Nach dem kommunistischen Februarputsch 1948 brachte der Elbschiffer Josef Novák den ehemaligen Finanzminister Ladislav Feierabend auf seinem Elbkahn ČSPL 346 in den Westen. Die Fluchtfahrt ihres Großonkels, von der Holger und Uwe Rada in ihrem Film "Flucht auf der Elbe" berichten, war auch im Visier des tschechoslowakischen Geheimdienstes STB.
Im Februar 1948 begann mit einem Putsch die uneingeschränkte Alleinherrschaft der Kommunisten in der Tschechoslowakei, die mehr als 41 Jahre andauern sollte. Gegner der Kommunisten befürchteten Repressionen und sahen sich gezwungen, nach dem Umsturz das Land zu verlassen. Viele Geschichten abenteuerlicher Fluchten in die erträumte oder auch erzwungene Zukunft im Ausland sind bekannt. Die meisten Fluchtversuche waren erfolgreich, auch dank umsichtiger Fluchthelfer.
Der Politiker Ladislaw Feierabend
Einer dieser Helfer ist Josef Novák, ein tschechischer Elbschiffer. Er brachte im April 1948 dem in Ungnade gefallenen Ladislav Feierabend und seine Familie in den Westen. Der konservative Politiker Feierabend, Mitglied der Agrarpartei, war in der Exilregierung unter Edvard Beneš noch Finanzminister gewesen. Nach dem Rücktritt der Londoner Exilregierung im April 1945 war die Agrarpartei jedoch nicht mehr an der neuen Regierung beteiligt. Im Juni 1945 kehrte Feierabend nach Prag zurück, seine Partei wurde verboten, er lebte als Privatmann. Nach dem Februarputsch 1948 wurde sein Vermögen konfisziert, ihm drohte die Verhaftung durch die kommunistische Geheimpolizei, ein Schauprozess und das Todesurteil. Er entschied, erneut ins Exil zu gehen, und nahm Kontakt zu Novák auf. Auf ihrem Elbkahn ČSPL 346 brachten Josef und Štěpánka Novák Feierabend und seine Familie in die Freiheit.
Josef Novák und sein Kahn
Josef Novák war am 4. März 1912 in der Gemeinde Dittersbach bei Broumov geboren worden, die nach dem Zweiten Weltkrieg Jetřichov hieß. Kinder- und Schulzeit verbrachte Novák in der Broumover und Trutnover Gegend, wohin sein Vater, ein Kutscher, der Arbeit wegen umgezogen war. Zuerst ging er in die Allgemeinschule in Pilníkov, später wechselte er an die Allgemeinschule in Horní Staré Město bei Trutnov. Er erlernte die deutsche Sprache, die er in der damaligen bilingualen deutsch-tschechischen Umgebung offenbar gut beherrschte. Die Jugendjahre und Anfänge des Erwachsenenlebens verlebte er in Trutnov, wo er eine Lehre zum Handelsgehilfen absolvierte.
Seinen Wehrdienst leistete er ab dem 1. Oktober 1932 in der Garnisonsstadt Hradec Králové. Sein Sinn für Pflicht und Ordnung und eine körperliche Verfassung ermöglichten ihm den Abschluss der der Unteroffiziersschule. Nachdem Grundwehrdienst blieb er in der Armee, er erhielt den Dienstgrad eines Zugführers und wurde Unteroffizier.
1937 lernte er seine zukünftige Frau, die am 24. Juni 1913 in Bohuslavice geborene Štěpánka Pejchalová, kennen, die er im August 1938 heiratete. Davor trat er aus der Armee aus, weil er als Soldat nicht heiraten durfte. Mitte September 1938 trat er in die Dienste der Tschechoslowakischen Elbschifffahrtsaktiengesellschaft ČSPL ein, wo er zunächst einen Schifffahrtskurs absolvieren musste.
Auch den Zweiten Weltkrieg erlebte Novák auf den Schiffen der ČSPL, die schon am 7. April 1939 in Böhmisch-mährische Elbschifffahrtsaktiengesellschaft ČMPSL umbenannt wurde. Die Schiffe waren nicht nur auf der Elbe, sondern auch auf weiteren Flüssen und Kanälen in Deutschland unterwegs. Die tschechischen Schiffsführer ersetzten dort unfreiwillig die zur Wehrmacht eingezogenen deutschen Kollegen.
Im April 1948 ist die Elbe Schauplatz einer ungewöhnlichen Flucht. Der tschechische Binnenschiffer Josef Novák bringt den nach dem kommunistischen Februarputsch in Ungnade gefallenen Politiker Ladislav Feierabend auf seinem Elbkahn in den Westen. Eine bisher unbekannte Geschichte aus dem Europa des Kalten Krieges. Und eine tschechisch-deutsche Heimatgeschichte: Der Fluchthelfer ist der Großonkel der Filmemacher.
Das Kriegsende erlebte Novák auf einem Schleppkahn unweit von Berlin, in gefährlicher Nähe zur letzten großen Schlacht des Zweiten Weltkriegs.
In dieser letzten Kriegsphase kam der Transport auf den Wasserstraßen Mitteleuropas fast vollständig zum Erliegen. 25 Schiffe, die unter der Flagge von ČSPL bzw. ČMPSL standen, gingen unter oder brannten ab, 17 wurden schwer beschädigt und an 131 wurden leichte Schäden registriert. Der Neustart nach dem Krieg war schwer, auch die Wasserstraßen mussten teilweise instandgesetzt werden.
Durch die Sowjetische Besatzungszone
Die Flucht von Ladislaw Feierabend und seiner Familie begann am 9. April 1948 im Hafen von Děčín, frühmorgens gingen die Fluchthelfer und die Flüchtlinge an Bord.
Es war die erste Reise von Josef und Štěpánka Novák, auf der Flüchtlinge dabei waren. Die zwei Verstecke hat Feierabend in seinen Memoiren als zwei kleine Räume beschrieben. Sie befanden sich im Zimmer des Schiffsführers zwischen der Wand des Kleiderschranks und dem Schiffsrumpf auf der einen Seite und der Wand des Küchenschranks und dem Schiffsrumpf auf der anderen Seite.
Zeitzeugen erinnern sich daran, dass in solchen Verstecken häufig Mädchen aus der sowjetischen Besatzungszone mit der männlichen Besatzung nach Hamburg fuhren. Als Gegenleistung für den Transport in die Westzone kümmerten sich die blinden Passagiere auf den Kähnen um den Haushalt, kochten und ließen sich nicht zuletzt von den jungen, finanziell verhältnismäßig gut versorgten Männern aushalten. Die Mehrheit der Mädchen kehrte den Zeitzeugen zufolge nach Hause zurück.
Einfach war die Flucht auf der Elbe aber nicht. Zwar passierten die Nováks die Grenze zur Sowjetischen Besatzungszone ohne Probleme – sicher auch dank der Bewirtung der sowjetischen Kontrolleure am Eingang in die sowjetische Besatzungszone mit Kognak. Gefährlich war es auch in Bad Schandau, wo im Hafen, wie es üblich war, deutsche Mädchen ihre Dienste anboten. Die sowjetische Polizei griff ein und führte zwei Angehörige der Besatzung ab. Novák musste die Situation wieder mit Alkohol retten. Bereits einen Tag nach der Abfahrt, am 10. April 1948, stellte sich der aufgeschreckte Feierabend die Frage, ob er richtig gehandelt hatte, als er für seine Flucht den bisher nicht erprobten Weg über die Elbe gewählt hat.
Für die Besatzung des Schiffes 346 kam es weniger auf Geschwindigkeit als auf Vorsicht an. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die sowjetischen Behörden die Kontrolle über die Elbe-Wasserstraße übernommen. Das führte bei der Schifffahrtsgesellschaft ČSPL zu ständig wiederkehrenden Problemen mit Passierscheinen, die zum Betreten und Verlassen der Sowjetischen Besatzungszone berechtigten. Darüber hinaus war es keine Seltenheit, dass bei Zwischenfällen nicht nur ein Besatzungsmitglied, sondern die gesamte jeweilige Besatzung festgehalten wurde. Mitunter mussten voll beladene Schiffe bis zu einigen Wochen ankern, ohne Rücksicht darauf, was gerade transportiert wurde. Niemanden interessierte, woher die Besatzung in einem solchen Fall die nötigsten Lebensmittel bekam, die im Nachkriegsdeutschland Mangelware waren.
Die Passierscheine stellte das Generalkonsulat der UdSSR in Prag aus, wie aus Dokumenten des Staatlichen Gebietsarchivs Litoměřice hervorgeht. Die ČSPL musste im Antrag Namen und Nummer des Schiffes, Namen und Vornamen des Kapitäns oder Steuermanns sowie Zahl und Namen der Besatzungsmitglieder angeben. Probleme gab es bei deutschen Besatzungsmitgliedern oder bereits bei Nachnamen, die deutsch klangen. Dazu kam, dass sich die Bedingungen für die Ausstellung der Passierscheine fortwährend änderten. Einmal ausgestellte Passierscheine verloren nach einer bestimmten Zeit ihre Gültigkeit.
Auch Nováks Schiff war davon betroffen. Am 15. April 1948 verweigerten ihm die zuständigen Beamten die Erlaubnis, die sowjetische Besatzungszone zu verlassen. Ob Josef Novák zur Lösung dieses Problems wie gewöhnlich Bestechungsgelder einsetzte, was mehr als wahrscheinlich ist, wissen wir nicht. Er fuhr jedoch mit einen weiteren ČSPL-Angestellten nach Berlin. Auf dem Schiff warteten alle, auch der aufgeschreckte Feierabend mit seiner Familie, darauf, wie die Sache ausgehen würde. Die Verhandlungen waren glücklicherweise erfolgreich und die Reise konnte fortgesetzt werden. Der Weg der Feierabends in die Freiheit endete nach acht langen Tagen am 17. April 1948.
Im Visier des Geheimdienstes
Josef Novák hat den Weg über die Sowjetische Besatzungszone auch nach dieser Reise mehrfach auf sich genommen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass er weitere Flüchtlinge außer Landes gebracht hat. Der tschechische Staatssicherheitsdienst STB wurde auf ihn aufmerksam. Es war nur eine Frage der Zeit, bis bekannt würde, dass es Novák war, der dem früheren Spitzenpolitiker Feierabend und seiner Familie die Flucht ins Exil ermöglicht hatte.
Josef Novák konnte die Tschechoslowakei rechtzeitig verlassen. Seine letzte Fahrt auf dem Schleppkahn begann 1949 fast auf den Tag genau ein Jahr nach seiner ersten Fluchthilfe. Sie lässt sich auf Basis der Archivdokumente genau nachverfolgen.
Mitte Juli 1949 erhielt die Kommandoabteilung der Staatssicherheit in Prag 13 den Befehl, Josef Novák zu "untersuchen". In der rechten oberen Ecke des Schreibens steht in großen und mit roter Tinte nachgezogenen Druckbuchstaben das Wort: SOFORT. Die Antwort war ein Dossier vom 26. Juli, dass u.a. die bei Nováks Beruf nicht sonderlich überraschende Information enthält, er halte sich selten an seinem Wohnort auf.
Interessanter sind die Persönlichkeitsprofile von Josef Novák und seiner Frau: Das Ehepaar hatte angeblich kein Geld für die Miete, aber "das aufwändige Auftreten, die luxuriöse Einrichtung und ihre Garderobe lassen auf außerplanmäßige Einkünfte schließen". Das führte zu dem Verdacht, die Geldmittel würden auf "illegale Weise" erworben. Laut Dossier war Josef Novák ein "durchtriebener Mensch schlechten Charakters". Diese Einschätzung sollte bestätigen, dass das Ehepaar entgegen eigener anders lautender Aussagen die deutsche Sprache beherrsche und damit Sympathie für die Deutschen hege. "Die Information stammt von den Hausleuten Herrn Šára und Frau Poupová, wohnhaft an gleicher Stelle. Andere Informationen konnten nicht eingeholt werden," heißt es in der Ermittlungsakte mit der Archivnummer V-2893-MV.
Die Informationen der Hausbesitzer sind nicht verwunderlich. Wahrscheinlich teilten sie das damals verbreitete Vorurteil, die meisten Beschäftigten der ČSPL würden Waren schmuggeln. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die Schiffsbesatzungen die Möglichkeit, sich neben ihrem Lohn weiteres Geld oder Wertgegenstände durch den Verkauf von Mangelware zu besorgen, und das auf beiden Seiten der Staatsgrenze. Lukrativ war der Verkauf von raffiniertem Zucker auf dem Schwarzmarkt in den deutschen Besatzungszonen, vor allem in der sowjetischen. Aus Mělník, wo sich eine Raffinerie befand, fuhren die voll beladenen Schleppkähne mit der begehrten Ware Richtung Ausland. Ein Schleppschiff war in der Lage, mehrere Tausend der rund 100 Kilo schweren Säcke mit Zucker zu transportieren. Nováks Schiff mit einer Ladekapazität von 900 Tonnen konnte etwa 9.000 Säcke laden. Auch die letzte Reise von Josef Novák begann mit der Ladung von Zucker in Mělník.
Der Unterbindung des Schmuggels hatte bei der ČSPL hohe Priorität. Schließlich griffen auch die Medien das Thema auf. In dem verhältnismäßig umfangreichen Material, das den Warenschmuggel durch ČSPL-Angestellte dokumentiert, ist der Name Josef Novák aber nicht zu finden.
Doch Josef Novák wurde nicht nur des Schmuggels verdächtigt. Auf der Grundlage der vorausgegangenen Ermittlungen erhielt die Kreisstaatsanwaltschaft in Prag Mitte Oktober 1949 eine Strafanzeige gegen den "Täter" Josef Novák, der beschuldigt wird, "unrechtmäßig das Territorium der Tschechoslowakischen Republik (ČSR) verlassen" zu haben. Der zweite Teil des Dokuments grenzt das Datum des Grenzübertritts auf den Zeitraum zwischen dem 16. März und 15. April 1949 ein. Ungenau wird angemerkt, dass der Grenzübertritt an einem unbekannten Ort erfolgte: Josef Novák verließ das Territorium der ČSR an der Staatsgrenze zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetischen Besatzungszone. Alle notwendigen Informationen hatte die Staatssicherheit damals präzise ermittelt und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Seltsamerweise wird auch der Grenzübertritt als illegal bezeichnet: Josef Novák verließ jedoch das Territorium der ČSR als Steuermann der ČSPL vollkommen legal.
Die letzte Fahrt
Die Ermittlungen lassen darauf schließen, dass sich Josef Novák auf seine letzte Reise nach Hamburg sehr sorgfältig vorbereitet hat. Von seinem ständigen Wohnsitz meldete er sich am 16. März 1949 ab. In Prag gab er bei der Abmeldung als neue Adresse die Straße Koněvova 56 in Ústí nad Labem an, wo er sich aber nie angemeldet hat. Offenbar hatte er vor, die zuständigen Organe in die Irre zu führen und das Bemerken seines Verschwindens hinauszuzögern und zugleich seine nötigsten Sachen auf den Schleppkahn zu bringen, ohne damit Aufmerksamkeit zu erregen. In der Akte heißt es: "Um seine Flucht ins Ausland zu decken und sein Hab und Gut zu verkaufen bzw. zu verschachern, gab Novák an, dass er nach Ústí nad Labem umzieht."
Der erste Hinweis auf die Flucht Josef Nováks mit seiner Frau aus der ČSR lieferte ein geheimes Dossier, das auf der Grundlage einer Meldung eines Agenten der Staatssicherheit erstellt wurde. Quelle des Agenten wurde unwissentlich Štěpán Koutenka, Steuermann des Kahns 544, der von dem Schlepper "Plzeň" (Kapitän Josef Škubal) von Magdeburg nach Hohenwarte gezogen wurde. Dort stieß das von Josef Novák gesteuerte Schiff 346 hinzu. Die Fahrt wurde am selben Tag bis zum Ankerplatz Schnackenburg fortgesetzt und endete am folgenden Tag, dem 14. April 1949, in Hamburg. Zu Beginn der Reise hatte Novák seinem Kollegen, dem Steuermann von Schiff 544 mitgeteilt, dass er "wegen einer Intrige, die gegen ihn in der Station Děčín im Gange ist", nach seiner Rückkehr bei der ČSPL kündigt. Erst nachdem sie die sowjetische Besatzungszone verlassen hatten, gab er sein eigentliches Ziel zu, dauerhaft im Ausland zu bleiben.
Auch bei dieser, seiner letzten Reise brachte er Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei heraus: "Als er die Kähne am Ort ‚Durchstich’ festmachte, stiegen sechs Personen in das Beiboot von Nováks Schiff, davon nur eine Frau (die übrigen waren Männer), und alle hatten Gepäck bei sich. Diese Personen aus dem Beiboot wurden bei der Werft Ottensener Eisenwerk ausgesetzt und gingen fort. Neun Uhr abends kamen sie zurück und übernachteten wahrscheinlich auf dem Kahn 346, der Novák gehörte, denn den ganzen Karfreitag über hielten sie sich auf dem angegeben Schiff auf und gingen erst am Abend fort." Den Wortfetzen zufolge, die abgehört werden konnten, handelte es sich um tschechische Staatsangehörige, die ihre Heimat unter Mithilfe von Novák illegal verlassen hatten.
Wen hat Josef Novák außer Landes gebracht? Es waren Jaroslav Hnulík, geboren am 1. April 1913, wegen angeblicher Unzuverlässigkeit aus dem Polizeidienst entlassen, Václav Rezek, geboren am 5. August 1910, ehemaliger Spediteur, Bohumil Trčka, geboren am 28. November 1914, Fahrer im Außenministerium und Josef Chalupa (kein Geburtsdatum angegeben), offenbar auch Spediteur. Sie waren am 1. April 1949 von Prag-Florenc mit dem Autobus nach Mělník gefahren, wo sie an Bord des Schleppschiffes 346 gingen. Gemeinsam mit Josef Novák und seiner Gattin gingen sie am 14. bzw. 15. April 1949 in Hamburg an Land. Vom Schleppkahn ging außer Novák noch ein weiteres Besatzungsmitglied ins Exil, der Schiffer Vlastimil Kopitko, dessen weiteres Schicksal nicht bekannt ist.
Eine Rufmordkampagne
Die Staatssicherheit interessierte sich für Josef Novák noch lange nach seinem Weggang aus der Tschechoslowakei. In einer Akte, in der ein Informant über Nováks Aufenthalt in einem Lager der International Refugee Organization (IRO) in Hamburg berichtet, gibt es auch einen Hinweis auf seine Motive: "Novák soll im Lager erklärt haben, dass er den Menschen aus nationalen Gründen zur Flucht verholfen hatte […] Unter diesen Menschen war auch der frühere Minister Feierabend (sic!), der ihm für seine Dienste 500.000 tschechoslowakische Kronen gezahlt haben soll."
Die zitierten Sätze sind beachtenswert, denn sollen sie wahr sein, könnten sie zu einer Meinungsänderung über den Charakter von Josef Novák führen. Dann wäre die Frage angebracht: Was ist das für ein Mensch, der für eine Hilfeleistung 500.000 Kronen verlangt, wenn es sich überhaupt um eine Hilfe gehandelt hat?
Eine ganz andere Auskunft gibt Ladislav Feierabend in seinen Memoiren. Dort heißt es: "In Tondas Anwesenheit zahlte ich Novák gleich 100.000 Kronen als Entlohnung für den Transport, wie es vereinbart war. Der Satz von 25.000 Kronen je Person war dem Risiko angemessen, das Novák auf sich nahm. Er sagte uns, dass wir seine ersten Kunden sind und dass unser Geld der Kapitalgrundstock ist, den er für die eigene Flucht ansparen will."
Über den Betrag von 100.000 Kronen spricht später auch Josef Novák, der sich an die Begebenheit nach seiner Rückkehr in die Tschechoslowakei erinnerte. Die fehlende Vertrauenswürdigkeit der Information über die Reise ins Exil für 500.000 Kronen ist damit, denke ich, mehr als genug bestätigt.
Widerstandskämpfer oder Fluchthelfer
Können wir also auf der Grundlage dieser Informationen behaupten, dass sich Josef Novák an tschechoslowakischen Flüchtlingen bereichert hat? Ich denke, nein. Aber war er deshalb gleich ein Widerstandskämpfer? Ging es direkt um Widerstand oder um eine Tätigkeit, die wir als Protest gegen das in der ČSR herrschende Regime bezeichnen können?
Derzeit wird in der Tschechischen Republik die Fluchthilfe, genauer der organisierte Transport von Menschen, größtenteils als eine Form des antikommunistischen Widerstands erachtet. Es wäre also angebracht zu fragen, wer und auf welche Weise Josef Novák kontaktiert hat. War nicht die Flucht einer so bedeutenden Persönlichkeit wie Ladislav Karel Feierabend ein geradezu herausragendes Ereignis, das zudem, aus Sicht der Sicherheitsorgane, die Feierabend verfolgten, eine Blamage war?
Ich persönlich denke, dass sich Josef Novák am tschechoslowakischen antikommunistischen Widerstand beteiligt hat. Ob er seine Tätigkeit in dem erwähnten Kontext im vollen Bewusstsein der möglichen Folgen wahrgenommen hat, bin ich mir nicht sicher. Am Sinn und den Folgen seines Handelns ändert das aber nichts.
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Martin Tichý ist Historiker und hat an der Jan Evangelista Purkkyné Universität in Ustí nad Labem/Aussig studiert. Er ist der erste tschechische Wissenschaftler, der die Fluchtfahrt von Josef Novák erforscht und die Akten der Staatssicherheit STB ausgewertet hat. Dieser Beitrag ist die gekürzte Version seines Forschungsberichts, den Tichý im März 2011 in der Zeitschrift paměť a dějiny (Erinnerung und Geschichte) veröffentlich hat.
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