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Frühkindliche Erziehung und kulturelle Bildung | Kulturelle Bildung | bpb.de

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Frühkindliche Erziehung und kulturelle Bildung

Ursula Stenger

/ 8 Minuten zu lesen

In der frühen Kindheit ist kulturelle Bildung eine zentrale Form des Lernens, des Spielens und Gestaltens. Dieser Prozess wird mithilfe von unterschiedlichen Künsten und mit verschiedenen Materialien unterstützt - für die Persönlichkeitsbildung von Kindern die beste Voraussetzung. Daher sollte ihnen von Anfang an die Möglichkeit geboten werden, vielfältige kulturelle Kompetenzen zu entwickeln.

In der frühen Kindheit ist kulturelle Bildung eine zentrale Form des Lernens, des Spielens und Gestaltens. (© erysipel / PIXELIO)

Bildung in der frühen Kindheit


Nicht erst seit den PISA-Studien sind die Kindertagesstätten und Krippen Orte der Betreuung und Erziehung. Sie sind vor allem auch Bildungsorte. Geht es in den PISA-Studien um die Überprüfung von Lernergebnissen, die sich auf den Aufbau spezifischer Wissensstrukturen beziehen, so muss Bildung in der frühen Kindheit über die Förderung kognitiver Kompetenzen hinaus eine vielfältige und breite Ausrichtung haben. In den einzelnen Bundesländern wurden Bildungspläne für den Kindergartenbereich erarbeitet, und in wenigen Jahren sind mehr als 60 Studiengänge entstanden, die Bildungsaufgaben von Frühpädagoginnen und -pädagogen zum Thema haben.

Immer mehr Kinder auch unter drei Jahren verbringen viel Zeit in pädagogischen Institutionen. Die vertraglich vereinbarte Betreuungszeit liegt für Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen bei bis zu fünf Stunden für 24,2 Prozent. Für weitere 24,4 Prozent der betreuten Kinder sind fünf bis sieben Stunden vereinbart und für 48,4 Prozent mehr als sieben Stunden pro Tag. Der Einfluss der Familie auf die kindliche Entwicklung ist deutlich höher anzusetzen als derjenige einer besuchten Einrichtung. Gleichwohl kann eine qualtitativ hochwertige Einrichtung kompensatorische Funktionen einnehmen und so ein wichtiges Moment auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit darstellen. Themen der Sprachförderung und der naturwissenschaftlich-technischen Bildung stehen derzeit im Vordergrund. Worin aber besteht der Wert kultureller Bildung in der frühen Kindheit?

Kulturelle Bildung als Teilhabe an kulturellen Lebensformen


Kulturelle Bildung im weiteren Sinn kann als das Hineinwachsen in kulturelle Lebensformen und das Sich-Auseinandersetzen mit deren Sinngestaltungen verstanden werden. Der Ablauf eines gemeinsamen Mittagessens oder auch Formen der Begrüßung wären hier ebenso zu nennen wie etwa Gewohnheiten und Aufmerksamkeiten im Alltag. Wollen wir über Kultur sprechen, so müssen wir die Gestaltungen pluraler Lebensformen in der jeweiligen Form- und Bedeutungsvielfalt betrachten und einbeziehen. Wie aber wird kultureller Sinn erzeugt? Wie können junge Kinder an dieser Sinnentstehung beteiligt werden?

Zweifellos müssen sie dafür viel lernen, angefangen von den Praktiken des täglichen Lebens. Aber: Ist Bildung das Gleiche wie Lernen? Kulturelle Bildung ist ein eigen- und interaktiver (begleiteter, herausgeforderter oder selbstinitiierter) Prozess der Aufnahme, Auseinandersetzung, Verarbeitung und Beantwortung von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsformen kultureller Umwelt durch Kommunikation und Artikulation in Worten, Gesten, Handlungen und "Werken". Kulturelle Bildung ist zentral, um sich in einer Gruppe von Menschen bewegen, mit ihnen diskutieren, sich einbringen und mitgestalten zu können. Kinder, die den Rhythmus eines Gesprächs nicht gut mitvollziehen können, bringen sich immer wieder an Stellen ein, an denen dies von den anderen Kindern als Störung empfunden wird. Sie werden aus dem Spiel ausgeschlossen, wenn sie sich in den Ideenfluss nicht sinnvoll einklinken können. So bleiben ihnen auch weitere Lerngelegenheiten, die sich aus dem gemeinsamen Spiel ergeben könnten, verschlossen. Gerade Kinder mit Migrationshintergrund haben die Chance, wenn sie schon mit etwa einem Jahr eine Krippe oder Tagesstätte besuchen können, neben dem Spracherwerb auch diese kulturellen Praktiken im Alltag kennenzulernen.

Kulturelle Bildung als Entwicklung kultureller Kompetenzen

Neben der kulturellen Teilhabe ist auch die Entwicklung kultureller Kompetenzen in und durch die Künste hervorzuheben. In Bildern, Geschichten, Liedern und Tänzen finden sich kulturelle Sinnhorizonte, die für das Selbsterleben und Verstehen von Menschen zentral sind. Es geht hier nicht um Bastelangebote, die ein schon vorab bekanntes Modell einer Laterne zu St. Martin Schritt um Schritt nachvollziehen lassen, sondern es geht um die Begegnung von sehr jungen Kindern mit den unterschiedlichsten Formen der Künste. Theater, Bildende Kunst, Musik und Tanz stellen ganz eigene Ausdrucksformen dar, die Kinder kennenlernen sollten, um das jeweilige Erfahrungspotenzial ausloten und auf dessen weitere Möglichkeiten hin entfalten zu können. Kinder haben viele Fähigkeiten und ein großes Interesse, unterschiedlichste Materialien genau zu erkunden, Umgangsformen zu entwickeln und die im Handeln entstehenden Fähigkeiten einzusetzen. Kulturelle Kompetenzen stellen zentrale "Kategorien" der Sinnerzeugung dar.

Kulturellen Sinn gilt es zu erschließen, was bedeutet, dass Sinn "entschlüsselt" und auch reproduziert werden will, sodass die kulturellen Symbole und Produktionsformen kennengelernt und verstanden werden können – etwa indem man gemeinsam Bilderbücher mit interessanten Abbildungen betrachtet, ein Lied singt oder Musik hört. Aber es geht auch darum, sich selbst aktiv an der Produktion kulturellen Sinns zu beteiligen, um in diesem Medium kommunizieren zu können, indem beispielsweise miteinander getanzt wird. Kulturelle Bildung meint nicht nur die Reproduktion eines Liedes durch Wiedergabe von Text und Melodie, sie zielt darüber hinaus auf einen inneren Prozess, in dem das Kind die kulturelle Form auf eigene Erfahrungen bezieht. Nur wenn hier eine Erfahrungsebene mit angesprochen ist, wenn etwa das Schlaflied auf getragene Weise mit fallender Melodie produziert wird, wenn also die Erfahrung des Ruhig- und Müdewerdens ernst genommen wird, dann kann es auch ein Schlaflied sein. Körper und Sinne, Emotionen, Denken und Erinnerung bilden sich im Mitsingen. Die Aufnahme und Beantwortung von Eindrücken ist dabei individuell verschieden und kulturspezifisch.

Ein Beispiel: Die Kinder in der Krippe haben ein Lied über den Wind gelernt, nachdem sie beim Spaziergang auf einem Hügel den rauen Herbstwind gespürt hatten. Sie tanzten dann in der Krippe zu dem Lied ("Wind, Wind blase"), wiederholten den Refrain viele Male und wirbelten die am Tag zuvor gesammelten Blätter im Zimmer auf. So inszenierten sie den Wind in einem gemeinsamen Tanz und spürten ihn wieder am eigenen Leib. Heute sitzen zwei Mädchen, beide zweieinhalb Jahre alt, nebeneinander in ihren Schaukeln. Immer höher wollen sie hinaus, versuchen sich in einen gemeinsamen Schwung zu bringen und singen dazu immer wieder zwei Zeilen aus dem Lied über den Wind: "...und bläst du mir durchs Haar, ja das ist wunderbar, ja das ist wunderbar!" Sie bewegen sich im Rhythmus, steigern sich gegenseitig und strecken beim Schwung nach vorne ihre Köpfe lustvoll nach hinten, um den Wind in ihren Haaren spüren zu können.

Erfahrungen, Erinnerungen, körperliche Empfindungen und Gefühle werden verarbeitet und in eine kulturelle Form gebracht, die ihnen wiederum neue lustvolle Erfahrungen ermöglicht. Auch schon zuvor hatten sie beim Schaukeln den Wind gespürt, aber nun haben sie einen Ausdruck, eine eigene Gestaltungsform gefunden, die ihnen diese Erfahrung selbst zugänglich macht und noch einmal steigert.

Kinder sollten die Gelegenheit haben, vielfältige kulturelle Kompetenzen zu entwickeln, denn Kinder sind Träger unserer, aber auch Schöpfer eigener Kulturen, wie Loris Malaguzzi, der langjährige Leiter der kommunalen Kindertageseinrichtungen in Reggio Emilia (Italien) sagte. Diese Kompetenzen müssen als kulturbildend entdeckt und entwickelt werden.

Das Potenzial kultureller Bildung


In der frühen Kindheit ist kulturelle Bildung eine zentrale Form des Lernens, des Spielens und Gestaltens. Gestaltungs- und Ausdrucksformen werden entwickelt in den unterschiedlichen Künsten, mit verschiedenen Materialien. Formsprachen und Techniken werden kennengelernt und für Prozesse der Persönlichkeitsbildung fruchtbar gemacht.

Kinder brauchen dabei Erwachsene, die ihnen feinfühlig Resonanz geben und so antworten, dass in Interaktionen kleine Dialoge oder Geschichten entstehen, in denen Kinder sich selbstwirksam erfahren können. Von frühester Kindheit an sind Kinder Akteure in Geschichten, die ihnen erzählt werden, zum Beispiel: Jetzt machen wir einen Spaziergang, jetzt kommt der Nikolaus oder die Oma zu Besuch. Kindern werden – im günstigen Fall – Geschichten erzählt, in denen sie vorkommen, bis sie selbst Wörter einfügen können und nach und nach selbst zu Erzählern werden. Eine Geschichte wird durch ein Ereignis in Gang gesetzt und entwickelt dann eine eigene Dramaturgie: Es brennt, die Feuerwehr muss kommen, löschen und Menschen retten! In allen Spielhandlungen erzählen Kinder Geschichten, noch bevor sie sprechen können. Diese Geschichten wollen gehört, aufgegriffen und erzählt werden!

Beim Geschichten-Erzählen sind alle geistigen Fähigkeiten aktiv: Wünsche, Ängste, Gefühle, bisher erworbene Kenntnisse, Erlebnisse und Erfahrungen, kreative, fantastische und logische Fähigkeiten, Bewusstes und Unbewusstes verbinden sich miteinander. Durch das Geschichten Erfinden kann von gefestigten Denkstrukturen und vorgefassten Meinungen abgewichen werden, das Denken kann sich offener, flexibler und erfinderischer entfalten. Durch solche fantastischen Geschichten wird Realität aktiv bewältigt. Die Geschichten greifen Elemente aus der Wirklichkeit auf und verändern sie zum Besseren. Fantasien übersteigen und kontrastieren die tatsächliche Wirklichkeit und machen sie dadurch erfahrbar.

Ein weiteres Beispiel: Leo zeichnet im Alter von fünf Jahren immer wieder ähnliche Geschichten von Piraten oder Rittern, die irgendwo einen Schatz besitzen, der gut versteckt, vergraben oder in tiefen Kerkern verschlossen ist. Diesen kostbaren Schatz gilt es zu verteidigen mit allen Mitteln gegenüber den "Bösen". Grundmuster aus Märchen und Sagen werden hier weiter gesponnen. Leo selbst fühlt sich wichtig und mit einer geheimen Mission betraut, wenn er sich in Rollenspielen gegen vermeintliche Angreifer wehrt. Hoffentlich wissen die anderen von seiner Geschichte, sonst würden seine Handlungen nicht sinnvoll erscheinen. Aber: Sind das nicht nur Fantasien? Können wir darauf verzichten? Kinder beschäftigen sich in einer existenziellen Weise mit der Frage, wer sie selbst sind und sein können in den Ausdrucksformen, die ihnen dafür zur Verfügung stehen. Kultur stellt Formensprachen, Bilder, Dramaturgien und Melodien zur Verfügung, um hier nach Antworten zu suchen. Die äußere Welt wird in kulturellen Gestalten als Deutung der inneren Welt entworfen. So erst werden wir uns selbst zugänglich, können uns anderen mitteilen und im Medium symbolischer Artikulationsformen verständigen. Kulturelle Bildung ist immer auch Arbeit am Selbst- und am Weltbild.

Welche kulturellen Kompetenzen brauchen Pädagoginnen und Pädagogen?


Erzieher/-innen und Frühpädagogen/-innen, die Kindern ästhetische Erfahrungen ermöglichen wollen, brauchen eine Ausbildung bzw. ein Studium, in dem sie selbst derartige Erfahrungen machen und eigene Kompetenzen entwickeln können, auch wenn dies nur exemplarisch und nicht für alle Künste möglich ist. Die eigene Erfahrung, etwas künstlerisch entwickelt und präsentiert zu haben, ist eine zentrale Voraussetzung für eine niveauvolle Arbeit mit Kindern. Kunst, Musik, Tanz und Theater sind hier gefragt, was keineswegs nur in Form von Fingerspielen und "Kasperltheater" vor sich gehen kann. Wer zudem Interesse entwickelt an künstlerischen Ausdrucksformen der Gegenwart, wer selbst ein Theater oder ein Museum besucht, wird auch Situationen schaffen wollen, in denen Kinder die Symbolsysteme kennenlernen, zugleich diese aber auch auf eigene Erfahrungen beziehen können. Es geht hier nicht um die Aneignung eines bildungsbürgerlichen Wissens, sondern um das Ernstnehmen der Traditionen und Horizonte, die in den Gestaltungen angesprochen sind, kommuniziert und lebendig dargestellt werden.

Kinder brauchen Lerngelegenheiten, Materialien und Angebote, sie brauchen vor allem aber auch kompetente Pädagoginnen und Pädagogen, die ihnen etwas zeigen, sie auf vielfältige Weise begleiten und ihnen Raum geben, um die kulturellen Bilder und Produktionsformen auf eigene Empfindungen und Erfahrungen hin beziehen zu können. Kinder wollen experimentieren mit ihrem Können und selbst Ideen entwickeln.

Kinder kommen aus unterschiedlichen Lebenswelten und kulturellen Kontexten, die sie gestaltend in eine Gruppe einbringen wollen. Sie haben ein Recht auf eine neue Interpretation der Dinge, auf provisorische "Theorien" und neue Gestaltungsformen, die sie ständig erproben, wenn man ihnen Gelegenheiten gibt und sich für das interessiert, was sie daraus machen.

Prof. Dr. Ursula Stenger ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt auf frühe Bildung. Sie leitet den Studiengang Frühkindliche Bildung und Erziehung an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.