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"Konfrontative Religionsbekundung"?! Konjunktur eines Begriffs und Möglichkeiten der pädagogischen Bearbeitung

Dr. Götz Nordbruch

/ 20 Minuten zu lesen

Wenn es um Konflikte mit muslimischen oder muslimisch gelesenen Jugendlichen in der Schule geht, ist in Medien und Debatten vermehrt von "konfrontativer Religionsbekundung" (oder "-ausübung") die Rede. Götz Nordbruch zeichnet den Kontext und die Geschichte dieses Begriffs nach, er verweist auf dessen zunehmend problematische Verwendung und beschreibt alternative Möglichkeiten, diese (vermeintlichen) Konflikte pädagogisch zu bearbeiten.

Konflikte zwischen Jugendlichen und Lehrkräften sind oft vielschichtig (Symbolbild). (© Photographee.eu | Adobe Stock)

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Aktuelle Debatte in Berlin

"Neuköllner Studie enthüllt: So läuft religiöses Mobbing an Schulen", titelte die Berliner Boulevardzeitung BZ am 29. Dezember 2021. Am gleichen Tag warb die Lokalausgabe der BILD-Zeitung mit der Schlagzeile "Religionen-Streit eskaliert an Schulen".

Anlass der Berichte war die Veröffentlichung einer "Bestandsaufnahme konfrontative Religionsbekundungen in Neukölln" des Berliner Vereins für Demokratie und Vielfalt in Schule und beruflicher Bildung (DEVI e. V.). Entstanden war sie im Rahmen einer fünfmonatigen Projektförderung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (vgl. DEVI 2021b). Die Bestandsaufnahme fasst die Einschätzungen von acht pädagogischen Mitarbeiter:innen an sechs Neuköllner Schulen zusammen. Sie bildet die Grundlage für den Aufbau einer "Anlauf- und Registerstelle konfrontative Religionsbekundungen", die der Verein im Rahmen einer Projektförderung im Bezirk Berlin-Neukölln einrichten will. Sie soll Lehrkräfte in der Auseinandersetzung mit religionsbezogenen Konflikten unterstützen und entsprechende Verhaltensweisen dokumentieren (vgl. DEVI 2021a).

Der Ansatz der geplanten Anlauf- und Registerstelle sowie die vorgelegte Bestandsaufnahme stießen in der Fachöffentlichkeit auf scharfe Kritik. Innerhalb weniger Wochen erschienen mehrere Stellungnahmen von etablierten Trägern, die in der Bildungs-, Jugend- und Präventionsarbeit tätig sind. Im Mittelpunkt der Kritik standen dabei die Verkürzung von Konflikten auf die Religionszugehörigkeit von Schüler:innen sowie die daraus abgeleiteten Maßnahmen, die für eine Bearbeitung entsprechender Konfliktsituationen erforderlich seien. Für die pädagogische Arbeit sei der Begriff "konfrontative Religionsbekundung" ungeeignet: Er stelle herausfordernde Verhaltensweisen in den Kontext von islamistischer Ideologie und Gewalt. Damit verstelle er den Blick für pädagogische Umgangsweisen, die die Perspektiven und Motivlagen von Jugendlichen berücksichtigen und auf mittelfristige Verhaltens- oder Einstellungsänderungen der betreffenden Jugendlichen abzielten. Von wissenschaftlicher Seite wurden unter anderem die fehlende Methodik und die geringe Anzahl und nicht näher erläuterte Auswahl der Befragten der Bestandsaufnahme kritisiert (vgl. Reach Out 2022).

Auf lokalpolitischer Ebene fand der Projektansatz dagegen deutlichen Zuspruch. So wurde das Projekt maßgeblich vom Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) und dem damaligen Jugendstadtrat Falko Lieke (CDU) unterstützt und vom Bezirk mit einer finanziellen Förderung bedacht. Der Jugendstadtrat begründete die Unterstützung der Anlaufstelle auch mit einem Hinweis auf eine vermeintlich übergeordnete politische Dimension entsprechender Konflikte, die durch die neu geschaffene Stelle über den Einzelfall hinaus dokumentiert werden könnten. "Konfrontative Religionsbekundung widerspricht dem Wesen nach diametral den Werten der demokratischen Schule und unserer Gesellschaft", erklärte Liecke in einer Pressemitteilung des Bezirksamtes anlässlich der Bewilligung von Fördermitteln für die Registerstelle im September 2021. "Was wir hier in Neukölln erproben, hat Bedeutung für das ganze Land, weil es nicht um Einzelfälle geht, sondern um Strukturen" (Bezirksamt Neukölln 2021).

In dem Projekt kommt die Verschiebung von einer pädagogischen hin zu einer sicherheitspolitischen Perspektive in der Auseinandersetzung mit religiös gerahmten Konflikten zum Ausdruck. So wird der Begriff "konfrontative Religionsbekundung" hier als Beschreibung von religiösen Praxen sowie religiös konnotiertem Alltagsverhalten definiert, "die in der (Schul-)Öffentlichkeit ausgelebt und ausagiert werden, auf die Herstellung von Aufmerksamkeit zielen, provozieren wollen, erniedrigen und/oder Dominanz herstellen sollen" (DEVI 2021, S. 8). Entsprechende Verhaltensweisen und die damit einhergehende "objektive Gefährdung […], die vom Islamismus ausgeht" (ebd.: 21), sollten im Mittelpunkt einer Präventionsarbeit stehen, die der Dringlichkeit dieser Bedrohung gerecht werde. Schließlich gehe es weniger um das Verhalten einzelner Jugendlicher als um den individuellen Ausdruck einer übergeordneten islamistischen Strategie. So sprechen die Initiator:innen der Anlaufstelle mit Verweis auf den hohen Anteil muslimischer Schüler:innen von einem Schulklima, das bisweilen an die extrem rechten "national befreiten Zone" in Ostdeutschland in den 1990er-Jahren erinnere (Memarnia 2021).

Kontext und Begriffsgeschichte

Bereits vor der aktuellen Debatte in Berlin wurde der Begriff "konfrontative Religionsbekundung" bzw. "-ausübung" in Berichten über Konflikte in Schulen verwendet. Dabei werden unterschiedliche Verhaltensweisen mit dem Begriff in Verbindung gebracht. Sie reichen von Aussagen von Schüler:innen, die sich aus religiösen Gründen einer Beschäftigung mit bestimmten Unterrichtsinhalten (z. B. Musik, Evolutionstheorie, Sexualkunde) verweigern, über Konflikte um die Durchführung von Gebeten in Schulräumen bis hin zu Berichten über Jugendliche, die sich zustimmend zu Gewalttaten islamistischer Organisationen äußern. So behandelt eine Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung, die sich mit "konfrontativen Religionsausübungen von muslimischen Schülerinnen und Schülern" befasst, nicht nur Mobbing und das Ausüben von sozialem Druck, sondern auch unterschiedliche Stadien islamistischer Radikalisierung (Kiefer 2021).

In diesem weiteren Sinne findet sich der Begriff der konfrontativen Religionsausübung auch im Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Landesprogramms Radikalisierungsprävention des Berliner Senats (vgl. Jaschke/Tausendteufel 2018), in dem von einer Vielzahl – wenngleich in der Regel nicht durch repräsentative Erhebungen belegter – religiös gefärbter Konflikte berichtet wird: "Unabhängig vom Vorkommen fortgeschrittener Radikalisierung an Schulen kann man im Zusammenhang mit Islamismusprävention radikale Einstellungen unter Schülern und konfrontative Religionsausübung nicht ausblenden. Die Atmosphäre an Schulen, in denen derartige Einstellungen und Probleme gehäuft auftreten, kann Radikalisierungen auslösen bzw. sie beschleunigen" (ebd., S. 67).

"Religiös gefärbte Konfliktlagen" als pädagogische Herausforderung

In früheren Debatten wurde der Begriff bereits 2013 in einem Vermerk des Landesinstitutes für Lehrerbildung Hamburg verwendet, um "religiös gefärbte Konfliktlagen an Hamburger Schulen" zu beschreiben (Landesinstitut für Lehrerbildung Hamburg 2013). Darunter wurden unter anderem "eine aggressive verbale Konfrontation mit Lehrkräften und Mitschülern" bzw. "Religionsbezeugungen in konfrontativer Absicht" gefasst (ebd., S. 2). In der Übersicht über entsprechende Vorfälle in Hamburger Schulen ging der Verfasser auch auf einen zunehmenden Einfluss von islamistischen, insbesondere salafistischen Akteuren ein, der in den betreffenden Stadtteilen von Lehrkräften und Schulleitungen mit wachsender Sorge beobachtet wurde. In den Handlungsempfehlungen betonte der Autor allerdings die pädagogische Dimension des Phänomens: Es gehe im Umgang mit diesen Konflikten weniger um eine "rein negatorische Abwehr" seitens der Schule als um die "praktische Gestaltung eines positiven Zusammenlebens", was eine "demokratiepädagogische Fundierung von Unterrichtsbetrieb und Schulkultur" voraussetze (ebd., S. 5).

Dieses Problemverständnis spiegelt sich auch in der von Kurt Edler verfassten Praxishilfe "Islamismus als pädagogische Herausforderung" (2015). Ausgehend von einer Auseinandersetzung mit Islamismus und Dschihadismus widmet sich Edler darin unterschiedlichen Ausdrucksformen von "konfrontativen Religionsbekundungen", die er im Unterschied zu manifesten Formen islamistischer Ideologie als "vorpolitisch" beschreibt (Edler 2015, S. 11). In diesem Verständnis des Begriffes kommt der Versuch zum Ausdruck, die Prozesshaftigkeit von Radikalisierungen hervorzuheben: Radikalisierung beginnt nicht mit der Artikulation einer ausformulierten Ideologie oder der ausdrücklichen Bereitschaft zur Gewalt, sondern steht für eine schrittweise Übernahme von Ideologieelementen und Verhaltensmustern, die im Extremfall auch in Gewalt münden kann. Prävention – verstanden als universelle Prävention – reagiert insofern nicht auf Straftaten oder Gewalt, sondern will Einstellungen und Verhaltensweisen vorbeugen, in denen sich beispielsweise antidemokratische oder antipluralistische Orientierungen widerspiegeln.

Reaktion auf Verunsicherung nach Anschlägen

Mit dieser Differenzierung reagierte Edler auf Unsicherheiten unter Pädagog:innen, die bereits in den Jahren nach den islamistischen Anschlägen in London im Jahr 2005 und dem zeitgleichen Erstarken einer salafistischen Szene in Deutschland zu beobachten waren. Die Unsicherheiten verstärkten sich in den Folgejahren mit den Anschlägen in Frankreich seit 2012 und der Beteiligung von jungen Menschen aus Deutschland an dschihadistischer Gewalt in Syrien und im Irak.

In diesem Kontext ließ sich der Begriff als Versuch verstehen, für Zusammenhänge von "Alltagsverhalten" auf der einen Seite und möglichen Radikalisierungen auf der anderen Seite zu sensibilisieren (beispielsweise in Bezug auf religiös begründete Wahrheitsansprüche, die sich entwicklungspsychologisch sowohl als jugendphasentypische Einstellungen als auch als Ausdruck islamistischer Ideologisierung erklären lassen). Zugleich forderte der Begriff in seiner damaligen Verwendung zu einer Differenzierung auf. Er regte Pädagog:innen dazu an, herausfordernde Verhaltensweisen oder Aussagen als pädagogische Herausforderungen anzugehen und auf mögliche Hintergründe zu befragen, die auch aus anderen, nicht-religiös gerahmten Kontexten bekannt sind (beispielsweise als provokatives Verhalten oder Mobbing).

Bei aller Konflikthaftigkeit entsprechender Situationen und der Notwendigkeit, hierfür Umgangsstrategien zu finden, ließ sich der Begriff "konfrontative Religionsbekundung" als Appell verstehen, genau hinzusehen und ins Gespräch zu kommen, aber gerade nicht zu dramatisieren und letztlich alltägliche Verhaltensweisen von Jugendlichen entsprechend auch nicht als Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu behandeln. So wies Edler ausdrücklich auf die Problematik hin, die mit einer einseitig auf Sanktionen und Ordnungsmaßnahmen ausgerichteten Reaktion verbunden ist: "Die Gefahr, religiöse Symbole oder Praktiken leichtfertig in eine politische Schublade zu stecken, ist groß. Hier könnte dann ungewollt ein Mechanismus wirken, den die Kriminologen Labeling Approach nennen: Voreilig zugeschriebene politische Radikalität wird von Jugendlichen übernommen und als Teil der eigenen Identität verinnerlicht", schrieb Edler dazu. "Auch in der Pädagogik muss die Unschuldsvermutung gelten" (ebd., S. 35-36).

An anderer Stelle führte Edler dies weiter aus und verwies auf den Einfluss des Schulklimas auf mögliche Radikalisierungen – beispielsweise in Bezug auf den schulischen Umgang mit religiösen Interessen von Schüler:innen: "Diskriminierungserfahrungen an der Schule oder im Lebensumfeld können für Hasskonstrukte empfänglich machen. Schulen müssen sich der Tatsache bewusst sein, dass ein schlechtes Binnenklima in ihrem Haus indirekt radikalisierungsfördernd wirken kann – so wie es auch andere Formen selbstschädigenden Verhaltens begünstigen kann" (Edler 2021, S. 10).

Verschiebung zu schulrechtlichen und sicherheitspolitischen Perspektiven

Im Unterschied dazu stehen in aktuellen Verwendungen des Begriffes, wie sie in der Debatte um die geplante Anlauf- und Registerstelle stark gemacht wurden, schulrechtliche und sicherheitspolitische Perspektiven im Mittelpunkt, hinter denen die pädagogische Dimension von provokativen und konflikthaften Verhaltensweisen zurücktritt. Damit geht eine Besonderung ("Othering") von tatsächlich oder vermeintlich religiös begründeten Aussagen und Verhaltensweisen einher, mit der eine Stigmatisierung der betreffenden Jugendlichen verbunden ist: Ein Verhalten, das als provokativ oder konfrontativ wahrgenommen und als religiös begründet gedeutet wird, erscheint danach im Unterschied zu "normalen" Provokationen und konfrontativem Verhalten von Jugendlichen als grenzüberschreitend und als besonders sanktionierungswürdig. Aus einem individuellen Verhalten, das als Hinweis auf eine islamistische Ideologisierung gedeutet wird, erwächst in dieser Lesart eine Gefahr für den Schulfrieden und letztlich für die gesellschaftliche Ordnung.

Ausschlaggebend für die angemahnte Sanktion ist dabei weniger das konfrontative Verhalten selbst als vielmehr der Bezug auf die Religion, der von den Jugendlichen angeführt wird. Dadurch geraten letztlich alle Formen von demonstrativer und selbstbewusster Religiosität – insbesondere auch solche, welche sich gegen rassistische Diskriminierungen wenden und Gleichheitsgrundsätze als Muslim:innen einfordern – in den Verdacht, auf Islamismus und Radikalisierung hinauszulaufen.

Konflikte im Zusammenhang mit Pluralität

In vielen Beiträgen über "konfrontative Religionsbekundungen" stehen die institutionellen Perspektiven von Lehrkräften berziehungsweise Schulleitungen im Mittelpunkt. Die Perspektiven von Schüler:innen, in denen sich deren lebensweltliche Erfahrungen und Interessen widerspiegeln, bleiben dabei in der Regel unberücksichtigt: Es geht um das Einhegen von Jugendlichen und die Sanktionierung von Regelbrüchen im Sinne des Schulfriedens (und der öffentlichen Sicherheit), aber nicht um die Frage nach den Motiven, die entsprechenden Verhaltensweisen zugrunde liegen.

Wenige Fälle – viel Aufmerksamkeit

Vor dem Hintergrund der islamistischen Anschläge der vergangenen Jahre – und insbesondere des Anschlags nahe Paris, der sich gezielt gegen einen Lehrer richtete und vom Täter mit dem Unterricht des Opfers begründet wurde – ist die Verunsicherung von Lehrkräften nachvollziehbar, die in den Reaktionen auf vordergründig religiös-motivierte Konflikte im Schullalltag zum Ausdruck kommen. Ebenso erklärlich ist der Nachdruck, mit dem unmittelbare Lösungsansätze beispielsweise für den schulischen Bereich eingefordert werden.

Dabei wird allerdings eine Diskrepanz deutlich zwischen der medialen und politischen Aufmerksamkeit, die den als religiös gedeuteten Konflikten zukommt, und der dokumentierten Zahl der Fälle, die sich nicht auf schulischer Ebene lösen ließen. So betonte der hessische Kultusminister in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zur Anzahl der Fälle, in denen muslimische Eltern ihren Kindern aus religiösen Gründen eine Teilnahme an Schulveranstaltungen verweigerten, dass entsprechende Konflikte in der Regel schulintern "vor Ort im Einvernehmen mit den Schülerinnen und Schülern, deren Eltern, den Lehrkräften und Schulleitungen sowie gegebenenfalls weiteren Akteurinnen und Akteuren" gelöst würden (Hessischer Landtag 2021, S. 2).

Innerhalb von fünf Jahren hätten die Staatlichen Schulämter in Hessen von insgesamt 18 Fällen Kenntnis erhalten, von denen lediglich zwei ein Ordnungswidrigkeitsverfahren zur Folge hatten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Michael Kiefer mit Blick auf die Zahl der Fälle im Projekt ClearTeaching, bei denen sich tatsächlich der Einfluss extremistischer Ideologien nachzeichnen lässt. Er warnte in einer Debatte vor einer Dramatisierung der Situation: "Die Fallzahlen für die konkreten Schulen sind da, aber sie sind nicht so hoch, dass man hier denken müsste, es ist ganz schlimm, was jeden Tag an unseren Schulen passiert" (zit. nach: Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten 2022, S. 8).

Vielschichtige Konfliktlagen versus Fokus auf Religion

In aktuellen Berichten über "konfrontative Religionsbekundungen" an Schulen gerät darüber hinaus die Vielschichtigkeit der Konfliktlagen und der dahinter liegenden Motivationen aus dem Blick, die das Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften – und damit zwangsläufig auch im Klassenzimmer – prägen. So bestätigen verschiedene Studien den Einfluss von rassistischen Diskriminierungen auch im Bildungskontext. Dabei geht es nicht allein um rassistische Zuschreibungen unter Schüler:innen, sondern auch um Wahrnehmungen und Haltungen von Lehrkräften, die entsprechende Zuschreibungen und damit verbundene Abwertungen von Jugendlichen mit Migrationsbiografien verstärken.

In den vergangenen Jahren ist allerdings ein Wandel der Grenzziehungen zwischen diesem "Wir" und "den Anderen" zu beobachten, der in diesen Diskriminierungen zum Ausdruck kommt. Anders als noch in den 1990er-Jahren gründet die Markierung als "Andere" heute weniger in Staatsbürgerschaft ("Ausländer") und Herkunft als in realer oder angenommener Religionszugehörigkeit ("Muslim:innen"). Damit einher geht ein Wandel der konkreten "Erklärungen", die zur Deutung des Verhaltens von Jugendlichen herangezogen werden.

"Binnen weniger Jahre scheinen die als Migranten oder Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund geltenden Menschen nicht mehr an Identitäts- und Kulturkonflikten zu leiden, sondern an ihrer religiösen Zugehörigkeit" (Mecheril/Olalde 2021, S. 118). Religion steht in dieser Form eines religiösen Othering nicht für einen individuellen Glauben, sondern für ein "identitäres Schicksal" (ebd., S. 113), das den oder die Einzelne:n auf ein durch kulturelle und religiöse Prägungen bestimmbares Kollektiv "der" Muslim:innen festlegt. Unabhängig vom individuellen Selbstverständnis und jenseits des persönlichen Willens werden Jugendliche, die als muslimisch wahrgenommen werden, dabei zu "Exemplaren" (ebd., S. 117) des Islams, deren Verhalten sich aus religiösen Prägungen ableitet.

In diesem Zusammenhang verweist Kiefer auch auf die Vielschichtigkeit von Religion und Religiosität, die eine Aussage darüber, was genau als "religiöses Verhalten" zu beschreiben wäre, erschwert: "Ist jemand religiös, wenn er islamische Begriffe oder Floskeln in sein Sprechverhalten einfließen lässt? Macht der Gebrauch der Rufformel 'Allahu Akbar' automatisch aus dem Ausrufer einen religiösen Muslim? Wieviel muss es sein und welche Qualität wird verlangt, damit ein Verhalten oder eine Performance als religiös gilt? Geht es hierbei nur um das äußerlich Wahrnehmbare oder geht es auch um eine innere Haltung, die z. B. auch ein gewisses Maß an Spiritualität umfasst?" (Kiefer 2020, S. 76). Die Erklärung eines Verhaltens mit der Religion einer Person verkürzt diese Vielschichtigkeit zwangsläufig auf einen vermeintlich klar bestimmbaren Kern des Islams.

Folgen von Zuschreibungen und Diskriminierungen

In Forschungen zu Identitätsbildungsprozessen von Jugendlichen mit Migrationsbiografien wurde vielfach auf die Wirkung entsprechender Fremdzuschreibungen hingewiesen. So entspringt der Bezug auf den Islam als Teil des eigenen Selbstverständnisses nicht unbedingt einem intrinsischen Wunsch nach Spiritualität oder religiöser Praxis, sondern lässt sich oft auch als Suche nach einer "Rückzugs-" oder "Restidentität" in Reaktion auf eine verweigerte Zugehörigkeit und Anerkennung in der Gesellschaft beschreiben. Bereits in der viel – und kontrovers – diskutierten Studie "Verlockender Fundamentalismus" hatten Heitmeyer, Müller & Schröder in den 1990er-Jahren auf einen solchen Zusammenhang hingewiesen. Sie beschrieben die Übernahme einer "religiös fundierten Gewaltbereitschaft" auch als "Reaktion auf fremdenfeindliche Gewalt und die Verweigerung der Anerkennung einer kollektiven Identität der Mehrheitsgesellschaft, aber auch konkrete Diskriminierungserfahrungen im privaten Bereich sowie die negativen Folgen der gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse" (Heitmeyer et al. 1997, S. 183-184).

Ein ähnlicher Zusammenhang wurde auch in der Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland" sichtbar, die 2012 im Auftrag des Bundesinnenministeriums veröffentlicht wurde. Die Studie basierte zum Teil auf Befragungen, die in der Zeit der Sarrazin-Debatte stattfanden, und gab Hinweise auf die Auswirkungen der breiten gesellschaftlichen Debatte über die rassistischen Thesen Thilo Sarrazins auf Einstellungen von Muslim:innen in Deutschland. Die Autoren beschrieben die Ergebnisse ihrer Studie wie folgt: "Mit der Veröffentlichung des besagten Buches ["Deutschland schafft sich ab", G. N.] und durch die anschließenden Debatten haben sich möglicherweise die nichtdeutschen Muslime als noch weiter aus der Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen wahrgenommen und deshalb mit noch stärker ausgeprägten Vorurteilen gegenüber dem Westen und den Juden und mit einer noch stärkeren Abgrenzung von der Kultur der deutschen Mehrheitsgesellschaft reagiert" (Frindte et al. 2012, S. 592).

Der demonstrative Bezug auf den Islam, wie er von Jugendlichen bisweilen zur Begründung ihres Verhaltens hergestellt wird, ist insofern nicht zwangsläufig Ausdruck eines persönlichen Bekenntnisses zu islamischen Glaubensvorstellungen, sondern lässt sich auch als Suche nach einer alternativen Gemeinschaft und Zugehörigkeit verstehen, die aufgrund einer verweigerten Zugehörigkeit zur Gesellschaft notwendig wird. Auch in dieser Hinsicht verstellt der Begriff der "konfrontativen Religionsbekundung" den Blick auf die Motive ("das Thema hinter dem Thema"), die die vordergründig mit dem Islam begründeten Verhaltensweisen erklären könnten.

Risikomanagement, Schulfrieden und Religionsfreiheit

Für Mecheril und Olalde beschränkt sich die Wirkung eines solchen "religiösen Otherings" allerdings nicht auf die Zuschreibungen; die Markierung als "Muslim" dient auch "der Legitimation spezifischer Behandlungsweisen" (Mecheril/OIalde 2021, S. 110), mit denen beispielsweise in der Institution Schule auf Anderssein reagiert wird. Im Unterschied zu den ausländer- oder interkulturell-pädagogischen Zugängen zu Diversität und Heterogenität, wie sie in den erziehungswissenschaftlichen Debatten der 1980er- und 1990er-Jahre formuliert wurden, gehe es in heutigen Ansätzen nicht mehr um die Kompensation von herkunfts- oder migrationsbedingten Defiziten bei Jugendlichen beispielsweise in Bezug auf Sprache, sondern zunehmend um "Risikoabschätzung und -management" (ebd., S. 118) von Einstellungen und Verhaltensweisen, die in der Religion der als muslimisch markierten Jugendlichen begründet seien.

Das "Risikomanagement", das mit der oben beschriebenen Verwendung des Begriffes "konfrontative Religionsbekundung" verbunden ist, betrifft den unmittelbaren pädagogischen Umgang mit dem oder der betroffenen Schüler:in, geht aber deutlich darüber hinaus. So spielt in aktuellen Beiträgen zu möglichen Konflikten, die durch sichtbare Religiosität im Bildungskontext ausgelöst werden könnten, der Hinweis auf mögliche Gefährdungen des Schulfriedens eine wichtige Rolle. Im juristischen Kontext stand der Begriff des Schulfriedens lange Zeit vor allem im Zusammenhang mit politischen Aussagen von Schüler:innen, die als potenzielle Gefahr für einen geordneten Schulablauf und die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule gesehen wurden. In jüngeren rechtlichen Auseinandersetzungen spielen hingegen zunehmend auch Fragen der Religionsfreiheit eine Rolle – wobei die Wahrung des Schulfriedens dabei vielfach als Gegenpol zur Religionsfreiheit gefasst wird.

Tobias Schieder (2020) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Begriff des Schulfriedens allerdings nicht einseitig auf den Schutz der ordnungsgemäßen schulischen Abläufe gegen problematische Formen der Religionsausübung reduziert werden könne. Er betont, dass auch die Gewährleistung der Religionsfreiheit selbst zum schulischen Auftrag gehöre; eine Gefährdung des Schulfriedens ist danach nicht nur durch religiöse Praktiken, sondern auch durch die Einschränkung von religiösen Praktiken denkbar. So verweist er auf schulrechtliche Regelungen in Bayern, wo die "Ehrfurcht vor Gott" oder die "Achtung vor religiöser Überzeugung" (Art. 1 BayEUG) als oberste schulgesetzliche Bildungsziele verankert sind, oder auf den schulischen Auftrag, auf eine größtmögliche Entfaltung der Persönlichkeit der Schüler:innen hinzuarbeiten, wie es im Berliner Schulgesetz formuliert ist. Angesichts solcher rechtlich fixierten Zielsetzungen könne "nicht ernsthaft vertreten [werden, G. N.], religiöse Übung gefährde schon auf abstrakt-genereller Ebene den Schulfrieden" (Schieder 2020, S. 71).

Eine ähnliche Problematik findet sich auch auf individueller Ebene, wenn religiöse Praktiken oder Aussagen, die von anderen als provokativ oder konfrontativ wahrgenommen werden, unmittelbar als Einschränkung der negativen Religionsfreiheit (Freiheit von Religion im Unterschied zur positiven Religionsfreiheit im Sinne einer Freiheit der Religionsausübung) gedeutet werden. Die negative Religionsfreiheit schütze zwar davor, "in unzumutbarer Weise mit Religiosität konfrontiert zu werden", erklärt dazu Çefli Ademi. Es gäbe "jedoch kein Grundrecht auf einen umfassenden Konfrontationsschutz. Die Weigerung, Andersartigkeit wahrnehmen zu wollen, fällt nicht unter den grundrechtlichen Schutzbereich" (Ademi 2020). Grundrechte, so fügt er hinzu, seien eben auch Minderheitenrechte, die unabhängig von der Toleranz der Mehrheitsgesellschaft Geltung beanspruchen.

An diesem Beispiel werden auch die Grenzen einer "Grundrechtsklarheit" deutlich, wie sie als notwendige Haltung in der Begegnung von "konfrontativen Religionsbekundungen" eingefordert wird (vgl. DEVI 2021a, S. 44-46). Schließlich lassen sich viele Konflikte eben nicht als eindeutige Rechtsverstöße beschreiben – gerade deswegen werden sie in der pädagogischen Praxis als herausfordernd erlebt.

Alternative Zugänge und Umgangsweisen

Die oben beschriebenen Herausforderungen, die sich bei der Bezeichnung und Beschreibung von Verhaltensweisen ergeben, die von Fachkräften als provokativ oder konfrontativ wahrgenommen werden, zeigen sich auch in der Arbeit von ufuq.de. Auch in unseren Fortbildungen und Beratungen, die wir im Themenfeld Islam, Rassismus und Islamismus anbieten, wird von Fachkräften immer wieder die Frage aufgeworfen, wie sich "selbstverständliche" – im Sinne von "unproblematischen" und durch die Religionsfreiheit gedeckten – Ausdrucksformen von Religiosität von Anzeichen einer Ideologisierung und/oder einer Hinwendung zu islamistischen Szenen abgrenzen lassen. Dabei verweisen schon Begriffe wie "selbstverständlich" oder "unproblematisch" auf die Schwierigkeit einer entsprechenden Abgrenzung. In der pädagogischen Praxis verbinden sich diese Herausforderungen mit der Notwendigkeit, dem Einfluss von rassistischen und versicherheitlichenden Diskursen auf das eigene Handeln entgegenzuwirken

Merksätze zur Einschätzung von Konflikten

In den Fortbildungen von ufuq.de hat sich eine Orientierung an drei Merksätzen bewährt, die eine Einschätzung und Abgrenzung von herausfordernden Verhaltensweisen und Konflikten erleichtern, ohne dabei rassistische Zuschreibungen zu reproduzieren und pädagogisches Handeln an einer Verdachtslogik ("Risikomanagement") auszurichten. Dabei geht es darum, jene Kippstellen zu identifizieren, an denen ein Verhalten oder eine Aussage von einer legitimen Religionsbekundung in eine Verhaltensweise übergeht, die eine pädagogische Reaktion – im Sinne von gezielten Nachfragen, aber eventuell auch einer Sanktionierung – erforderlich macht.

  • Der Bezug zum Islam bietet Jugendlichen das Gefühl von Gemeinschaft, geht bei einigen Jugendlichen aber auch mit dem Wunsch nach Normierung und Dominanz und Antipluralismus einher.

  • Der Bezug zum Islam stiftet Identität, kann aber auch Abgrenzung und Abwertung begünstigen.

  • Der Bezug zum Islam vermittelt Orientierung, kann aber auch in einen Anspruch auf absolute Wahrheit umschlagen.

Für Fachkräfte bieten diese Merksätze eine Grundlage, um die konkrete Problematik eines Verhaltens zu benennen. So kann der Bezug zum Islam – auch in demonstrativer Form – ähnlich wie Bezüge auf andere (Religions-)Gemeinschaften identitäts- und sinnstiftend sowie wertbildend wirken und ist daher selbstverständlich legitim und unproblematisch. Eine solche Form von Religiosität kann für Jugendliche eine Ressource sein, die Gemeinschaft, Identität und Orientierung vermittelt. Religion kann aber auch als Grundlage dienen, um sich abzugrenzen, andere abzuwerten und Druck auszuüben. In dieser Form – zum Beispiel als Abwertung und sozialer Druck – wird das Verhalten problematisch und erfordert eine pädagogische Reaktion.

An einem Beispiel lässt sich dies veranschaulichen: Ein Schüler sagt zu einem Mitschüler während des Ramadans: "Was, Du trinkst? Dann bist Du kein guter Muslim und kommst in die Hölle!" Die Aussage steht für den Anspruch auf eine eindeutige und absolute Wahrheit in Bezug auf das religiöse Gebot des Fastens und verbindet sich hier mit einer Form des sozialen Drucks, der darauf abzielt, zu normieren und Gehorsam einzufordern. Problematisch dabei ist nicht der Bezug auf den Islam, sondern die Normierung und der soziale Druck.

Transparente Sanktionen

Auf dieser Grundlage lässt sich eine pädagogische Reaktion entwickeln, die auf den konkreten Regelbruch reagiert: Als Pädagog:in sanktioniere ich das Ausüben von sozialem Druck, Abwertungen, Beleidigungen oder Mobbing. Der Vorteil eines solchen Zugangs liegt darin, dass für die Schüler:innen deutlich wird, aus welchem konkreten Anlass die Reaktion erfolgt – und dass dieser Anlass für alle Schüler:innen ähnliche Konsequenzen hätte. Damit bietet sich auch die Möglichkeit, die zugrundeliegenden Regeln und Sanktionen selbst mit den Schüler:innen in einer machtkritischen Perspektive zu reflektieren. Schließlich werden diese nicht willkürlich durch die Lehrkraft gesetzt, sondern sind Ausdruck gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse, an denen idealerweise auch Schüler:innen mitwirken. In der pädagogischen Reaktion geht es damit nicht um eine Problematisierung "der Religion" des oder der Schüler:in, sondern um die transparente Sanktionierung eines Verhaltens, das unabhängig von der dahinterstehenden Motivation einen Regelbruch darstellt.

Gleichwohl spielen die Ursachen und Motivationen, die hinter einem problematischen Verhalten stehen, natürlich auch in diesem Ansatz eine Rolle – allerdings nicht für die Begründung der Sanktion, sondern für die Frage nach den pädagogischen Umgangsweisen, mit denen der oder die betreffende Jugendliche dazu angeregt werden kann, sein Verhalten zu reflektieren und idealerweise zu verändern. Schließlich setzt eine Sanktion zunächst nur Grenzen, stößt aber nicht zwangsläufig eine Veränderung an. Insofern ist auch hier ein Blickwechsel erforderlich: Jugendliche machen nicht nur Probleme, sie haben auch welche. Im Mittelpunkt der mittel- und langfristigen pädagogischen Umgangsweise mit entsprechenden Konflikten steht insofern die Frage nach dem "Thema hinter dem Thema", das den oder die Schüler:in zu diesem Verhalten veranlasst.

Selbstreflexion

Unabhängig von der konkreten Situation und den Motiven, die hinter einem als konfrontativ wahrgenommenen Verhalten stehen, ist es in der Praxis allerdings immer erforderlich, einen Schritt zurückzutreten und eigene Wahrnehmungen zu hinterfragen. Dabei spielen neben eigenen Vorbehalten beispielsweise gegenüber Religion auch gesellschaftliche Diskurse über "den" Islam und "die" Muslim:innen eine Rolle und prägen die Wahrnehmungen von Schüler:innen und deren Verhaltensweisen.

So stehen auch rigide Glaubensvorstellungen und absolute Wahrheitsansprüche nicht per se jenseits der Grenzen, die beispielsweise durch das Kontroversitätsgebot der politischen Bildung gezogen werden. Erst in der Verbindung mit antidemokratischen oder antipluralistischen Einstellungen überschreiten sie eine Grenze, die das Verhalten zu einem Problem machen. Protest, Provokation und Konfrontation an sich sind nicht ausreichend, um ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Einstellung als problematisch zu sanktionieren – zumal gerade Provokationen und Konfrontationen von unterschiedlichen Personen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Sanktionierungswürdig ist nicht die (reale oder vermeintliche) Provokation oder Konfrontation an sich, sondern ein Regelbruch.

Dieser Artikel entspricht in großen Teilen einem Beitrag, der im Herbst 2022 im Sammelband "Islamismusprävention in pädagogischen Handlungsfeldern. Rassismuskritische Perspektiven" in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung erscheinen wird, herausgegeben von Dilek Dipcin, Philippe Marquardt, Caroline Bossong, Frank Schellenberg und Johannes Drerup.

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Quellen / Literatur

Fussnoten

Fußnoten

  1. Neben der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus, in der auch DEVI Mitglied ist, äußerten sich u. a. das Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus, die Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Antidiskriminierungsverband Deutschland kritisch über den zugrundeliegenden Ansatz (siehe dazu BAG RelEx 2022, KN:IX 2022 sowie Reach out 2022).

  2. Die Ethnologin Susanne Schröter, die das Projektvorhaben und die Bestandsaufnahme evaluierte, sprach hingegen von einer "angemessenen" und "aus sozialwissenschaftlicher Sicht nicht zu beanstandenden" Methodik dieser "explorativen Studie" (Schröter 2021, S. 22).

  3. Auf Landesebene steht eine Entscheidung über eine mögliche Förderung des Projektes sowie einer möglichen wissenschaftlichen Studie zu dem Thema noch aus. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage spricht sich die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie allerdings gegen die Verwendung des Begriffes "konfrontative Religionsbekundung" aus, da "die Begrifflichkeit nicht dazu geeignet ist, die Phänomene in ihrer Komplexität zu erfassen" (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie 2022, S. 1).

  4. In der öffentlich einsehbaren Fassung des Vermerkes ist der Name des Autors geschwärzt. Aufgrund der Angabe seiner Funktion als "Referatsleitung Gesellschaft – Arbeitslehre – Aufgabengebiete" ist davon auszugehen, dass Kurt Edler den Vermerk verfasst hat, der in dieser Funktion beim Lehrerinstitut für Schulentwicklung Hamburg tätig war.

  5. In dem Projekt ClearTeaching wurden zwischen 2016 und 2019 an sechs Schulen in Nordrhein-Westfalen und Berlin mit insgesamt 13.000 Schüler:innen Beratungsstrukturen für die Prävention von Radikalisierungen geschaffen. In dieser Zeit wurden insgesamt 30 Fälle bearbeitet, bei denen es darum ging, politisch- oder religiös-extremistischen Einstellungen von Schüler:innen entgegenzuwirken. In 19 dieser Fälle handelte es sich um Schüler:innen, die mit salafistischen Vorstellungen sympathisierten, in 11 Fällen ging es um Schüler:innen aus dem rechtsextremen Spektrum. Weitere Informationen: Externer Link: www.clearing-schule.de/veroeffentlichung-der-handreichung-zum-modellprojekt/.

  6. Vgl. dazu Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2021, S. 198-203, Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung/Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2017, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2015.

  7. Ein Beispiel sind die rigiden Reaktionen auf das Tragen von "Stoppt Strauß"-Ansteckern von Schüler:innen, mit denen diese gegen die Kandidatur des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß im Bundestagswahlkampf 1980 protestierten.

  8. Zur rechtlichen Konkretisierung schlägt Schieder folgende Definition des Schulfriedens vor, die die Entwicklung der Rechtsprechung aufgreift: "Schulfrieden bezeichnet einen Zustand, in dem die berechtigten Interessen (d. h. insbesondere die Grundrechte) aller am Schulverhältnis Beteiligten unter Berücksichtigung der gesetzlichen Erziehungsziele eine möglichst weitgehende Verwirklichung finden." (Schieder 2020, S. 70).

  9. Dieses Vorgehen lässt sich auch auf den Umgang mit anderen Verhaltensweisen übertragen, die sich beispielsweise auf ethnisch-kulturelle oder heteronormative Motive beziehen. Auch hier ginge es nicht darum, die individuelle Überzeugung in Frage zu stellen (zum Beispiel: "Als Mann ist es mir wichtig, so und so zu sein!"), sondern damit eventuell einhergehenden normierenden und abwertenden Verhaltensweisen entgegenzuwirken.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Dr. Götz Nordbruch für bpb.de

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ist Islam- und Sozialwissenschaftler und Mitbegründer des Vereins ufuq.de. Für ufuq.de leitet er die Angebote des Vereins im Rahmen des Externer Link: Kompetenznetzwerkes "Islamistischer Extremismus" (KN:IX). Nordbruch war als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut de recherches et d’études sur le monde arab et musulman in Aix-en-Provence und am Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig tätig. Als Co-Autor verfasste er unter anderem den Aufsatz "Transforming schools into labs for democracy. A companion to preventing violent radicalization through education" (2018).