Die Bedeutung von Städtepartnerschaften für die Stadt Coventry
Die Stadt Coventry legt großen Wert auf Partnerschaften mit anderen Städten, als Kernstück ihrer internationalen Beziehungen.
Heute unterhält Coventry mit 26 Städten weltweit partnerschaftliche Beziehungen - keine andere britische Stadt hat so viel Enthusiasmus für Städtepartnerschaften gezeigt.
Bei der Wahl von Städtepartnerschaften Coventrys spielten oft Solidaritätsgefühle verschiedener Art eine Rolle, auch wenn sie selten der einzige Grund waren. Nachdem die Kathedrale von Coventry in der Nacht des 14. Novembers 1940 durch die deutsche Luftwaffe schwer bombardiert worden war, entstand nach dem Zweiten Weltkrieg in weiten Teilen der Bevölkerung der Wunsch, die Ruine der zerbombten Kathedrale, deren Neubau sowie die Stadt Coventry als Symbol des Friedens und der Versöhnung zu etablieren. Bereits in den ersten Tagen nach der Bombardierung setzte der Domprobst Richard Howard eine Friedens- und Versöhnungs-Aktion in Gang, aus der heute eine weltweite Organisation geworden ist.
In diesem Sinne handelten auch immer wieder die Stadträte von Coventry. So wurden die ersten Partnerschaften nach dem Zweiten Weltkrieg mit Orten geschlossen, die auch schwere Kriegsschäden erlitten hatten, oder gar stark zerstörte Städte ehemaliger Feinde waren. Beispiele sind das von der SS vernichtete tschechische Dorf Lidice, nach dem ein Platz in der Stadtmitte Coventrys benannt worden ist, und die norddeutsche Hafenstadt Kiel (beide 1947).
Coventry und Dresden: Wie kam es zur Städtepartnerschaft?
Trotz der gemeinsamen Bombardierungs- und Zerstörungserfahrungen und trotz der Tatsache, dass schon 1945 die Kirchenleitungen der Kathedrale in Coventry und der Dresdener Frauenkirche ihren gegenseitigen Wunsch nach Frieden und Versöhnung ausgesprochen hatten, schlossen beide Städte erst 1959 einen offiziellen Freundschaftsvertrag. Freundschaftliche Beziehungen auf kommunaler Ebene wurden aber schon seit Mitte der 1950er Jahre auf beiden Seiten intensiv gepflegt.
Eine zur 750-Jahrfeier eingeladene Delegation aus Coventry legt 1956 auf dem Heidefriedhof in Dresden einen Kranz nieder, zu Ehren der Opfer der Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 (© Bundesarchiv, Bild 183-38793-0001, Foto: Erich Höhne, Erich Pohl)
Eine zur 750-Jahrfeier eingeladene Delegation aus Coventry legt 1956 auf dem Heidefriedhof in Dresden einen Kranz nieder, zu Ehren der Opfer der Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 (© Bundesarchiv, Bild 183-38793-0001, Foto: Erich Höhne, Erich Pohl)
Der Impuls dafür kam 1954 in Form eines Briefes des Dresdener Oberbürgermeisters an den Lord Mayor von Coventry zum Thema Deutsche Einheit und Frieden. Die Reaktion darauf war positiv; der Labour-Stadtrat Edward Dixon gründete eine Coventry-Dresden-Freundschaftsgesellschaft. Daraufhin wurde in Dresden ein Gegenstück ins Leben gerufen. Diese beiden Instanzen sorgten zunächst für den Austausch von Literatur und Informationen.
Viele Faktoren waren in Coventry für eine breite Unterstützung dieser Partnerschaftsinitiative verantwortlich: die Labour-Mehrheit im Stadtrat, die Friedens- und Versöhnungsmission der Leitung der Diözese, die Rolle des Bürgerkomitees Coventry Committee for International Understanding und das Engagement des Parlamentsabgeordneten für den Wahlkreis Coventry East, Richard Crossman (Labour). Im November 1959 lud er die Dresdener Delegation zu einem Empfang im Unterhaus ein; später setzte er sich für die Anerkennung der DDR ein.
Städtepartnerschaften mit der DDR während der Nichtanerkennungsphase
Sowohl in Coventry als auch außerhalb der Stadt wurde heftige Kritik an dieser Ost-West-Freundschaft laut. Die konservative Opposition im Stadtrat Coventrys hielt sich eng an die Nichtanerkennungspolitik der britischen Regierung und lehnte jeden Kontakt zur DDR prinzipiell ab. Als 1968 die Konservativen die Mehrheit im Stadtrat gewannen, wurde die Partnerschaft mit Dresden suspendiert und erst 1973 nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen wiederbelebt.
Außerhalb Coventrys war die Kritik am Stadtrat Teil einer breiteren negativen Bewertung der Häufigkeit, mit der viele Labour-Abgeordnete, meistens sogenannte Hinterbänkler und andere britische Gruppen, die DDR besuchten und, laut DDR-Presseberichten, sich bewundernd über die Entwicklung der DDR-Gesellschaft äußerten. Diese Kritik wurde nicht nur in der westdeutschen und der britischen überregionalen Presse - beispielsweise im linksliberalen Guardian - veröffentlicht; im Sommer 1959 war sie auch Thema einer kurzen Serie in der angesehenen Neuen Zürcher Zeitung.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass während der Nichtanerkennungsphase der DDR nur wenige britische Städte dem Beispiel Coventrys folgten. Obwohl das Foreign Office die Frage von Städtepartnerschaften mit der DDR als kommunale Angelegenheit betrachtete, also keine offiziellen Schritte unternahm, eine Partnerschaft mit einer Stadt in der DDR zu unterbinden, wurde vor der Wahrscheinlichkeit gewarnt, dass die DDR die Partnerschaft für Propagandazwecke ausnutzen könnte. Für konservativ geführte Stadträte kam eine Partnerschaft mit einer Stadt in der DDR prinzipiell nicht in Frage, aber auch dort, wo Labour die Mehrheit hatte, gab es nur in Einzelfällen Interesse daran.
Dieses Interesse führte selten zu einer formellen Städtepartnerschaft, trotz diverser energischer Versuche auf beiden Seiten. Beispiele sind die Kontakte zwischen Oelsnitz und der schottischen Kleinstadt Buckhaven, Meiβen und dem Zentrum der britischen Porzellanmanufaktur, Stoke-on-Trent. Hinderlich für britische Städte, die diesen Schritt unternehmen wollten, war nicht nur die konservative Opposition, sondern auch die Tatsache, dass während der 1960er Jahre aus Protest gegen den Bau der Berliner Mauer das Allied Travel Office keine Visa für DDR-Bürger ausstellte, so dass Besuche nur in Richtung DDR gehen konnten.
Etwas erfolgreicher war die im Jahre 1965 abgeschlossene Städtepartnerschaft zwischen der Planstadt Crawley in West Sussex und ihrem sozialistischen Pendant Eisenhüttenstadt. Ähnlich wie in Coventry gab es in Crawley unterschiedliche Interessen, die in der Crawley Association for Peace gemeinsamen Boden finden konnten. Darunter waren Mitglieder der Kommunistischen Partei Großbritanniens, Pazifisten, Abrüstungsaktivisten und Vertreter der Kirchen in Crawley, die zusammen kamen, um die Labour-Mehrheit im Bezirksrat zu überzeugen, eine Einladung nach Eisenhüttenstadt anzunehmen. Der Besuch fand im August 1965 zum 15. Jahrestag der Stadt Eisenhüttenstadt statt; während des Besuches wurde ein Freundschaftsvertrag unterzeichnet. In den nächsten Jahren besuchten drei offizielle Delegationen der Stadt Crawley Eisenhüttenstadt, darunter eine Lehrer- und eine Jugendgruppe. Aber als 1968 die Konservativen die Mehrheit im Bezirksrat stellten, wurde die Partnerschaft suspendiert und erst ab 1972 wieder aktiviert.
Auf Seiten der DDR-Regierung war man in den 1950er und 1960er Jahren bereit, erhebliche Ressourcen in die Entwicklung von Partnerschaften mit Städten in westeuropäischen Ländern zu investieren, um Unterstützung für die Anerkennungskampagne zu gewinnen. In Großbritannien blieb der Kreis der DDR-Freunde aber relativ klein und meistens ohne bedeutenden politischen Einfluss. Das galt vor allem für die Mitglieder der im Januar 1965 gegründeten Freundschaftsorganisation BRIDGE, die in ihrer Mehrheit der Kommunistischen Partei Großbritanniens nahe standen. Im selben Jahr bildeten 23 Labour-Abgeordnete eine besondere parlamentarische Gruppe; ihre Mitglieder spielten zwar eine nicht unwesentliche Rolle dabei, mittels parlamentarischer Fragen und Anträge die offizielle Nichtanerkennungspolitik in Frage zu stellen, hatten aber letztlich weder auf die Regierungspolitik noch auf die öffentliche Meinung effektiven Einfluss.
Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen: (Des)Interesse der DDR an Partnerschaften
Während der Nichtanerkennungsperiode führte keines der von der DDR oder von britischen Freunden der DDR geknüpften Kontaktnetzwerke zu einer Erhöhung der Zahl der Partnerschaften mit britischen Städten. Nachdem im Jahre 1973 das Hindernis der Nichtanerkennungspolitik beseitigt worden war, zeigten nun mehrere britische Städte ein Interesse an Partnerschaften. Dieses Interesse stammte nach wie vor zumeist aus den Reihen der Labour-Fraktion im jeweiligen Stadtrat, und in einigen Fällen stießen diese nach wie vor auf die konservative Opposition. Ende des Jahres 1973 beispielsweise warnte die konservative Opposition der Stadt Stockport (Nähe Manchester) die Stadtverwaltung Prenzlaus davor, in eine von der Labour-Mehrheit vorgeschlagene Städtepartnerschaft einzutreten. Weil die konservative Fraktion im April 1974 Aussicht auf einen Wahlsieg bei den Kommunalwahlen und einen Beschluss gegen die Erweiterung der Städtepartnerschaften Stockports gefasst hatte, machte sie der Stadt Prenzlau deutlich, dass sie, einmal an der Macht, die geplante Partnerschaft annullieren würde.
Aus den Akten des DDR-Außenministeriums geht hervor, dass der Fall Stockport-Prenzlau und ähnliche britische Versuche, eine Partnerschaft zustande zu bringen, die DDR veranlasst haben, ihre Einstellung bezüglich Partnerschaften mit britischen Städten zu überprüfen. Das Interesse der DDR an neuen Städtepartnerschaften ließ abrupt nach; stattdessen wurden britische Interessenten dazu aufgefordert, Ortsgruppen der Britain-GDR Society zu gründen. Verschiedene Faktoren führten zur Revision der bisherigen Position. Das geht aus einem Briefwechsel zwischen der Londoner Botschaft der DDR, die den Abschluss eines Freundschaftsvertrages mit Stockport unterstützte, und dem DDR-Außenministerium zum Thema Stockport-Prenzlau hervor. Offensichtlich hatte es auf DDR-Seite Unentschlossenheit gegeben und die Botschaft äußerte ihre Besorgnis, wegen des möglichen Schadens für das DDR-Image im Ausland.
"Die jetzt gezeigte kurzangebundene Hinhaltetaktik ist nicht geeignet, das Ansehen der DDR beziehungsweise ihrer lokalen Behörden zu stärken. Möglicherweise besteht sogar die Gefahr, daß solche Beispiele bei den ESK-Gesprächen [gemeint sind Verhandlungen, die zur Gründung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, KSZE, geführt haben] von westlicher Seite aufgeworfen werden, um in Zusammenhang mit Tagesordnungspunkt 3 die sozialistischen Lager anzugreifen [...]."
Der Brief schließt mit einer Bitte um Klarstellung über die Absichten der DDR-Regierung in Bezug auf Städtepartnerschaften.
"Da Stockport-Prenzlau nicht der einzige Fall ist, in dem es von britischer Seite Beschwerden gibt, wären wir daran interessiert, von Ihnen eine Information zu erhalten, welche generellen Vorstellungen über die Gestaltung bzw. Aufnahme von Städtepartnerschaften mit britischen Städten bestehen."
Ein Problem für die DDR war nicht nur die steigende Zahl der Interessenten auf britischer Seite, sondern auch die mangelnde Kontinuität im Amt des jährlich durch den Stadtrat gewählten Oberbürgermeisters, so dass eine Partnerschaft mit einer Stadt in der DDR leicht Opfer eines politischen Klimawechsels werden konnte. In der Antwort auf diesen Brief hieß es: "Die bisherigen Ereignisse zeigen, dass offizielle Partnerschaften mit britischen Städten nicht effektiv sind (siehe Dresden-Coventry). Dazu trägt auch der jährliche bzw. periodische Wechsel der Stadträte bei." Im Fall Stockport-Prenzlau wurde empfohlen, "[...] eine Gruppe der Freundschaftsgesellschaft GB-DDR zu bilden, die sich der nationalen Freundschaftsgesellschaft GB-DDR anschließt."
Dresden und Coventry in den 1970er Jahren
Die Hinweise auf Dresden und Coventry sowie auf die "nationale Freundschaftsgesellschaft" sind beide von Interesse. Die Bemerkung über die mangelnde Effektivität der Städtepartnerschaft bezieht sich auf das Ende der 1960er Jahre, als der konservativ geleitete Stadtrat die Partnerschaft auf Eis legte. Doch gleich nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahre 1973 wurde sie auf beiden Seiten enthusiastisch wiederbelebt. Oberbürgermeister Schill, Direktor des Deutschen Hygiene-Museums, besuchte Coventry im April 1974. Der Besuch wurde von beiden Seiten als großer Erfolg bewertet; ein Höhepunkt war die feierliche Namensgebung des "Dresdener Platzes" in der Stadtmitte Coventrys.
In den Schlussfolgerungen seines Berichtes über den Besuch sagte Schill: "Seitens der Stadt Dresden sollten die Beziehungen mit Coventry weiter fortgesetzt werden, zumal es die einzige offizielle Städtepartnerschaft zwischen einer englischen Stadt und einer Stadt in der DDR ist." Er machte auch eine Reihe von Vorschlägen für die Entwicklung der Beziehungen, für den Empfang von Delegationen aus Coventry, beispielsweise zum 25. Jahrestag der DDR im Oktober 1974, für weitere Besuche aus Dresden nach Coventry und für Beziehungen auf Schul- und Museumsebene.
Trotz des gegenseitigen Willens, der Partnerschaft neues Leben einzuhauchen, geriet diese Mitte der 1970er Jahre wieder ins Stocken. Der Grund dafür lag hauptsächlich darin, dass Coventry bis 1977 ein sehr volles internationales Programm organisiert hatte und Dresden erst für 1978 einen Besuchstermin vorschlagen konnte.
Kern erkannte das Potential und das Prestige der Partnerschaft für die DDR und wollte daher eine klare Richtlinie für deren Weiterentwicklung. Er begründete diesen Schritt unter anderem mit der Tatsache, dass bei der konservativen Mehrheit im Stadtrat "[...] wirtschaftliche Kreise stärker in den Vordergrund getreten sind, die sich aus einer Fortsetzung der Städtepartnerschaft mit Dresden auch wirtschaftliche Kontakte und Vorteile erhoffen."
Die Rolle der Freundschaftsgesellschaft bei der Entwicklung von Städtepartnerschaften in den 1980er Jahren
In seinem Bericht an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) über seinen Besuch sagte Kern, es sei notwendig, "[...] die Absichten der DDR in der Städtepartnerschaft Dresden-Coventry auszuspezifizieren und eine den DDR-Interessen und Prioritäten entsprechende Zusammenarbeit zu organisieren." In der Konzeption für den Delegationsbesuch im April 1979 gab es die von ihm gesuchte Klarheit: "Die Delegation prüft die Voraussetzungen, die Beziehungen auf der Ebene der Freundschaftsbewegung zu aktivieren. Damit entspricht sie der Orientierung, Städtepartnerschaften in das nichtsozialistische Ausland mehr und mehr zu einer Sache der Liga für Völkerfreundschaft zu machen."
Mit der Anerkennung der DDR erhielt die Freundschaftsorganisation BRIDGE einen offiziellen Status als Britain-GDR Society. Das Konzept der Liga für Völkerfreundschaft für die Society war es, Ortsgruppen in allen Teilen des Landes zu gründen und damit ein Netz von Kontakten aufzubauen, die beispielsweise bei Delegationsbesuchen für die Sache der DDR mobilisiert werden konnten. Ende der 1980er Jahre gab es insgesamt 26 solche Ortsgruppen in England, Schottland und Wales; die sechs schottischen Filialen schlossen sich im Oktober 1986 zur Scotland-GDR Society zusammen.
In den 1980er Jahren versuchten Mitglieder verschiedener Ortsgruppen der Society, Stadträte zu überzeugen, in eine Partnerschaft mit einer Stadt in der DDR einzutreten. Aber der Erfolg war sehr unterschiedlich. Dort, wo es zu einer neuen Partnerschaft kam, etwa 1983 zwischen Manchester und Karl-Marx-Stadt oder 1986 zwischen Blaenau, Gwent und Bautzen, hatten diese wenig mit dem Einsatz der Freundschaftsgesellschaft zu tun. In beiden Fällen scheint vielmehr die DDR in der Initiative des Stadtrats für sich einen großen Propagandavorteil gesehen zu haben und war daher bereit, die Städtepartnerschaft äußerst schnell zustande zu bringen.
In Schottland hingegen bemühte sich die Scotland-GDR Society energisch um die Etablierung von Partnerschaften zwischen Glasgow und Halle, Dundee und Cottbus und Aberdeen und Rostock, aber der Versuch scheiterte am Widerwillen auf der einen oder der anderen Seite. Im März 1988 unterzeichneten Glasgow und Halle zwar eine "gemeinsame Erklärung", aber Glasgow machte deutlich: "Glasgow [is] not in the habit of twinning regularly with cities in the way that Coventry is [...]".
Städtepartnerschaften zur Zeit der Wende
Zur Zeit der Wende war die Zahl der offiziellen Partnerschaften zwischen britischen und DDR-Städten immer noch gering, und - bis auf die Partnerschaft zwischen Coventry und Dresden - meist jüngeren Datums. Etwas größer ist die Zahl der britischen Städte, die freundschaftliche Beziehungen mit DDR-Städten unterhielten, aber keine formelle Partnerschaft abgeschlossen hatten. Dazu kommen die Städte, die in eine Partnerschaft eintreten wollten, wozu es aber nicht kam. Weitere Beispiele dafür sind Birmingham und Leipzig und Bradford und Erfurt.
Auf britischer Seite waren es Labour-Stadträte, die sich für Partnerschaften interessierten. Ihre Motivation dafür war unterschiedlich: Charakteristisch für die Partnerschaft zwischen Coventry und Dresden ist ein beiderseitiger Friedens- und Versöhnungswunsch; bei Manchester ging es um die Bedeutung der Stadt für Karl Marx und Friedrich Engels sowie um die historische Bedeutung von beiden Städten, Manchester und Chemnitz (eine Stadt, die Marx nie besuchte), für die Textilindustrie. Für den Kreis Blaenau Gwent waren es mögliche Gemeinsamkeiten mit der sorbischen Minderheit, vor allem im Bereich der Sprachenpolitik und die Befürchtung, dass "[...] die Ausklammerung von Wales bei der Entwicklung von kommunalen Beziehungen zwischen Städten der DDR und Großbritannien als Diskriminierung verstanden werden könnte."
Für die DDR war die Motivation, in eine Partnerschaft einzutreten oder dies abzulehnen, immer politisch. Bis 1972 ging es darum, eine möglichst breite Unterstützung für ihre Anerkennungskampagne zu gewinnen. Später, im Kontext der KSZE und vor allem in Bezug auf die geforderte Gewährung von Menschenrechten und Grundfreiheiten, wollte die DDR sich vor westlicher ideologischer Unterwanderung schützen und lehnte es deshalb ab, in neue Partnerschaften einzutreten.
25 Jahre nach der Wende: was bleibt?
Canon Paul Oestreicher (links), Domkapitular und Leiter des Internationalen Zentrums der Kathedrale von Coventry, besichtigt 1994 in Begleitung des Dresdner Bürgermeisters Herbert Wagner (rechts) die Ruine der Frauenkirche in Dresden (© picture-alliance / ZB)
Canon Paul Oestreicher (links), Domkapitular und Leiter des Internationalen Zentrums der Kathedrale von Coventry, besichtigt 1994 in Begleitung des Dresdner Bürgermeisters Herbert Wagner (rechts) die Ruine der Frauenkirche in Dresden (© picture-alliance / ZB)
Mit dem Untergang der DDR sind nicht nur die Britain-GDR Society und die Scotland-GDR Society, deren Mitglieder oft den ersten Kontakt zu möglichen Partnerstädten in der DDR lieferten, aufgelöst worden; in vielen Fällen ist auch das Interesse an einer Partnerschaft mit einer Stadt in den neuen Bundesländern verschwunden. Beispielsweise hat Stockport heute eine Partnerschaft mit Heilbronn, der deutschen Partnerstadt von Stockports französischer Partnerstadt Béziers. Manchester -1983 in eine Partnerschaft mit dem damaligen Karl-Marx-Stadt eingetreten - ist immer noch die Partnerstadt von Chemnitz. Die Partnerschaft zwischen Bautzen und Blaenau Gwent hingegen war von äußerst kurzer Dauer, sie ist schon 1988 zusammengebrochen.
Eine wichtige neue Partnerschaft, die - nach offiziellen Angaben der beiden Städte - eine sehr aktive ist, ist die zwischen den beiden Messestädten Birmingham und Leipzig. Sie wurde im Jahre 1992 etabliert, fast zwanzig Jahre, nachdem sich der erste britische Botschafter dafür ausgesprochen hatte.
Und die Partnerschaft zwischen Coventry und Dresden ist nach wie vor in Kraft. Im Jahr 2014 waren es sechzig Jahre, seitdem der Dresdener Oberbürgermeister seinen Brief an den Oberbürgermeister in Coventry geschickt hat, der 1959 zur formellen Partnerschaft führte. Nach wie vor bleiben der Versöhnungswunsch sowie die Beteiligung sowohl der Stadt als auch der Kathedrale ein wichtiger Bestandteil der Partnerschaft. In Großbritannien beteiligte sich seit 1995 Timothy Everard, britischer Botschafter in der DDR von 1984 bis 1988, zusammen mit Canon Paul Oestreicher, einem langjährigen Freund der DDR und bis 1997 Leiter des Versöhnungszentrums der Kathedrale von Coventry, sehr aktiv an der Arbeit der Stiftung Frauenkirche Dresden und der Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche. Die Partnerschaft versucht heute, wirtschaftliche und Handelsbeziehungen zwischen den beiden Städten zu unterstützen und weiterzuentwickeln.
Zitierweise: Coventry – Dresden, Manchester – Chemnitz, Aberdeen – Rostock. Städtepartnerschaften im Schatten des Kalten Krieges, in: Deutschland Archiv, 29.5.2015, Link: http://www.bpb.de/207012