Die wichtige Rolle der UNESCO
Die "Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt"
"Arts Education" ist in Europa angekommen
Naturgemäß erweist sich "arts education" auf internationaler Ebene noch als ein sehr schwach inhaltlich bestimmtes bzw. offenes und vielfältiges Konzept, das je nach den historischen, politischen oder sozialen Gegebenheiten sehr unterschiedlich verhandelt und umgesetzt wird.
2009 verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarates eine Empfehlung "Cultural Education: the Promotion of Cultural Knowledge, Creativity and Intercultural Understanding through Education"
Die Empfehlung des Europarates schlägt auch die Brücke zur Politik der Europäischen Union. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass die Europäische Kommission als Exekutivorgan der EU über keine Primärzuständigkeit in den Bereichen Kultur und Bildung verfügt. Daher müssen sich ihre Maßnahmen auf Aktivitäten, die die Möglichkeiten einzelner Nationalstaaten übersteigen, beschränken.
Auf der Ebene der halbjährlich rotierenden Ratspräsidentschaften ist die EU bereits seit dem Ende der 1990er-Jahre aktiv. So fand 1998 in Bregenz/Österreich die erste europäische Konferenz "A Creative Culture" statt, 2001 folgte "a must or a-muse"
Europäische Förderprogramme
Dienten diese europäischen Veranstaltungen in erster Linie zum Informations- und Erfahrungsaustausch bzw. zur Motivation, den internationalen Empfehlungen auf nationalstaatlicher Ebene zu folgen, so verfügt die EU darüber hinaus über eigene Förderprogramme in den Politikfeldern Bildung, Jugend und Kultur. Trotz der wachsenden Bedeutung, die das Thema "arts education" in den letzten Jahren erhalten hat, gibt es aber bislang keine ausschließlich diesem Politikfeld gewidmete Fördermaßnahme. Die Möglichkeiten der Förderung einschlägiger Aktivitäten, die einen nachvollziehbaren europäischen Mehrwert (wie der Beitrag zur "Europäischen Integration", "transnationale Mobilität", "neue Wirtschafts- und Beschäftigungsformen" ...) beinhalten müssen, ergeben sich vielmehr aus den Bestimmungen des Vertrags von Lissabon. Dieser hält im Art. 167 Absatz 4 die Europäische Union dazu an, bei ihrer gesamten Tätigkeit (also auch in den Bereichen Bildung und Jugend) den kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen, um auf diese Weise die Förderung der Kultur und der kulturellen Vielfalt hinreichend zu berücksichtigen.
Bereits 2004 beauftragte die Europäische Kommission die Forschungseinrichtung Pôle Universitaire Européen de Lorraine mit einer umfassenden Bestandsaufnahme kultureller Bildungsaktivitäten.
Bildungs- und kulturpolitische Grundlagen
Die Grundlage für diese Fördertätigkeit im Bildungsbereich schafft der europäische Referenzrahmen "Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen"
Im unmittelbaren Kulturbereich kann sich die Europäische Union auf die 2007 veröffentlichte "Europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung" berufen.
Als kulturpolitische Schwerpunkte nennt die EU in diesem Dokument
die Förderung der kulturellen Vielfalt und des interkulturellen Dialogs,
die Förderung der Kultur als Katalysator für Kreativität im Rahmen der Strategie von Lissabon für Wachstum und Beschäftigung sowie
die Förderung der Kultur als wesentlicher Bestandteil der internationalen Beziehungen der Union.
Konkret angesprochen ist die kulturelle Bildungsdimension im Zusammenhang der "Förderung der Kreativität in der allgemeinen Bildung durch die Einbeziehung des Kultursektors bei der Nutzung des Potenzials der Kultur als konkretes Input/Tool für das lebenslange Lernen und durch die Förderung von Kultur und Künsten in der nichtformalen und formalen Bildung (auch Fremdsprachenerwerb)". Und auch im Rahmen der Absichtserklärung über die Intensivierung der Außenbeziehungen mit den sogenannten "Entwicklungsländern" ist von einem "Plädoyer für die Einbeziehung der Kultur in die Bildungsinhalte auf allen Ebenen" die Rede.
Verbesserung der europäischen Zusammenarbeit
Zur konkreten Umsetzung hat die EU eine "Offene Koordinierungsmethode" (OCM) gewählt, die die Errichtung dreier Plattformen zu den Themen "Intercultural Europe", "Access to Culture" und "Cultural Industries" vorsieht. Diese Plattformen dienen vor allem der kulturpolitischen Abstimmung zwischen den verschiedenen europäischen Akteursgruppen sowie der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen.
Dazu wurden insgesamt vier Arbeitsgruppen (bestehend aus nationalen Kultur- und BildungsbeamtInnen und ausgewählten VertreterInnen des Kultursektors) eingerichtet, um eine kontinuierlichere Form der transnationalen Zusammenarbeit zu gewährleisten. Diese beschäftigen sich mit "Mobility of Artists and Culture Professionals", "Cultural and Creative Industries", "Mobility of Collections" sowie mit "Synergies with Education, especially Art Education". Letztere Arbeitsgruppe ist für die kulturelle Bildung besonders relevant. Die Arbeitsgruppe hat 2010 einen Bericht
Zur Halbzeit der laufenden Verhandlungen verabschiedeten die EU-Kulturministerinnen und -minister Ende 2010 auf der Basis der bisherigen Ergebnisse der Arbeitsgruppen einen neuen EU-Arbeitsplan für Kultur für die Jahre 2011-2014. Dieser sieht neben der Fortsetzung bereits bekannter Schwerpunkte wie "Kultur- und Kreativwirtschaft", "Kulturelles Erbe, einschließlich Mobilität von Sammlungen", "Kultur und Außenbeziehungen" und "Kulturstatistiken" auch die Themen "Kompetenzen und Mobilität" sowie "Kulturelle Vielfalt, interkultureller Dialog und eine für alle zugängliche Kultur" vor.
Über die aktuellen Verhandlungen im Rahmen der OCM hinausgehend hat die Europäische Union einige Informationsplattformen beauftragt, um auf diese Weise leicht verfügbare Informationen zur Entwicklung dieses noch sehr jungen Politikfeldes aufbereiten zu lassen. So hat das EU-Wissenschaftsnetzwerk Eurydice nach einem umfänglichen gesamteuropäischen Konsultationsprozess erstmalig einen Vergleich zu "Arts and Cultural Education at School in Europe"
Als ein Ergebnis der Konferenz "a must or a-muse" 2001 hat sich ein Europäisches Netzwerk von Kultur- und BildungsbeamtInnen gebildet, das sich in regelmäßigen Abständen zum Informations- und Erfahrungsaustausch bei der Schaffung von Synergien zwischen den nationalen Kultur- und Bildungspolitiken trifft. Die Mitglieder haben u.a. die Initiative "Community of Knowledge on Arts and Cultural Education in Europe (Comace)"
Eine andere, von Europarat und ERICarts gemeinsam betriebene Compendium-Initiative "Cultural Policies and Trend in Europe"
Neben diesen konzeptionellen Versuchen der nachhaltigen Begründung und Vertiefung des Politikfeldes "arts education" in Europa gibt es mittlerweile eine unüberschaubare Anzahl an praktischen transnationalen Kooperationsprojekten. Als nur ein Beispiel sei das Projekt "Artists in Creative Education – Developing a European model for training artists to work with children and young people in schools"
Vom Enthusiasmus zur Professionalisierung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Thema "kulturelle Bildung" vorwiegend unter dem Begriff "arts education" auf europäischer Ebene angekommen ist. Konzeptionell ist der Begriff bislang nur schwach definiert. Der gemeinsame Nenner besteht im Anspruch, die Vielfalt der ästhetischen Ausdrucksformen in jegliche Form der Bildung zu integrieren und damit alle Sinne anzusprechen. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl unterschiedlicher, zumeist historisch gewachsener Grundlegungen (in den unterschiedlichen institutionellen Ausprägungsformen wie Schule, Musik- oder Kunstschule, Jugendzentrum, Kunst- oder Kultureinrichtung) zum Teil noch recht unvermittelt nebeneinander. Die unterschiedlichen Eigenlogiken erschweren die Suche nach strukturrelevanten Gemeinsamkeiten beträchtlich. Dazu kommt ein für diesen jungen Sektor charakteristisches Fehlen verlässlicher Daten- und Faktenlagen, die die Voraussetzung für eine nachhaltige Qualitätsentwicklung wären.
War zuvor von einer strengen Trennung kultur- und bildungspolitischer Angelegenheiten auszugehen, zwischen denen "arts education" leicht verloren zu gehen drohte, zeigt sich heute eine neue politische und auch institutionelle Aufmerksamkeit gegenüber diesem jungen Politikfeld sowohl auf nationalstaatlicher als auch auf europäischer Ebene.
Und so existiert mittlerweile eine unübersehbare Anzahl von Aktivitäten und Initiativen, die mit dem Label "arts education" versehen sind. Die Besonderheit liegt darin, dass die jeweiligen Betreiberinnen und Betreiber nur wenig vernetzt und so auf das besondere Engagement der einzelnen Mitwirkenden angewiesen erscheinen.
Trotz oder gerade wegen der aktuellen Krisenerscheinungen steht zurzeit das "Window of Opportunities" für die weitere Ausgestaltung des Politikfeldes "arts education" in Europa weit offen: Die Voraussetzungen für eine nachhaltige Verbesserung der Rahmenbedingungen sind so günstig wie nie, vor allem wenn es gelingt, den Enthusiasmus mit Hilfe entsprechender Aus- und Fortbildungsangebote in professionelle Bahnen zu lenken. Dazu gehört auch, die nicht nur auf EU-Ebene dominierende euphorisch-idealistische Rhetorik so in praktische Kommunikations- und Kooperationsangebote an andere gesellschaftliche Bereiche zu übersetzen, dass diese dort verstanden und für die jeweilige Praxis genutzt werden können.