenswelt junger Musliminnen und Muslime (Khorchide 2021).

Um schulischen Religionsunterricht, universitäre Theologie und außerschulische Glaubensvermittlung weiterzuentwickeln, sind tiefere Analysen der jeweiligen Zuständigkeiten sowie Chancen und Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen den Akteurinnen und Akteuren nötig. Eine Rückkoppelung des universitären Wissens in die Moscheegemeinden – zum Beispiel hinsichtlich historisch-kritischer Koranauslegung sowie pädagogischer Erkenntnisse – könnte dabei insbesondere junge Muslim:innen unterstützen, sich in den komplexen lebensweltlichen Bezügen eine kritisch-reflexive Religiosität anzueignen.

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Bei der Prävention von Islamismus kann die Schule eine zentrale Rolle spielen – indem Lehrkräfte freiheitlich-demokratische Werte vermitteln und erste Anzeichen einer Radikalisierung erkennen.

M. A. Praxisforschung und Innovation in der Sozialen Arbeit (HS Bremen), ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Distanz ("Strukturelle Ursachen der Annäherung an und Distanzierung von islamistischer Radikalisierung – Entwicklung präventiv-pädagogischer Beratungsansätze") sowie an der Professur für Allgemeine Pädagogik an der Universität Vechta. Zuvor arbeitete er als Sozialarbeiter vorwiegend im Bereich aufsuchender Sozialer Arbeit. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen in den Themen Radikalisierung, Deradikalisierung und Prävention im Phänomenbereich Islamismus. Eike Bösing promoviert im Fach Erziehungswissenschaften an der Universität Vechta.

ist Dipl.-Psychologin und Dipl.-Päd. und promovierte und habilitierte 2004 bzw. 2008 an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt im Bereich Jugendforschung und ist seit 2010 Professorin für Allgemeine Pädagogik an der Universität Vechta; sie war zuvor Professorin für Soziale Arbeit. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Jugendforschung, der Forschung zur Werteentwicklung und religiösen Entwicklung und u.a. im Bereich des religiös begründeten Extremismus sowie der Flucht- und Migrationsforschung. Derzeit leitet sie zusammen mit Mehmet Kart das BMBF geförderte Verbundprojekt Distanz ("Strukturelle Ursachen der Annäherung an und Distanzierung von islamistischer Radikalisierung -Entwicklung präventiv-pädagogischer Beratungsansätze") sowie das Projekt UWIT ("Ursachen und Wirkungen des radikalen Islam aus Sicht islamischer Theolog:innen").

Veronika Zimmer ist Dipl.-Pädagogin und promovierte 2013 und 2018 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie der Universität Vechta im Bereich der migrationsbedingten Heterogenität in der Erwachsenenbildung. Sie ist seit 2021 Professorin für Soziale Arbeit an der IU Internationale Hochschule. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Jugendforschung der Forschung zur Werteentwicklung und religiösen Entwicklung und u.a. im Bereich des religiös begründeten Extremismus sowie der Flucht- und Migrationsforschung. Derzeit ist sie als Expertin und Kooperationspartnerin an dem Projekt UWIT ("Ursachen und Wirkungen des radikalen Islam aus Sicht islamischer Theolog*innen") beteiligt.